Graceland - Ron Morales (2012)

Moderator: jogiwan

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horror1966
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Graceland - Ron Morales (2012)

Beitrag von horror1966 »

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Graceland
(Graceland)
mit Arnold Reyes, Menggie Cobarrubias, Dido De La Paz, Leon Miguel, Ella Guevara, Marife Necesito, Patricia Gayod, Bernadette Diao, Yam Wilson, Angie Ferro, Angeli Bayani, Archie Adamos, Lynn Sherman, Rommel Luna
Regie: Ron Morales
Drehbuch: Ron Morales
Kamera: Sung Rae Cho
Musik: Adam Schoenberg / Steven Schoenberg
FSK 12
Philippinen / 2012

Der junge Familienvater Marlon Villar arbeitet seit Jahren als Chauffeur für den korrupten und moralisch pervertierten Politiker Manuel Chango. Als er eines Tages Changos Tochter gemeinsam mit seiner eigenen Tochter von der Schule abholt, werden die drei von einem Kidnapper überfallen und es kommt zur Katastrophe: Der Entführungsversuch geht vollkommen schief und Marlon muss hilflos mit ansehen, wie statt der Politikertochter irrtümlich sein eigenes Kind gekidnappt wird. Als einziger Zeuge der Entführung und Angehöriger der mittellosen Unterschicht gerät Marlon schnell selber in den Verdacht, etwas mit der Entführung zu tun zu haben. Hilfe hat er von niemandem zu erwarten - auf sich allein gestellt versucht er verzweifelt, das Leben seiner Tochter zu retten, doch immer weiter werden alle Beteiligten samt Familien in eine Abwärtsspirale aus Lügen und Täuschungen gezogen.


Ein philippinischer Thriller weckt vielleicht nicht sofort die große Aufmerksamkeit eines breiten Publikums, doch mit dieser Einstellung würde man der zweiten Regie-Arbeit von Ron Morales nicht einmal annähernd gerecht werden. Mit "Graceland" präsentiert der gute Mann nämlich eine mehr als gelungene Kombination aus Entführungs-Thriller, Millieu-Studie und Drama, wobei gleichzeitig auch noch moralische Aspekte im Fokus der Geschichte stehen. Das Geschehen entfacht von der ersten Minute an eine kaum in Worte zu fassende Faszination, der man als Zuschauer unweigerlich die gesamte Laufzeit über erlegen ist. In erster Linie kann man das wohl an der trostlosen Grundstimmung festmachen die der Geschichte zugrunde liegt, denn die erheblichen Unterschiede zwischen der uns bekannten westlichen Kultur und der des südostasiatischen Staates werden einem in eindrucksvollen-und realistischen Bildern näher gebracht. Morales achtet dabei explizit darauf dem Betrachter die hässliche Seite des Großstadt-Molochs Manila zu präsentieren, denn Armut, Korruption und Gewalt beherrschen die Szenerie. Dadurch wird das Ganze durchgehend mit einer äußerst beklemmenden Note unterlegt und phasenweise stellt die vorliegende Story schon einen extremen Tiefschlag in die menschlichen Eingeweide dar.

Dabei zeichnet sich "Graceland" keinesfalls durch visuelle Gewalt-Exzesse aus, doch die Thematik des Filmes und die damit verbundenen Ereignisse gehen einem sehr stark unter die Haut, da die gesamte Chose ungemein authentisch und glaubwürdig erscheint. Im Mittelpunkt steht der junge Marlon, der scheinbar unfreiwillig in einen Entführungsfall und einen damit verbundenen Mord verstrickt wird. Erst im weiteren Verlauf der Dinge kristallisiert sich immer mehr heraus, das gerade seine Rolle letztendlich unter einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet werden muss. Um seinen Charakter richtig einzuschätzen muss man kein Genie sein, denn relativ schnell kann man die Gesamt-Zusammenhänge des Szenarios erkennen, so das am Ende nicht wirklich ein echter Überraschungsmoment vorliegt. Das macht aber rein gar nichts, denn auf diesen Aspekt legt Morales ehrlich gesagt auch keinen sonderlichen Wert, ihm geht es vielmehr darum hier eine beklemmende Geschichte zu erzählen, in der Korruption, Kinder-Prostitution und pädophile Neigungen im Mittelpunkt stehen. Gerade letzteres Element verursacht einem dabei ein sehr flaues Gefühl in der Magengegend und so hegt man auch ziemlich schnell eine starke Ablehnung gegen Marlon's Chef, denn der korrupte Politiker vergnügt sich immer wieder gern mit kindlichen Mädchen, wobei sein Untergebener ihn nicht nur einmal decken muss. Kein Wunder also, das in den Neigungen des Chefs auch die Gründe für die Entführung liegen, denn nun muss sich der aalglatte Mann seinen Taten stellen und auf ziemlich bittere Art dafür büßen.

"Graceland" ist kein spektakulärer Film und beinhaltet im Prinzip auch keinerlei echte Höhepunkte, denn das eigentliche Higlight ist der Film an sich. Die realistische Inszenierung, die bedrückenden Bilder und großartig agierende Darsteller sind das Aushängeschild eines Werkes das wirklich unter die Haut geht. Das mittlerweile etablierte Label OFDB filmworks hat an dieser Stelle einmal mehr sein untrügliches Gespür für das Besondere unter Beweis gestellt, denn bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich definitiv um einen Film, den man sicherlich nicht so schnell vergessen wird. Dafür sorgt allein schon die Thematik der Geschichte und die kompromisslos nüchterne Visuallisierung des Ganzen, denn hier ist absolut kein Platz für Glanz und Glorie. Stattdessen bekommt man riesige Müllhalden und Armut geboten, doch gerade diese Atribute sind es dann auch, die vorliegender Story eine unglaubliche Wucht verleihen. Die grandios agierende Darsteller-Riege ist ein weiterer dicker Pluspunkt, wobei man prinzipiell niemanden besonders hervorheben kann. Dennoch sticht Arnold Reyes in der Rolle von Marlon ein bisschen hervor, wobei der gute Mann keinesfalls den typischen-und glorreichen Helden darstellt, den die meisten anderen Genre-Vertreter zumeist beinhalten. Gerade sein Charakter ist ziemlich schwer einzuschätzen, denn im Laufe der Geschehnisse stellt sich der gute Marlon keinesfalls so unschuldig dar wie es zu beginn noch den Anschein hat. Dennoch sympathisiert man die ganze Zeit über mit ihm und kann zudem auch durchaus Verständnis für seine persönliche Lage aufbringen, die sich erst kurz vor dem Ende in ihrer Gesamtheit präsentiert.

So wie der Hauptdarsteller offenbart sich dann auch der gesamte Film, denn "Graceland" offenbart jede Menge Ecken und Kanten. Morales zeigt hier alles andere als seichte Unterhaltung, er verlagert sich vielmehr darauf dem Zuschauer eine unbequeme und bedrückende Story anzubieten, über die man auch noch lange nach Beendigung der Sichtung nachdenken muss. Fast gänzlich ohne Action ausgestattet entfachen die Ereignisse dennoch eine unglaubliche Intensität und lassen einen zeitgleich auch über moralische Aspekte nachdenken, die hier ziemlich schonungslos in das Bewusstsein des Betrachter eingehämmert werden. Man sollte also schon im Vorfeld wissen auf welche Art von Film man sich hier einlässt, denn die vorliegende Geschichte eignet sich keinesfalls dazu, das man sie sich einfach mal nebenbei anschaut. "Graceland" verdient die volle Aufmerksamkeit des Betrachters und nur so kann man sich auch gänzlich mit einem Szenario auseinandersetzen, an dem man auch im nachhinein noch ordentlich zu knabbern hat.


Fazit:


Einmal mehr hat OFDB filmworks eindrucksvoll unter Beweis gestellt, das man ein gutes Näschen für außergewöhnlich gute Produktionen hat und dabei auch gern einmal filme veröffentlicht, die einem nicht auf den ersten Blick sofort ins Auge springen. Bei "Graceland" sollte man sich vor allen Dingen nicht davon abschrecken lassen das es sich um einen philippinischen Film handelt, denn das Produktionsland gibt gar keinen Aufschluss darüber, mit welcher hohen Qualität die erzählte Geschichte ausgestattet ist. Von mir gibt es jedenfalls eine dicke Empfehlung an all jene, die auch vor einem unbequemen Szenario nicht zurückschrecken.


8,5/10
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Arkadin
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Re: Graceland - Ron Morales

Beitrag von Arkadin »

Marlon Villar (Arnold Reyes) arbeitet als Fahrer für den korrupten Politiker Changho (Menggie Cobarrubias), der eine ungesunde Schwäche für minderjährige Mädchen hat. Als diese an die Öffentlichkeit dringt, verdächtigt Changho Marlon geplaudert zu haben und entlässt ihn nach vielen Jahren treuer Dienste. Als letzte Amtshandlung holt Marlon noch Changhos Tochter Sophia (Patricia Gayod) und seine eigene Tochter Elvie (Ella Guevara) von der Schule ab. Da passiert die Katastrophe: Marlon gerät in eine Entführung. Sophia wird erschossen und Elvie an ihrer Stelle gekidnappt. Verzweifelt versucht Marlon Sophias Tod zu vertuschen, um die Lösegeldzahlung für Elvie zu sichern. Dabei gerät er schnell ins Visier der Ermittler, die ihn für einen Mittäter halten…

Mit „Graceland“ hat der auf den Philippinen geborene, aber in New York lebende Regisseur Ron Morales seinen zweiten Langfilm abgeliefert. Wie sein Erstling “Santa Mesa” von 2008 spielt auch dieser wieder auf den Philippinen. Morales hat ein scharfes Gespür für die Missstände in seinem Geburtsland und nimmt auch kein Blatt vor den Mund, was die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen dort angeht. Zwar erreicht er nicht die radikale Wut, die sein Landsmann Khvan in seinem Wutschrei „Mondomanila“ auszudrücken vermochte, doch Morales’ Blick ist eine ebenso pessimistischer. Keine seiner Figuren taugt zur Identifikation Auch der „Held“ Marlon Villar nicht. Zwar fiebert man anfangs mit ihm mit und erfährt fast schon körperlich sein Verzweiflung, doch auch er ist ein Täter. Denn bei den perversen Taten seines Vorgesetzten schaute er nicht nur weg, sondern war auch direkt daran beteiligt, auch wenn er nicht selber die jungen Mädchen schändet. Doch er sorgte dafür, dass die „Ware“ an den richtigen Ort kommt und dann von dort auch wieder verschwindet. Möglicherweise hat er auch einmal geholfen, eine Leiche verschwinden zu lassen. Marlon mag also ein guter Vater und treusorgender Ehemann sein, doch moralisch hat er sich seinem Umfeld angepasst.

„Graceland“ macht keine Gefangenen. Gleich zu Beginn wird auf das Elend der minderjährigen Mädchen, die Freiwild für reiche Pädophile sind, aufmerksam gemacht. Dabei scheut sich Ron Morales auch nicht, die Opfer nach dem perversen Akt auch nackt zu zeigen (Ron Morales nutzt hier ein Body-Double, was der Szene aber nichts von ihrer verstörenden Wirkung nimmt). Menschenleben zählen in dieser Vorhölle namens Manila nichts. Selbst unschuldige Kinder werden ohne mit den Augen zu zwinkern kaltblütig erschossen. Nach Szenen wie diese muss man erst einmal erst tief durchatmen. Wer immer bei der FSK für eine Freigabe dieses Films „ab 12 Jahren“ zuständig war, muss sehr tief geschlafen haben. Neben oben angeführten Szenen, werden auch die (echten) Kinderbordelle Manilas gezeigt, korrupte Polizisten prügeln auf Verdächtige ein und auch Organhandel wird am Rande thematisiert. Dies alles zwar relativ unblutig, doch die physische und psychische Gewalt in dieser menschenverachtenden Umgebung frisst sich tief ins Bewusstsein. Das ist definitiv kein Stoff, aus dem Kinderträume sein sollten.

INT-ROOMGerade in der ersten Hälfte erzählt Ron Morales eine aufwühlende und sehr gradlinige Geschichte, in der er die Ausweglosigkeit der Situation für den Zuschauer greifbar macht. Man kann Marlons Angst und Verzweiflung beinahe schmecken. Wozu auch der junge Arnold Reyes, der den Marlon spielt, schauspielerisch einen großen Teil beiträgt. Er bleibt jederzeit glaubhaft und überträgt seine Gefühle so intensiv auf den Zuschauer, dass dieser sich bald selber in einem ausweglosen Netz aus Lügen gefangen glaubt. Umso bedauerlicher ist es, dass Ron Morales in seine zuvor simpel, aber ausgesprochen effektiv erzählten Geschichte, gerade in der zweiten Hälfte einige Tricks und überraschende Plotwendungen einbaut, die zwar die Handlung noch ambivalenter machen, dem Film aber insgesamt auch einiges von seiner rohen, unmittelbaren Kraft einbüßen lassen. Insbesondere die Entscheidung aus dem Entführer letztendlich auch „nur“ ein Opfer zu machen, ihm also ein Motiv für seine schreckliche Tat und somit etwas Menschliches, „Gerechtes“, statt nur egoistischer Geldgier, unterzuschieben, ist etwas unglücklich. Denn es erlaubt es dem Zuschauer, sich des Griffes des Filmes zu entziehen. Die Ursache der Gewalt wird „vermenschlicht“ und damit relativiert.

Trotz dieser Kritikpunkte ist Ron Morales ein intensiver, packender Film gelungen, der unter die Haut geht. In vielen Kritiken wird auf die Ähnlichkeit mit den Filmen „Sympathy for Mr. Vengeance“ und Akira Kurosawas „Zwischen Himmel und Hölle“ hingewiesen. Dies mag stimmen, und im Falle Kurosawa hat Morales diesen auch als Inspiration für seinen Film genannt, doch Morales formt daraus etwas ganz Eigenständiges. Etwas sehr „Philippinisches“. Und so nimmt die Hauptstadt Manila in diesem Film beinahe die Rolle eines eigenständigen Charakters an. Morales zeigt die dunklen, hässlichen Seiten. Die von Armut geprägten Viertel der Stadt, die gigantische Müllkippe, die heruntergekommenen Straßen, das Krankenhaus, welches eher an ein Gefängnis erinnert, die Bordelle. Selbst das Büro eines mächtigen Mannes wie Changho sieht recht erbärmlich aus und auch seine Prunkvilla wirkt kalt, ungemütlich und irgendwie ärmlich. Dies mag dem mickrigen Budget geschuldet sein, fügt sich aber nahtlos ins Bild, welches der Film von Manila zeichnet.

Am Ende scheint es dann doch fast so etwas wie ein Funken Hoffnung zu eben. Doch es spricht für Ron Morales, dass er hier nicht den einfachen Weg geht und den Zuschauer auf einer positiven Note entlässt. Sondern dass er auch dies vage hält und sich die Waage des Schicksals durchaus in die eine oder andere Richtung senken kann. Auf der Blu-ray befindet sich noch ein alternatives Ende, welches allerdings ebenso ausgelutscht, wie vorhersehbar ist. Mit dem nun gewählten Schlusspunkt hat Morales nicht nur den richtigen Ton getroffen, sondern er gibt dem Film noch eine weitere – für den, der zwischendrin gut aufgepasst hat – beängstigende Ebene.

In seinem zweiten Spielfilm „Graceland“ zeichnet Ron Morales ein deprimierend-freudloses Bild seines Geburtslandes, den Philippinen. Neben der realistischen Beschreibung einer bis ins Mark korrupten und menschenverachtenden Gesellschaft, in der die Reichen sich alles erlauben können und die Armen zu Handlangern ihrer Verbrechen werden, erzählt Morales auch eine spannende Thriller-Geschichte, die zwar in der zweiten Hälfte durch einige plötzliche Wendungen etwas an Durchschlagskraft einbüßt, den Zuschauer aber bis zum Ende nicht mehr loslässt.
Früher war mehr Lametta
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karlAbundzu
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Re: Graceland - Ron Morales (2012)

Beitrag von karlAbundzu »

Kinderprostitution, Organhandel, Kindesentführung und - mord, Korruption, riesige Müllhaleden. Harter Stoff und Unangenehmes aus Manila.
Zur Story könnt ihr bei Arkschi und Horrorschi nachlesen.
Mir gefiel in diesem insgesamt sehr guten und spannenden Film besonders die drei Schauspieler (Chauffeur, Politiker, Polizist) und deren gegenseitige Abhängigkeiten. Der hypnotisierende Score.
Ein ernster Film mit sozialkritischen Tönen. Empfehlung.

Die Extras auf der DVD sind nichts besonderes.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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