Requiem for a Vampire - Jean Rollin (1971)
Verfasst: Sa 19. Jun 2010, 15:41
Regie: Jean Rollin
Erscheinungsjahr: 1971
Bezug: Niederländische DVD (ENCORE)
Mit: Brigitte Lahaie
[BBvideo 425,350][/BBvideo]
Der Mensch ist das Tier...unendliche Masken der Verdammnis.
Wer von Rollin "Die nackten Vampire (1970)" gesehen hat, dürfte wissen, dass Rollins Vampirfilme nicht gerade nach dem Schlag der Hammer Studios gehen, bzw. grundthematisch klassisch gothisch angehauchte Vampirstreifen sind, in denen zumeist der blutesdürstige Nachtschwärmer das Böse allen Übels ist. Rollin kehrte diese Philosophie des Vampirismus, dieses parasitenähnliche, hasserfüllte und gebeutelte Geschöpf ins Umgekehrte und zeichnete daraus die ewig gewollte Freiheit, diese wirklich Liebe nach dem Leben und dem Miteinander, doch und das mag seine echte Stärke sein, hinterlässt er Fragen ohne Antworten, wodurch seine Filme meist schwerverdauliche und schwer verständliche Alpträume durch eine Welt der Hoffnungen und Ängste sind, aus der es kein zurück und kein Ende gibt, um am Ende soviel Interpretationsmöglichkeiten anzubieten.
Rollins Inszenierungsstil war schon immer ruhig und langsam, und da verwundert es schon sehr, dass er den hiesigen Film in einer Autoverfolgungsjagd beginnen lässt. Zwei aufreizend hübsche Damen in Clownskostüme gepackt, flüchten samt fahrbaren Untersatz vor ihrem Verfolger. Schusswechsel fallen, der Fahrer angeschossen. Und schon hier ist man nahezu wortkarg und verwundert, weiss man denn nicht, was hier genau passiert, wer die Damen sind, wieso sie von einem Auto verfolgt werden, und wieso sie Clownskostüme tragen.
Doch der Ausweg ist ein Anderer. Ihr Fahrer stirbt, das Auto lassen sie samt ihn hochgehen, um ihre vermeintlichen Spuren zu verwischen.
Ab dort beginnt der vermeintliche Trip. Ein Trip zweier Freundinnen, die sich um gar nichts in der Welt trennen würden. Rollin lässt von der Unruhe des Flüchtens, von der kalten Welt der Kriminalität in die sanfte Ruhe der Beiden fliessen, die fortan, bedrückt von ihren Taten, ohne Ziel und Richtung fliehen, so, als möchten sie dem Leben entfliehen. Die Clownsmasken abgenommen, reissen sie die realitätsverfremdenden Masken ihres Seins herunter, um auf dem Friedhof ihr Menschliches, ihr wahres Ich zu präsentieren. Schön zu sehen, wie sie es beim Verlassen wieder umgekehrt machen. Das mag unsinnig erscheinen, kann man aber derlei interpretieren. Rollin braucht dafür keinerlei Dialog, denn er lässt wie so oft seine ausdrucksstarken Bilder spielen, die hier durch die Schönheit der beiden Frauen, allen voran Marie Pierre Castel noch verstärkt werden.
Friedhöfe, auf der sie fast lebendig begraben, oder von ihrer Last befreit, lassen sie damit eventuell symbolisch ihr altes Ich zurück, ellenlange, nie endenwollende Felder und Wälder sind seine Locations, um dann schlussendlichst zu einem Schloss zu gelangen, von Tötenschädeln besetzt, von Fledermäusen umrungen, um dort womöglich den Ort gefunden zu haben, wo sie gerettet zu sein scheinen. Die kühle Atmosphäre, die Rollin dort auffährt ist gigantisch, denn wenn die beiden Damen, zügellos und doch so verhalten, im Glauben des Alleinseins, ihre Körper streicheln, bahnt sich Böses an, was ihre Utopie der Freundinnenliebe für immer zerschmettern könnte.
Vampire bahnen ihren verhängnisvollen Fluch durchs Schloss, und sie sind ihre Opfer, denn scheinbar, liegt der alternde Graf, der letzte sein Art, im Sterben, scheint seine Rasse auszusterben und die zwei Frauen, auch jungfräulich in ihrem Wesen, so unbefleckt und rein, als ihre Untertanninen perfekt.
Ab dort verkommt, wenn man es derart negativ betrachtet, Requiem for a Vempire zum Softporno, stellt Rollins seine Vampirbut ungewöhnlich barbarisch und brutal dar, werden in der Gruft die Frauen willenlos, angekettet, und ohne jederlei Rücksicht penetriert, was so im keinsten Fall der eigentlichen Intention Rollins zusagt. In roten Tönen sind die Gruften unterlegt, die Synthiebässe, die Klaviere und Frauenschreie breiten Gänsehaut aus, sodass man zwischen Verfremdung, Angst und Hypnose huscht, sodass man dem Film fast schon Selbstzweck in seinen nackten Szenen anhaften möchte. Doch wer Rollin kennt, weiss, dass der Spiess sich dreht, vermag er es den wahren Respekt, den er vor den Menschen und allgemein den Frauen pflegt, wieder ins richtige Licht zu rücken, denn so weiss es die blonde Marie, kann sie sich vor der barbarischen Brut eretten, sofern sie vor Mitternacht ihre Jungfräulichkeit verliert.
Doch der wahre Knackpunkt liegt woanders, denn das Ende prophezeit resignierenden Charakter, blitzt der Charakter des guten Vampirs empor, denn der Graf, entmachtet seine Anhänger, sieht er in ihnen nicht diese, die sie gerne wären, sondern jene, die sie eigentlich versuchten nicht mehr zu sein. Ihr barbarischer Charakter, ihre Besessenheit gegenüber dem Besitz am Mensch, ihr sexuelle Erniedrigung an Anderen, dass alles sind Ideale, die er für sich nicht sieht, und lieber den Menschen überlassen möchte.
Somit gelingt Rollin eben genau dieses Ziel, was er immer vor Augen führt, den Tod nicht als Bestrafung oder Schmerz ansieht, sondern die Erlösung in die Freiheit, in das Gute dieser Welt, während die Menschen, sich in ihrer Erhabenheit zugrunde richten. Und da mag genau dieser unerbittliche nahezu schon untypisch ruppige Stil während der Gruftorgien wunderbar erscheinen in Bezug auf die gegensätzlich verträumte Art seiner hypnotischen, nahezu surrealistisch verträumten Szenen, die tiefsitzenden Masken noch superber von den Gesichtern zu reissen, erkennt man darin vielleicht die wahre Intention des Filmes. Der Weg ohne Ziel...
Fazit:
Rollins Requiem for a Vampire ist wie immer kein gewöhnlicher Film, aber vorallem kein gewöhnlicher Vampirfilm. Rollins Filme sind unheilvoll bizarr, verträumt und angereichert mit soviel Symbolik, dass man sich derart alleingelassen fühlt, dass obwohl der Plotlosigkeit, es soviel zu deuten gibt. Da macht "Requiem..." keine Ausnahme. Im Gegenteil, schifft er von dem Bösen ins Gute, um in dem vermeintlichen Gutem wieder das Böse zu erkennen.
Und erinnert euch:
Es gibt keine Vampire, es gibt nur Menschen.
91%