Hier rasch ein paar ältere Eindrücke (eines ziemlich beeindruckten Filmkonsumenten):
Frage: kann man einem geeichten Trashfan mit 31 Lenzen und kiloweise Silber-Schund im DVD-Regal eigentlich noch die Freudentränen ins Gesicht treiben? Und zwar gleich literweise? Gibt’s nicht? Von wegen: was Regisseur Enzo G. Castellari dem mündigen Zuseher mit seinem 1982 gedrehten „Metropolis 2000“ zumutet, spottet wirklich jeglicher Beschreibung. Wenn der werte Enzo nämlich richtig aufdreht, dann rappelt es ordentlich im Karton oder eben – wie in diesem Falle – in der Schottergrube. Da bleibt kein Auge trocken und beinahe kein Wunsch unerfüllt. „I nuovi barbari“ ist wirklich einer der Filme, wo man zweimal hingucken muss, damit man es einmal überhaupt glauben kann.
Mir ist jedenfalls nach ein paar Minuten gleich mal die Kinnlade runter geklappt und da blieb die dann auch bis zum Abspann. „Metropolis 2000“ strotzt nur so von absolut absurden Einfällen, grotesken Charakteren, schlechten Frisuren und billiger Ausstattung, so wie man es nur selten in derart gebündelter Form zugemutet bekommt. Aber er rockt von der ersten Sekunde bzw. gesprengter Pappkulisse an bis zum pathetischen Ende. Man nehme einen abgehalfterten und abgebrühten Anti-Helden, George Eastman samt durch-geknallter Söldnergang in weißen futuristischen Klamotten, aufgemotzten Golfwägen und den schlechtesten Frisuren der italienischen Filmgeschichte, einen schwarzen Bogenschützen mit explosiven Nespresso-Kapseln, zwei Schönheiten mit üppigen Frisuren und maximal 5 Sätzen Text und fertig ist die ultra-trashige Actionkomödie, die jeden Filmfan in den siebenten Müllhimmel führen wird.
Auf so was muss man erst mal kommen: eine durch geknallte Söldnergang, die den Planeten Erde von der Menschheit säubern will. Warum die sogenannten Templer jetzt aber als „Krieger der Rache“ das apokalyptische Werk vollenden möchten, bleibt irgendwie im Verborgenen. Die im Film kurz erwähnte Gründung einer neuen Rasse funzt ohne weiblicher Beteiligung vermutlich ja auch nicht so gut. Und so bleiben die Motive der lustigen Gesellen ja irgendwie doch im Dunkeln. Ist aber auch egal, solange die Optik passt. Und die tut es alle Mal. Die Söldner sehen nämlich allesamt wie eine Mischung aus „Starlight Express“ und „Rocky Horror Show“ aus, wobei es George Eastman mit seinen weissen Strähnchen wohl noch am besten erwischt hat. Und Herr Eastman und seine recht unkonventionelle Art und Weise dessen Feinde zu bestrafen, wird so wie die Templerische Bestrafungs-Bück-dich-Apparatur wohl so einigen italienischen Vorstadt-Tunten (und nicht nur diesen) feuchte Träume beschert haben.
Aber auch unser Held ist nicht von schlechten Eltern. Irgendwie wirkt Timothy Brent a.k.a. Giancarlo Prete auf den ersten Blick ja etwas lustlos und verblasst auch etwas neben Herrn Eastman, er hat dafür aber eine tolle Karre mit allerlei netten Features, die jeden Tuning-Fan wohl vor Neid erblassen lassen würde. Ganz toll auf jeden Fall die grün-beleuchtete Panorama-Plexiglas-Kuppel oder die Bedienung per Joystick. Ganz toll aber auch sein laser-resistentes Superhelden-Kostüm am Ende des Films. Leider hat es Skorpion seltsamerweise trotz körperlichen und schauspielerischen Höchst-Einsatz weder auf das schicke Cover noch auf die Rückseite der DVD geschafft.
Was ich aber auch auf keinen Fall unerwähnt lassen möchte, ist das tolle futuristische Sound-Design. Denn wenn die tollen Karren der Protagonisten in die Gänge kommen fühlt man sich an die seligen Zeiten eines „Turbo Outruns“ auf dem C64er erinnert. Also 8-Bit-Gefiepe, dass einem die Ohren schlackern. Und auch die unsichtbaren Kugeln aus den Pistolen und Gewehren machen ganz tolle Geräusche, die aber leider nicht so recht mit dem Gesehenen harmonieren wollen. Jeder andere Regisseur hätte in der Postproduktion wohl noch irgendwelche Effekte eingefügt, aber Castellari hat die Kohle wohl lieber für weiteres PVC-Material und Alu-Fässer für die ähm... extrem futuristischen Settings ausgegeben….
Zu George Eastman muss man ja nicht großartige Worte verlieren. Das der Hüne mit seiner Leinwandpräsenz jeden Film adelt ist ja hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist mir hingegen Giancarlo Prete. In seiner Filmografie taucht ja nur ein Film („black belly of the tarantula“) auf, der mir persönlich bekannt ist. Wie ich herausfinde konnte, ist Herr Prete zu Lebzeiten wohl Stuntman gewesen und so ins Filmbusiness geraten. Außer ein paar Western hat er aber keine (ich lasse mich gerne korrigieren) sonderlich nennenswerten Filme gedreht. Erwähnen möchte ich aber an dieser Stelle auch noch Fred Williamson, der den meisten unter uns wohl durch seine Mitwirkung bei „from dusk till dawn“ bekannt sein dürfte.
Für mich ist „Metropolis 2000“ ein – wenn nicht sogar DAS bisherige – Highlight der Trash-Collection. Endzeit-Trash, der wildesten Sorte, der rockt und mit seiner geballten Infantilität kein Auge trocken und Herz unberührt lässt. Und wenn die Italiener so richtig aufdrehen, dann können die rechtkonservativen Australier auch gleich einpacken. 87 Minuten erstklassige Unterhaltung mit einem gewohnt grandiosen George Eastman, reihenweise skurrilen Einfällen, schrägen Charakteren, billigen Settings, viel Plastik und Haarspray, sowie einer Extraportion Schottergruben-Flair. Wenn so die Zukunft wird – bitte gerne! Und daher: zwei mutierte Daumen nach oben, 12 von 10 Mülltonnen und eine eindringliche Kaufempfehlung an dieser Stelle. Sehr, sehr geil!
