Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Der scheidende Schupo
Kinderkacke
Für gewöhnlich flimmern die Weimarer „Tatorte“ ums Ermittlungsduo Lessing/Dorn (Christian Ulmen/Nora Tschirner) an einem Feiertag oder ähnlich bedeutsamen Datum über die Mattscheibe. Der vierte Fall dieser Reihe datiert seine Erstausstrahlung auf den 05.02.2017, laut schneller Netzrecherche der „Tag der Wetterleute“ in den USA, der „Runeberg-Tag“ in Finnland sowie der Welt-Nutella- oder auch der Hast-du-gepupst?-Tag. Zumindest die beiden Letztgenannten würden so etwas wie einen Bezug zumindest erahnen lassen, dazu später mehr. Wie üblich stammt das Drehbuch von den Weimar-„Tatort“-Stammautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger, während der für Thriller-ähnliche „Tatorte“ bekannte Regisseur Sebastian Marka („Tatort: Es lebe der Tod“) erstmals unter Beweis stellen darf, dass er „auch lustig kann“.
Schutzpolizist Ludwig Maria Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey, „Anatomie“), von allen nur „Lupo“ genannt, trifft eine folgenschwere Entscheidung: Seit langem (un)heimlich in Kommissarin Dorn verliebt, beendet er seine Beziehung zu Andrea Münzer (Florentine Schara, „Rammbock“). Aus allen Wolken fallend zerstört sie aus Rache in Rage seine geliebten Rosenbeete, wobei sie jedoch die Explosion einer unter ihnen deponierten Bombe auslöst und seither „größtenteils vermisst wird“. Zweifelsohne galt dieser Anschlag eigentlich Lupo, und der Mörder scheint auf Nummer sicher gehen zu wollen: Mit einer Rizinvergiftung, gegen die kein Kraut gewachsen ist, wird Lupo ins Krankenhaus eingeliefert. Er hat nur noch 72 Stunden zu leben. Dorn und Lessing nehmen die Ermittlungen auf, die in eine Porzellanmanufaktur führen, in der die Schwestern Desiree (Katharina Heyer, „Stellungswechsel“) und Amelie Scholder (Laura Tonke, „Bittere Unschuld“) um ein Millionenerbe streiten – auf das, wie sich überraschend herausstellt, auch Lupo einen Mitanspruch hat, seit seine mütterliche Freundin Olga (Carmen-Maja Antoni, „Rosa Roth“) einen Vaterschaftstest durchgesetzt hatte. Diese wiederum ist die Mutter des Kleinkriminellen Ringo Kruschwitz (Florian Panzner, „Kleinruppin Forever“), den kein Geringerer als Lupo einst ins Gefängnis brachte…
Dieser sehr verschachtelte Fall, der nach und nach diverse Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse bis ins Inzestuöse offenlegt, führt in die Welt des feinen, doch so zerbrechlichen Porzellans, das dann sprichwörtlich auch viel zerschlagen wird. Im Mittelpunkt steht dabei diesmal der bemitleidenswerte Lupo, der groß auftrumpfen darf, wenn er kurzerhand seinen eigenen Chef als Geisel nimmt und auch von der Schusswaffe Gebrauch macht. Den Überblick zu bewahren erfordert einige Konzentration, wofür die interessant und ambivalent konzipierten Figuren entschädigen. Klassische Spannung tritt diesmal deutlich in den Hintergrund, was vor allem daran liegt, dass das Informationsdefizit des Publikums das Miträtseln erschwert; neue, überraschende Erkenntnisse liefern fortwährend neue Motive und Verdächtige. Der Humor geriet sehr trocken, wobei nicht jeder Wortwitz sitzt, die generelle Ironie nicht nur des Schicksals Lupos dafür umso besser. Lessing klugscheißt diesmal botanisch und psychologisch und muss sich in einem dann doch unvorhergesehen nervenaufreibenden Showdown behaupten. Der Epilog löst schließlich sämtliche Handlungsfäden und Fährten auf, durchaus befriedigend, wenn auch bewusst und vielleicht etwas bemüht kurios. Und natürlich muss Lupo nicht das Zeitliche segnen, wofür man leider eine denkbar schwache Erklärung findet. Das lässt das Drehbuch dann doch etwas unrund wirken.
Zu den eingangs erwähnten Tagen passt das Chemieklo voller Babykot, das die Ermittler im Kofferraum ihres Autos durch die Gegend kutschieren und anscheinend nicht dicht genug ist, um tatsächlich alle Gerüche in sich zu bewahren – sehr zum Leidwesen auch anderer das Fahrzeug Annektierender. Geruchsfernsehen gibt es ja aber glücklicherweise nicht und so gibt es über meine genannten Kritikpunkte hinaus nichts, worüber es die Nase zu rümpfen gelte. Trotz allem halte ich Porzenit aber für eine wirklich gute Idee...
Kinderkacke
Für gewöhnlich flimmern die Weimarer „Tatorte“ ums Ermittlungsduo Lessing/Dorn (Christian Ulmen/Nora Tschirner) an einem Feiertag oder ähnlich bedeutsamen Datum über die Mattscheibe. Der vierte Fall dieser Reihe datiert seine Erstausstrahlung auf den 05.02.2017, laut schneller Netzrecherche der „Tag der Wetterleute“ in den USA, der „Runeberg-Tag“ in Finnland sowie der Welt-Nutella- oder auch der Hast-du-gepupst?-Tag. Zumindest die beiden Letztgenannten würden so etwas wie einen Bezug zumindest erahnen lassen, dazu später mehr. Wie üblich stammt das Drehbuch von den Weimar-„Tatort“-Stammautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger, während der für Thriller-ähnliche „Tatorte“ bekannte Regisseur Sebastian Marka („Tatort: Es lebe der Tod“) erstmals unter Beweis stellen darf, dass er „auch lustig kann“.
Schutzpolizist Ludwig Maria Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey, „Anatomie“), von allen nur „Lupo“ genannt, trifft eine folgenschwere Entscheidung: Seit langem (un)heimlich in Kommissarin Dorn verliebt, beendet er seine Beziehung zu Andrea Münzer (Florentine Schara, „Rammbock“). Aus allen Wolken fallend zerstört sie aus Rache in Rage seine geliebten Rosenbeete, wobei sie jedoch die Explosion einer unter ihnen deponierten Bombe auslöst und seither „größtenteils vermisst wird“. Zweifelsohne galt dieser Anschlag eigentlich Lupo, und der Mörder scheint auf Nummer sicher gehen zu wollen: Mit einer Rizinvergiftung, gegen die kein Kraut gewachsen ist, wird Lupo ins Krankenhaus eingeliefert. Er hat nur noch 72 Stunden zu leben. Dorn und Lessing nehmen die Ermittlungen auf, die in eine Porzellanmanufaktur führen, in der die Schwestern Desiree (Katharina Heyer, „Stellungswechsel“) und Amelie Scholder (Laura Tonke, „Bittere Unschuld“) um ein Millionenerbe streiten – auf das, wie sich überraschend herausstellt, auch Lupo einen Mitanspruch hat, seit seine mütterliche Freundin Olga (Carmen-Maja Antoni, „Rosa Roth“) einen Vaterschaftstest durchgesetzt hatte. Diese wiederum ist die Mutter des Kleinkriminellen Ringo Kruschwitz (Florian Panzner, „Kleinruppin Forever“), den kein Geringerer als Lupo einst ins Gefängnis brachte…
Dieser sehr verschachtelte Fall, der nach und nach diverse Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse bis ins Inzestuöse offenlegt, führt in die Welt des feinen, doch so zerbrechlichen Porzellans, das dann sprichwörtlich auch viel zerschlagen wird. Im Mittelpunkt steht dabei diesmal der bemitleidenswerte Lupo, der groß auftrumpfen darf, wenn er kurzerhand seinen eigenen Chef als Geisel nimmt und auch von der Schusswaffe Gebrauch macht. Den Überblick zu bewahren erfordert einige Konzentration, wofür die interessant und ambivalent konzipierten Figuren entschädigen. Klassische Spannung tritt diesmal deutlich in den Hintergrund, was vor allem daran liegt, dass das Informationsdefizit des Publikums das Miträtseln erschwert; neue, überraschende Erkenntnisse liefern fortwährend neue Motive und Verdächtige. Der Humor geriet sehr trocken, wobei nicht jeder Wortwitz sitzt, die generelle Ironie nicht nur des Schicksals Lupos dafür umso besser. Lessing klugscheißt diesmal botanisch und psychologisch und muss sich in einem dann doch unvorhergesehen nervenaufreibenden Showdown behaupten. Der Epilog löst schließlich sämtliche Handlungsfäden und Fährten auf, durchaus befriedigend, wenn auch bewusst und vielleicht etwas bemüht kurios. Und natürlich muss Lupo nicht das Zeitliche segnen, wofür man leider eine denkbar schwache Erklärung findet. Das lässt das Drehbuch dann doch etwas unrund wirken.
Zu den eingangs erwähnten Tagen passt das Chemieklo voller Babykot, das die Ermittler im Kofferraum ihres Autos durch die Gegend kutschieren und anscheinend nicht dicht genug ist, um tatsächlich alle Gerüche in sich zu bewahren – sehr zum Leidwesen auch anderer das Fahrzeug Annektierender. Geruchsfernsehen gibt es ja aber glücklicherweise nicht und so gibt es über meine genannten Kritikpunkte hinaus nichts, worüber es die Nase zu rümpfen gelte. Trotz allem halte ich Porzenit aber für eine wirklich gute Idee...
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- karlAbundzu
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Gestern TATORT DORTMUND: TOD UND SPIELE
Fight Club, Russen Oligarchen und so weiter.
Insgesamt spannender Fall, locker weg erzählt, der Neue gut eingebaut, aber auch nichts Neues. Gute Unterhaltung!
Fight Club, Russen Oligarchen und so weiter.
Insgesamt spannender Fall, locker weg erzählt, der Neue gut eingebaut, aber auch nichts Neues. Gute Unterhaltung!
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Vampire in Bremen!
Da freue ich mich... und wenn der Verfasser der enthusastischen Besprechung noch Romeros "Martin" kennt und schätzt, kann ja fast nix mehr schiefgehen
http://www.spiegel.de/kultur/tv/tatort- ... 34402.html
Da freue ich mich... und wenn der Verfasser der enthusastischen Besprechung noch Romeros "Martin" kennt und schätzt, kann ja fast nix mehr schiefgehen
http://www.spiegel.de/kultur/tv/tatort- ... 34402.html
Früher war mehr Lametta
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Oha...Arkadin hat geschrieben:Vampire in Bremen!
Da freue ich mich... und wenn der Verfasser der enthusastischen Besprechung noch Romeros "Martin" kennt und schätzt, kann ja fast nix mehr schiefgehen
http://www.spiegel.de/kultur/tv/tatort- ... 34402.html
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Frische Eindrücke, „unsortiert“, in aller Kürze:
Tatort: Blut
Hatte geraume Zeit keinen Tatort mehr gesehen.
Und dieser aus Brähmen war wirklich gut!
Im Grunde ein „Horror-Tatort“ - nicht nur im Grunde – es war ein „Horror-Tatort“.
Gleich der Auftakt creepy as hell. Und das Sounddesign zu diesen Szenen – höchst effektiv!
Dabei ist „Blut“ vordergründig eine Horrorgeschichte, deckt jedoch dann das Drama hinter dem Horror auf.
And the Oscar goes to: Lilith Stangenberg. Die weckt nämlich beim Zuschauer den Beschützerinstinkt, gleichzeitig möchte man jedoch nicht allein mit ihr in einem Raum sein. Eine äußerst gelungene schauspielerische Gradwanderung.
Brähmen: Alles richtig gemacht!
Oder: „Ich schaue ja schon seit Jahren keinen „TATORT“ mehr – aber der von gestern war ja wirklich gar nichts.“
In diesem Sinne: Wer's verpaßt hat – nachholen!
PS: Regisseur Philip Koch hat u. A. auch den sehenswerten „PICCO“ (gibt’s auch hier im Forum) gedreht – aber vorsichtig beim Angucken...
Tatort: Blut
Hatte geraume Zeit keinen Tatort mehr gesehen.
Und dieser aus Brähmen war wirklich gut!
Im Grunde ein „Horror-Tatort“ - nicht nur im Grunde – es war ein „Horror-Tatort“.
Gleich der Auftakt
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Dabei ist „Blut“ vordergründig eine Horrorgeschichte, deckt jedoch dann das Drama hinter dem Horror auf.
And the Oscar goes to: Lilith Stangenberg. Die weckt nämlich beim Zuschauer den Beschützerinstinkt, gleichzeitig möchte man jedoch nicht allein mit ihr in einem Raum sein. Eine äußerst gelungene schauspielerische Gradwanderung.
Brähmen: Alles richtig gemacht!
Oder: „Ich schaue ja schon seit Jahren keinen „TATORT“ mehr – aber der von gestern war ja wirklich gar nichts.“
In diesem Sinne: Wer's verpaßt hat – nachholen!
PS: Regisseur Philip Koch hat u. A. auch den sehenswerten „PICCO“ (gibt’s auch hier im Forum) gedreht – aber vorsichtig beim Angucken...
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
auch hier gab es gestern BLUT, der vorletzte Lürssen / Stedefreund Tatort. Ich hoffe, in Bremen geht es mit der Reihe weiter. Es ist ja halt immer ein Plus, wenn man was erkennt. Oder von der Cuxhavener Str. gesprochen wird.
Eine Vampirin treibt ihr Unwesen.
Ein Horrorfilm. Kein Krimi. Es geht halt nicht um die Auflösung oder (nur so ein bißchen) um die Motivation, sondern um den Schrecken. Vor allem in der Pyche des Bremer Brad Pitt, Olier Mommsen.
Und da war vom Sound und der Kamera und der Maske State of the Art, gruselig und verschreckend.
Und der große Santini hat natürlich Recht: Lilith Stangenberg war großes Erschrecker-Kino. Ich muss dringend WILD sehen.
Klar, kleine Verständnislosigkeiten meinerseits, geschenkt, dafür nette Anspielungen an bekannte Horrorfilme, vielleicht ein bißchen viel von Let The Right One In geliehen.
Guter Tatort.
Eine Vampirin treibt ihr Unwesen.
Ein Horrorfilm. Kein Krimi. Es geht halt nicht um die Auflösung oder (nur so ein bißchen) um die Motivation, sondern um den Schrecken. Vor allem in der Pyche des Bremer Brad Pitt, Olier Mommsen.
Und da war vom Sound und der Kamera und der Maske State of the Art, gruselig und verschreckend.
Und der große Santini hat natürlich Recht: Lilith Stangenberg war großes Erschrecker-Kino. Ich muss dringend WILD sehen.
Klar, kleine Verständnislosigkeiten meinerseits, geschenkt, dafür nette Anspielungen an bekannte Horrorfilme, vielleicht ein bißchen viel von Let The Right One In geliehen.
Guter Tatort.
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jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: HAL
„Das Gefühl, das Sie beschreiben, setzt einen biochemischen Prozess voraus. Er dient der Fortpflanzung und letztlich dem Arterhalt. Das Problem des Arterhalts stellt sich nur vor dem Hintergrund der Sterblichkeit. Ich aber kann nicht sterben. Ich kann mich nur verbessern.“
Der 19. Fall des Stuttgarter „Tatort“-Ermittlungsduos Thorsten Lannert und Sebastian Bootz (Richy Müller und Felix Klare) ist ein durchaus gewagter Gehversuch auf fremdem Terrain: dem der Science-Fiction. Der mit seinem Titel an den ein Eigenleben entwickelnden Supercomputer „HAL 9000“ aus Stanley Kubricks visionärem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ angelehnte „Tatort“ wurde 2016 produziert und erstausgestrahlt, spielt jedoch in der nahen Zukunft des Jahres 2017. Die Regie führte der erfahrene „Tatort“-Autor und -Regisseur Niki Stein, der auch das Drehbuch verfasste.
Die Schauspielschülerin Elena Stemmle (Sophie Pfennigstorf, „Öl - Die Wahrheit über den Untergang der DDR“) wird tot am Neckarufer geborgen. Für den Online-Escortservice „Love Adventure“ verdingte sie sich als Edelprostituierte und stand außerdem dem Social-Analysis-Programm des Software-Unternehmens Bluesky zur Verfügung. Deren Entwickler David Bogmann (Ken Duken, „Die Nacht der Engel“) und Geschäftsführerin Mea Welsch (Karoline Eichhorn, „Der Felsen“) werten Big Data aus, um individuelle Profile zu entwickeln und diese gewinnbringend einzusetzen – beispielsweise um Verbrechen vorauszusagen. Die Ermittler stoßen auf ein Snuff-Video, das Stemmles Erstickungstod beim Sex zeigt – es wurde von Bogmanns IP-Adresse ins Darknet geladen. Damit ist er der Hauptverdächtige. Doch kann man diesem Video trauen? Bogmann beteuert seine Unschuld...
„Du kannst mich ja liken, wenn’s dir gefallen hat.“
„HAL“ greift das beliebte Motiv der sich verselbständigenden, ihren Schöpfern über den Kopf wachsenden und schließlich zur tödlichen Bedrohung werdenden künstlichen Intelligenz auf (für die der etwas in Vergessenheit geratene „Des Teufels Saat“ ein frühes Beispiel ist) und vermengt es mit aktuellen, ganz realen Entwicklungen um die Nutzbarkeit von Big Data sowie die Manipulationsmöglichkeiten von bewegten Bildern. Die deftigen (natürlich nicht realen) Snuff-Bilder haben Verstörungspotenzial und leiten über in eine drei Monate vorm Leichenfund einsetzende Rückblende, die Bluesky und Bogmann näher umreißt. Die Ermittlungsarbeit der Polizei gestaltet sich daraufhin nicht einfach, wobei ihr mitunter auch ihre eigene Naivität im Weg steht: KI-Avatare werden für echte Menschen gehalten und einem Chatroboter der Dienstausweis gezeigt. Interessanter ist da der zunehmend eskalierende Konflikt zwischen Bogmann und der Bluesky-Software, deren Selbsterhaltungsmaßnahmen er kaum etwas entgegenzusetzen hat, wie er erstaunt feststellen muss, und das sich schließlich gegen ihn richtet. Nebenschauplätze wie zwischenmenschliche Beziehungen wurden mal mehr, mal weniger passabel in die Handlung eingewoben, verblassen neben dem Kampf Mensch versus Technik jedoch.
Die Vorbilder sind etwas zu groß für diesen „Tatort“. Den sich durch die zahlreichen Anspielungen auf „2001“ (Eingangssequenz, das „Hänschen klein“-Lied, Namensähnlichkeiten etc.) aufdrängenden Vergleichen hält man nicht stand und auch das Kafkaeske, das die nach Werken Franz Kafkas benannten Filmkapitel suggerieren, bleibt man weitestgehend schuldig. Am spannendsten ist, wie der digitale Overkill unterschiedlicher Ausrichtung zusätzlich mit dagegen fast banal erscheinender analoger Sexualität vermischt wird, der sich auch kein noch so intelligenter Entwickler entziehen kann. Diverse visuelle Kabinettstückchen wie Point-of-View-Perspektiven, Kamerafahrten und technokratische Kulissen stehen im Kontrast zu bisweilen etwas steifen Dialogen, etwas vielen Klischees und letztlich einem allzu dicken Auftragen nach dem Motto „Übertreibung veranschaulicht“, zu Ungunsten von kriminologisch und gesellschaftlich Relevanterem wie z.B. der Einstellung der Ermittler und des LKAs zum fragwürdigen Verbrechenspräventionsanspruch Blueskys. Dennoch ist „HAL“ ein Fall, der sich angenehm technikkritisch gibt, ohne kulturpessimistisch zu sein, zum verantwortungsbewussten Umgang mit den immer zahlreicher werdenden Möglichkeiten der Datenauswertung mahnt und nicht zuletzt auch den kritischen Blick auf vermeintlich authentisches Material schärft.
Schade, dass er wirkt, als habe er einen Spagat zwischen klassischer „Tatort“-Unterhaltung und Science-Fiction-Sujet versuchen müssen, ohne eines von beiden wirklich konsequent zu bedienen. Da wäre mehr drin gewesen. Dennoch stimmt die Richtung und wird der Beweis angetreten, dass ein „Tatort“ mit Science-Fiction-Motiven durchaus funktionieren kann. Wohlwollende 6,5 von 10 Love Adventures dafür.
„Das Gefühl, das Sie beschreiben, setzt einen biochemischen Prozess voraus. Er dient der Fortpflanzung und letztlich dem Arterhalt. Das Problem des Arterhalts stellt sich nur vor dem Hintergrund der Sterblichkeit. Ich aber kann nicht sterben. Ich kann mich nur verbessern.“
Der 19. Fall des Stuttgarter „Tatort“-Ermittlungsduos Thorsten Lannert und Sebastian Bootz (Richy Müller und Felix Klare) ist ein durchaus gewagter Gehversuch auf fremdem Terrain: dem der Science-Fiction. Der mit seinem Titel an den ein Eigenleben entwickelnden Supercomputer „HAL 9000“ aus Stanley Kubricks visionärem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ angelehnte „Tatort“ wurde 2016 produziert und erstausgestrahlt, spielt jedoch in der nahen Zukunft des Jahres 2017. Die Regie führte der erfahrene „Tatort“-Autor und -Regisseur Niki Stein, der auch das Drehbuch verfasste.
Die Schauspielschülerin Elena Stemmle (Sophie Pfennigstorf, „Öl - Die Wahrheit über den Untergang der DDR“) wird tot am Neckarufer geborgen. Für den Online-Escortservice „Love Adventure“ verdingte sie sich als Edelprostituierte und stand außerdem dem Social-Analysis-Programm des Software-Unternehmens Bluesky zur Verfügung. Deren Entwickler David Bogmann (Ken Duken, „Die Nacht der Engel“) und Geschäftsführerin Mea Welsch (Karoline Eichhorn, „Der Felsen“) werten Big Data aus, um individuelle Profile zu entwickeln und diese gewinnbringend einzusetzen – beispielsweise um Verbrechen vorauszusagen. Die Ermittler stoßen auf ein Snuff-Video, das Stemmles Erstickungstod beim Sex zeigt – es wurde von Bogmanns IP-Adresse ins Darknet geladen. Damit ist er der Hauptverdächtige. Doch kann man diesem Video trauen? Bogmann beteuert seine Unschuld...
„Du kannst mich ja liken, wenn’s dir gefallen hat.“
„HAL“ greift das beliebte Motiv der sich verselbständigenden, ihren Schöpfern über den Kopf wachsenden und schließlich zur tödlichen Bedrohung werdenden künstlichen Intelligenz auf (für die der etwas in Vergessenheit geratene „Des Teufels Saat“ ein frühes Beispiel ist) und vermengt es mit aktuellen, ganz realen Entwicklungen um die Nutzbarkeit von Big Data sowie die Manipulationsmöglichkeiten von bewegten Bildern. Die deftigen (natürlich nicht realen) Snuff-Bilder haben Verstörungspotenzial und leiten über in eine drei Monate vorm Leichenfund einsetzende Rückblende, die Bluesky und Bogmann näher umreißt. Die Ermittlungsarbeit der Polizei gestaltet sich daraufhin nicht einfach, wobei ihr mitunter auch ihre eigene Naivität im Weg steht: KI-Avatare werden für echte Menschen gehalten und einem Chatroboter der Dienstausweis gezeigt. Interessanter ist da der zunehmend eskalierende Konflikt zwischen Bogmann und der Bluesky-Software, deren Selbsterhaltungsmaßnahmen er kaum etwas entgegenzusetzen hat, wie er erstaunt feststellen muss, und das sich schließlich gegen ihn richtet. Nebenschauplätze wie zwischenmenschliche Beziehungen wurden mal mehr, mal weniger passabel in die Handlung eingewoben, verblassen neben dem Kampf Mensch versus Technik jedoch.
Die Vorbilder sind etwas zu groß für diesen „Tatort“. Den sich durch die zahlreichen Anspielungen auf „2001“ (Eingangssequenz, das „Hänschen klein“-Lied, Namensähnlichkeiten etc.) aufdrängenden Vergleichen hält man nicht stand und auch das Kafkaeske, das die nach Werken Franz Kafkas benannten Filmkapitel suggerieren, bleibt man weitestgehend schuldig. Am spannendsten ist, wie der digitale Overkill unterschiedlicher Ausrichtung zusätzlich mit dagegen fast banal erscheinender analoger Sexualität vermischt wird, der sich auch kein noch so intelligenter Entwickler entziehen kann. Diverse visuelle Kabinettstückchen wie Point-of-View-Perspektiven, Kamerafahrten und technokratische Kulissen stehen im Kontrast zu bisweilen etwas steifen Dialogen, etwas vielen Klischees und letztlich einem allzu dicken Auftragen nach dem Motto „Übertreibung veranschaulicht“, zu Ungunsten von kriminologisch und gesellschaftlich Relevanterem wie z.B. der Einstellung der Ermittler und des LKAs zum fragwürdigen Verbrechenspräventionsanspruch Blueskys. Dennoch ist „HAL“ ein Fall, der sich angenehm technikkritisch gibt, ohne kulturpessimistisch zu sein, zum verantwortungsbewussten Umgang mit den immer zahlreicher werdenden Möglichkeiten der Datenauswertung mahnt und nicht zuletzt auch den kritischen Blick auf vermeintlich authentisches Material schärft.
Schade, dass er wirkt, als habe er einen Spagat zwischen klassischer „Tatort“-Unterhaltung und Science-Fiction-Sujet versuchen müssen, ohne eines von beiden wirklich konsequent zu bedienen. Da wäre mehr drin gewesen. Dennoch stimmt die Richtung und wird der Beweis angetreten, dass ein „Tatort“ mit Science-Fiction-Motiven durchaus funktionieren kann. Wohlwollende 6,5 von 10 Love Adventures dafür.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- buxtebrawler
- Forum Admin
- Beiträge: 40651
- Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
- Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Blut
„Die Kehle ist völlig zerfetzt!“
Nachdem der erste Halloween-„Tatort“ 2017, der Frankfurter „Fürchte dich“, ein Volltreffer war, griff man das Konzept der Spezialausgabe anlässlich der Gruselfeierlichkeiten 2018 erneut auf und präsentierte mit „Blut“ einen Horrorkrimi mit Vampir-Thematik ums Bremer Ermittlungsduo Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen). Für Regisseur Philip Koch („Picco“) wurde es der bereits vierte Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe, das Drehbuch verfasste er zusammen mit Holger Joos.
Drei junge Frauen sehen sich gemeinsam einen Horrorfilm an und verabschieden sich schließlich voneinander. Auf dem Heimweg wird Julia Franzen (Lena Kalisch, „Wolkenbruch“) von Nora Harding (Lilith Stangenberg, „Wild“) angefallen und derart stark in den Hals gebissen, dass sie verblutet. Anna Welter (Lilly Menke, „Tatort: Tiere der Großstadt“) ist Zeugin der Tat, wird von Nora verfolgt und schließlich vollkommen paralysiert aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht. Erscheinen Annas Aussagen zunächst noch unglaubwürdig, bestätigt auch Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner, „Der Zimmerspringbrunnen“), dass die Bissverletzungen von keinem Tier stammen können. Lürsen und Mommsen begeben sich auf die Suche nach der Mörderin und Germanistikprofessor Syberberg (Stephan Bissmeier, „Stadtgespräch“) versucht die Polizei davon zu überzeugen, dass Vampire real seien. Stedefreund beschäftigt sich mit Syberbergs Buch und wird schließlich selbst von Harding gebissen…
Kein Whodunit?, dafür Horror: Der Auftakt ist nichts anderes als ein (gelungenes) „Scream“-Zitat und bringt auch darüber hinaus typische Slasher-Suspense-Szenen in einen „Tatort“ – das ist ungewöhnlich und für Freunde jenes Subgenres besonders schön. Der Mord im Park ist schockierend und perfekt inszeniert, die ganze Exposition damit auf hohem Niveau. Im weiteren Verlauf dominiert ein ruhiges Erzähltempo, unterbrochen von Gewalt- und Emotionseruptionen. Der Germanistikprof tritt als Van-Helsing-Verschnitt in Erscheinung; die Handlung entwickelt sich in Richtung eines Horrordramas mit deutlichen Versatzstücken aus „So finster die Nacht“: Nora entpuppt sich als einsame Seele, die mit einem älteren Mann zusammenlebt, der seine schützende Hand über sie hält, in diesem Fall ihr kranker Vater Wolf (Cornelius Obonya, „Erik & Erika“). Das ist eher als Hommage denn als Plagiat zu verstehen, dennoch hätte etwas mehr Eigenständigkeit dem Fall sicherlich nicht geschadet.
Angenehm originell ist jedoch, wie sich Stedefreund immer stärker in die Vampirthematik hineinsteigert, bis er sogar von einer nackten Vampirin träumt (dankenswerterweise visualisiert, bringt dies doch einen Klecks Erotik in den Film) oder im Fieberwahn gar glaubt, selbst zum Vampir zu werden. Welche Streiche einem die eigene Psyche spielen kann, ist hier sehr anschaulich in die Handlung eingewoben worden. Ein wahres Pfund ist zudem die Verpflichtung Lilith Stangenbergs. Wenn der geschätzte Kollege Santini schreibt, sie wecke den Beschützerinstinkt des Zuschauers, gleichzeitig wolle man jedoch nicht mit ihr in einem Raum sein, und von einer „äußerst gelungenen schauspielerische Gratwanderung“ schreibt, kann ich ihm nur beipflichten. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.
Lange Zeit bezieht dieser Fall gerade auch aus der Frage, ob es sich bei Nora tatsächlich um einen Vampir handelt oder lediglich um eine junge Frau mit einem psychischen Defekt, seine Spannung. Die Auflösung ist dann nicht gänzlich gelungen und wirkt mitsamt des Finals zu überkonstruiert, der Quasi-Cliffhanger zum nächsten Bremer „Tatort“, nach dem Mommsen bereits seinen Ausstieg bekannt gegeben hat, hat es dafür umso mehr in sich. Man darf gespannt sein und sich bis dahin über diesen größtenteils wirklich gut gelungenen, blutigen, schaurigen und atmosphärisch herbstlich bedrückenden Halloween-„Tatort“ freuen.
P.S.: Stephan Bissmeier wurde vorrangig wegen seines Namens gecastet, oder…?
„Die Kehle ist völlig zerfetzt!“
Nachdem der erste Halloween-„Tatort“ 2017, der Frankfurter „Fürchte dich“, ein Volltreffer war, griff man das Konzept der Spezialausgabe anlässlich der Gruselfeierlichkeiten 2018 erneut auf und präsentierte mit „Blut“ einen Horrorkrimi mit Vampir-Thematik ums Bremer Ermittlungsduo Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen). Für Regisseur Philip Koch („Picco“) wurde es der bereits vierte Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe, das Drehbuch verfasste er zusammen mit Holger Joos.
Drei junge Frauen sehen sich gemeinsam einen Horrorfilm an und verabschieden sich schließlich voneinander. Auf dem Heimweg wird Julia Franzen (Lena Kalisch, „Wolkenbruch“) von Nora Harding (Lilith Stangenberg, „Wild“) angefallen und derart stark in den Hals gebissen, dass sie verblutet. Anna Welter (Lilly Menke, „Tatort: Tiere der Großstadt“) ist Zeugin der Tat, wird von Nora verfolgt und schließlich vollkommen paralysiert aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht. Erscheinen Annas Aussagen zunächst noch unglaubwürdig, bestätigt auch Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner, „Der Zimmerspringbrunnen“), dass die Bissverletzungen von keinem Tier stammen können. Lürsen und Mommsen begeben sich auf die Suche nach der Mörderin und Germanistikprofessor Syberberg (Stephan Bissmeier, „Stadtgespräch“) versucht die Polizei davon zu überzeugen, dass Vampire real seien. Stedefreund beschäftigt sich mit Syberbergs Buch und wird schließlich selbst von Harding gebissen…
Kein Whodunit?, dafür Horror: Der Auftakt ist nichts anderes als ein (gelungenes) „Scream“-Zitat und bringt auch darüber hinaus typische Slasher-Suspense-Szenen in einen „Tatort“ – das ist ungewöhnlich und für Freunde jenes Subgenres besonders schön. Der Mord im Park ist schockierend und perfekt inszeniert, die ganze Exposition damit auf hohem Niveau. Im weiteren Verlauf dominiert ein ruhiges Erzähltempo, unterbrochen von Gewalt- und Emotionseruptionen. Der Germanistikprof tritt als Van-Helsing-Verschnitt in Erscheinung; die Handlung entwickelt sich in Richtung eines Horrordramas mit deutlichen Versatzstücken aus „So finster die Nacht“: Nora entpuppt sich als einsame Seele, die mit einem älteren Mann zusammenlebt, der seine schützende Hand über sie hält, in diesem Fall ihr kranker Vater Wolf (Cornelius Obonya, „Erik & Erika“). Das ist eher als Hommage denn als Plagiat zu verstehen, dennoch hätte etwas mehr Eigenständigkeit dem Fall sicherlich nicht geschadet.
Angenehm originell ist jedoch, wie sich Stedefreund immer stärker in die Vampirthematik hineinsteigert, bis er sogar von einer nackten Vampirin träumt (dankenswerterweise visualisiert, bringt dies doch einen Klecks Erotik in den Film) oder im Fieberwahn gar glaubt, selbst zum Vampir zu werden. Welche Streiche einem die eigene Psyche spielen kann, ist hier sehr anschaulich in die Handlung eingewoben worden. Ein wahres Pfund ist zudem die Verpflichtung Lilith Stangenbergs. Wenn der geschätzte Kollege Santini schreibt, sie wecke den Beschützerinstinkt des Zuschauers, gleichzeitig wolle man jedoch nicht mit ihr in einem Raum sein, und von einer „äußerst gelungenen schauspielerische Gratwanderung“ schreibt, kann ich ihm nur beipflichten. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.
Lange Zeit bezieht dieser Fall gerade auch aus der Frage, ob es sich bei Nora tatsächlich um einen Vampir handelt oder lediglich um eine junge Frau mit einem psychischen Defekt, seine Spannung. Die Auflösung ist dann nicht gänzlich gelungen und wirkt mitsamt des Finals zu überkonstruiert, der Quasi-Cliffhanger zum nächsten Bremer „Tatort“, nach dem Mommsen bereits seinen Ausstieg bekannt gegeben hat, hat es dafür umso mehr in sich. Man darf gespannt sein und sich bis dahin über diesen größtenteils wirklich gut gelungenen, blutigen, schaurigen und atmosphärisch herbstlich bedrückenden Halloween-„Tatort“ freuen.
P.S.: Stephan Bissmeier wurde vorrangig wegen seines Namens gecastet, oder…?
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Unter Brüdern
„Das entwickelt sich zum Sex-Tourismus!“
Das deutsche Wendejahr 1990: Die SED-Herrschaft ist beendet, die Grenzen offen, positive (letztlich leider reichlich naive) Aufbruchstimmung greift um sich, neue Freiheiten werden genossen und genutzt. Dazu zählt auch dieses Novum deutscher Fernsehgeschichte, ein Crossover aus den Duisburger „Tatorten“ um die Kommissare Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) und dem DDR-Pendant, der Krimireihe „Polizeiruf 110“ um das Kommissarenduo Fuchs (Peter Borgelt) und Grawe (Andreas Schmidt-Schaller) . Die Erstausstrahlung dieser deutsch-deutschen Koproduktion erfolgte am 28.10.1990 und sollte das Zusammenwachsen beider Staaten anhand einer Kooperation der Kommissare symbolisieren. Das Drehbuch ist ein Gemeinschaftsprodukt des Ostdeutschen Helmut Krätzig und des Westdeutschen Veith von Fürstenberg; die Regie führte Krätzig, der zuvor bereits für zahlreiche „Polizeiruf 110“-Episoden verantwortlich zeichnete.
Eine unbekleidete Männerleiche im Duisburger Binnenhafen entpuppt sich als Stasi-Offizier, woraufhin die Kripo Duisburg DDR-Amtshilfe erbittet. Grawe und Fuchs sind gerade einer Stasi-Verwicklung in illegalen Kunsthandel auf der Spur und vermuten einen Zusammenhang. Sie reisen nach Duisburg, wo sie von der Kripo herzlich empfangen werden und man gemeinsam tiefer ins Kunsthandelsmillieu einzusteigen versucht. Die Ermittlungen führen sie nach Ost-Berlin, man lernt undurchsichtige und windige Gestalten kennen und begibt sich umso stärker in Gefahr, je mehr man Licht ins Dunkel bringt…
Nach einem kombinierten „Tatort“- und „Polizeiruf 110“-Vorspann lernen die Zuschauerinnen und Zuschauer ein Auffanglager für DDR-Emigranten von innen kennen – und trinkfreudige Beamte: Als Kommissar Fuchs in Duisburg aus der Bahn steigt, ist er volltrunken. Doch damit nicht genug: Als erste Amtshandlung besucht man zu viert zunächst einmal exakt den „Saunaclub“, den Schimmi kurz zuvor ausgehoben hat, und lässt es sich gutgehen. Später muss Schimmi seinen geliebten Mantel gegen einen Anzug eintauschen und sich als reicher Schnösel verkleiden, wodurch er selbst wie ein Zuhälter aussieht. Herr Dörfler (Ulrich Thein, „Fünf Patronenhülsen“) von der LPG füllt Thanner ab und besorgt beiden Duisburgern Prostituierte. Sodom & Gomorrha bei der Polizei! Diese Spezialausgabe beider Krimireihen gibt sich recht komödiantisch, die Dialoge sind köstlich, der eigentliche Fall hingegen etwas undurchsichtig. Vor allem aber handelt es sich um einen Abgesang auf die Stasi, von der so gut wie jeder in der DDR seinerzeit die Schnauze gestrichen voll hatte und deren Machtmissbrauch abseits von Bespitzelungen u.ä. illustriert wird. Diverse DDR-Klischees werden aufgegriffen und thematisiert, manche dabei widerlegt, andere bestätigt.
Nachdem der Fall gelöst wurde, saufen einmal mehr alle miteinander – als feiere man nicht nur die Lösung und die gelungene Zusammenarbeit, sondern noch immer den Sieg über SED und Stasi. Diese Stimmung vermittelt diese schwer unterhaltsame und TV-historisch hochinteressante Kollaboration und erinnert mich damit an eine spannende Zeit, die letzte, bevor die ‘80er ad acta gelegt wurden, die Hoffnungen, die die Menschen mit der Wiedervereinigung verbanden, vielerorts wie Seifenblasen zerplatzten und sich Kapitalismus, Rechtsextremismus und Gewalt endgültig bahnbrachen. Klaus Lages drittes „Tatort“-Titellied „Hand in Hand“ beschwört eine Solidarität, der sich schließlich leider als allererstes entledigt wurde. „Unter Brüdern“ ist ein aufschlussreiches Zeitdokument mit Symbol- und Strahlkraft – und auch unabhängig davon ein trotz seines etwas zu verschachtelten Falls ein außergewöhnlicher, prima gelungener TV-Krimi mit sympathischem Humor und nur allzu menschlichen Ermittlern. 7,5 von10 gestohlenen Gemälden dafür!
„Das entwickelt sich zum Sex-Tourismus!“
Das deutsche Wendejahr 1990: Die SED-Herrschaft ist beendet, die Grenzen offen, positive (letztlich leider reichlich naive) Aufbruchstimmung greift um sich, neue Freiheiten werden genossen und genutzt. Dazu zählt auch dieses Novum deutscher Fernsehgeschichte, ein Crossover aus den Duisburger „Tatorten“ um die Kommissare Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) und dem DDR-Pendant, der Krimireihe „Polizeiruf 110“ um das Kommissarenduo Fuchs (Peter Borgelt) und Grawe (Andreas Schmidt-Schaller) . Die Erstausstrahlung dieser deutsch-deutschen Koproduktion erfolgte am 28.10.1990 und sollte das Zusammenwachsen beider Staaten anhand einer Kooperation der Kommissare symbolisieren. Das Drehbuch ist ein Gemeinschaftsprodukt des Ostdeutschen Helmut Krätzig und des Westdeutschen Veith von Fürstenberg; die Regie führte Krätzig, der zuvor bereits für zahlreiche „Polizeiruf 110“-Episoden verantwortlich zeichnete.
Eine unbekleidete Männerleiche im Duisburger Binnenhafen entpuppt sich als Stasi-Offizier, woraufhin die Kripo Duisburg DDR-Amtshilfe erbittet. Grawe und Fuchs sind gerade einer Stasi-Verwicklung in illegalen Kunsthandel auf der Spur und vermuten einen Zusammenhang. Sie reisen nach Duisburg, wo sie von der Kripo herzlich empfangen werden und man gemeinsam tiefer ins Kunsthandelsmillieu einzusteigen versucht. Die Ermittlungen führen sie nach Ost-Berlin, man lernt undurchsichtige und windige Gestalten kennen und begibt sich umso stärker in Gefahr, je mehr man Licht ins Dunkel bringt…
Nach einem kombinierten „Tatort“- und „Polizeiruf 110“-Vorspann lernen die Zuschauerinnen und Zuschauer ein Auffanglager für DDR-Emigranten von innen kennen – und trinkfreudige Beamte: Als Kommissar Fuchs in Duisburg aus der Bahn steigt, ist er volltrunken. Doch damit nicht genug: Als erste Amtshandlung besucht man zu viert zunächst einmal exakt den „Saunaclub“, den Schimmi kurz zuvor ausgehoben hat, und lässt es sich gutgehen. Später muss Schimmi seinen geliebten Mantel gegen einen Anzug eintauschen und sich als reicher Schnösel verkleiden, wodurch er selbst wie ein Zuhälter aussieht. Herr Dörfler (Ulrich Thein, „Fünf Patronenhülsen“) von der LPG füllt Thanner ab und besorgt beiden Duisburgern Prostituierte. Sodom & Gomorrha bei der Polizei! Diese Spezialausgabe beider Krimireihen gibt sich recht komödiantisch, die Dialoge sind köstlich, der eigentliche Fall hingegen etwas undurchsichtig. Vor allem aber handelt es sich um einen Abgesang auf die Stasi, von der so gut wie jeder in der DDR seinerzeit die Schnauze gestrichen voll hatte und deren Machtmissbrauch abseits von Bespitzelungen u.ä. illustriert wird. Diverse DDR-Klischees werden aufgegriffen und thematisiert, manche dabei widerlegt, andere bestätigt.
Nachdem der Fall gelöst wurde, saufen einmal mehr alle miteinander – als feiere man nicht nur die Lösung und die gelungene Zusammenarbeit, sondern noch immer den Sieg über SED und Stasi. Diese Stimmung vermittelt diese schwer unterhaltsame und TV-historisch hochinteressante Kollaboration und erinnert mich damit an eine spannende Zeit, die letzte, bevor die ‘80er ad acta gelegt wurden, die Hoffnungen, die die Menschen mit der Wiedervereinigung verbanden, vielerorts wie Seifenblasen zerplatzten und sich Kapitalismus, Rechtsextremismus und Gewalt endgültig bahnbrachen. Klaus Lages drittes „Tatort“-Titellied „Hand in Hand“ beschwört eine Solidarität, der sich schließlich leider als allererstes entledigt wurde. „Unter Brüdern“ ist ein aufschlussreiches Zeitdokument mit Symbol- und Strahlkraft – und auch unabhängig davon ein trotz seines etwas zu verschachtelten Falls ein außergewöhnlicher, prima gelungener TV-Krimi mit sympathischem Humor und nur allzu menschlichen Ermittlern. 7,5 von10 gestohlenen Gemälden dafür!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- CamperVan.Helsing
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- Registriert: Sa 26. Dez 2009, 12:40
Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Das sollte verwundernbuxtebrawler hat geschrieben:Die Erstausstrahlung dieser deutsch-deutschen Koproduktion erfolgte am 28.10.2018
My conscience is clear
(Fred Olen Ray)
(Fred Olen Ray)