Junge Partisanen - Yong-Gyu Yoon (1951)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3072
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Junge Partisanen - Yong-Gyu Yoon (1951)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

MV5BNjIyMDM1NDUtYWJjYi00MmVmLWEzZjctZGE5N2IxOGNkZDE1XkEyXkFqcGdeQXVyODY0NTMxNTE@._V1_.jpg
MV5BNjIyMDM1NDUtYWJjYi00MmVmLWEzZjctZGE5N2IxOGNkZDE1XkEyXkFqcGdeQXVyODY0NTMxNTE@._V1_.jpg (109.5 KiB) 405 mal betrachtet

Originaltitel: So nyun bbal jjin san

Produktionsland: Nordkorea 1951

Regie: Yong-Gyu Yoon

Darsteller: Se-Yong Kim, Ye-bong Mun, Seung-min Nam


Abt. Salvatores kleine Nordkorea-Reise

Gestern erhalte ich eine Exklusivvorführung im nordkoreanischen Filmclub „Kamera Kim“ und, puh, ich glaube, man hat mir einen der plakativsten Propagandafilme aller Zeiten vorgeführt: Vergesst Riefenstahl, vergesst Eisenstein – schließt euch einer Partisaneneinheit bestehend aus halbwüchsigen Knaben an, sabotiert den Funkverkehr der US-amerikanischen Besatzer, meuchelt koreanische Kollaborateure, beschmiert Häuserwände mit Kampfparolen, und in eurer Freizeit tanzt vor baumhohen Portraits Stalins und Kim il-sungs kommunistisch umgedeutete Volkstänze!

Die Handlung des 1951 von Yong-Gyu Yoon inszenierten Loblieds auf den Guerillakrieg SO NYNUN BBAL JJIN SAN lässt sich in wenigen, an sich bereits reichlich formelhaften Sätzen zusammenfassen: Während die meisten jungen Männer sich bei der Besatzung Koreas durch US-amerikanische Truppen Mitte der 40er in die Illegalität zurückziehen, um den Yankees als Partisanen eine schwere Zeit zu bereiten, muss eine Gruppe Jugendlicher bzw. Kinder in ihrem Heimatdorf verbleiben, wo sie mit eigenen Augen Zeuge von den grausamen Verbrechen werden, die die US-Truppen unter ihren Landsleuten anrichten: Wie im besten (oder schlimmsten) italienischen Nazi-Exploiter werden da Frauen mit Babys auf dem Arm über den Haufen geschossen, weil sie es gewagt haben, vor einem US-Militär auszuspucken, oder man treibt des Kommunismus verdächtige Dorfbewohner in einer Grube zusammen, um sie in Massen niederzustrecken. Wir sind Pioniere, sagt einer unserer vielleicht zehnjährigen Helden zu Beginn des Films im Brustton der Überzeugung. So kann es nicht weitergehen! Ein nicht wesentlich älterer Freund stimmt zu: Genau! Wir sollten kämpfen bis zum letzten Blutstropfen! Und ein Dritter schließt: So wie es uns die Arbeiterpartei gelehrt hat!

Im weiteren Verlauf der episodisch angelegten Handlung tarnen sich unsere minderjährigen Freiheitskämpfer als Putzkolonne, um das Vertrauen der US-Amerikaner zu erschleichen; machen einem sturzbetrunken nach Hause torkelnden Reisbauer den kurzen Prozess, der Namen konspirativ agierender Koreaner an die Fremdmacht verraten hat, um seinen eigenen Hals zu retten; und wechseln, als einer aus ihrer Gruppe verhaftet, gefoltert und erschossen worden ist, endgültig an die Heimatfront, um mit gezielten Sabotageakten den Invasoren ein schweres Leben zu bereiten. Dabei spult SO NYNUN BBAL JJIN SAN derart viele Propaganda-Topoi ab, dass zumindest ich nur darüber staunen kann, wie konsequent der Streifen seine Schwarzweißmalerei, seine parolengesättigte Agitatorik, seine plump verpackten politischen Botschaften im Sekundentakt herausfeuert: Unsere jungen Partisanen wirken nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut, sondern eher wie konditionierte Tiere oder gar wie Maschinenmenschen, die zu keinem Zeitpunkt echte Emotionen zeigen, und noch angesichts des eigenen Todes proklamieren, wenn sie für die kommunistische Weltrevolution ihr Herzblut vergießen müssen, werden sie das bereitwillig tun; demgegenüber sind die US-Amerikaner Finsterlinge vor dem Herrn, die eine regelrecht sadistische Lust am Quälen der arglosen koreanischen Landbevölkerung an den Tag legen, und nicht mal davor zurückschrecken, Frauen und kleine Kinder unaussprechlichen Martern zu unterziehen. Auf der einen Seite haben wir die patriotischen, mit Vaterland und Muttererde zutiefst verbundenen, idealistisch-aufopferungsvollen Buben; auf der andern Seite die heimatlosen, kosmopolitisch agierenden, moralisch völlig verlotterten Imperialisten, die noch die eigene Mutter aufs Schafott schicken würden, wenn es nur dazu dient, der Roten Revolution Einhalt zu gebieten und Materialismus sowie Hedonismus Vorschub zu leisten. Bei der Art und Weise, wie all dies filmisch umgesetzt wurde, begegnen wir natürlich universellen Affektformeln, die man ganz problemlos unterschiedlichen politischen, historischen Kontexten angleichen kann: In dieser Form hätte SO NYNUN BBAL JJIN SAN auch im Deutschland unter Hitler oder als Anti-Nazi-Kriegsfilm in den USA der frühen 40er produziert werden können – wenn man denn die grausigen US-Amerikaner wahlweise durch Bolschewisten oder Nationalsozialisten ersetzt. Es ist selbstverständlich, dass es in diesem Film niemals um konkrete Inhalte geht – (dass uns beispielweise die Glorie der sozialistischen Idee argumentativ nahegebracht werden würde) –, sondern allein Emotionen im Vordergrund stehen.

Inszenatorisch bemerkenswert ist Regisseur Yong-Gyu Yoons indes nichts geraten – einmal abgesehen von einer Szene, in der man sich an einer Eisenstein-Attraktionsmontage versucht, und das Leid internierter Koreaner mit einem Sauf- und Fressgelage US-amerikanischer Offiziere parallelschneidet. SO NYNUN BBAL JJIN wirkt technisch-ästhetisch genauso platt und stumpf wie sein Inhalt: Besonders kurios muten für heutige Betrachter sicherlich die zwischengestreuten dokumentarischen Aufnahmen von Paraden und öffentlichen Tanzveranstaltungen an, bei denen engagierte Jungpioniere vor den Konterfeis von Genosse Stalin und der Sonne der Menschheit Kim Il-sung fragwürdige Lieder singen und mindestens genauso fragwürdigere Choreographien abspulen. Wenn zum Ende hin, als die überlebenden Knaben für ihre Verdienste am koreanischen Volk gebührend geehrt werden, auch noch Gemälde von Lenin und Mao wenig dezent in den Kamerafokus rücken, kann man zumindest nicht behaupten, nicht von einer illustren Entourage aus diesem Film herausgeleitet worden zu sein.

Unter dem Titel JUNGE PARTISANEN ist der Streifen seinerzeit scheinbar gar mit deutscher Synchro in den DDR-Kinos gelaufen. Ich würde tatsächlich meine komplette Sammlung an Stalin-Devotionalien dafür hergeben, diese Fassung einmal sehen zu dürfen, (am besten 35mm auf der großen Leinwand). Bis dahin aber bemühe ich mich, mir vor meinen staatlich geprüften Begleitern, die neben mir im nordkoreanischen Kinosaal sitzen, nicht allzu sehr anmerken zu lassen, wie sehr ich es als ein Verbrechen empfinde, wie in vorliegendem Machwerk das Kino dafür missbraucht wird, Hass und Feindseligkeit ohne den geringsten Anflug von Reflexionsvermögen zu säen. Da hilft die unfreiwillige Komik auch nicht mehr viel, die sich einstellt, wenn die US-Schergen allesamt offensichtlich von asiatischen Darstellern verkörpert werden…
Antworten