Das Hofbauer-Kommando schlägt wieder zu
Verfasst: Mi 30. Dez 2015, 18:26
15. außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos
Der werte Leser dieser Zeilen mag sich fragen: Was zur Hölle soll das denn bitte für eine Veranstaltung sein?! Wir zitieren dazu drei langjährige Stammbesucher aus ihren Online-Rückblicken vergangener Kongresse:
„Zwei- bis dreimal im Jahr strömen Filmfreunde nach Nürnberg, in PKW-Fahrgemeinschaften aus Berlin oder Köln, mit Flugzeugen von Glasgow oder Wien, mit tödlich früh abfahrenden Fernbussen aus Aachen oder Jena. [...] Sie tun das wegen eines außergewöhnliches Filmfestivals, das seit knapp vier Jahren eine wachsende Anhängerschaft begeistert: der "Hofbauerkongress".
Seine Geschichte begann im Frühling 2011. Ein kleiner Kreis von Freunden im Umfeld des Kommkinos und des Filmblogs "Eskalierende Träume" traf sich in Nürnberg zur gemeinsamen Sichtung extravaganter Filme. In ihrer fantasievoll überschwänglichen Art nannten sie diese anfangs noch privaten Treffen ironisch-hochstaplerisch "Kongresse" und gaben sich den Namen "Hofbauerkommando", nach einem ihrer Lieblingsregisseure.
Ernst Hofbauer ist vor allem für seine Schulmädchenreporte bekannt, doch um den Fixstern "Sexfilm" kreisen bei ihm die verschiedensten Himmelskörper. Wie auf den Kongressen, die bald öffentlich wurden und sich anschickten, ihre eigene, völlig andere deutsche und auch internationale Filmgeschichte zu schreiben.
Die Kongresse richten ihren kundig liebevollen Blick auf Filme, die oft seit Jahrzehnten unbeachtet oder gar verfemt waren. Manche sind so kurios, abseitig und unperfekt wie B-Seiten von Single-Schallplatten. Manche sind sie aber auch einst viel geliebte Kostbarkeiten, deren Neuentdeckung lange reif war. [...] Es ist ein Wechselbad der Gefühle, eine Mentalitäts-Experience, eine Zeitreise durch die unterdrückt erregte, schwarzweiße Beklommenheit der frühen Sechziger Jahre, den schwimmtierbunten Pop der Sixties, die fantasievolle, entgrenzende Wildheit der Seventies, die klobige Aufgetakeltheit der Achtziger Jahre. [...] Über Filme schreiben viele der Besucher. Vertreter nahezu jedes relevanten deutschen cinephilen Print- oder Onlinemagazins tummeln sich auf den Kongressen.
Es entsteht ein besonderes Geflecht der Sympathie und des Interesses für die Filme und einander. Antennen fahren raus, die Rezeptoren blinken auf, Reizüberflutung und Übernächtigung machen die Stimmung vertrauensvoll und hysterisch. Es wird angeregt geredet, gealbert und gelacht. Man setzt sich mit dem Geist der Filme, ihrer Zeit und ihren Menschen auseinander, und man erzählt von sich. [...] Zu der verschworenen Atmosphäre trägt bei, dass das Festival so sehr selbsterdacht, originell, leidenschaftlich, independent und low budget ist. Reich an Geld und Zeit sind weder die Veranstalter noch die Gäste. Beide Seiten nehmen vieles auf sich; keiner will mehr einen Kongress ausfallen lassen. Die organisatorische Hauptarbeit liegt in den Händen der jungen Filmexperten Andreas Beilharz und Christoph Draxtra: Recherche, Beschaffung, Restaurierung, manchmal sogar die Untertitelung der Filme: Kämpfe und Mühen!“ (Silvia Szymanski)
"Es geht eigentlich um eine Neueinschätzung von Filmgeschichte. Verfemte oder „illegitime“ Filme stehen im Mittelpunkt. Man nähert sich ihnen mit einer lustvollen, neugierigen Haltung jenseits der als gültig erachteten, überlieferten Parameter der Filmgeschichte. Was aber erfrischend un-tarantino-esk ausfällt. [...] Befasst man sich derart konzentriert mit Filmen, die eine snobistische Cinephilie keines Blickes würdigen würde, wird der eigene Blick ziemlich frei. Man merkt erst, wie diskursiv verstellt der Zugriff auf Filmgeschichte oft ist und was es jenseits der üblichen Sortierungen zu entdecken gibt. [...] Die Kongressvorführungen [zählen] zu den lebendigsten, fröhlichsten und unzynischsten, die ich je erlebt habe." (Thomas Groh)
"Ein weiterer zentraler Aspekt: Die Kongressfilme zählen auch in materieller Hinsicht zu den Vergessenen des Kinos. Das Hofbauer-Kommando führt seine Entdeckungen, so weit möglich, als 35-mm-Kopien vor. Schon deshalb, weil die meisten dieser Filme nie digitalisiert wurden und – angesichts der geringen Mittel, die derzeit dafür zur Verfügung stehen – es wohl auch nie werden; die warten in den hinteren Regalen der Archive auf ihren endgültigen Verfall. Man sieht da, ganz buchstäblich, einem Teil der Filmgeschichte beim Sterben zu, teils in immer noch beglückend leuchtenden Farben, teils aber auch durch rotstichige Schlieren hindurch." (Lukas Foerster)
Ein ganzes Jahr ist vergangen seit dem letzten außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos – ein zermürbend langes Jahr voller Aufopferung und Entsagung, voll klammer Hoffnung und scheuer Sehnsucht, in dem die Kongressbesucher immer wieder erwartungsvoll auf uns vier Kommandanten blickten, in ihren hungrigen Blicken ein unmissverständliches „Wann?!“.
Nun ist es soweit! Das einzigartige cinephile Liebhaberfestival, das bereits in epd-Film, Cargo und im Bayerischen Rundfunk gewürdigt wurde, kehrt zurück! Endlich werden wieder obskure, sonderbare, erotische, charmante und zwielichtige Entdeckungen und Raritäten ans Licht geholt. Teilt mit uns die infiniten Freuden der Verstrahlung, des 35mm-Materials, den Fleiß des Begehrens und den Preis der Lust! Wälzt euch im Schmier und lasst ihn in euch einwirken, denn er wird euch guttun! Erlebt ENDLICH wieder mit uns pulsierende Ekstasen der Sinne und zuckende Konvulsionen des Zwerchfells, denn das gibt’s, wie stets, nur einmal - das kommt nie wieder!
Höhepunkte sind neben dem obligatorischen Fokus auf das bundesdeutsche Kino der 60er bis 80er Jahre ein Pariser Striptease-Duett, das gerade jetzt umso mehr die hedonistisch-lustvolle Seite der Stadt feiert, sowie eine kleine Hommage zum 80. Geburtstag des legendären italienischen Regisseurs Joe D'Amato.
Unter den Links in der nachfolgenden Übersicht werden die einzelnen Filme in vom Hofbauer-Kommando verfassten Ankündigungstexten vorgestellt. Wir bedanken uns bei Silvia Szymanski, die Vorfreudetexte zu DIE SPANISCHE FLIEGE und DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT beigesteuert hat, und bei Florian Widegger, der für uns im BLUE ANGEL CAFÉ war. Bei Facebook gibt es außerdem eine Veranstaltungsseite zum Festival.
PROGRAMMÜBERSICHT:
Donnerstag, 07.01.2016
17:00 „Die Einäugige“ (35mm-Überraschungsfilm)
21:15 Love in Action – Zieh mich aus, Herzchen *
23:30 Tabus der Nackten *
Freitag, 08.01.2016
15:00 Die spanische Fliege
17:15 Skandalöse Emanuelle – Die Lust am Zuschauen
21:15 Das Spukschloss im Salzkammergut
23:30 Der triste Überraschungsfilm*
Samstag, 09.01.2016
15:00 Hörig bis zur letzten Sünde
17:15 Die Girls vom Crazy Horse
21:15 …und noch nicht Sechzehn *
23:30 Blue Angel Café
Sonntag, 10.01.2016
17:15 Die Perle der Karibik *
21:15 Die Spalte *
23:30 Mädchen beim Frauenarzt *
An allen Tagen ist jeweils gegen 2 Uhr ein nächtlicher Überraschungsfilm geplant (darunter der „stählerne Überraschungsfilm“) und am Montag, 11.01., um 21:15 Uhr eine Wiederholungsvorstellung. Vor den mit * markierten Filmen gibt es zudem Trailershows oder Vorfilme, nähere Infos in den entsprechenden Ankündigungstexten.
TICKETS:
Einzelticket: 6 Euro.
2-Tageskarten: 35 Euro.
3-Tageskarten: 50 Euro.
Dauerkarten: 60 Euro.
Reservierungen unter: reservierung[at]kommkino.de
Zu unserem Special:
EVVIVA JOE D'AMATO! DAS HOFBAUER-KOMMANDO GRATULIERT ZUM 80.
Joe D'Amato (bürgerlich Aristide Massaccesi) war ein rastloser Macher: Kameramann (unter anderem bei Alberto De Martino, Mario Bava, Jean-Luc Godard und Massimo Dallamano), Cutter, Drehbuchautor, Produzent und Autorenfilmer. Er selbst bestritt Letzteres, aber irgendwo und irgendwann in seiner aus Not und Leidenschaft uferlosen Filmographie hatte er selbst den Über- und Blick über und auf sein eigenes Werk verloren. Ein Werk, das nicht erst unter den Augen des Kenners und Genießers Distinktion gewinnt. Dem Hofbauer-Kommando wuchs er schon früh inniglich an Herz und Hose, als unvergleichlicher Meister der Fugenkunst, als aufrechter Fackelträger eines sinnlich-lebendigen, inspirierten Filmhandwerks, das oft lässig den bestehenden Rhythmen hinterher tanzte, und hinter seinem eigenen, sehr wohl profunden Verständnis des Kinos, seiner Formen und der Affekte, die es auslösen kann. Filme wie AMORE SPORCO, TOP MODEL, UNDICI GIORNI, UNDICI NOTTI und POMERIGGIO CALDO legten in der bewegten HK-Vergangenheit zu Fuß Zeugnis ab von D'Amatos aufreizend unbekümmerter Nonchalance, mit der er aus zunächst gewöhnlichen Genrefilmen alles Mechanische und Automatische herausnehmen und die so entstehenden Lücken mit dem zu füllen verstand, was nach Auffassung des Hofbauer-Kommandos schon immer tragisch unterschätzt wurde als ein wesensbestimmender Schlüssel zur Psyche und Seele der Filmmagie: Dem unschuldigen und fragilen, dem edlen und anmutigen, beständig changierenden Nichts - dem unergründlichen Klangkorpus in dem, mal laut, mal leis, die Freuden des Vulgären und die Leiden der von Begierden verworrenen Menschenseele lange und elegisch nachhallen. Weil wir in grenzreligiöser Zuversicht davon überzeugt sind, dass die Kongresse jedem, der sie regelmäßig besucht, früher oder später die befreiende, stimulierende und zutiefst befried(ig)ende Bedeutung dieses reichhaltigen und sublimen Nichts offenbaren werden, wollten wir uns Joe schon länger einmal ausführlicher widmen – ihm und seinen Ultrakunstwerken eines billigen Kommerzfilms, der geborgen und glücklich in den Armen der teuren Kinokunst liegt und friedvoll schlummert. Im Jahr 2016 des Herrn wäre Joe D'Amato 80 Jahre alt geworen. Wir sind uns sicher: Lebte er noch, er würde noch immer drehen und hätte längst die 300 geknackt! Das Hofbauer-Kommando nimmt sich dieses ganz besondere anniversario zum Anlass, ein Trio seiner Filme zur Aufführung zu bringen, die den umtriebigen Joe in ganz unterschiedlichen Schaffensphasen zeigen – in 35mm, auf der großen Leinwand. Dort, wo seine Filme, naturgemäß lange im Gefängnis einer VHS-Hülle eingesperrt, eigentlich hingehören. Wir gedenken zudem, diesem Geburtstagsspecial in der näheren Kongresszukunft eine Fortsetzung folgen zu lassen, denn die D'Amatianische Filmforschung ist gerade erst in ihrem seit Dekaden überfälligen Entstehen begriffen. Kommt und feiert mit uns einen singulären "total filmmaker", der das Hofbauer-Kommando und sein Filmverständnis entscheidend geprägt hat!
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
Expose Me, Lovely, USA 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Armand Weston, D.: Jennifer Welles, Eve Adams, Catharine Burgess
Vorab: XXX-Trailershow (Nur für Erwachsene!)
Wollten Sie schon immer wissen, warum man Privatdetektive in der nie um HK-Relevanz verlegenen amerikanischen Alltagssprache "private dicks" nennt? Neben vielen anderen intimen Einblicken in die zwielichtige Welt der femmes fatales und Privatdetektive wird uns der XXX-Klassiker des 15. Kongresses gewiß auch diese pikante Frage naßforsch beantworten. Wie der famose AFAA-Preisträger Armand Weston bereits mit seinen inspirierten, dunklen Porno-Thrillern THE TAKING OF CHRISTINA und THE DEFIANCE OF GOOD stoßkräftig unter Beweis stellte, war ihm Genrekino lieb und teuer. EXPOSE ME, LOVELY (1976) ist sein ersprießlicher Versuch eines "sex-driven film noir", in dem Rusty Knight, ein äußerlich smarter, doch innerlich schmieriger Spürhund der Schleimspur eines verschwundenen Mannes durch das ranzige New York der 70iger folgen muss, im Auftrag der kühlblonden Schwester des Gesuchten, die sich selbstverständlich erst der ausfüllenden und aufreibenden Qualitäten des private dick versichert, bevor sie ihn mit einem neuen Fall aus der Umklammerung ihrer Schenkel entlässt. Um des Vermissten habhaft zu werden, ist Rusty jedoch gezwungen, noch an so manch weiterer Muschel zu horchen und reichlich Seim zu schlecken, denn feucht und haarig ist des Rätsels Lösung!
Eine deutsche Erstaufführungskopie in verführerischen Agfa-Farben, unter dem Titel "Love in Action" und laut Christian Keßler mit einer Synchronisation, die unter anderem Elmar Wepper aufbietet, wird am Fr. 07.01. um 21:15 Uhr den Kongress offiziell eröffnen. Im Vorprogramm: Eine Zusammenstellung zeitgenössischer 35mm-XXX-Trailer aus dem Bestand des AB-Filmverleihs, der seinerzeit EXPOSE ME, LOVELY vertrieben hat.
TABUS DER NACKTEN
TABUS DER NACKTEN
Paris erotika, F 1963, 71 Min., DF, 35mm, R.: José Bénazéraf, D.: Dick Randall, Bonne Campbell, Cosette Blanche
Vorfilm: Bevor der Strip stirbt (BRD 1966, 14 Min., 35mm, R.: Günter Weiss-Thiele)
Dem melancholischen Zauber der COVER GIRLS erlagen wir alle beim 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos, der existenzialistischen Erotik des HEISSEN STRANDS bei unserem 1. auswärtigen Sondergipfel. Im Rahmen unseres sex-positiven Sonderprogramms "Paris! Vive la vie sexy!" kehrt nun der große José Bénazéraf zu uns zurück, um in Cinemascope und Farbe mit den TABUS DER NACKTEN (1964) zu brechen. 24 Stunden eines Amerikaners in Paris (so einer der Originaltitel) erzählt dieses Frühwerk des "Godard du X", in dem sich die mühselig bezähmten, alsbald jedoch ungestüm eskalierenden Begierden eines amerikanischen Lebenmanns an den üppigen Mädchen-Auslagen der Pariser Amüsierbetriebe entzünden. Unser geliebter Onkel Fürchtegott, der katholische Filmdienst, fand dafür ausdrucksstarke Worte: "Seine lüsternen Schweinsäuglein entdecken von der Seinestadt nicht mehr als die diversen Nachtlokale. Kann er dort dem Striptease nicht zuglotzen, giert er nach jeder schlanken Mädchenhüfte, die an ihm vorbeiwiegt, sei es bei einer Mißwähl (sic!), im Bistro oder im Hotel. (...) Dreist betätschelt er wildfremde Frauen, findet aber nirgendwo Anschluß." Selbigen werden wir indes sicherlich finden in dieser mutmaßlichen Bonbonniere des Flaneursfilms, der wir mit ganz besonderer Freude entgegenfiebern, seit wir im Sommer des vergangenen Jahres eine 35mm-Kopie des überaus seltenen Films aus den schmutzigen Tiefen der Porno-Scheune von Schwaben bergen konnten.
Bedauerlicherweise konnten wir hingegen FERIEN AUF EINER INSEL, jenen Nudisten-Kurzfilm, den der Brummer-Filmverleih seinerzeit zusammen mit Bénazérafs Hauptfilm an die BALI-Kinos auslieferte, nicht ausfindig machen. Stattdessen zeigen wir vorab eine unserer jüngsten Kulturfilm-Errungenschaften: BEVOR DER STRIP STIRBT (Günter Weiss-Thiele, 1966), dessen geheimnis- und klangvoller Titel allein ihn gewiß als Vorfilm für Bénazérafs Reigen des Strip und Strap prädestiniert. On se déshabiller le 07 janvier a 23:30!
DIE SPANISCHE FLIEGE
DIE SPANISCHE FLIEGE
BRD 1955, 94 Min., 35mm, R.: Carl Boese, D.: Joe Stöckel, Rudolf Platte, Elisabeth Flickenschildt
Ich habe diesmal unverhofft die Ehre, den ersten Aufriss schreiben zu dürfen und fühle mich geworfen, von grellem Scheinwerferlicht geblendet. Es ist ein Samstagvormittag, ich liege noch in meinem Arbeitsbett, draußen schneiden zwei urig-attraktive Landschaftsgärtner die Hecke. Jenseits dieser Hecke und des Wäldchens aber liegt, tief im Deutschland des Jahres 1955, die kleine Filmstadt Daxburg.
Dort haben gerade vier Herren der besseren Gesellschaft (ich hoffe, es handelt sich hierbei nicht um das Hofbauer-Kommando!) entdeckt, dass sie zwanzig Jahre lang für ein und dasselbe Kind Alimente gezahlt haben. Diese vier „Angstväter“ - der Schaufensterpuppenfabrikant Heinrich Klinke, der Lederwarenfabrikant Breilmann, der Modehausbesitzer Hugo Sommer und der Sägewerksbesitzer Hartmann - haben alle damals in der Nachtbar „Clou“ mit der „Spanischen Fliege“ geschlafen. Sie war dort Tänzerin und hat längst die Stadt verlassen. Doch nun, nach 20 Jahren, wo die Herren schon gutsituiert im Stadtrat sitzen, droht alles ans Licht zu kommen.
Die Posse „Die spanische Fliege“ wurde 1913 für die Bühne geschrieben und war dort ein Renner. Was man gut verstehen kann. Man blickt hinter die Kulissen eines gemütlichen Städtchens, und hinter jedem Türchen sitzt ein anderer Mann in seinem erschummelt honorigen Leben, mit einer bedrohlichen, sexuellenVergangenheit im Nacken, nass vor Angstschweiß: Das will man sehen! Der Regisseur, Carl Boese, hat 1920 mit Paul Wegener zusammen den „Golem“ inszeniert, war aber seit den Dreißigerjahren eher in der leichten Muse fleißig. Hits wie „5 Millionen suchen einen Erben“ mit Heinz Rühmann und „Hallo Janine“ mit Marika Rökk waren bis ins Omafernsehen der Sechziger Jahre allgegenwärtig, und in der „Spanischen Fliege“ spielen triste Stars wie Rudolf Platte, Ursula Herking, Elisabeth Flickenschildt, Hans Richter, Ruth Stephan… aber der Filmdienst schimpft! Ein derbes Volksstück sei das, voller grober Zweideutigkeiten, ein plattes Spiel mit dem Schmuddeligen. „Es muß hier einmal ganz offen gefragt werden, wie es zuging, daß auch diese traurige Leistung des deutschen Filmlustspiels, deren man sich tatsächlich schämen muß, durch die Zusage einer staatlichen Bundesbürgschaft finanziell ermöglicht wurde. (…) Der Film reizt keinen Erwachsenen zu unsittlichen Taten; ihm solches zuzumuten, hieße ihm zuviel Ehre antun. Aber hier ist jene Grenze überschritten, die zwischen der Verletzung des guten Geschmacks und der Verletzung des sittlichen Empfindens besteht. Es herrscht eine bedenkliche Atmosphäre, die, ohne nackte Unmoral ins Bild zu bringen, jedes moralische Gefühl erweicht und unterhöhlt. An solchen Filmen sollte man nicht achselzuckend vorübergehen, man muß ihre Gesinnung schärfstens anprangern.“ Meine Herren! Das macht schon sehr, sehr neugierig.
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
Voglia di guardare, I 1986, 84 Min. DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Lilli Carati, Laura Gemser, Aldina Martano
Die Lust am Zuschauen, so der Original- und deutsche Titel von SKANDALÖSE EMANUELLE (1986), war schon immer ein wesentliches Element in den Filmen des tiefenentspannten Softporno-Maestros Joe D'Amato, dem Voyeurismus als höchste Sphäre der Lust galt. Nach Decamerotici, Italowestern, Kriegsknüppeln, Horror-Reißern und Inselfilmen schuf Joe in den abgeklärten Ruinen des italienischen Exploitationfilms Mitte der 1980iger Jahre einen vier Filme umfassenden Zyklus dunkler Erotik-Melodramen, die er im Italien der 1930iger Jahre, mitten im blühenden Faschismus, ansiedelte. Abgründige, oft interfamiliäre Begehrlichkeiten, perverse Projektionen und das peinvolle Mäandern zwischen Materialität und Spiritualität des Sex waren der Stoff, aus dem Joe hier in überlebten Landhäusern morbide Tagträume webte. "Is this a Joe D'Amato film or a Douglas Sirk film?" fragt ein IMDB-Rezensent angesichts des urmelodramatischen Naturells dieser Filme ganz zurecht, denn selten zeigte Joe sich reifer und erzählerisch souveräner, vollends befähigt, komplexe und erwachsene Geschichten durch weichgezeichneten Sex zu erzählen. VOGLIA DI GUARDARE mag manchem zu schwermütig geraten sein und keinen ähnlich bizarren Plot aufweisen wie seine intensiven Vorgänger L'ALCOVA (1984) und IL PIACERE (1985), doch das Hofbauer-Kommando frohlockt nichtsdestotrotz angesichts der aromatischen Verheißung, endlich der irisierenden Villenfilmwelten des eklektischen Joe sowie der genießerisch dargebotenen Strapse der heißen Lilli Carati und der süßen Jenny Tamburi am Fr. 08.01. um 17:15 Uhr in den kühlheißen Farben einer deutschen 35mm-Agfa-Kopie ansichtig zu werden. Venite alla villa a vedere l'abisso dei piaceri!
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
BRD 1966, 81 Min., 35mm, R.: Hans Billian, Rolf Olsen, D.: Udo Jürgens, Hannelore Auer, Manfred Schnelldorfer
Ein Urlaubs-, Heimat-, Weißrössl-, Spukschloss- und Schlagertraum und -trauma, bei dem alte Kongresshasen und -häschen viele liebe Bekannte wiedertreffen werden. Die unglaublich fesche, draufgängerische Hannelore Auer wird wieder unbekümmert im wippenden Kleidchen winken, lachen und sich für nichts zu schade sein. Der freche Dialog- und Drehbuchdachs Hans Billian (leider nicht unumstritten!) wird ihr schlüpfrige Worte in den Mund legen. Auf dem Regiestuhl hat neben ihm schon Platz genommen: Profibär „Blutiger Freitag“ Olsen. Er spielt sogar mit – ich bin gespannt! Besonders freue ich mich persönlich auch auf den erotisch tapsigen Eiskunstläufer, Sänger, Cabriofahrer und Labradorwelpen Manfred Schnelldorfer. Jedoch! Es wird für manchen unter uns auch Prüfungen geben. Die Lieder werden oft nach im Kneipenzigarettenqualm versunkenen Musicboxen miefen. Die vergessenen „Candy Kids“, zwei echte brasilianische Kinder, wird man trüb und müde über ihre Reise mit der „Bimmelbahn, so lang sie bimmeln kann“ berichten hören. Und auch dass Peggy March musikalisch über die tausend Steine klagt, die die Welt verliebten Teenagern in den Weg legt, zeigt, dass DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT Unangenehmes nicht ausspart - komplizierte Liebesbeziehungen, Missgunst im Showgeschäft, den kulturellen Kampf zwischen U und E, selbst in den Körpern jungverliebter Paare (Udo Jürgens, Gertraud Jesserer): Künstler am Limit! Die Konkurrenten sägen neidisch Brücken an, schütten Kollegen Wasser in die Blasinstrumente, treiben sie mit Gruselmaskeraden in den Wahnsinn. Unsere strengen, großen und studierten Brüder vom film-dienst und dem evangelischen Film-Beobachter rümpften die Nasen. Dumm sei das, albern, zu klamaukig und klamottig. „Zu bewundern ist, mit welcher Selbstverständlichkeit die ältesten Ladenhüter der Zelluloidbranche und die albernsten Scherzchen für neu verkauft werden“, schrieben sie spitz, „doch neu ist nichts, gekonnt ist nichts, und jegliche Logik war beurlaubt, von einem noch so bescheidenen Restchen von Geist gar nicht erst zu sprechen.“
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
von Joe D’Amato, ca. 90 Min., DF, 35mm
Unter Palmen am blauen Meer entfalten sich in unserem tiefenentspannten "tristen Überraschungsfilm" verführerisch flüsternd geheimnisvolle Begierden und unsittliche Riten. Im Wendekreis der Fugenkunst auf ein dominikanisches Eiland geworfen, trüben die Protagonisten unseres #TrÜF ratlos und erregt durch ein exotisches Wunderland der Sinnlichkeit, vorgeblich auf der Suche nach verschwundenen Menschen, in erster Linie aber natürlich nach sich selbst. Welch glückliche Fügung, dass die karibische See sie just in die vertrauensvollen, anheimelnd geduldigen Hände des großen Joe D'Amato spülte, der noch auf jede sexistenzialistische Frage eine weise Antwort hatte. Onkel Fürchtegott war indes freilich anderer Auffassung und geißelte dieses Meisterwerk des HK-kernrelevanten Genres des Inselfilms unnachgiebig: "Dem Alphabet fehlt leider noch ein Buchstabe, um nach üblicher Handelsart die Güteklasse dieses Machwerkes zu bestimmen. (...) Das dilettantisch gespielte und streckenweise in Reiseprospektform gekurbelte Filmchen versucht unter beträchtlichem Einsatz von akustischen Beigaben kriminalistische Spannungsfäden und exotischen "Zauber" zu entwickeln. Doch alles läuft hinaus nur auf eine abstoßende Addition von breit ausgespielter Pornografie und verschiedenen Scheußlichkeiten."
Wir glauben fest daran, dass hier lediglich der katholische Rezensent "nach üblicher Handelsart" an der bestrickenden Oneironautik des Films scheiterte und lecken uns bereits die Finger, den Geschmack von Kokosmilch und Südfrüchten am Gaumen, den hypnotischen Sound von Bongos im Ohr. Erfreut euch mit uns an der Kraft der Ruhe und der Ruhe der Kraft, wenn wir am Fr. 08.01. um 23:30 Uhr einen der möglicherweise wichtigsten Filme von Joe D'Amato in den dekorativ angerosteten Eastmancolor-Farben einer geschundenen Südtiroler 35mm-Kopie auf die KommKino-Bildwand werfen! Vorab eine kurze Einführung zum Film und eine Joe-D’Amato-Trailershow.
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
BRD 1969, 81 Min., 35mm, R.: Lothar Gündisch, Hans Billian, D.: Horst Naumann, Carine Christian, J.P. Dornseif
Mit Frivolitäten gewürzte Räuberpistolen sind die Leib- und Magenspeise des Hofbauer-Kommandos. Von uns liebevoll als „Frühschmier“ bezeichnet, macht den Reiz dieser zumeist im Gewand der Krimi-Kolportage daher kommenden schwarz-weißen Sittendramen und Milieureißer bevorzugt der mittleren 60er Jahre aus, dass sie moralische Grenzüberschreitungen und erotische Begehrlichkeiten noch nicht in aller Deutlichkeit ausformulieren durften, sich aber umso erfinderischer auf beiläufig eingestreute Anzüglichkeiten und Andeutungen verstanden. Man findet auch ungefilterten Straßenrealismus und rüde Alltagssprache in diesen rohen Sündentraktaten, von denen manche mit Schmiss und Schmackes auf Rabauken und Rabatz setzten und andere mit machtvoll trüber Fotografie die Abgründigkeit finsterer Noir-Erzählungen beschworen. Auch der 15. Kongress ist mit zwei Exemplaren dieser unverzichtbaren Gattung angereichert. Beim Ersten deutet schon die Verzögerung des Kinostarts an, dass es sich im Zuge der 1970 längst aufbrandenden Aufklärungs- und Reportfilmwelle um ein bereits leicht aus der Zeit gefallenes Werk handelt: 1967 in Produktion gegangen, erfolgte im Herbst 1969 die FSK-Prüfung und schließlich erst ein ganzes Jahr später im Herbst 1970 die Uraufführung, weil man offensichtlich nicht recht wusste, wie man zu dieser Zeit noch einen schwarz-weißen Sittenkrimi unters Volk bringen konnte. Nach den Arbeitstiteln ANWALT DES TEUFELS und NACKT WIE ER SIE WOLLTE sollte mit HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE der finale Kinotitel noch etwas aus- und aufrichten.
Die Mitte der 60er für die Music-House-Schlagerfilme als Regisseure tätigen Hans Billian und Lothar Gündisch übernahmen gemeinsam das Ruder, während HK-Kultgott Günter Hendel das nicht um ersprießliche sprachliche Blüten verlegene Drehbuch („Quasseln Sie nicht wie ein Intellektueller - Sie sind Polizist!“) rund um einen missglückten Banküberfall und die mit amourösen Intrigen verbundene Jagd nach dem Versteck der Beute beisteuerte. Statt des in diesem Fall seine Abkanzelung arg einfallslos vortragenden Onkel Fürchtegott lassen wir lieber Christian Witte zu Wort kommen: „Da ist Billian & Gündisch ein schön ausschweifend-fieses, exploitativ-knalliges Werk des hingerotzten Nihilismus gelungen, das durchweg durch sexy Modder latscht und zum Schluss Blut dort reinschießen lässt - weil es jetzt (1970) endlich erlaubt ist und man somit den moralischen Zeigefinger dezent bei der Leine halten kann. Ein wirklich spaßiger Reißer - Crime & Tits in Black & White, frech ausgekotzt über den bundesdeutschen Mief.“
Nach zähen Verhandlungen freuen wir uns umso mehr, den Film als Auftakt des dritten Kongresstages am Sa. 09.01. um 15 Uhr ankündigen zu können.
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
Crazy Horse de Paris, F 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Alain Bernardin, D.: John Lennox, Lova Moor, Rosa Fumetto
Als "Hauptstadt des Lasters und der Unzucht" bezeichneten die Daesh-Barbaren nach den Anschlägen Paris, jene 'Stadt der Liebe', der ein kleines Special zu widmen das Hofbauer-Kommando bereits vor einem halben Jahr beschloss. Durch den vorläufigen Ausfall einer anlassgebenden potenziellen Wiederentdeckung war der Plan zunächst vertagt, doch nach dem 13.11.2015 war klar, dass man jetzt ganz bewusst daran festhalten musste. Der Menschenverachtung und Lustfeindlichkeit der pseudo-religiösen, bigotten Faschisten, denen schon aufgrund ihrer bestialischen Frauen- und Kinderversklavungen keinerlei moralischer Fingerzeig zugestanden werden sollte, setzen wir mit zwei ausgewählten Paris- und Stripfilmen eine Feier der fröhlichen "Unzucht", des zeigefreudigen "Lasters" und des genussvollen Flanierens durch die erotischen Attraktionen des Nachtlebens entgegen: "Vive la vie sexy!"
Denn, aus Überzeugung und nicht nur Fassade: The Show must go on! Und wo könnte sie das besser, als im Crazy Horse de Paris? Jenem legendären Varieté-Nachtclub, dessen ausgeklügelte Striptease-Choreographien die "L'art du Nu" so stilvoll zelebrieren, dass der Connaisseur genießt und schweigt - oder sich in angeregte Kurven-Diskussionen versteigt. Lange bevor der große US-Institutionen-Dokumentarist Frederick Wiseman 2011 dem Crazy Horse auf geradezu schwelgerische Weise einen seiner ganz wenigen nicht in den USA angesiedelten Filme widmete, war es 1976 Eigentümer Alain Bernardin selbst, der sein 1951 gegründetes Etablissement ins Zentrum einer vom Geschmack des Werblichen unterfütterten Kinounternehmung stellte und die Figur eines schottischen Zeitungsreporters als Interviewer durch sein Reich führen ließ. Sogar der Filmdienst notiert zu den sinnlichen Reizen des daraus resultierenden DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE und den zugrundeliegenden Darbietungen anerkennend: "Auf einer kleinen Bühne zeigen gutgewachsene junge Frauen zu gepflegter Musik und raffinierten Lichtspielen originell choreografierten Striptease. Nie gleitet Bernardins Show ins Geschmacklose oder gar Peinliche ab: Ästhetik und Erotik geben sich hier ein "prickelndes" Stelldichein."
Anfang September schlenderten bei einem Paris-Urlaub zwei Hofbauer-Kommandanten, ein ergebener Hofbauer-Gefolgsmann und ein verehrter HK-Geburtshelfer eher zufällig an der Fassade des Crazy Horse Saloons vorbei - ein wenig überrascht von der unscheinbaren äußerlichen Anmutung und ein wenig betrübt darüber, dass am werktäglichen Nachmittag naturgemäß die Türen verschlossen blieben. An einem Nürnberger Nachmittag jedoch, am Sa. 09.01. um 17:15 Uhr, werden sich jene Türen nun endlich genauso geschmeidig öffnen wie die Vorhänge der Kinoleinwand und die unzüchtigen, Tanzstangen-umschlingenden Schenkel der lebenslustigen GIRLS VOM CRAZY HORSE.
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
BRD 1968, 90 Min., 35mm, R.: Peter Baumgartner, D.: Rosy-Rosy, Helen Vita, Peter Capra
Vorab: Trailershow
Rosy ist sexy, noch nicht sechzehn und lebt als Herumtreiberin auf der Straße. Dort lernt sie vor einem Nachtclub den einfühlsamen Studenten Rolf kennen. Fragile Bande jungen Liebesglücks werden im Schneetreiben geknüpft, doch schon bald geraten Rosy und Rolf in den Wirkungskreis des kriminellen Jonny, der Rosy in seinem Dienst zurück auf die Straße schicken will.
Der tragischerweise einzige Langfilm des Kameramanns Peter Baumgartner ist seit seiner Aufführung im Rahmen des 6. Hofbauer-Kongresses 2012 ein ganz besonderer Lieblingsfilm des Hofbauer-Kommandos und ein "Meisterwerk des psychotronischen deutschen Kinos" (Oliver Nöding). Ungebrochen aufregend finden wir, wie in diesem "niveaulosen Reißer" (Onkel Fürchtegott) zart knospende Gefühle vor der HK-immanenten Kulisse des winterlichen Münchens in rohem Schwarzweiß herzzerreißend an den Realitäten eines längst von Abhängigkeiten und Nihilismus ausgehöhlten subkulturellen Mikrokosmos zerschellen. Die blutjunge Rosy-Rosy strahlt als scheuer Stern der Nacht in diesem profund melancholischen Jugenddrama, dem die Nouvelle Vague sichtbar im Hinterkopf herumspukt. Den lakonischen Tonfall für diesen anrührend kleinen Film der erschreckend großen Gefühle gibt unser geliebtes HK-Glamour-Girl Helen Vita im Film als Nachtclubsängerin und Mutter der Gefallenen pointiert vor: "Wenn ich meinen Humor nicht hätte, würde ich mich totlachen."
Am Sa. 09.01. um 21:15 Uhr werden wir also endlich diesem anmutigen Film wiederbegegnen und erfüllen damit ein altes Versprechen: 2014 schon als ausgewiesener Höhepunkt unseres 1. auswärtigen Sondergipfels beim Filmkollektiv Frankfurt programmiert, musste der Film in letzter Minute gecancelt werden – die fragliche Filmkopie war vom Erdboden verschwunden. Zu unser aller unermesslichem Glück ist sie zwischenzeitlich wieder aufgetaucht und wird uns den auf DVD leider um geschlagene 15 Minuten gekürzten Film und seine "somnambule Atmosphäre unter Vergnügungssüchtigen" (Oliver) noch einmal in seiner vollständigen 35mm-Pracht nahebringen.
BLUE ANGEL CAFÉ
BLUE ANGEL CAFÉ
I 1989, 89 Min., DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Tara Buckman, Richard Brown, Rick Anthony Munroe
Sometimes life is so easy when it's over with your man unless you wake up and you're still in love...
Angie ist Nachtclubsängerin. Sie hat genau ein Lied drauf (das sich im Lauf des Films ins Hirn frisst) und ist damit ziemlich erfolgreich. Sie lernt den aufstrebenden und verheirateten, aber sexuell frustrierten Politiker Raymond kennen. All diese drei Eigenschaften verkehren sich mit der Affäre der beiden rasch ins Gegenteil und vom erträumten Luxusleben bleibt bald nichts mehr. Wieder muss Angie wieder Geld beschaffen, weil das Karriereende den Mann in den Alkoholismus treibt. Aber dann kommt doch wieder alles anders …
Eigentlich müsste ich Joe D'Amato ja böse sein. Von diesem Film kannte ich jahrelang nur die Titelsequenz: Schummriges (blaues) Licht in einer Bar, ein recht gefälliger 80ies Popsong dazu, und eine Dame mit Hut, die diesen inbrünstig zum Vortrag bringt. Was habe ich geträumt davon, wie dieser Film sein könnte! Vielleicht nur an diesem Ort spielend, wo allerlei Menschen im Laufe einer Nacht stranden, sich für ein paar Stunden finden und hoffnungslos-trüben Softsex miteinander treiben? Und wie anders ist all das geworden … Als ich kurz nach dieser Erstbegegnung nach Wien gezogen bin, fuhr ich manchmal an einem Lokal mit demselben Namen vorbei, und ich glaube, es handelte sich dabei ebenfalls um ein einschlägiges Etablissement, aber beim Googeln fand ich jetzt nur mehr den Verweis auf ein Restaurant in South Lake Tahoe. Das aber liegt in Kalifornien und Joe D'Amato hat, wie wir wissen, in den späten 80ern New Orleans und Louisiana zu seiner Walstatt erkoren.
So geht es nach knapp 15 Minuten im Nachtclub raus in die ziemlich hässliche, durchgepolsterte 80er-Jahre-Welt der Mächtigen und Schönen. Auf Cocktailparties, in Schönheitssalons, in teils pittoresk ausgestattete Häuser und Wohnungen. Über allem liegt der Mief. Schlimmer sind nur die Yuppies, die den Film bevölkern. Angie macht zunächst keine Ausnahme: Sie umgarnt Raymond erst aus Kalkül, verliebt sich dann aber tatsächlich in ihn – was zu einigen der schönsten Szenen im Film führt, wenn beide den erdrückenden Sets entfliehen, sich am Hafen austoben und zumindest für diese Augenblicke von einem anderen Leben träumen können. Auch der Sex wird dann ganz anders: Vorher dominierte das Verrucht-Abenteuerliche – eigentlich kaum anzusehen sind die Verrenkungen am Garderobentisch oder in einer Badewanne, später wird’s eher zärtlich-bieder. Als Zuckerl für die Fans gibt’s gen Ende auch einen Gastauftritt von Laura Gemser hinter der Fotokamera beim Nackt-Shooting, fast schon wie in alten Zeiten.
I still dream of you...
Ich denke nicht, dass Joe D'Amato die Menschen mag, die er in diesem Film zeigt. Aber zumindest für Angie, die das Zentrum bildet, scheint er Sympathien zu haben. Nach Jessica Moore und Valentine Demy ist Tara Buckman die dritte Hauptdarstellerin in seinem New-Orleans-Zyklus und sie ist von allen (später kamen noch ein paar andere hinzu) die toughste und zielstrebigste, was sie vor allem im Nachfolgerfilm „High Finance Woman“ unter Beweis stellt. Wie sich zeigen wird: Angie muss, obwohl sie nach Außen hin die starke Frau markiert, ziemlich viel über sich ergehen lassen, auch und gerade von dem Menschen, den sie liebt. Ganz gleich, ob man „Blue Angel Cafe“ als bissige Satire, als verunglückte Romanze oder trist-gelangweilten Zeitgeist-Kommentar sieht, er bleibt – trotz enttäuschter Erwartungen – einer meiner liebsten D'Amato Filme, in dem erneut all das zusammenkommt, was sein Werk zu dieser Zeit ausmachte: Alles läuft etwas gedämpfter und abgeklärter ab als in den 70ern. Angies Tränen am Ende des Films, wenn sie noch einmal ihr Lied anstimmt, zeigen eine Frau, die vielleicht wieder genau da angekommen ist, wo sie zu Beginn des Films war - aber völlig bewusst, reicher an Erfahrung, bereit für den nächsten Lebenskampf: Blue angels never cease to fly...
DIE PERLE DER KARIBIK
DIE PERLE DER KARIBIK
BRD 1981, 81 Min., 16mm, R.: Manfred Stelzer, D.: Diethard Wendtland, Alisa Saltzman, Alfred Edel
Vorfilm: Weihnachten bei einer Gastarbeiterfamilie (BRD 197?, 15 Min., 16mm)
Als „Monarch“ leerte der charismatische Rheinisch-Crooner Diethard Wendtland in den späten 70ern die Spielautomaten der Republik. Schon in dem gleichnamigen Dokumentarfilm-Meisterwerk von Johannes Flütsch und Manfred Stelzer erwies er sich als brillianter Schauspieler. Wandelbar wie ein Chamäleon, lässig und selbstsicher steckte er nicht nur die gewonnenen Münzen in seine extragroßen Jackettaschen, sondern auch betrunkene Kneipengäste und feindlich gesonnene Wirte. Der Wechsel ins Spielfilmfach erschien da nur folgerichtig. Wieder unter Stelzers Regie, erscheint DIE PERLE DER KARIBIK wie eine skurrile MONARCH-Fortsetzung. Denn der Weg ist kurz vom keuschen Münzkaufmann zum Lexikon-Vertreter, der dem Liebesverzicht endlich ein Ende machen will. Doch das ist nicht so einfach, wenn bei deutschen Grazien nichts zu holen ist. Aber es gibt Rettung, Heiratsvermittler Alfred Edel sei Dank. Die heiratswillige Exotin Beanboat von einer Insel über dem Winde eilt rasch herbei, voller Vorfreude und mit passablen Deutschkenntnissen. Foreigner welcome. Doch die anfängliche Euphorie trübt schnell ein. Die liebenswürdige Beanboat wird für Diethard zum Fluch der Karibik, in einem unbarmherzigen Moloch der enttäuschten Erwartungen. Wolfram Schütte befand seinerzeit treffend: „Da zielt ein Satiriker, und er trifft auch (nicht nur Popanze).“ Komödie? Tragödie? Es ist kryptisch und vage, wie das Leben selbst. Der Regisseur selbst bezeichnete dieses Kleinod als „traurige Komödie“. Vielleicht im Sinne von Oscar Wilde. Für ihn war das Leben eine Komödie für jene, die denken, aber eine Tragödie für jene, die fühlen.
DIE SPALTE
DIE SPALTE
BRD 1971, 86 Min., 35mm, R.: Gustav Ehmck, D.: Gerhild Berktold, Axel Schiessler, Werner Umberg
Vorfilm: Die Pfütze (BRD 1961, 13 Min., 16mm, R.: Herbert M. Franck)
Ein "Sozialreport" von der Münchner Freiheit, der davon erzählt, wie es Mädchen ergehen kann, die aus Erziehungsheimen fliehen und als entlaufene Fürsorgezöglinge auf der Straße stranden. Sozialethisch desorientierte Minderjährige, hilflos und vertrauensselig, und damit leichte Beute für skrupellose Ausbeuter, die in ihnen wenig mehr sehen als "spaltbares Material", das gewinnbringend in den Verwertungskreislauf zu überführen ist. Wo noch kindliche Unschuld waltet, macht sich zunächst ein "professioneller Aufreißer" ans Einführungswerk, später fungieren Geldscheine als Eintrittskarten...
Der von Regisseur Gustav Ehmck ursprünglich geplante Titel war SOPHIE, während der Verleih nach Gottfried Benn den Titel ICH WEISS, WIE HUREN UND MADONNEN RIECHEN erwog, der trotz seiner beträchtlichen Schmierpoesie der Länge wegen wieder verworfen wurde. Letztlich lief es auf DIE SPALTE hinaus, dessen schonungslos verdinglichender Tonfall allerdings bestens zu einem Film passt, in dem es um die Degradierung zum menschlichen Gebrauchsgegenstand als einträgliches Geschäft geht. Die "Spalte" als Funktionsapparat, der im Gegensatz zum Münzschlitz kein Geld schlucken, sondern ausspucken soll und dafür einiges wegstecken muss. Im zentralen Höhe- und Kulminationspunkt des Films werden zu den Klängen der Musik aus einem griechischen Lokal die Vorgänge im darunter liegenden Keller zu einer Symphonie schwindelerregend montierter, freudlos-nüchtern protokollierter Kopulationen im Akkord: Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf, Beischlafvollzug, Entladung, Reißverschluss zu, Beine zu, Tür zu, eilige Säuberung, erschöpftes Durchatmen, Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf,… Eine derart unerbittliche Sequenz über den mechanischen Verrichtungscharakter gewerbsmäßiger Massenbegattung hat es im Kino selten gegeben. Zu den Anhängern des singulären Werks zählt Klaus Lemke, und das Hofbauer-Kommando kann sich nur dem Urteil des Münchner Werkstattkinos anschließen: "Ein unglaublicher Film!"
Um unserem Lehrauftrag Folge zu leisten, werden wir am So. 10.01. um 21:15 Uhr vor DIE SPALTE außerdem den schwarz-weißen FWU-Kurzfilm DIE PFÜTZE zeigen. Ein Triebtäter im Anzug macht sich darin mit eindeutigen Absichten an einen spielenden Knaben heran. Es ergeht die freundliche Aufforderung an unsere Besucher, sich mit diesem finsteren Doppelprogramm über die Abgründe nicht-konsensueller Kohabitation kundig zu machen.
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
BRD 1971, 82 Min., 35mm, R.: Ernst Hofbauer, D.: Monika Dahlberg, Christine Schuberth, Jutta Speidel
Vorfilm: Von Liebe ganz zu schweigen (BRD 1978, 35 Min., 16mm, R.: Michael Bückner)
Einer meisterhaft voyeuristisch verdichteten Erzählperspektive bediente sich unser glühend verehrter Namenspatron 1971 für eines seiner bestialischsten chef-d’œuvres: MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT. Um sein riskantes Panorama zarter, weiblicher Exempel eine durchdringend lustbehaftete Aura ammoniakgetränkter Anteilnahme ausdünsten zu lassen, versetzte er die wissbegierigen Zuschauer wortwörtlich in die Gänsehaut des unverbindlich faszinierten Gynäkologen Dr. Wolf Romberg, auf dessen gleichnamigem BRAVO-Report die ungeheuerliche Kolportage fußt. Das herzerweichende Sexual-Folgegeschehen und gewagte Einblicke in schmerzgeplagte Lustkanäle präsentieren sich in Ernsts experimentierfreundigstem Report-Film durch die subjektive Kamera geradewegs aus der verständnisvollen Perspektive des berufsmäßigen Frauenverstehers, was Tim Lucas zu der Bemerkung veranlasste, es handele sich bei diesem auch an die sachliche Urteilskraft des progressiven Observanten appellierenden Bilderreigen flügge werdender Unschuld vermutlich um Hofbauers "most conspicuous grab for auteur status". Eine kontroverse Aussage, deren Wahrheitsgehalt wir am letzten Kongresstag, So. 10.01. um 23:30 Uhr intensiv erforschen und hingebungsvoll entblättern werden. Im Vorprogramm ein lieblich-tristes Juwel aus der FWU-Bibliothek: VON LIEBE GANZ ZU SCHWEIGEN (1979) heißt ein hinreißend mahnendes Kleinbürger-Drama über ungewollte Teenager-Schwangerschaft, welches wir in authentischer 16mm-Projektion als lehrreiches Komplementärstück zur tiefengynäkologischen sleaze-en-scène des Hofbauerianischen Traktats reichen werden.
Der werte Leser dieser Zeilen mag sich fragen: Was zur Hölle soll das denn bitte für eine Veranstaltung sein?! Wir zitieren dazu drei langjährige Stammbesucher aus ihren Online-Rückblicken vergangener Kongresse:
„Zwei- bis dreimal im Jahr strömen Filmfreunde nach Nürnberg, in PKW-Fahrgemeinschaften aus Berlin oder Köln, mit Flugzeugen von Glasgow oder Wien, mit tödlich früh abfahrenden Fernbussen aus Aachen oder Jena. [...] Sie tun das wegen eines außergewöhnliches Filmfestivals, das seit knapp vier Jahren eine wachsende Anhängerschaft begeistert: der "Hofbauerkongress".
Seine Geschichte begann im Frühling 2011. Ein kleiner Kreis von Freunden im Umfeld des Kommkinos und des Filmblogs "Eskalierende Träume" traf sich in Nürnberg zur gemeinsamen Sichtung extravaganter Filme. In ihrer fantasievoll überschwänglichen Art nannten sie diese anfangs noch privaten Treffen ironisch-hochstaplerisch "Kongresse" und gaben sich den Namen "Hofbauerkommando", nach einem ihrer Lieblingsregisseure.
Ernst Hofbauer ist vor allem für seine Schulmädchenreporte bekannt, doch um den Fixstern "Sexfilm" kreisen bei ihm die verschiedensten Himmelskörper. Wie auf den Kongressen, die bald öffentlich wurden und sich anschickten, ihre eigene, völlig andere deutsche und auch internationale Filmgeschichte zu schreiben.
Die Kongresse richten ihren kundig liebevollen Blick auf Filme, die oft seit Jahrzehnten unbeachtet oder gar verfemt waren. Manche sind so kurios, abseitig und unperfekt wie B-Seiten von Single-Schallplatten. Manche sind sie aber auch einst viel geliebte Kostbarkeiten, deren Neuentdeckung lange reif war. [...] Es ist ein Wechselbad der Gefühle, eine Mentalitäts-Experience, eine Zeitreise durch die unterdrückt erregte, schwarzweiße Beklommenheit der frühen Sechziger Jahre, den schwimmtierbunten Pop der Sixties, die fantasievolle, entgrenzende Wildheit der Seventies, die klobige Aufgetakeltheit der Achtziger Jahre. [...] Über Filme schreiben viele der Besucher. Vertreter nahezu jedes relevanten deutschen cinephilen Print- oder Onlinemagazins tummeln sich auf den Kongressen.
Es entsteht ein besonderes Geflecht der Sympathie und des Interesses für die Filme und einander. Antennen fahren raus, die Rezeptoren blinken auf, Reizüberflutung und Übernächtigung machen die Stimmung vertrauensvoll und hysterisch. Es wird angeregt geredet, gealbert und gelacht. Man setzt sich mit dem Geist der Filme, ihrer Zeit und ihren Menschen auseinander, und man erzählt von sich. [...] Zu der verschworenen Atmosphäre trägt bei, dass das Festival so sehr selbsterdacht, originell, leidenschaftlich, independent und low budget ist. Reich an Geld und Zeit sind weder die Veranstalter noch die Gäste. Beide Seiten nehmen vieles auf sich; keiner will mehr einen Kongress ausfallen lassen. Die organisatorische Hauptarbeit liegt in den Händen der jungen Filmexperten Andreas Beilharz und Christoph Draxtra: Recherche, Beschaffung, Restaurierung, manchmal sogar die Untertitelung der Filme: Kämpfe und Mühen!“ (Silvia Szymanski)
"Es geht eigentlich um eine Neueinschätzung von Filmgeschichte. Verfemte oder „illegitime“ Filme stehen im Mittelpunkt. Man nähert sich ihnen mit einer lustvollen, neugierigen Haltung jenseits der als gültig erachteten, überlieferten Parameter der Filmgeschichte. Was aber erfrischend un-tarantino-esk ausfällt. [...] Befasst man sich derart konzentriert mit Filmen, die eine snobistische Cinephilie keines Blickes würdigen würde, wird der eigene Blick ziemlich frei. Man merkt erst, wie diskursiv verstellt der Zugriff auf Filmgeschichte oft ist und was es jenseits der üblichen Sortierungen zu entdecken gibt. [...] Die Kongressvorführungen [zählen] zu den lebendigsten, fröhlichsten und unzynischsten, die ich je erlebt habe." (Thomas Groh)
"Ein weiterer zentraler Aspekt: Die Kongressfilme zählen auch in materieller Hinsicht zu den Vergessenen des Kinos. Das Hofbauer-Kommando führt seine Entdeckungen, so weit möglich, als 35-mm-Kopien vor. Schon deshalb, weil die meisten dieser Filme nie digitalisiert wurden und – angesichts der geringen Mittel, die derzeit dafür zur Verfügung stehen – es wohl auch nie werden; die warten in den hinteren Regalen der Archive auf ihren endgültigen Verfall. Man sieht da, ganz buchstäblich, einem Teil der Filmgeschichte beim Sterben zu, teils in immer noch beglückend leuchtenden Farben, teils aber auch durch rotstichige Schlieren hindurch." (Lukas Foerster)
Ein ganzes Jahr ist vergangen seit dem letzten außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos – ein zermürbend langes Jahr voller Aufopferung und Entsagung, voll klammer Hoffnung und scheuer Sehnsucht, in dem die Kongressbesucher immer wieder erwartungsvoll auf uns vier Kommandanten blickten, in ihren hungrigen Blicken ein unmissverständliches „Wann?!“.
Nun ist es soweit! Das einzigartige cinephile Liebhaberfestival, das bereits in epd-Film, Cargo und im Bayerischen Rundfunk gewürdigt wurde, kehrt zurück! Endlich werden wieder obskure, sonderbare, erotische, charmante und zwielichtige Entdeckungen und Raritäten ans Licht geholt. Teilt mit uns die infiniten Freuden der Verstrahlung, des 35mm-Materials, den Fleiß des Begehrens und den Preis der Lust! Wälzt euch im Schmier und lasst ihn in euch einwirken, denn er wird euch guttun! Erlebt ENDLICH wieder mit uns pulsierende Ekstasen der Sinne und zuckende Konvulsionen des Zwerchfells, denn das gibt’s, wie stets, nur einmal - das kommt nie wieder!
Höhepunkte sind neben dem obligatorischen Fokus auf das bundesdeutsche Kino der 60er bis 80er Jahre ein Pariser Striptease-Duett, das gerade jetzt umso mehr die hedonistisch-lustvolle Seite der Stadt feiert, sowie eine kleine Hommage zum 80. Geburtstag des legendären italienischen Regisseurs Joe D'Amato.
Unter den Links in der nachfolgenden Übersicht werden die einzelnen Filme in vom Hofbauer-Kommando verfassten Ankündigungstexten vorgestellt. Wir bedanken uns bei Silvia Szymanski, die Vorfreudetexte zu DIE SPANISCHE FLIEGE und DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT beigesteuert hat, und bei Florian Widegger, der für uns im BLUE ANGEL CAFÉ war. Bei Facebook gibt es außerdem eine Veranstaltungsseite zum Festival.
PROGRAMMÜBERSICHT:
Donnerstag, 07.01.2016
17:00 „Die Einäugige“ (35mm-Überraschungsfilm)
21:15 Love in Action – Zieh mich aus, Herzchen *
23:30 Tabus der Nackten *
Freitag, 08.01.2016
15:00 Die spanische Fliege
17:15 Skandalöse Emanuelle – Die Lust am Zuschauen
21:15 Das Spukschloss im Salzkammergut
23:30 Der triste Überraschungsfilm*
Samstag, 09.01.2016
15:00 Hörig bis zur letzten Sünde
17:15 Die Girls vom Crazy Horse
21:15 …und noch nicht Sechzehn *
23:30 Blue Angel Café
Sonntag, 10.01.2016
17:15 Die Perle der Karibik *
21:15 Die Spalte *
23:30 Mädchen beim Frauenarzt *
An allen Tagen ist jeweils gegen 2 Uhr ein nächtlicher Überraschungsfilm geplant (darunter der „stählerne Überraschungsfilm“) und am Montag, 11.01., um 21:15 Uhr eine Wiederholungsvorstellung. Vor den mit * markierten Filmen gibt es zudem Trailershows oder Vorfilme, nähere Infos in den entsprechenden Ankündigungstexten.
TICKETS:
Einzelticket: 6 Euro.
2-Tageskarten: 35 Euro.
3-Tageskarten: 50 Euro.
Dauerkarten: 60 Euro.
Reservierungen unter: reservierung[at]kommkino.de
Zu unserem Special:
EVVIVA JOE D'AMATO! DAS HOFBAUER-KOMMANDO GRATULIERT ZUM 80.
Joe D'Amato (bürgerlich Aristide Massaccesi) war ein rastloser Macher: Kameramann (unter anderem bei Alberto De Martino, Mario Bava, Jean-Luc Godard und Massimo Dallamano), Cutter, Drehbuchautor, Produzent und Autorenfilmer. Er selbst bestritt Letzteres, aber irgendwo und irgendwann in seiner aus Not und Leidenschaft uferlosen Filmographie hatte er selbst den Über- und Blick über und auf sein eigenes Werk verloren. Ein Werk, das nicht erst unter den Augen des Kenners und Genießers Distinktion gewinnt. Dem Hofbauer-Kommando wuchs er schon früh inniglich an Herz und Hose, als unvergleichlicher Meister der Fugenkunst, als aufrechter Fackelträger eines sinnlich-lebendigen, inspirierten Filmhandwerks, das oft lässig den bestehenden Rhythmen hinterher tanzte, und hinter seinem eigenen, sehr wohl profunden Verständnis des Kinos, seiner Formen und der Affekte, die es auslösen kann. Filme wie AMORE SPORCO, TOP MODEL, UNDICI GIORNI, UNDICI NOTTI und POMERIGGIO CALDO legten in der bewegten HK-Vergangenheit zu Fuß Zeugnis ab von D'Amatos aufreizend unbekümmerter Nonchalance, mit der er aus zunächst gewöhnlichen Genrefilmen alles Mechanische und Automatische herausnehmen und die so entstehenden Lücken mit dem zu füllen verstand, was nach Auffassung des Hofbauer-Kommandos schon immer tragisch unterschätzt wurde als ein wesensbestimmender Schlüssel zur Psyche und Seele der Filmmagie: Dem unschuldigen und fragilen, dem edlen und anmutigen, beständig changierenden Nichts - dem unergründlichen Klangkorpus in dem, mal laut, mal leis, die Freuden des Vulgären und die Leiden der von Begierden verworrenen Menschenseele lange und elegisch nachhallen. Weil wir in grenzreligiöser Zuversicht davon überzeugt sind, dass die Kongresse jedem, der sie regelmäßig besucht, früher oder später die befreiende, stimulierende und zutiefst befried(ig)ende Bedeutung dieses reichhaltigen und sublimen Nichts offenbaren werden, wollten wir uns Joe schon länger einmal ausführlicher widmen – ihm und seinen Ultrakunstwerken eines billigen Kommerzfilms, der geborgen und glücklich in den Armen der teuren Kinokunst liegt und friedvoll schlummert. Im Jahr 2016 des Herrn wäre Joe D'Amato 80 Jahre alt geworen. Wir sind uns sicher: Lebte er noch, er würde noch immer drehen und hätte längst die 300 geknackt! Das Hofbauer-Kommando nimmt sich dieses ganz besondere anniversario zum Anlass, ein Trio seiner Filme zur Aufführung zu bringen, die den umtriebigen Joe in ganz unterschiedlichen Schaffensphasen zeigen – in 35mm, auf der großen Leinwand. Dort, wo seine Filme, naturgemäß lange im Gefängnis einer VHS-Hülle eingesperrt, eigentlich hingehören. Wir gedenken zudem, diesem Geburtstagsspecial in der näheren Kongresszukunft eine Fortsetzung folgen zu lassen, denn die D'Amatianische Filmforschung ist gerade erst in ihrem seit Dekaden überfälligen Entstehen begriffen. Kommt und feiert mit uns einen singulären "total filmmaker", der das Hofbauer-Kommando und sein Filmverständnis entscheidend geprägt hat!
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
LOVE IN ACTION – ZIEH MICH AUS, HERZCHEN
Expose Me, Lovely, USA 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Armand Weston, D.: Jennifer Welles, Eve Adams, Catharine Burgess
Vorab: XXX-Trailershow (Nur für Erwachsene!)
Wollten Sie schon immer wissen, warum man Privatdetektive in der nie um HK-Relevanz verlegenen amerikanischen Alltagssprache "private dicks" nennt? Neben vielen anderen intimen Einblicken in die zwielichtige Welt der femmes fatales und Privatdetektive wird uns der XXX-Klassiker des 15. Kongresses gewiß auch diese pikante Frage naßforsch beantworten. Wie der famose AFAA-Preisträger Armand Weston bereits mit seinen inspirierten, dunklen Porno-Thrillern THE TAKING OF CHRISTINA und THE DEFIANCE OF GOOD stoßkräftig unter Beweis stellte, war ihm Genrekino lieb und teuer. EXPOSE ME, LOVELY (1976) ist sein ersprießlicher Versuch eines "sex-driven film noir", in dem Rusty Knight, ein äußerlich smarter, doch innerlich schmieriger Spürhund der Schleimspur eines verschwundenen Mannes durch das ranzige New York der 70iger folgen muss, im Auftrag der kühlblonden Schwester des Gesuchten, die sich selbstverständlich erst der ausfüllenden und aufreibenden Qualitäten des private dick versichert, bevor sie ihn mit einem neuen Fall aus der Umklammerung ihrer Schenkel entlässt. Um des Vermissten habhaft zu werden, ist Rusty jedoch gezwungen, noch an so manch weiterer Muschel zu horchen und reichlich Seim zu schlecken, denn feucht und haarig ist des Rätsels Lösung!
Eine deutsche Erstaufführungskopie in verführerischen Agfa-Farben, unter dem Titel "Love in Action" und laut Christian Keßler mit einer Synchronisation, die unter anderem Elmar Wepper aufbietet, wird am Fr. 07.01. um 21:15 Uhr den Kongress offiziell eröffnen. Im Vorprogramm: Eine Zusammenstellung zeitgenössischer 35mm-XXX-Trailer aus dem Bestand des AB-Filmverleihs, der seinerzeit EXPOSE ME, LOVELY vertrieben hat.
TABUS DER NACKTEN
TABUS DER NACKTEN
Paris erotika, F 1963, 71 Min., DF, 35mm, R.: José Bénazéraf, D.: Dick Randall, Bonne Campbell, Cosette Blanche
Vorfilm: Bevor der Strip stirbt (BRD 1966, 14 Min., 35mm, R.: Günter Weiss-Thiele)
Dem melancholischen Zauber der COVER GIRLS erlagen wir alle beim 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos, der existenzialistischen Erotik des HEISSEN STRANDS bei unserem 1. auswärtigen Sondergipfel. Im Rahmen unseres sex-positiven Sonderprogramms "Paris! Vive la vie sexy!" kehrt nun der große José Bénazéraf zu uns zurück, um in Cinemascope und Farbe mit den TABUS DER NACKTEN (1964) zu brechen. 24 Stunden eines Amerikaners in Paris (so einer der Originaltitel) erzählt dieses Frühwerk des "Godard du X", in dem sich die mühselig bezähmten, alsbald jedoch ungestüm eskalierenden Begierden eines amerikanischen Lebenmanns an den üppigen Mädchen-Auslagen der Pariser Amüsierbetriebe entzünden. Unser geliebter Onkel Fürchtegott, der katholische Filmdienst, fand dafür ausdrucksstarke Worte: "Seine lüsternen Schweinsäuglein entdecken von der Seinestadt nicht mehr als die diversen Nachtlokale. Kann er dort dem Striptease nicht zuglotzen, giert er nach jeder schlanken Mädchenhüfte, die an ihm vorbeiwiegt, sei es bei einer Mißwähl (sic!), im Bistro oder im Hotel. (...) Dreist betätschelt er wildfremde Frauen, findet aber nirgendwo Anschluß." Selbigen werden wir indes sicherlich finden in dieser mutmaßlichen Bonbonniere des Flaneursfilms, der wir mit ganz besonderer Freude entgegenfiebern, seit wir im Sommer des vergangenen Jahres eine 35mm-Kopie des überaus seltenen Films aus den schmutzigen Tiefen der Porno-Scheune von Schwaben bergen konnten.
Bedauerlicherweise konnten wir hingegen FERIEN AUF EINER INSEL, jenen Nudisten-Kurzfilm, den der Brummer-Filmverleih seinerzeit zusammen mit Bénazérafs Hauptfilm an die BALI-Kinos auslieferte, nicht ausfindig machen. Stattdessen zeigen wir vorab eine unserer jüngsten Kulturfilm-Errungenschaften: BEVOR DER STRIP STIRBT (Günter Weiss-Thiele, 1966), dessen geheimnis- und klangvoller Titel allein ihn gewiß als Vorfilm für Bénazérafs Reigen des Strip und Strap prädestiniert. On se déshabiller le 07 janvier a 23:30!
DIE SPANISCHE FLIEGE
DIE SPANISCHE FLIEGE
BRD 1955, 94 Min., 35mm, R.: Carl Boese, D.: Joe Stöckel, Rudolf Platte, Elisabeth Flickenschildt
Ich habe diesmal unverhofft die Ehre, den ersten Aufriss schreiben zu dürfen und fühle mich geworfen, von grellem Scheinwerferlicht geblendet. Es ist ein Samstagvormittag, ich liege noch in meinem Arbeitsbett, draußen schneiden zwei urig-attraktive Landschaftsgärtner die Hecke. Jenseits dieser Hecke und des Wäldchens aber liegt, tief im Deutschland des Jahres 1955, die kleine Filmstadt Daxburg.
Dort haben gerade vier Herren der besseren Gesellschaft (ich hoffe, es handelt sich hierbei nicht um das Hofbauer-Kommando!) entdeckt, dass sie zwanzig Jahre lang für ein und dasselbe Kind Alimente gezahlt haben. Diese vier „Angstväter“ - der Schaufensterpuppenfabrikant Heinrich Klinke, der Lederwarenfabrikant Breilmann, der Modehausbesitzer Hugo Sommer und der Sägewerksbesitzer Hartmann - haben alle damals in der Nachtbar „Clou“ mit der „Spanischen Fliege“ geschlafen. Sie war dort Tänzerin und hat längst die Stadt verlassen. Doch nun, nach 20 Jahren, wo die Herren schon gutsituiert im Stadtrat sitzen, droht alles ans Licht zu kommen.
Die Posse „Die spanische Fliege“ wurde 1913 für die Bühne geschrieben und war dort ein Renner. Was man gut verstehen kann. Man blickt hinter die Kulissen eines gemütlichen Städtchens, und hinter jedem Türchen sitzt ein anderer Mann in seinem erschummelt honorigen Leben, mit einer bedrohlichen, sexuellenVergangenheit im Nacken, nass vor Angstschweiß: Das will man sehen! Der Regisseur, Carl Boese, hat 1920 mit Paul Wegener zusammen den „Golem“ inszeniert, war aber seit den Dreißigerjahren eher in der leichten Muse fleißig. Hits wie „5 Millionen suchen einen Erben“ mit Heinz Rühmann und „Hallo Janine“ mit Marika Rökk waren bis ins Omafernsehen der Sechziger Jahre allgegenwärtig, und in der „Spanischen Fliege“ spielen triste Stars wie Rudolf Platte, Ursula Herking, Elisabeth Flickenschildt, Hans Richter, Ruth Stephan… aber der Filmdienst schimpft! Ein derbes Volksstück sei das, voller grober Zweideutigkeiten, ein plattes Spiel mit dem Schmuddeligen. „Es muß hier einmal ganz offen gefragt werden, wie es zuging, daß auch diese traurige Leistung des deutschen Filmlustspiels, deren man sich tatsächlich schämen muß, durch die Zusage einer staatlichen Bundesbürgschaft finanziell ermöglicht wurde. (…) Der Film reizt keinen Erwachsenen zu unsittlichen Taten; ihm solches zuzumuten, hieße ihm zuviel Ehre antun. Aber hier ist jene Grenze überschritten, die zwischen der Verletzung des guten Geschmacks und der Verletzung des sittlichen Empfindens besteht. Es herrscht eine bedenkliche Atmosphäre, die, ohne nackte Unmoral ins Bild zu bringen, jedes moralische Gefühl erweicht und unterhöhlt. An solchen Filmen sollte man nicht achselzuckend vorübergehen, man muß ihre Gesinnung schärfstens anprangern.“ Meine Herren! Das macht schon sehr, sehr neugierig.
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
SKANDALÖSE EMANUELLE – DIE LUST AM ZUSCHAUEN
Voglia di guardare, I 1986, 84 Min. DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Lilli Carati, Laura Gemser, Aldina Martano
Die Lust am Zuschauen, so der Original- und deutsche Titel von SKANDALÖSE EMANUELLE (1986), war schon immer ein wesentliches Element in den Filmen des tiefenentspannten Softporno-Maestros Joe D'Amato, dem Voyeurismus als höchste Sphäre der Lust galt. Nach Decamerotici, Italowestern, Kriegsknüppeln, Horror-Reißern und Inselfilmen schuf Joe in den abgeklärten Ruinen des italienischen Exploitationfilms Mitte der 1980iger Jahre einen vier Filme umfassenden Zyklus dunkler Erotik-Melodramen, die er im Italien der 1930iger Jahre, mitten im blühenden Faschismus, ansiedelte. Abgründige, oft interfamiliäre Begehrlichkeiten, perverse Projektionen und das peinvolle Mäandern zwischen Materialität und Spiritualität des Sex waren der Stoff, aus dem Joe hier in überlebten Landhäusern morbide Tagträume webte. "Is this a Joe D'Amato film or a Douglas Sirk film?" fragt ein IMDB-Rezensent angesichts des urmelodramatischen Naturells dieser Filme ganz zurecht, denn selten zeigte Joe sich reifer und erzählerisch souveräner, vollends befähigt, komplexe und erwachsene Geschichten durch weichgezeichneten Sex zu erzählen. VOGLIA DI GUARDARE mag manchem zu schwermütig geraten sein und keinen ähnlich bizarren Plot aufweisen wie seine intensiven Vorgänger L'ALCOVA (1984) und IL PIACERE (1985), doch das Hofbauer-Kommando frohlockt nichtsdestotrotz angesichts der aromatischen Verheißung, endlich der irisierenden Villenfilmwelten des eklektischen Joe sowie der genießerisch dargebotenen Strapse der heißen Lilli Carati und der süßen Jenny Tamburi am Fr. 08.01. um 17:15 Uhr in den kühlheißen Farben einer deutschen 35mm-Agfa-Kopie ansichtig zu werden. Venite alla villa a vedere l'abisso dei piaceri!
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT
BRD 1966, 81 Min., 35mm, R.: Hans Billian, Rolf Olsen, D.: Udo Jürgens, Hannelore Auer, Manfred Schnelldorfer
Ein Urlaubs-, Heimat-, Weißrössl-, Spukschloss- und Schlagertraum und -trauma, bei dem alte Kongresshasen und -häschen viele liebe Bekannte wiedertreffen werden. Die unglaublich fesche, draufgängerische Hannelore Auer wird wieder unbekümmert im wippenden Kleidchen winken, lachen und sich für nichts zu schade sein. Der freche Dialog- und Drehbuchdachs Hans Billian (leider nicht unumstritten!) wird ihr schlüpfrige Worte in den Mund legen. Auf dem Regiestuhl hat neben ihm schon Platz genommen: Profibär „Blutiger Freitag“ Olsen. Er spielt sogar mit – ich bin gespannt! Besonders freue ich mich persönlich auch auf den erotisch tapsigen Eiskunstläufer, Sänger, Cabriofahrer und Labradorwelpen Manfred Schnelldorfer. Jedoch! Es wird für manchen unter uns auch Prüfungen geben. Die Lieder werden oft nach im Kneipenzigarettenqualm versunkenen Musicboxen miefen. Die vergessenen „Candy Kids“, zwei echte brasilianische Kinder, wird man trüb und müde über ihre Reise mit der „Bimmelbahn, so lang sie bimmeln kann“ berichten hören. Und auch dass Peggy March musikalisch über die tausend Steine klagt, die die Welt verliebten Teenagern in den Weg legt, zeigt, dass DAS SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT Unangenehmes nicht ausspart - komplizierte Liebesbeziehungen, Missgunst im Showgeschäft, den kulturellen Kampf zwischen U und E, selbst in den Körpern jungverliebter Paare (Udo Jürgens, Gertraud Jesserer): Künstler am Limit! Die Konkurrenten sägen neidisch Brücken an, schütten Kollegen Wasser in die Blasinstrumente, treiben sie mit Gruselmaskeraden in den Wahnsinn. Unsere strengen, großen und studierten Brüder vom film-dienst und dem evangelischen Film-Beobachter rümpften die Nasen. Dumm sei das, albern, zu klamaukig und klamottig. „Zu bewundern ist, mit welcher Selbstverständlichkeit die ältesten Ladenhüter der Zelluloidbranche und die albernsten Scherzchen für neu verkauft werden“, schrieben sie spitz, „doch neu ist nichts, gekonnt ist nichts, und jegliche Logik war beurlaubt, von einem noch so bescheidenen Restchen von Geist gar nicht erst zu sprechen.“
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
DER TRISTE ÜBERRASCHUNGSFILM
von Joe D’Amato, ca. 90 Min., DF, 35mm
Unter Palmen am blauen Meer entfalten sich in unserem tiefenentspannten "tristen Überraschungsfilm" verführerisch flüsternd geheimnisvolle Begierden und unsittliche Riten. Im Wendekreis der Fugenkunst auf ein dominikanisches Eiland geworfen, trüben die Protagonisten unseres #TrÜF ratlos und erregt durch ein exotisches Wunderland der Sinnlichkeit, vorgeblich auf der Suche nach verschwundenen Menschen, in erster Linie aber natürlich nach sich selbst. Welch glückliche Fügung, dass die karibische See sie just in die vertrauensvollen, anheimelnd geduldigen Hände des großen Joe D'Amato spülte, der noch auf jede sexistenzialistische Frage eine weise Antwort hatte. Onkel Fürchtegott war indes freilich anderer Auffassung und geißelte dieses Meisterwerk des HK-kernrelevanten Genres des Inselfilms unnachgiebig: "Dem Alphabet fehlt leider noch ein Buchstabe, um nach üblicher Handelsart die Güteklasse dieses Machwerkes zu bestimmen. (...) Das dilettantisch gespielte und streckenweise in Reiseprospektform gekurbelte Filmchen versucht unter beträchtlichem Einsatz von akustischen Beigaben kriminalistische Spannungsfäden und exotischen "Zauber" zu entwickeln. Doch alles läuft hinaus nur auf eine abstoßende Addition von breit ausgespielter Pornografie und verschiedenen Scheußlichkeiten."
Wir glauben fest daran, dass hier lediglich der katholische Rezensent "nach üblicher Handelsart" an der bestrickenden Oneironautik des Films scheiterte und lecken uns bereits die Finger, den Geschmack von Kokosmilch und Südfrüchten am Gaumen, den hypnotischen Sound von Bongos im Ohr. Erfreut euch mit uns an der Kraft der Ruhe und der Ruhe der Kraft, wenn wir am Fr. 08.01. um 23:30 Uhr einen der möglicherweise wichtigsten Filme von Joe D'Amato in den dekorativ angerosteten Eastmancolor-Farben einer geschundenen Südtiroler 35mm-Kopie auf die KommKino-Bildwand werfen! Vorab eine kurze Einführung zum Film und eine Joe-D’Amato-Trailershow.
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE
BRD 1969, 81 Min., 35mm, R.: Lothar Gündisch, Hans Billian, D.: Horst Naumann, Carine Christian, J.P. Dornseif
Mit Frivolitäten gewürzte Räuberpistolen sind die Leib- und Magenspeise des Hofbauer-Kommandos. Von uns liebevoll als „Frühschmier“ bezeichnet, macht den Reiz dieser zumeist im Gewand der Krimi-Kolportage daher kommenden schwarz-weißen Sittendramen und Milieureißer bevorzugt der mittleren 60er Jahre aus, dass sie moralische Grenzüberschreitungen und erotische Begehrlichkeiten noch nicht in aller Deutlichkeit ausformulieren durften, sich aber umso erfinderischer auf beiläufig eingestreute Anzüglichkeiten und Andeutungen verstanden. Man findet auch ungefilterten Straßenrealismus und rüde Alltagssprache in diesen rohen Sündentraktaten, von denen manche mit Schmiss und Schmackes auf Rabauken und Rabatz setzten und andere mit machtvoll trüber Fotografie die Abgründigkeit finsterer Noir-Erzählungen beschworen. Auch der 15. Kongress ist mit zwei Exemplaren dieser unverzichtbaren Gattung angereichert. Beim Ersten deutet schon die Verzögerung des Kinostarts an, dass es sich im Zuge der 1970 längst aufbrandenden Aufklärungs- und Reportfilmwelle um ein bereits leicht aus der Zeit gefallenes Werk handelt: 1967 in Produktion gegangen, erfolgte im Herbst 1969 die FSK-Prüfung und schließlich erst ein ganzes Jahr später im Herbst 1970 die Uraufführung, weil man offensichtlich nicht recht wusste, wie man zu dieser Zeit noch einen schwarz-weißen Sittenkrimi unters Volk bringen konnte. Nach den Arbeitstiteln ANWALT DES TEUFELS und NACKT WIE ER SIE WOLLTE sollte mit HÖRIG BIS ZUR LETZTEN SÜNDE der finale Kinotitel noch etwas aus- und aufrichten.
Die Mitte der 60er für die Music-House-Schlagerfilme als Regisseure tätigen Hans Billian und Lothar Gündisch übernahmen gemeinsam das Ruder, während HK-Kultgott Günter Hendel das nicht um ersprießliche sprachliche Blüten verlegene Drehbuch („Quasseln Sie nicht wie ein Intellektueller - Sie sind Polizist!“) rund um einen missglückten Banküberfall und die mit amourösen Intrigen verbundene Jagd nach dem Versteck der Beute beisteuerte. Statt des in diesem Fall seine Abkanzelung arg einfallslos vortragenden Onkel Fürchtegott lassen wir lieber Christian Witte zu Wort kommen: „Da ist Billian & Gündisch ein schön ausschweifend-fieses, exploitativ-knalliges Werk des hingerotzten Nihilismus gelungen, das durchweg durch sexy Modder latscht und zum Schluss Blut dort reinschießen lässt - weil es jetzt (1970) endlich erlaubt ist und man somit den moralischen Zeigefinger dezent bei der Leine halten kann. Ein wirklich spaßiger Reißer - Crime & Tits in Black & White, frech ausgekotzt über den bundesdeutschen Mief.“
Nach zähen Verhandlungen freuen wir uns umso mehr, den Film als Auftakt des dritten Kongresstages am Sa. 09.01. um 15 Uhr ankündigen zu können.
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE
Crazy Horse de Paris, F 1976, 80 Min., DF, 35mm, R.: Alain Bernardin, D.: John Lennox, Lova Moor, Rosa Fumetto
Als "Hauptstadt des Lasters und der Unzucht" bezeichneten die Daesh-Barbaren nach den Anschlägen Paris, jene 'Stadt der Liebe', der ein kleines Special zu widmen das Hofbauer-Kommando bereits vor einem halben Jahr beschloss. Durch den vorläufigen Ausfall einer anlassgebenden potenziellen Wiederentdeckung war der Plan zunächst vertagt, doch nach dem 13.11.2015 war klar, dass man jetzt ganz bewusst daran festhalten musste. Der Menschenverachtung und Lustfeindlichkeit der pseudo-religiösen, bigotten Faschisten, denen schon aufgrund ihrer bestialischen Frauen- und Kinderversklavungen keinerlei moralischer Fingerzeig zugestanden werden sollte, setzen wir mit zwei ausgewählten Paris- und Stripfilmen eine Feier der fröhlichen "Unzucht", des zeigefreudigen "Lasters" und des genussvollen Flanierens durch die erotischen Attraktionen des Nachtlebens entgegen: "Vive la vie sexy!"
Denn, aus Überzeugung und nicht nur Fassade: The Show must go on! Und wo könnte sie das besser, als im Crazy Horse de Paris? Jenem legendären Varieté-Nachtclub, dessen ausgeklügelte Striptease-Choreographien die "L'art du Nu" so stilvoll zelebrieren, dass der Connaisseur genießt und schweigt - oder sich in angeregte Kurven-Diskussionen versteigt. Lange bevor der große US-Institutionen-Dokumentarist Frederick Wiseman 2011 dem Crazy Horse auf geradezu schwelgerische Weise einen seiner ganz wenigen nicht in den USA angesiedelten Filme widmete, war es 1976 Eigentümer Alain Bernardin selbst, der sein 1951 gegründetes Etablissement ins Zentrum einer vom Geschmack des Werblichen unterfütterten Kinounternehmung stellte und die Figur eines schottischen Zeitungsreporters als Interviewer durch sein Reich führen ließ. Sogar der Filmdienst notiert zu den sinnlichen Reizen des daraus resultierenden DIE GIRLS VOM CRAZY HORSE und den zugrundeliegenden Darbietungen anerkennend: "Auf einer kleinen Bühne zeigen gutgewachsene junge Frauen zu gepflegter Musik und raffinierten Lichtspielen originell choreografierten Striptease. Nie gleitet Bernardins Show ins Geschmacklose oder gar Peinliche ab: Ästhetik und Erotik geben sich hier ein "prickelndes" Stelldichein."
Anfang September schlenderten bei einem Paris-Urlaub zwei Hofbauer-Kommandanten, ein ergebener Hofbauer-Gefolgsmann und ein verehrter HK-Geburtshelfer eher zufällig an der Fassade des Crazy Horse Saloons vorbei - ein wenig überrascht von der unscheinbaren äußerlichen Anmutung und ein wenig betrübt darüber, dass am werktäglichen Nachmittag naturgemäß die Türen verschlossen blieben. An einem Nürnberger Nachmittag jedoch, am Sa. 09.01. um 17:15 Uhr, werden sich jene Türen nun endlich genauso geschmeidig öffnen wie die Vorhänge der Kinoleinwand und die unzüchtigen, Tanzstangen-umschlingenden Schenkel der lebenslustigen GIRLS VOM CRAZY HORSE.
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
…UND NOCH NICHT SECHZEHN
BRD 1968, 90 Min., 35mm, R.: Peter Baumgartner, D.: Rosy-Rosy, Helen Vita, Peter Capra
Vorab: Trailershow
Rosy ist sexy, noch nicht sechzehn und lebt als Herumtreiberin auf der Straße. Dort lernt sie vor einem Nachtclub den einfühlsamen Studenten Rolf kennen. Fragile Bande jungen Liebesglücks werden im Schneetreiben geknüpft, doch schon bald geraten Rosy und Rolf in den Wirkungskreis des kriminellen Jonny, der Rosy in seinem Dienst zurück auf die Straße schicken will.
Der tragischerweise einzige Langfilm des Kameramanns Peter Baumgartner ist seit seiner Aufführung im Rahmen des 6. Hofbauer-Kongresses 2012 ein ganz besonderer Lieblingsfilm des Hofbauer-Kommandos und ein "Meisterwerk des psychotronischen deutschen Kinos" (Oliver Nöding). Ungebrochen aufregend finden wir, wie in diesem "niveaulosen Reißer" (Onkel Fürchtegott) zart knospende Gefühle vor der HK-immanenten Kulisse des winterlichen Münchens in rohem Schwarzweiß herzzerreißend an den Realitäten eines längst von Abhängigkeiten und Nihilismus ausgehöhlten subkulturellen Mikrokosmos zerschellen. Die blutjunge Rosy-Rosy strahlt als scheuer Stern der Nacht in diesem profund melancholischen Jugenddrama, dem die Nouvelle Vague sichtbar im Hinterkopf herumspukt. Den lakonischen Tonfall für diesen anrührend kleinen Film der erschreckend großen Gefühle gibt unser geliebtes HK-Glamour-Girl Helen Vita im Film als Nachtclubsängerin und Mutter der Gefallenen pointiert vor: "Wenn ich meinen Humor nicht hätte, würde ich mich totlachen."
Am Sa. 09.01. um 21:15 Uhr werden wir also endlich diesem anmutigen Film wiederbegegnen und erfüllen damit ein altes Versprechen: 2014 schon als ausgewiesener Höhepunkt unseres 1. auswärtigen Sondergipfels beim Filmkollektiv Frankfurt programmiert, musste der Film in letzter Minute gecancelt werden – die fragliche Filmkopie war vom Erdboden verschwunden. Zu unser aller unermesslichem Glück ist sie zwischenzeitlich wieder aufgetaucht und wird uns den auf DVD leider um geschlagene 15 Minuten gekürzten Film und seine "somnambule Atmosphäre unter Vergnügungssüchtigen" (Oliver) noch einmal in seiner vollständigen 35mm-Pracht nahebringen.
BLUE ANGEL CAFÉ
BLUE ANGEL CAFÉ
I 1989, 89 Min., DF, 35mm, R.: Joe D'Amato, D.: Tara Buckman, Richard Brown, Rick Anthony Munroe
Sometimes life is so easy when it's over with your man unless you wake up and you're still in love...
Angie ist Nachtclubsängerin. Sie hat genau ein Lied drauf (das sich im Lauf des Films ins Hirn frisst) und ist damit ziemlich erfolgreich. Sie lernt den aufstrebenden und verheirateten, aber sexuell frustrierten Politiker Raymond kennen. All diese drei Eigenschaften verkehren sich mit der Affäre der beiden rasch ins Gegenteil und vom erträumten Luxusleben bleibt bald nichts mehr. Wieder muss Angie wieder Geld beschaffen, weil das Karriereende den Mann in den Alkoholismus treibt. Aber dann kommt doch wieder alles anders …
Eigentlich müsste ich Joe D'Amato ja böse sein. Von diesem Film kannte ich jahrelang nur die Titelsequenz: Schummriges (blaues) Licht in einer Bar, ein recht gefälliger 80ies Popsong dazu, und eine Dame mit Hut, die diesen inbrünstig zum Vortrag bringt. Was habe ich geträumt davon, wie dieser Film sein könnte! Vielleicht nur an diesem Ort spielend, wo allerlei Menschen im Laufe einer Nacht stranden, sich für ein paar Stunden finden und hoffnungslos-trüben Softsex miteinander treiben? Und wie anders ist all das geworden … Als ich kurz nach dieser Erstbegegnung nach Wien gezogen bin, fuhr ich manchmal an einem Lokal mit demselben Namen vorbei, und ich glaube, es handelte sich dabei ebenfalls um ein einschlägiges Etablissement, aber beim Googeln fand ich jetzt nur mehr den Verweis auf ein Restaurant in South Lake Tahoe. Das aber liegt in Kalifornien und Joe D'Amato hat, wie wir wissen, in den späten 80ern New Orleans und Louisiana zu seiner Walstatt erkoren.
So geht es nach knapp 15 Minuten im Nachtclub raus in die ziemlich hässliche, durchgepolsterte 80er-Jahre-Welt der Mächtigen und Schönen. Auf Cocktailparties, in Schönheitssalons, in teils pittoresk ausgestattete Häuser und Wohnungen. Über allem liegt der Mief. Schlimmer sind nur die Yuppies, die den Film bevölkern. Angie macht zunächst keine Ausnahme: Sie umgarnt Raymond erst aus Kalkül, verliebt sich dann aber tatsächlich in ihn – was zu einigen der schönsten Szenen im Film führt, wenn beide den erdrückenden Sets entfliehen, sich am Hafen austoben und zumindest für diese Augenblicke von einem anderen Leben träumen können. Auch der Sex wird dann ganz anders: Vorher dominierte das Verrucht-Abenteuerliche – eigentlich kaum anzusehen sind die Verrenkungen am Garderobentisch oder in einer Badewanne, später wird’s eher zärtlich-bieder. Als Zuckerl für die Fans gibt’s gen Ende auch einen Gastauftritt von Laura Gemser hinter der Fotokamera beim Nackt-Shooting, fast schon wie in alten Zeiten.
I still dream of you...
Ich denke nicht, dass Joe D'Amato die Menschen mag, die er in diesem Film zeigt. Aber zumindest für Angie, die das Zentrum bildet, scheint er Sympathien zu haben. Nach Jessica Moore und Valentine Demy ist Tara Buckman die dritte Hauptdarstellerin in seinem New-Orleans-Zyklus und sie ist von allen (später kamen noch ein paar andere hinzu) die toughste und zielstrebigste, was sie vor allem im Nachfolgerfilm „High Finance Woman“ unter Beweis stellt. Wie sich zeigen wird: Angie muss, obwohl sie nach Außen hin die starke Frau markiert, ziemlich viel über sich ergehen lassen, auch und gerade von dem Menschen, den sie liebt. Ganz gleich, ob man „Blue Angel Cafe“ als bissige Satire, als verunglückte Romanze oder trist-gelangweilten Zeitgeist-Kommentar sieht, er bleibt – trotz enttäuschter Erwartungen – einer meiner liebsten D'Amato Filme, in dem erneut all das zusammenkommt, was sein Werk zu dieser Zeit ausmachte: Alles läuft etwas gedämpfter und abgeklärter ab als in den 70ern. Angies Tränen am Ende des Films, wenn sie noch einmal ihr Lied anstimmt, zeigen eine Frau, die vielleicht wieder genau da angekommen ist, wo sie zu Beginn des Films war - aber völlig bewusst, reicher an Erfahrung, bereit für den nächsten Lebenskampf: Blue angels never cease to fly...
DIE PERLE DER KARIBIK
DIE PERLE DER KARIBIK
BRD 1981, 81 Min., 16mm, R.: Manfred Stelzer, D.: Diethard Wendtland, Alisa Saltzman, Alfred Edel
Vorfilm: Weihnachten bei einer Gastarbeiterfamilie (BRD 197?, 15 Min., 16mm)
Als „Monarch“ leerte der charismatische Rheinisch-Crooner Diethard Wendtland in den späten 70ern die Spielautomaten der Republik. Schon in dem gleichnamigen Dokumentarfilm-Meisterwerk von Johannes Flütsch und Manfred Stelzer erwies er sich als brillianter Schauspieler. Wandelbar wie ein Chamäleon, lässig und selbstsicher steckte er nicht nur die gewonnenen Münzen in seine extragroßen Jackettaschen, sondern auch betrunkene Kneipengäste und feindlich gesonnene Wirte. Der Wechsel ins Spielfilmfach erschien da nur folgerichtig. Wieder unter Stelzers Regie, erscheint DIE PERLE DER KARIBIK wie eine skurrile MONARCH-Fortsetzung. Denn der Weg ist kurz vom keuschen Münzkaufmann zum Lexikon-Vertreter, der dem Liebesverzicht endlich ein Ende machen will. Doch das ist nicht so einfach, wenn bei deutschen Grazien nichts zu holen ist. Aber es gibt Rettung, Heiratsvermittler Alfred Edel sei Dank. Die heiratswillige Exotin Beanboat von einer Insel über dem Winde eilt rasch herbei, voller Vorfreude und mit passablen Deutschkenntnissen. Foreigner welcome. Doch die anfängliche Euphorie trübt schnell ein. Die liebenswürdige Beanboat wird für Diethard zum Fluch der Karibik, in einem unbarmherzigen Moloch der enttäuschten Erwartungen. Wolfram Schütte befand seinerzeit treffend: „Da zielt ein Satiriker, und er trifft auch (nicht nur Popanze).“ Komödie? Tragödie? Es ist kryptisch und vage, wie das Leben selbst. Der Regisseur selbst bezeichnete dieses Kleinod als „traurige Komödie“. Vielleicht im Sinne von Oscar Wilde. Für ihn war das Leben eine Komödie für jene, die denken, aber eine Tragödie für jene, die fühlen.
DIE SPALTE
DIE SPALTE
BRD 1971, 86 Min., 35mm, R.: Gustav Ehmck, D.: Gerhild Berktold, Axel Schiessler, Werner Umberg
Vorfilm: Die Pfütze (BRD 1961, 13 Min., 16mm, R.: Herbert M. Franck)
Ein "Sozialreport" von der Münchner Freiheit, der davon erzählt, wie es Mädchen ergehen kann, die aus Erziehungsheimen fliehen und als entlaufene Fürsorgezöglinge auf der Straße stranden. Sozialethisch desorientierte Minderjährige, hilflos und vertrauensselig, und damit leichte Beute für skrupellose Ausbeuter, die in ihnen wenig mehr sehen als "spaltbares Material", das gewinnbringend in den Verwertungskreislauf zu überführen ist. Wo noch kindliche Unschuld waltet, macht sich zunächst ein "professioneller Aufreißer" ans Einführungswerk, später fungieren Geldscheine als Eintrittskarten...
Der von Regisseur Gustav Ehmck ursprünglich geplante Titel war SOPHIE, während der Verleih nach Gottfried Benn den Titel ICH WEISS, WIE HUREN UND MADONNEN RIECHEN erwog, der trotz seiner beträchtlichen Schmierpoesie der Länge wegen wieder verworfen wurde. Letztlich lief es auf DIE SPALTE hinaus, dessen schonungslos verdinglichender Tonfall allerdings bestens zu einem Film passt, in dem es um die Degradierung zum menschlichen Gebrauchsgegenstand als einträgliches Geschäft geht. Die "Spalte" als Funktionsapparat, der im Gegensatz zum Münzschlitz kein Geld schlucken, sondern ausspucken soll und dafür einiges wegstecken muss. Im zentralen Höhe- und Kulminationspunkt des Films werden zu den Klängen der Musik aus einem griechischen Lokal die Vorgänge im darunter liegenden Keller zu einer Symphonie schwindelerregend montierter, freudlos-nüchtern protokollierter Kopulationen im Akkord: Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf, Beischlafvollzug, Entladung, Reißverschluss zu, Beine zu, Tür zu, eilige Säuberung, erschöpftes Durchatmen, Tür auf, Reißverschluss auf, Beine auf,… Eine derart unerbittliche Sequenz über den mechanischen Verrichtungscharakter gewerbsmäßiger Massenbegattung hat es im Kino selten gegeben. Zu den Anhängern des singulären Werks zählt Klaus Lemke, und das Hofbauer-Kommando kann sich nur dem Urteil des Münchner Werkstattkinos anschließen: "Ein unglaublicher Film!"
Um unserem Lehrauftrag Folge zu leisten, werden wir am So. 10.01. um 21:15 Uhr vor DIE SPALTE außerdem den schwarz-weißen FWU-Kurzfilm DIE PFÜTZE zeigen. Ein Triebtäter im Anzug macht sich darin mit eindeutigen Absichten an einen spielenden Knaben heran. Es ergeht die freundliche Aufforderung an unsere Besucher, sich mit diesem finsteren Doppelprogramm über die Abgründe nicht-konsensueller Kohabitation kundig zu machen.
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT
BRD 1971, 82 Min., 35mm, R.: Ernst Hofbauer, D.: Monika Dahlberg, Christine Schuberth, Jutta Speidel
Vorfilm: Von Liebe ganz zu schweigen (BRD 1978, 35 Min., 16mm, R.: Michael Bückner)
Einer meisterhaft voyeuristisch verdichteten Erzählperspektive bediente sich unser glühend verehrter Namenspatron 1971 für eines seiner bestialischsten chef-d’œuvres: MÄDCHEN BEIM FRAUENARZT. Um sein riskantes Panorama zarter, weiblicher Exempel eine durchdringend lustbehaftete Aura ammoniakgetränkter Anteilnahme ausdünsten zu lassen, versetzte er die wissbegierigen Zuschauer wortwörtlich in die Gänsehaut des unverbindlich faszinierten Gynäkologen Dr. Wolf Romberg, auf dessen gleichnamigem BRAVO-Report die ungeheuerliche Kolportage fußt. Das herzerweichende Sexual-Folgegeschehen und gewagte Einblicke in schmerzgeplagte Lustkanäle präsentieren sich in Ernsts experimentierfreundigstem Report-Film durch die subjektive Kamera geradewegs aus der verständnisvollen Perspektive des berufsmäßigen Frauenverstehers, was Tim Lucas zu der Bemerkung veranlasste, es handele sich bei diesem auch an die sachliche Urteilskraft des progressiven Observanten appellierenden Bilderreigen flügge werdender Unschuld vermutlich um Hofbauers "most conspicuous grab for auteur status". Eine kontroverse Aussage, deren Wahrheitsgehalt wir am letzten Kongresstag, So. 10.01. um 23:30 Uhr intensiv erforschen und hingebungsvoll entblättern werden. Im Vorprogramm ein lieblich-tristes Juwel aus der FWU-Bibliothek: VON LIEBE GANZ ZU SCHWEIGEN (1979) heißt ein hinreißend mahnendes Kleinbürger-Drama über ungewollte Teenager-Schwangerschaft, welches wir in authentischer 16mm-Projektion als lehrreiches Komplementärstück zur tiefengynäkologischen sleaze-en-scène des Hofbauerianischen Traktats reichen werden.