Eis am Stiel, 2. Teil - Feste Freundin - Boaz Davidson (1979)

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Eis am Stiel, 2. Teil - Feste Freundin - Boaz Davidson (1979)

Beitrag von buxtebrawler »

Eis am Stiel, 2. Teil - Feste Freundin.jpg
Eis am Stiel, 2. Teil - Feste Freundin.jpg (64.16 KiB) 326 mal betrachtet

Originaltitel: Yotzim Kavua

Regie: Boaz Davidson

Herstellungsland: Israel / 1979

Darsteller(innen): Dafna Armoni, Yasha Katz, Yftach Katzur, Dvora Kedar, Dorit Kroizer, Orit Kroizer, Joel Lila, Nurit Ma'ane, Yvonne Michaeli, Zachi Noy, Jonathan Sagall, Rachel Steiner u. A.
Drei Jungs in Tel Aviv und die selben Probleme: Mädchen! Momo (Jonathan Sagall) bekommt zwar jede, die er will, lässt sie dann aber ins kalte Wasser fallen. Dickerchen Johnny (Zachi Noy) verliebt sich in Martha (Rachel Steiner), die jedoch mehr an Benny (Yftach Kazur) interessiert ist. Aber der ist schon an Tammy (Yvonne Michaeli) vergeben. Zwischen den beiden kriselt es, als Tammy sich vor dem "ersten Mal" ziert.
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Eis am Stiel, 2. Teil - Feste Freundin - Boaz Davidson (1979)

Beitrag von buxtebrawler »

„Man nennt mich den Bullen von Finsterwalde!“

Nach dem Überraschungserfolg des israelischen Sommer-Cocktails aus Teenie-Erotikkomödie, Liebesfilm und Coming-of-Age-Drama, „Eis am Stiel“, schob dasselbe Team aus Regisseur Boaz Davidson, Co-Autorin Eli Tavor und dem Hauptdarstellertrio Jesse Katzur, Zachi Noy und Jonathan Segal direkt ein Jahr später die erste Fortsetzung nach. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass mit diesem 1979 veröffentlichten Sequel der Abstieg der Reihe in reinen Sexklamauk begonnen habe. Dass dem nicht so ist, werde ich darzulegen versuchen.

„Das ist fast so wie 'ne Liebesszene in 'nem Film!“

Tel Aviv, Ende der 1950er oder Anfang der 1960er: Nach ihren Erlebnissen im letzten Sommer sind der eher schüchterne Benny (Jesse Katzur), der „lustige Dicke“ Johnny (Zachi Noy) und der Aufreißer Momo (Boaz Davidson) weiterhin miteinander befreundet und lassen auf der Suche nach Vergnügen, Rock’n’Roll und Mädchen keine Party aus. Momo hat fast so etwas wie einen Sport aus seinen stetig wechselnden sexuellen Bekanntschaften gemacht, während Johnny in Martha (Rachel Steiner) eine Freundin gefunden hat. Benny hingegen lernt Tammy (Yvonne Miklosh, „Jack rechnet ab“) kennen und verliebt sich in sie. Mit ihr ist er bereit, das Abenteuer einer festen Beziehung einzugehen – muss dafür jedoch in Kauf nehmen, dass sie nicht sofort mit ihm zu schlafen bereit ist. Dass Martha ebenfalls ein Auge auf Benny und Momo ebenfalls eines auf Tammy geworfen hat, verkompliziert die Situation zusätzlich und birgt Konflikte…

Davidson beginnt diese Fortsetzung ganz im Sinne einer Teenie-Komödie: Das Trio besucht eine Rock’n’Roll-Disco, wo es Johnny gelingt, drei Mädels dazu zu überreden, mit ihnen an den Strand zu fahren. Dort wird natürlich nacktgebadet, jedoch leider ohne die Mädchen, die stattdessen lieber mit ein paar Bikern und den Klamotten der Jungs abhauen. Johnny muss zudem einen Pfandflaschendiebstahl ausbaden. Drei Jungs als kleine Machos, denen ihr Verhalten selbst auf die Füße fällt also, wobei es insbesondere Johnny stets am härtesten zu treffen scheint – ein typischer Loser eben. Der Tonfall ändert sich, als Benny Tammy im Laden kennenlernt und sofort scharf auf sie ist, sie ihn jedoch zunächst abblitzen lässt. Er hängt sich daraufhin rein, stellt ihr nach, bringt sie zum Lachen – und überzeugt sie dadurch, mit ihm auszugehen.

Benny holt sie ab und lernt auch Tammys Eltern kennen – ein weiteres Indiz dafür, dass es nun ernster wird. Benny nimmt Tammy mit auf Johnnys Party, wo Momo sich perfiderweise ebenfalls für sie zu interessieren beginnt. Benny wird nach den Ereignissen im Vorgänger, in dem er Bennys Freundin Nili offenbar für sich gewann, damit endgültig als charakterschwacher falscher Freund charakterisiert, dem zumindest in solchen zwischenmenschlichen Fragen grundsätzlich zu misstrauen ist. Es kommt auch zu einem Wiedersehen mit den Bikern, die ebenfalls auf die Party wollen – doch diesmal sitzen die Jungs am längeren Hebel und veralbern sie. Als Zuschauer(in) ahnt man, dass dies nicht die letzte Begegnung miteinander gewesen sein wird. Durch beide Aspekte – Momos Interesse an Tammy und den erneuten Biker-Konflikt – gewinnt der Film neben seinem komischen Gehalt und seiner Romanze an Spannung.

Benny bringt Tammy gentlemanlike nach Hause und gesteht ihr seine Liebe. Die Szene mündet in einen Kuss. Bald steht schon wieder eine Party auf dem Plan, diesmal inklusive einer Kissenschlacht. Dieses erneute Zusammenkunft der Figuren wird genutzt, um den nächsten Konfliktherd anzufachen: Es stellt sich heraus, dass Martha nur deshalb mit Johnny liiert ist, um öfter in Bennys Nähe sein zu können. Doch der scheint mit Tammy sehr glücklich zu sein. Dennoch brodelt es, denn sie möchte noch keinen Sex mit ihm, woraus ein Streit entsteht. Bis zu diesem Punkt hat der Film Charme und Witz, wenngleich der Krach zwischen Benny und Tammy etwas hart wirkt. Aus Frust betrinkt sich Benny daraufhin, was Martha für sich ausnutzt, indem sie ihn zu verführen versucht.

Im Anschluss wird’s allerdings sehr befremdlich: Auf der nächsten Party (Himmel, wie viel wurde denn damals in Tel Aviv gefeiert?!) reißt Momo eine willige Dame auf, hat Sex mit ihr und versucht danach, Johnny und Benny unbemerkt ebenfalls „drüberrutschen“ zu lassen – seine Sexualpartnerin soll glauben, es handele sich weiterhin um Momo. Was hier lustig sein soll, ist im Prinzip eine Art Vergewaltigungsversuch. Die Biker lösen die Szenerie auf, indem sie Johnny in die Flucht schlagen. Tammy und Benny vertragen sich schließlich wieder, doch aufgrund des „Sexentzugs“ hat er einen Dauerständer, den er mit einem Eisblock behandelt – ein eher negatives Beispiel für den zotigen Humoranteil des Films. Eine originelle Idee hingegen hat das junge Paar, als es eine Wohnung besichtigen geht, um endlich einmal allein zu sein und in Ruhe Sex miteinander haben zu können. In Hamburg mit seinen Besichtigungsmassenabfertigungen würde das nicht funktionieren; hier jedoch hat Davidson die Sequenz sehr langsam und gefühlvoll inszeniert und mit nackten Körpern in einem komplett leeren Raum auch ein besonderes ästhetisches Erlebnis geschaffen. Zum Sex kommt es jedoch nicht mehr.

Beim nächsten Treffen des Freundeskreises benimmt sich Momo einmal mehr wie ein Vollarsch und entzweit kurzerhand alle, indem er von Martha und Benny berichtet. Damit legt er jedoch den Grundstein für einen überraschenden Höhepunkt des Films: Johnny verlassen die Kräfte und er nimmt sein Leid klagend auf einer Treppenstufe Platz. War er bisher für den Slapstick zuständig, wird er nun erstmals vom Film ernstgenommen und bekommt Raum für seine über Spaß und Geilheit hinausgehenden Emotionen. Das ist sehr gut – insbesondere von Noy – umgesetzt, generell liegt in dieser Fortsetzung selbst bei den Laiinnen und Laien schauspielerisch nichts im Argen. Diese mitfühlende Szene steht auch im Kontrast zum oben genannten De-facto-Vergewaltigungsversuch, bei dem sich niemand moralische Fragen gestellt hat.

Und der nächste Kontrast lässt nicht lang auf sich warten: Im Zuge einer aufwändig durchchoreographierten, mitreißenden Rock’n’Roll-Massentanzszene zu Jerry Lee Lewis‘ „High School Confidential“ und The Champs‘ „Tequila“ regiert wieder die pure Lebensfreude. Benny nimmt schließlich die Herausforderung erneut an und kämpft leidenschaftlich um Tammy – und auch, wenn am Ende immer irgendjemand in die Röhre guckt, wartet „Eis am Stiel 2“ im Gegensatz zum Vorgänger doch tatsächlich mit einem Happy End auf.

Was sich vielleicht wie ein krude Mischung aus Klamauk, Komik (köstlich: Bennys Dialoge mit seiner Mutter (Dvora Kedar)), Romantik, Sex und Erwachsenwerden mit ständig wechselnder Stimmung liest, funktioniert als Film die meiste Zeit mehr als passabel. Das zweite „Eis am Stiel“ erzählt von den Irrungen und Wirrungen erster Aufbauversuche fester Beziehungen und ist dabei nicht nur weniger episodenhaft als Teil 1, sondern auch noch weiter von einem Softporno entfernt. Dies geht mit weniger nackter Haut einher, die erste weibliche Oben-ohne-Szene lässt recht lange auf sich warten (und gehört Martha bei ihrem Versuch, Benny zu verführen).

Dem Filmgenuss tut dies keinen Abbruch, denn neben der wunderbaren, bestechenden Sommeratmosphäre überzeugt Davidson hier mit einer noch etwas versierter erzählten Geschichte und mehr emotionaler Tiefe in Beug auf seine nun weitestgehend ausdefiniert erscheinenden Charaktere. Im Soundtrack jagt dazu wieder ein Evergreen den nächsten, wobei insbesondere das von Debbie Reynolds gesungene Titelstück „Tammy“ im Ohr bleibt. Neben den verzichtbaren Zoten und der miesen Rudelbumsidee ist es jedoch schade, dass Martha das einzige weibliche Wesen ist, das es aus dem ersten Teil auch in diesen zweiten geschafft hat – auf ein Wiedersehen mit Nili muss man ebenso verzichten wie auf die Klärung der Frage nach ihrem Verbleib oder Schicksal sowie danach, wie Benny und Momo nach dem Ende von Teil 1 ihre Freundschaft restaurieren konnten.

Schämen muss sich (mit ein paar Abstrichen) für diesen Film jedoch niemand.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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