Die Affäre Aldo Moro - Giuseppe Ferrara
Verfasst: Di 23. Feb 2010, 21:08
von CamperVan.Helsing
Giuseppe Ferraras Film über die Entführung und spätere Ermordung Aldo Moros durch die Roten Brigaden 1978, die die Frage aufwirft, ob nicht viele Leute insgeheim ganz glücklich waren über das Ausschalten Moros, der ja zu der Zeit am "historischen Kompromiss", der Beteiligung der KPI unter Berlinguer an einer Regierung unter Führung seiner Democrazia Christiana, arbeitete. Für Leute, die auch an den politischen Realitäten Italiens interessiert sind, ist dieser Film ein absolutes Muss, das allerdings vom Zuschauer Vorkenntnisse erwartet, man sollte Namen wie Andreotti, Cossiga, Berlinguer oder die P2-Loge nicht nur kennen, sondern auch zuordnen können.
Hierzulande sind noch zwei weitere "Attentatsfilme" von Ferrara erschienen, nämlich "Die 100 Tage von Palermo" über die Ermordnung des Anti-Mafia-Generals Dalla Chiesa und "Giovanni Falcone" (DVD von Planet Media, nur mit deutschem Ton), die aber dem Moro-Film nicht das Wasser reichen können.
Die Musik stammt von Pino Donaggio. Als Moro brilliert mal wieder Gian Maria Volonté, seinen Sohn Giovanni spielt der spätere Regisseur Sergio Rubini. Außerdem kann man hier Exploitation-erprobte Akteure in ungewohnten Rollen sehen, namentlich Daniele Dublino (wer erinnert sich nicht gerne an Meisterwerke wie "Kidnapping-ein Tag der Gewalt" oder "Lady Sex") als Ministerpräsident Andreotti und Bruno Corazzari (der in "Eiskalte Typen auf heißen Öfen" ein Auge zudrückte) als der DC-Parteisekretär Benigno Zaccagnini.
Das deutsche Tape von RCA/Columbia dürfte zu Spottpreisen abzugreifen sein. Zuschlagen
Re: Die Affäre Aldo Moro - Giuseppe Ferrara
Verfasst: So 8. Jul 2012, 16:41
von Onkel Joe
Meine beiden kleinen machen seit heute für die nächsten 3 Wochen die Via Aldo Moro unsicher
.
Re: Die Affäre Aldo Moro - Giuseppe Ferrara
Verfasst: Fr 11. Jan 2013, 19:12
von Onkel Joe
Re: Die Affäre Aldo Moro - Giuseppe Ferrara
Verfasst: Mi 31. Jul 2013, 00:14
von Santini
Filmkarte zu "Die Affäre Aldo Moro" samt Informationen zu Film und Cast:
- AM1.jpg (857.61 KiB) 232 mal betrachtet
- AM2.jpg (720.01 KiB) 232 mal betrachtet
(Quelle: Video Plus, März 1989)
Re: Die Affäre Aldo Moro - Giuseppe Ferrara
Verfasst: Mi 31. Jul 2013, 10:26
von Onkel Joe
Klasse, gefällt mir
.
Re: Die Affäre Aldo Moro - Giuseppe Ferrara
Verfasst: Do 13. Mär 2014, 17:36
von buxtebrawler
„Wenn die Macht nicht den Menschen dient, nicht von Idealen getragen wird, dann wird jede Macht grausam und unmenschlich!“ (Aldo Moro)
Über die deutsche „Rote-Armee-Fraktion“ hört man häufig, dass sie unabhängig vom Erfolg ihres Tuns und der moralischen Rechtfertigung „nie die Falschen getroffen“ habe, und angesichts Personalien wie der Hanns Martin Schleyers beispielsweise mag das zunächst zutreffend erscheinen; anders stellt es sich bei näherer Betrachtung wiederum beim Attentat auf Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen dar, wobei der Fall nie aufgeklärt wurde und bis heute starke Zweifel an der Verantwortlichkeit der RAF bestehen. Bei ihren „Brüdern im Geiste“, der italienischen „Brigate Rosse“ fiele eine solche Aussage ungeachtet des ihr innewohnenden desillusionierten Zynismus noch wesentlich schwerer, denn diese soll ausgerechnet zu einem Zeitpunkt den amtierenden Ministerpräsidenten der italienischen Christdemokraten, Aldo Moro, umgebracht haben, als dieser die Zusammenarbeit mit der PCI, der kommunistischen Partei, anstrebte und den Austritt aus der NATO befürwortete. Dies geschah im Jahre 1978 und ist Gegenstand des Polit-Dramas „Die Affäre Aldo Moro“ des italienischen Regisseurs Giuseppe Ferrara („Die hundert Tage von Palermo“) aus dem Jahre 1986.
„Wir haben mit dem Angriff auf den Staat begonnen!“
Eine Texttafel informiert zu Beginn des Films grob zusammengefasst über den Hintergrund der folgenden Handlung, die eindringlich den Überfall auf Aldo Moro und seine Begleitung unter inflationärem Maschinengewehrgebrauch zeigt. Moro wird von der „Brigate Rosse“ entführt, wichtige Unterlagen werden aus Moros Autos entwendet. Von nun an wird sich Moro 55 Tage lang in der Gewalt der Terroristen befinden und sich dort vor einem selbsternannten „Volksgerichtshof“ verantworten müssen. Angereichert mit Originalfilmmaterial, rekonstruiert Ferrara diese Wochen, die letztlich die als „Historischen Kompromiss“ bezeichnete Kollaboration der „Democrazia Cristiana“ mit der PCI durchkreuzte und die Regierung in eine tiefe Krise stürzte. Vorsichtig und mit betonter Sachlichkeit analysiert der ehemalige Journalist Ferrara das Verhalten und die Positionen diverser einflussreicher Amts- und Würdenträger zur „Affäre Aldo Moro“ und benennt Ungereimtheiten, ohne vorschnelle Schlüsse zu ziehen, Schuldige zu benennen oder zu suggerieren, sie selbst vollumfassend durchschauen zu können. So findet die Polizei angeblich die Straße nicht, in der laut entsprechender Hinweise Moro gefangen gehalten werden soll, so wird Moro vorschnell für tot erklärt, doch das Bekennerschreiben stammt gar nicht von der „Brigate Rosse“ und, und das ist entscheidend, stellt sich die Politik selbst dann noch quer, als die Terroristen mit ihren Forderungen immer weiter heruntergegangen sind und lediglich noch die Freilassung einer schwerkranken „Brigadistin“ im Austausch gegen Moro fordern. Die sich selbst wenig bescheiden als „revolutionäre Avantgarde“ betrachtende Terrororganisation sieht sich, möchte sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren, gerade gezwungen, Moros Hinrichtung zu beschließen, suggeriert ihm, ihn freizulassen und erschießt ihn schließlich am 9. Mai 1978 in Rom.
Ausnahmeschauspieler Gian Maria Volonté („Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“) spielt Moro als gefassten, freundlichen, gläubigen Mann, der sich vernunftbetont mit seinen Entführern auseinandersetzt und sich schnell mit seiner Situation arrangiert. In Gesprächen politischen Inhalts erweisen sich die „Brigadisten“ nicht nur als manisch, sondern auch als zwar gekonnt Reden schwingend im marxistischen Klassenkampfduktus, jedoch damit nur ihre Unfähigkeit kaschierend, komplexe Zusammenhänge zu überblicken und zu begreifen – und somit letztlich als realitätsfremde Dogmatiker. Das Prinzip der innerhalb der sog. „Strategie der Spannung“ zum Zuge gekommenen Instrumentalisierung linker Gruppierungen für reaktionäre Zwecke findet erstmals Erwähnung, als die „Brigate Rosse“ beteuert, nichts mit einem ihnen zugeschriebenen Bombenattentat zu tun gehabt zu haben und sich Moro daraufhin an einen Putschversuch aus dem Jahre 1964 gegen seine Mitte-Links-Regierung erinnert. Ferrara lässt Moro nun darüber sinnieren, wer aus welchem Grunde ein Interesse daran haben könnte, dass er nicht lebend aus dieser Sache herauskommt – und es fallen ihm eine Menge ein. Ohne direkte Schuldzuweisungen auszusprechen, gelingt es Ferrara, den Zuschauer dafür zu sensibilisieren, wie manch öffentlich verurteilte terroristische Aktivität insgeheim von genau jenen Kräften begrüßt wird, die die Terroristen zu bekämpfen vorgeben, ihnen jedoch in die Hände spielen und sich zu ihren Erfüllungsgehilfen machen.
„Die Affäre Aldo Moro“ lebt viel von Andeutungen, der Zuschauer wird zum Mitdenken und dazu aufgefordert, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Nie lehnt sich Ferrara zu weit aus dem Fenster, er bleibt seiner journalistischen Sorgfalt verpflichtet. Faszinierend ist, wie es ihm gelingt, den dialoglastigen Stoff mit bekanntem Ausgang zu einer hochspannenden Angelegenheit zu machen. Der Film setzt ein gewisses Vorwissen voraus, ist aber durchaus auch geeignet, den unbedarfteren Zuschauer „anzufixen“ und zu eigenen Recherchen zu motivieren. Dabei könnte dann zum Beispiel herauskommen, wie die vorsichtig formulierten Thesen später untermauert wurden: So brachte bereits unmittelbar nach Moros Tod der Journalist Carmien Pecorelli diesen mit der sog. „Strategie der Spannung“ in Zusammenhang sowie mit einer NATO/CIA-Geheimorganisation, die erst 1990 unter dem Namen „Gladio“ aufgedeckt wurde. Moro hatte Kriegspläne der NATO ausgeplaudert und sich ihnen kritisch gegenüber geäußert. Pecorelli wurde nicht einmal ein Jahr nach Moros Tod ebenfalls ermordet. Eine Untersuchungskommission des italienischen Senats kam zu dem Schluss, dass die Geheimdienste in die Entführung involviert waren. Der US-Amerikaner Steve Pieczenik hatte den Krisenstab während der Entführung als Vertreter der US-Regierung beraten und Jahrzehnte später ausgesagt, dass man bewusst die „Brigate Rosse“ zum Töten Aldo Moros instrumentalisiert hätte, um die Kommunisten von der Regierungsmacht fernzuhalten. Und Historiker Daniele Ganser gab zu Protokoll, dass US-Außenminister Kissinger Moro dringend davon abgeraten hätte, die Kommunisten an der Regierung zu beteiligen und ihm sagte, dass er dies bereuen würde. Moro hätte an seinen Plänen festgehalten und wäre auf dem Weg zur Sitzung, während der er sie öffentlich verkünden wollte, entführt worden.
So ergibt sich abermals ein alarmierendes Bild davon, wie außerparlamentarischer Terrorismus und Staatsterrorismus eine unheilige Allianz eingehen. Giuseppe Ferrara ist einer von mehreren mutigen europäischen Filmemachern, die schon früh auf solche und ähnliche Zusammenhänge bis hin zu handfesten Komplotten hinwiesen, die genügend politischen Zündstoff in sich tragen, um die westlichen Demokratien letztlich als Scheingebilde zu entlarven und ihre Souveränität in Frage zu stellen.
(Beim Verfassen dieser Filmkritik habe ich für Hintergrundinformationen auf die deutsche Wikipedia zurückgegriffen und hoffentlich historisch korrekt wiedergegeben.)
Re: Die Affäre Aldo Moro - Giuseppe Ferrara
Verfasst: So 2. Feb 2020, 00:16
von sid.vicious
Eine extrem spannende Thematik von der ich leider so gut wie keine Ahnung habe. Der Film hat mir sehr gut gefallen.