Gefährliche Begegnung
The woman in the window
USA 1944
Regie: Fritz Lang
Edward G. Robinson, Joan Bennett, Raymond Massey, Edmund Breon, Dan Duryea, Thomas E. Jackson, Dorothy Peterson, Arthur Loft, Frank Dawson, Brandon Beach, Iris Adrian, Robert Blake, Paul Bradley, Don Brodie, Carol Cameron, Claire Carleton, James Carlisle
OFDB
The woman in the window
USA 1944
Regie: Fritz Lang
Edward G. Robinson, Joan Bennett, Raymond Massey, Edmund Breon, Dan Duryea, Thomas E. Jackson, Dorothy Peterson, Arthur Loft, Frank Dawson, Brandon Beach, Iris Adrian, Robert Blake, Paul Bradley, Don Brodie, Carol Cameron, Claire Carleton, James Carlisle
OFDB
Momentaufnahmen eines Films. Ein Mann, der Professor für Psychologie Wanley, doziert vor seinen Studenten über die Unterschiede, die das moderne Strafrecht im Wesen des gewaltsamen Todes macht. Wanley verabschiedet sich von seiner Frau und seinen Kindern, für die nächste Zeit wird er Strohwitwer sein. Wanley trifft sich mit seinen Freunden in einem Club. Vorher bemerkt er das Gemälde einer wunderschönen Frau in einem Schaufenster.
Nach dem Treffen mit seinen Freunden geht Wanley noch einmal zu diesem Bild. Zum Träumen, zum Glücklichsein. Und bemerkt zu seinem leichten Schrecken, dass die Frau vom Bild direkt neben ihm steht und ihn anspricht. Man unterhält sich, man versteht sich, man geht gemeinsam etwas trinken, und landet in ihrer Wohnung. Es kommt was kommen muss, ein anderer Mann betritt das Appartement und geht mit Tötungsabsicht sofort auf Wanley los. Der wehrt sich und ersticht den Fremden mit einer Schere.
Momentaufnahmen eines in Auflösung befindlichen, wohlanständigen Lebens. Wanley bewahrt kühles Blut und überlegt genauestens, was er tun muss, um die Leiche loszuwerden. Und was die Frau, Alice Reed, zu tun hat, damit niemand auf die Idee kommt die beiden zu verdächtigen. Wanley bringt den Toten raus aufs Land, wo er ihn irgendwo in einem Wald über einen Zaun wirft. Doch die Bluttat wird schnell entdeckt, und ausgerechnet Wanleys Freund aus dem Club ist Staatsanwalt und leitet die Ermittlungen. Und dann schaltet sich auch noch ein Erpresser ein, der genauestens zu wissen scheint was in dieser Nacht passiert ist.
Momentaufnahmen. Ein Mann und eine Frau, die sich hervorragend verstehen. Und im Jahr 1944 bedeutet das nicht zwangsläufig Sex zu haben, sondern einfach miteinander etwas zu trinken und sich zu entspannen. Das Hays-Code-Äquivalent zu einer modernen Sexszene. Ein Mann der dazwischen geht und, wenn das Tohuwabohu vorbei ist, tot auf dem Boden liegt. Ein Mann und eine Frau, die sich beide ihr Leben nicht durch einen Totschlag in Notwehr kaputt machen wollen. Beschreibende Stichpunkte aus einem Film, der noch sehr viel mehr zu bieten hat als nur diese kurzen Momente. Die behagliche und heimelige Atmosphäre von Alice Reeds Wohnung wandelt sich in Nullkommanichts in eine potentielle Mausefalle. Ein älterer und biederer Mann verwandelt sich in etwas, was einem gewissenlosen Gangster schon relativ nahekommt. Und der Regisseur Fritz Lang ist sich auch nicht zu schade, sogar den Hauptdarsteller im Lauf des Films auszuwechseln: Während uns Edward G. Robinson in den ersten zwei Dritteln als Professor Wanley sicher durch die Straßen New Yorks führt, ist Joan Bennett als Alice Reed die Leading Person im letzten Drittel, Robinson spielt fast gar keine Rolle mehr und verabschiedet sich im Lauf des Films immer mehr in die Nebensächlichkeit. Alice Reed verhandelt mit dem mehr als grandiosen Dan Duryea als Erpresser, begibt sich ohne Netz und doppelten Boden in Gefahr und bietet eine sehr nachdrückliche und dichte One-Woman-Show. Eine Femme Noir im besten Sinne, stark und unabhängig, dabei wirkte sie zu Beginn doch so einsam und verletzlich …
Und genauso wandelt sich auch der Film während seiner Laufzeit. Vom Drama über den Krimi zum Thriller bis zu leichten komödiantischen Anwandlungen lässt sich DIE FRAU IM FENSTER nicht an irgendwelchen Begrifflichkeiten festmachen. Vielmehr oszillieren die Geschichte und die Charakter immer wieder durch- und übereinander und ergeben ein sich ständig veränderndes Bild. Auf der einen Seite möchte Wanley seinen Namen nicht preisgeben damit sie bei einem eventuellen Verhör seinen Namen nicht nennen kann. Die Identität des Toten ist eine Zeitlang ein Rätsel (Alice Reed kennt ihn nur unter einem falschen Namen), und selbst die Auflösung des ganzen passt zu dieser Betrachtung, denn auch hier erweist sich der Mord als etwas ganz anderes als man denkt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob etwa Wanley wirklich so unschuldig ist wie er tut? Woher kommt seine Kaltblütigkeit beim Beseitigen der Leiche? Und wer ist Alice Reed? Eine einsame aber gutbürgerliche Frau? Oder ein Gangsterliebchen mit genügend Erfahrung im Umgang mit Leichen und Erpressern? Immerhin läuft sie für knapp die Hälfte der Laufzeit im transparenten Oberteil durch das Bild. Ohne Büstenhalter! Und weiß Wanleys Freund Lalor, der Staatsanwalt, mehr als er vorzugeben scheint? Seine gelegentlichen Blicke zu Wanley bei der Begehung des Tatortes lassen darauf schließen, dass der Mann messerscharf kombinieren kann. Die Charaktere scheinen so griffig zu sein, und immer wieder zieht Fritz Lang dem Zuschauer den Boden unter den Füßen weg, lässt seinen Schauspieler einen Blick wie eine Pistolenkugel abschießen, und alles, was sich der Zuschauer zusammengereimt hat wird wieder fraglich, während die Uhr vor dem Haus Alice Reeds unerbittlich die Stunden der Protagonisten herunterzählt.
Gleichzeitig ist Fritz Lang aber natürlich auch erfahren genug gewesen um zu wissen, wie er den Zuschauer packen und mitziehen kann, ohne aber auf vordergründiges Spektakel zu setzen. Matthias Merkelbach schreibt über den Film „…die Dramaturgie, die den Film in ruhigem Fluss in seine Spannungskurve treibt.“, und drückt das Phänomen damit perfekt aus, dass ohne actionlastige Höhepunkte und ohne Schockeffekte die Spannung im Lauf der Story immer weiter ansteigt. Fast könnte DIE FRAU IM FENSTER ein Film von Hitchcock sein, eine Blaupause für Filme wie ICH BEICHTE oder FRENZY. Gerade ersterer erinnert an DIE FRAU IM FENSTER: Ein ganz normaler Mann, der mit dem Verbrechen in Berührung kommt und von diesem fast in den Wahnsinn getrieben wird. FRENZY wiederum scheint das Problem einer Leichenbeseitigung direkt bei Fritz Lang abgeschaut zu haben, nur mit einem andern erzählerischen Schwerpunkt.
Und so ergibt sich in DIE FRAU IM FENSTER ein vielschichtiges und spannendes Bild, das sich immer wieder ändert, und mit jeder Filmminute genauso anders erscheint wie aus einem anderen Blickwinkel. Großes spannendes Noir-Kino!
7/10