Helden der Nacht
We own the night
USA 2007
Regie: James Gray
Joaquin Phoenix, Mark Wahlberg, Eva Mendes, Robert Duvall, Antoni Corone, Moni Moshonov, Oleg Taktarov, Alex Veadov, Danny Hoch, Tony Musante, Dominic Colon, Joseph D'Onofrio, Elena Solovey, Maggie Kiley, Paul Herman, Craig Walker, Claudia Lopez

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OFDB
In den letzten Wochen habe ich einiges an Polizeithrillern aus den letzten etwa 20 Jahren gesehen, und mir ein Bild davon gemacht, wie unterschiedlich die Herangehensweisen an dieses Genre doch sein können. Der grundsolide und düstere DAS GESETZ DER EHRE von Gavin O’Connor etwa, der sehr spannende und stellenweise entsetzlich realistische BLACK AND BLUE von Deon Taylor, oder der starke, Mockumentary-Mittel einsetzende, END OF WATCH von David Ayers. Alles tolle Filme, und jeder auf seine Weise etwas ganz Eigenes und Besonderes. Und dann ist da noch der ziemlich unrealistische HELDEN DER NACHT:
Polizeichief Grusinsky (geerdet: Robert Duvall) hat zwei Söhne: Joseph (unauffällig: Mark Wahlberg) ist Polizist und bereitet sich gerade darauf vor, eine Spezialeinheit der Drogenfahndung zu übernehmen, mit der er die Russenmafia in New York aufrollen will. Und Bobby (wie auf Drogen: Joaquin Phoenix), der mit seiner Familie weitgehend gebrochen hat, Manager einer Großraumdisco ist, die scharfe Amada (Mit extrascharfem Chili: Eva Mendes) fickt, und ein Leben zwischen Drogen, Pokertisch und Dauerparty lebt. Allerdings ist Bobbys Chef ein Russe, und viele Russen aus der Unterwelt verkehren in dieser Disco, womit Bobby in das Visier seines Bruders gerät, der es sich nicht nehmen lässt, Bobby bei einer Razzia festnehmen zu lassen. Und außer Bobby auch einen Dealer, Vadim Nezhinski, der das eigentliche Ziel der Razzia war. Nezhinski findet das nicht lustig und lässt auf Joseph einen Mordanschlag ausführen, was wiederum Bobby auf die Barrikaden treibt. Er lässt sich tatsächlich darauf ein, als Informant für die Polizei zu arbeiten und Nezhinskis Organisation zu unterwandern.
Wenn ich schreibe, dass HELDEN DER NACHT ziemlich unwahrscheinlich ist, dann muss man sich diese Inhaltsangabe erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Bruder 1 ist ein Cop der die Russenmafia jagt, Bruder 2 ein Partyhengst mit guten Verbindungen zu ebendieser Russenmafia. Und weil Bruder 1 niedergeschossen wird, will Bruder 2 Saures und infiltriert die Bösen. Ja klar, das kann man schon mal machen. Genauso, wie die zweite Hälfte des Filmes, die zwar sehr spannend inszeniert ist, aber vor Zufälligkeiten, abstrusen Aktionen und idiotischen Verhaltensweisen nur so strotzt. Realistische Polizeidramen à la FORT APACHE gehen anders.
Macht aber nichts, denn zum einen will HELDEN DER NACHT gar kein realistisches Polizeidrama sein (das hoffe ich zumindest), und zum anderen kann der Flick auf anderer Ebene punkten, nämlich durch seine ruhige und gut strukturierte Erzählweise, sowie die starken Schauspieler und last but not least die erstklassige Musik. Aber der Reihen nach: Erzählt wird langsam und gründlich. Die Hauptfiguren werden standardisiert aber effektiv eingeführt. So ist es einfach wunderschön anzusehen, wie Bobby und Amada im Club zwischen Farben und Leben ihre Liebe leben, wie sie auf junge und gut gelaunte Menschen treffen die zu Blondies
Heart of glass tanzen (der Film spielt Ende der 80er) und offensichtlich die geborenen 24 Hour Party People sind. Dann fahren sie in einen Gemeindesaal, in dem die Polizeigemeinde die Beförderung von Joseph feiert, und dort gibt es nur altbackenen Rock ‘n‘ Roll, ältere und alte Menschen die grau angezogen sind, graue Gesichter haben, und die niemals so überschwängliche Verhaltensweisen zulassen würden wie die tollen Hipster im Club. Der Kontrast zwischen hier und da, zwischen Farbe und Grau, zwischen Leben und Sterben ist erstklassig, und so billig das vielleicht auch erscheinen mag: Es funktioniert, und der Zuschauer schlägt sich wie selbstverständlich auf die Seite Bobbys. Die Charakterisierungen der Figuren werden so auch recht effektiv mitgenommen, und die Erzählung kann schnell fortschreiten, ohne sich in mühsamen Nebensträngen zu verzetteln.
Durch diese Erzählweise und vor allem durch das gedämpfte Tempo wird auch eine ganz bestimmte Stimmung etabliert, die den Zuschauer schnell in die Story hineinzieht. In langsamen Schritten, mit denen wir das Unheil deutlich herannahen sehen ohne es verhindern zu können, nähern wir uns einer unausweichlichen Katastrophe, und gerade das Tempo macht die Angst vor dem Unabänderbaren erst so richtig intensiv. Gut verteilt werden einige Schocks ausgeteilt, die zwar nicht unerwartet kommen (es ist z.B. völlig klar, dass Joseph das nächste Opfer sein wird, ein Mord mit Ansage also), aber das dann zu sehen und zu erleben ist dann auch wieder etwas anders. Genauso wie die Probleme die entstehen, wenn Bobby und Amada von einem sicheren Versteck in ein anderes gebracht werden sollen – Auch hier wieder Action mit Ansage, denn es ist völlig klar dass diese Überführung nicht gut gehen kann, aber der Kern ist schließlich, in welcher Weise die Action dann umgesetzt wird: Bobby fährt in einem tiefen Schock durch sturzbachartigen Regen, er schreit, hinter ihm stöhnt Amada, sehr schnell und hektisch geschnitten sehen wir das vor ihm fahrende Auto genauso wie den Wagen der Angreifer, der sich immer wieder auf die beiden Polizeiautos stürzt. Und als einziges Begleitgeräusch, neben einem kaum hörbaren Drone-Score, der sich sicher den Weg ins Rückgrat sucht, als einziges Begleitgeräusch also die rhythmischen Scheibenwischer, die unerbittlich den Takt des Sterbens vorgeben. Eine hypnotische Szene, die den Zuschauer auch nach ihrer Auflösung nicht mehr loslässt.
Von solchen Momenten hat es mehr, und diese Momente machen den Film auch aus, geben ihm das Fleisch, das im sprunghaften letzten Drittel dann narrativ öfters mal fehlt. Und zu diesen Momenten passen dann auch die Darsteller, die ich in der Inhaltsangabe ja bereits versucht habe kurz zu charakterisieren. Ja, Mark Wahlberg scheint blass zu sein, aber seine Filmfigur ist halt ein blasser Cop, der im Verlauf des Films auch zunehmend Probleme bekommt mit der ihn umgebenden Gewalt und erkennen muss, dass diese Art Polizeiarbeit nicht das ist was ihn ausfüllt. Und ja, Joaquin Phoenix wirkt lange Zeit wie auf Drogen, aber irgendwie passt das zu seiner Figur. Bobby hat Schlimmes erleben müssen, dass sich sein Geist irgendwann vernebelt ist durchaus nachvollziehbar. Und die Nebenfiguren, vor allem die Mafiosi, sind erstklassig gecastet und auch sie geben dem Film viel Fleisch auf die Rippen. Die gut ausgewählte Musik aus den 80ern (u.a. Specials, Clash) unterstützt dann trotz dieses dadurch entstehenden Guy Ritchie-Flairs die Figuren und die Atmosphäre und sorgt für ein durchaus stimmiges Gesamtbild.
Ich kann jeden verstehen der sich am letzten Drittel stört, der Phoenix‘ verhangenen Blick nicht mag, und den die Vorhersehbarkeit der allermeisten Szenen langweilt. Dinge die mich auch gestört haben, die ich aber der Stimmung dieses Films (dieses Mal) unterordne. HELDEN DER NACHT ist sicher kein Beispiel für einen gelungen Polizeithriller, aber spannend und gut anzuschauen ist er allemal …
7/10
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)