23:30 DIE TOTEN AUGEN DES DR. DRACULA
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ENTLEIN QUÄLT MAN NICHT
(Non si sevizia un paperino) I 1972, 104 Min., OmU, 35mm, R.: Lucio Fulci, D.: Florinda Bolkan, Barbara Bouchet, Tomas Milian, Irene Papas
Die Polizei und Journalist Martelli ermitteln in einem kleinen apulischen Bergdorf, in dem die Leichen dreier minderjähriger Jungen gefunden wurden. Erst gerät der Dorftrottel ins Visier, dann behauptet die Dorfhexe, die Kinder mit ihren übersinnlichen Kräften getötet zu haben. Auch eine reiche Städterin, die gern mit Knaben flirtet, bringt sich in Verdacht. Unterdessen gärt in der Landbevölkerung eine feindselige Stimmung, die von Aberglauben und Katholizismus flankiert auch vor Lynchjustiz nicht zurück schreckt...
Bevor er mit seinen Zombiefilmen berühmt-berüchtigt wurde, machte sich Lucio Fulci vor allem mit virtuosen Thrillern einen Namen. Die Verwurzelung der Moderne im Morast ihrer archaischen Vergangenheit ist ein wiederkehrendes Thema des Regisseurs, das hier seine deutlichste Ausformulierung erfährt, wenn bereits in der Eröffnungssequenz die Leichenteile vor den Betonpfeilern der Autobahnbrücke ausgegraben werden. Im Gegensatz zu den meist psychologisch motivierten Einzeltätern des nocturne-urbanen Giallo identifiziert Fulcis tagheller, galliger Provinzschocker die Taten als historisches Erbe einer vom Fortschritt übergangenen Umgebung, in der zwischen Tradition, Religion und Politik eine unheilvolle Verflechtung wuchert.
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ESCALATION
I 1968, 93 Min., dF, 35mm, R.: Roberto Faenza, D.: Claudine Auger, Lino Capolicchio, Gabriele Ferzetti, Didi Perego
Luca, Sohn eines italienischen Großindustriellen, gibt sich in London dem Hippie-Leben zwischen Beat, psychedelischen Bildern und buddhistischen Meditationen hin. Das passt dem Vater gar nicht, der ihn zu seiner Firma nach Mailand beordert, wo er im Betrieb mithelfen soll. Die Zwangseingliederung missglückt: Der Sohn rebelliert, landet in der Nervenheilanstalt, reißt von dort aus und wird von den Detektiven des Vaters zurückgeholt. Der probiert nun eine neue Strategie und setzt eine intellektuelle Psychologin auf Luca an, die ihn umgarnen und anpassen soll, dabei aber bald auch in den Augen des Vaters übers Ziel hinaus schießt...
"Escalation heißt Ausweitung, in jeder Beziehung." In seinem gesuchten Debütfilm lässt Roberto Faenza (COPKILLER) diametrale Lebensauffassungen aufeinander prallen. Zwischen zielstrebiger Arbeitsmoral, Selbstverwirklichung im Müßiggang sowie philosophischen und psychologischen Pirouetten zeichnet er mit den Stilmitteln der Pop-Art ein skurriles Zeitbild des bewegten Jahres 1968. Eher alberne Schlenker und überstrapazierte Symbolik stehen dabei neben genialen visuellen Einfällen, während musikalisch die beschwingten Klänge des großen Ennio Morricone den Takt vorgeben.
Einführung: Bennet Togler
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DIE TOTEN AUGEN DES DR. DRACULA
(Operazione paura) I 1966, 83 Min., dF, 35mm, R.: Mario Bava, D.: Giacomo Rossi Stuart, Erika Blanc, Fabienne Dali, Piero Lulli
Der Gerichtsmediziner Dr. Paul Eswai wird zur Durchführung einer Autopsie in ein abgelegenes Dorf gerufen, in dem sich mysteriöse Todesfälle häufen. Eswai geht zunächst von Selbstmord aus, doch die von Furcht gelähmten Dorfbewohner vermuten hinter dem Spuk den Geist eines toten Kindes. Die Spuren führen Eswai schließlich auf das geheimnisvolle, halbverfallene Schloss der Baronesse Graps...
Ein Hauptwerk des gotischen Gruselfilms, das den trotz stets geringer Budgets zum stilprägenden Genre-Ästheten avancierten Mario Bava auf dem Höhepunkt seiner gestalterischen Fähigkeiten zeigt. Der Entwurf eines halluzinatorischen Alptraumreichs, das von Anzeichen unheilvoller Entrückung gesäumt ist: Wendeltreppen schrauben sich ins Nichts, Kinderschaukeln bewegen sich wie von Geisterhand und große Augen stieren durch verdreckte Fensterscheiben, während dunkle Schatten, Nebelschwaden und Spinnweben die Gemäuer umranken. Ein kunstvoll-barockes Schauermärchen, virtuos gemalt mit den leuchtenden Farben der Nacht und des Kinos. Zu sehen als farbenprächtige Agfacolor-Kopie.
Einführung: Thomas Groh
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RÄCHER DER MEERE
(Il giustiziere dei mari) I/F 1961, 88 Min., dF, 35mm, R.: Domenico Paolella, D.: Richard Harrison, Michèle Mercier, Roldano Lupi, Marisa Belli, Walter Barnes, Paul Müller
Australien im 18. Jahrhundert: Als er unter den auf dem "neuen Kontinent" exilierten Sträflingen seinen totgeglaubten Vater wiedererkennt, entbrennt zwischen dem britischen Marineoffizier David Robinson und seinem ausbeuterischen Vorgesetzten Redway ein Streit. Robinson wird wegen Meuterei verhaftet. Auf der Flucht aus dem Gefängnis fällt er Piraten in die Hände, denen er sich nach anfänglichem Zaudern anschließt – in der geheimen Hoffnung, Vergeltung zu üben...
Für den Piratenfilm italienischer Provenienz war Domenico Paolella, was John Ford für den amerikanischen Cowboyfilm war: Ein Mann, von seinem bedingungslosen Glauben an die Konsequenz und die Aufrichtigkeit des Kinos in die glückliche Lage versetzt, im Herzen seiner zwar bescheiden produzierten, doch immer stolzen Genrefilme eine selten glückliche Ehe von Noumena und Phänomena einfädeln zu können. RÄCHER DER MEERE ist eine seiner anmutigsten Schöpfungen, ein gleichermaßen luzides wie ephemeres Ballett der Emotionen, der Bewegungen und der Elemente, eine lichtdurchdrungene Feier des filmischen Augenblicks.
Vorab: Trailershow
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DER KAMPFGIGANT
(Double Target) I 1987, 92 Min., dF, 35mm, R.: Bruno Mattei, D.: Miles O'Keeffe, Donald Pleasence, Bo Svenson, Kristine Erlandson
Der Vietnam-Krieg ist längst beendet, doch ein geheimer Spezialauftrag führt Veteran Bob Ross noch einmal zurück in den Dschungel. Dort trifft er auch seinen während des Krieges geborenen Sohn wieder, doch zunächst werden alle einheimischen Soldaten und ihre sowjetischen Berater, die sich ihm entgegen stellen, kompromisslos aus dem Weg geräumt. „Kampfgigant“ Ross zieht eine Spur aus Feuer, Blut und Tod durch den Dschungel...
Selbst in der Plagiatswelle der 80er ging kaum jemand so schamlos vor wie Exploitation-Legende Bruno Mattei. Er drehte eigene Versionen von ZOMBIE, ALIENS oder ROBOCOP. Mit DER KAMPFGIGANT nahm er sich RAMBO 2 vor und stellte einige Szenen und Dialoge unverändert nach. Der Clou von Matteis Film liegt im übersteigert-entfesselten Charakter des Szenarios und dem selbstvergessenen Hinwegsetzen über alle Limitierungen: Explosionen, Schießereien, Stunts und Helikopter-Flüge werden exzessiv ausgekostet - es kracht und knallt und raucht, dass es nur so eine Art hat. Ein schundiges Vergnügen, das trotz geringer Mittel aus allen Rohren feuert. Der schäbige Liebreiz der Unternehmung wird von einer angemessen primitiven Synchro abgerundet.
Einführung: Pelle Felsch
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RINGO KOMMT ZURÜCK
(Il ritorno di Ringo) I/E 1965, 96 Min., dF, 35mm, R.: Duccio Tessari, D.: Giuliano Gemma, Lorella De Luca, Fernando Sancho, Nieves Navarro, George Martin
Nach dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs kehrt Captain Montgomery Brown, genannt Ringo, hoffnungsvoll in seine Heimatstadt zurück. Dort hat sich jedoch in der Zwischenzeit eine mexikanische Gangsterbande eingenistet, die die Bewohner der Stadt unter der Fuchtel der Gewalt hält – und Ringos Frau Helen als Leibeigene ihres Anführers.
Keine Fortsetzung, sondern eine mutwillige Kontradiktion der kecken Wildwest-Posse EINE PISTOLE FÜR RINGO, die Duccio Tessari im gleichen Jahr drehte, ist RINGO KOMMT ZURÜCK - ein bedrohlich gärender, schwarzer Koloss aus Verrat, Intrige und Manie. Tessari – melancholischer Sardoniker par excellence - findet die Welke der Menschenseele auch dort, wo andere längst scheu wegsehen würden und schürft im Staub der Prärie nach unaussprechlichen Begierden und Lebenslügen, bis sich der Schmerz im schwindelerregenden Crescendo von Ennio Morricones Musik erst entlädt und dann in bleiernes, aber gnädiges Schweigen zurückfällt. Ein niederschmetterndes Vergnügen.
Vorab: Trailershow
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BORA BORA
I/F 1968, 98 Min., dF, 35mm, R.: Ugo Liberatore, D.: Haydée Politoff, Corrado Pani, Doris Kunstmann
Als seine Frau Marita von einem Südseeurlaub nicht mehr zurückkehren will, fliegt Roberto nach Bora Bora, um sie zu finden und, wie er hofft, zurückzuholen. Marita jedoch hat sich in einen Insulaner verliebt und ist entschlossen, auf den Inseln zu bleiben. Obwohl Roberto sie bereits auf der Anreise mit einer deutschen Hostess betrogen hat, kämpft er mit zunehmend unlauteren Mitteln um Marita...
"Rassistische Ideologie" wollte der katholische Filmdienst 1968 in diesem Film erkannt haben. Rückblickend fügt er sich nahtlos ein in die Kette idiosynkratischer Sittengemälde des Weltenbummlers Ugo Liberatore, dessen Filme oft mit polemischer Konsequenz den selbstverständlichen Rassismus westlicher Kulturkreise vorführten. In BORA BORA erliegt er zwar dem Reiz seiner exotischen Schauplätze, beobachtet jedoch aus den Augenwinkeln mit unverhohlener Ironie seine erzeuropäischen Figuren, die an Polynesien in schlechtester Kolonialherren-Manier ihre Komplexe auslassen. "Was wunderst du dich, dass deine Reisen dir nichts nützen, da du dich selbst mit herumschleppst?", fragte schon Sokrates.
Einführung: Christoph Draxtra
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COP HUNTER
(Italia a mano armata) I 1976, 97 Min., OmeU, 35mm, R.: Marino Girolami, D.: Maurizio Merli, Raymond Pellegrin, John Saxon, Mirella D'Angelo
Der aufbrausende Kommissar Betti ist bei seinen Vorgesetzten ebenso gefürchtet wie in der Turiner Unterwelt: Seine Methoden sind rabiat und bestenfalls zweifelhaft – wo er hinfasst, wächst kein Gras mehr. Als eine Gangsterbande einen Schulbus voller Kinder entführt, vermutet Betti seinen liebsten Feind, den kriminellen Kaufmann Albertelli, hinter dem Anschlag. Rücksichtslos funktioniert er die Ermittlungen zu einer Vendetta um...
COP HUNTER kann als exemplarisch gelten für die reaktionäre Variante des "film poliziesco", des italienischen Polizeifilms. Wurde das Genre in seinen frühen Tagen noch eher von linksliberalen Filmemachern dominiert, die sich reflektiert mit dem Verhältnis zwischen Bürgern und Kriminellen, zwischen Staat und Polizei auseinandersetzten, fand in der Figur des prügelnden Kommissar Betti der Wutbürger einen Advokaten, der selten zögerte, mit Kriminellen kurzen Prozess zu machen und die Tat hinterher als Notwehr zu kaschieren – im festen Glauben, das Gesetz zu vertreten. Im von politischer Korruption, Verarmung der unteren Klassen, wachsender Kriminalität und den Anschlägen der roten Brigaden erschütterten Italien der 1970er feierte diese asoziale Figur in insgesamt drei Filmen einen kurzen Triumph – um wenig später mit ihrem ikonischen Haupdarsteller Maurizio Merli wie ein Geist der Geschichte wieder zu verschwinden.
Einführung: Sano Cestnik
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IM NETZ DER GOLDENEN SPINNE
(Missione speciale Lady Chaplin) I/E/F 1966, 102 Min., dF, 35mm, R.: Alberto De Martino, D.: Daniela Bianchi, Ken Clark, Helga Liné, Jacques Bergerac
Vor der spanischen Mittelmeerküste verschwindet ein U-Boot des amerikanischen Militärs. Als man das Wrack auffindet, ist die Besatzung tot und die gefährliche Fracht – sechzehn nukleare Sprengköpfe – verschwunden. Die Suche nach den Dieben führt Geheimagent 077 Dick Malloy zu der geheimnisvollen Lady Chaplin, einer flamboyanten Lebedame, der er durch halb Europa folgt.
Nicht nur mit der Dienstnummer des ermittelnden Geheimagenten hängt sich MISSIONE SPECIALE LADY CHAPLIN unverhohlen an die Erfolgswelle der James-Bond-Filme, die Mitte der 1960er Jahre eine wahre Flut an südeuropäischen Imitationen nach sich zogen. Heute erzählt der von Sandalenfilm-Veteran Alberto De Martino elegant inszenierte Film in seinem Schwelgen in den Texturen seiner Zeit viel davon, wie sehr man damals die Bond-Filme vor allem als Trendsetter wahrnahm - als Modenschau, als Weltausstellung, als Souvenir-Auslage und als Konzert. In der Unbekümmertheit, in der De Martinos Film eben diese Wahrnehmung zum Prinzip erhebt, lässt er sein Dasein als bloßer Trittbrettfahrer hinter sich und lacht den aufwändigeren britischen Vorbildern ins Gesicht.
Vorab: Trailershow
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DAS NACKTE CELLO
(Il merlo maschio) I 1971, 85 Min., dF, 35mm, R.: Pasquale Festa Campanile, D.: Lando Buzzanca, Laura Antonelli, Lino Toffolo, Gianrico Tedeschi
Niccolo Vivaldi ist ein frustrierter Cellist bei einem Veroneser Orchester. Geplagt von Neurosen und Minderwertigkeitskomplexen, fühlt er sich von allen übergangen und ignoriert. Außer von seiner Frau Constanza, die er aber nicht recht ernst nimmt. Das ändert sich bei einer Kur, wo er die positiven Reaktionen der anwesenden Männer mitbekommt, als Constanza sich bei einer ärztlichen Untersuchung entkleidet. Als Ehemann dieser Schönheit erfährt er plötzlich die ersehnte Anerkennung, was schnell dazu führt, dass er sie zu immer verrückteren exhibitionistischen Spielen anstachelt, um in der Bewunderung der anderen für seine Frau endlich zu sich selbst zu kommen...
Eine italienische Erotikkomödie als hintersinniges freudianisches Lustspiel, das einerseits bei allem Genuss an irrwitzigen Überzeichnungen mit psychologischer Tiefe überrascht, andererseits aber bewährte Zutaten des Genres in schmackhafter Würze darbietet: Frivole Dialoge, haarsträubende Situationen, antiautoritäre Seitenhiebe und erotische Enthüllungen. Die eigentliche Entdeckung des Films ist aber der sonst oft nur in Nebenrollen besetzte Lando Buzzanca, der den armen Tropf mit solcher Inbrunst gibt, dass man ihm von der depressiven Talfahrt bis zur himmelhochjauchzenden Erregung gerne folgt.
Einführung: Lukas Foerster
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DIE NÄCHTE SIND VOLLER GEFAHREN
(Le notti dei Teddy Boys) I 1959, 83 Min., dF, 35mm, R.: Leopoldo Savona, D.: Alessandra Panaro, Ennio Girolami, Corrado Pani, Massimo Girotti
Drei Jungens in den Flegeljahren, die sich selbst überlassen sind: Constantinos Eltern vergnügen sich lieber getrennt mit ihren Liebhabern, Mario verachtet wie seine bereits in die Prostitution geflohene Schwester die kleinbürgerliche Enge zu Hause, und Nino hat die Eintönigkeit des Landlebens hinter sich gelassen, um sich in der Stadt in Abenteuer zu stürzen. Nun streifen sie gemeinsam durch die Nächte. Doch vom neugierigen Belauschen der Liebespaare in den am Stadtrand geparkten Autos bis zur gezielten Erpressung ertappter Ehebrecher ist es nur ein kleiner Schritt, den sie zur Aufbesserung des Taschengeldes schnell zu tun bereit sind...
Ähnlich wie im bundesdeutschen Kino kam auch in Italien ab Mitte der 50er Jahre zunehmend die von der Elterngeneration zugleich misstrauisch beäugte und allein gelassene Nachkriegsgeneration auf die Leinwände. „Halbstarken-Filme“ bildeten ein eigenes kleines Genre, das sich zwischen Sozialkritik, Humor, Moralisierung und dem mitunter sensationslüsternen Auskosten des „Großstadtsumpfs“ den vermeintlichen oder tatsächlichen Problemen der Jugend annahm. Zu sehen ist ein rarer, nie auf Video erschienener Vertreter.
Einführung: Andreas Beilharz
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OPERA
I 1987, 105 Min., OmeU, 35mm, R.: Dario Argento, D.: Cristina Marsillach, Ian Charleston, Daria Nicolodi, Urbano Barberini
Die junge Opernsängerin Betty glaubt zu träumen, als ihr durch einen Zufall die Hauptrolle in einer avantgardistischen Inszenierung von Giuseppe Verdis "Macbeth" an der Oper von Parma zufällt. Ihre Freude findet jedoch bald ein jähes Ende: Ein Unbekannter, der einst ein sadomasochistisch-voyeuristisches Verhältnis zu Bettys Mutter unterhielt, treibt sein mörderisches Unwesen im Opernhaus und zwingt das Mädchen, seine blutigen Untaten mitanzusehen – im festen Glauben, in der Tochter nicht nur das Ebenbild, sondern auch die Nachfolgerin der Mutter gefunden zu haben...
OPERA lässt die lebenslange Obsession seines Regisseurs mit der Polymorphie des Sehens in einem für den Zuschauer wie für die Protagonistin des Films chronisch unzuverlässigen Szenario gipfeln: In Argentos Oper, einem fragilen Kartenhaus des Unterdrückten und Verborgenen, scheint jedes Lebewesen und jedes Ding zum Sehen befähigt zu sein – Übermacht eines Gefüges, in dem das Individuum hilflos ist, weil es nur mit Begehren und mit Neid belegt wird. Am Ende entlässt Argento Betty aus der gleichmütigen Schwärze des Opernhauses in das lichte Idyll der Schweizer Alpen, dem Wahnsinn ihrer eigenen Unschuld näher denn je.
Einführung: Oliver Nöding