Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Moderator: jogiwan

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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Arkadin hat geschrieben: Do 16. Dez 2021, 00:05 1. Ich habe scheinbar in Kopenhagen gearbeitet und die meisten meiner Familie liegen dort auch auf dem Friedhof (Okay, weiß man nur als Bremer und wenn man ein Verhältnis zu den Drehorten hat, die hier die dänische Hauptstadt gedoubelt haben).

[...]

4. Wenn man will, kann man Bremen echt wie eine coole Großstadt aussehen lassen. :cool:
Wie heißt es so schön in diesem Tatort? „Was ist Kopenhagen gegen Bremen?“ :cool:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Und immer gewinnt die Nacht

„Ich habe nie von einem Verbrechen gehört, das ich nicht selbst hätte begehen können.“

Am Pfingstmontag des Jahres 2021 feierte das neue Bremer „Tatort“-Ermittlungstrio aus Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Mads Andersen (Dar Salim) sowie BKA-Beamtin Linda Selb (Luise Wolfram) seinen Einstand, wobei Selb bereits aus dem vorausgegangenen Bremer „Tatort“-Strang bekannt ist und im neuen Team mehr Präsenz erhält. Der zweite Fall „Und immer gewinnt die Nacht“ wurde am 12. Dezember 2021 erstausgestrahlt und entstand im Frühjahr desselben Jahres unter der Regie Oliver Hirschbiegels („Das Experiment“), der mit dieser Verfilmung eines Drehbuchs Christian Jeltschs nach zwei Beiträgen aus den 1990ern erstmals wieder für die öffentlich-rechtliche TV-Krimireihe verpflichtet wurde.

„Und was ist der dunkle Punkt auf seiner Seele?“

Dr. Björn Kehrer (Markus Knüfken, „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“) ist ein guter Mensch: Der Arzt behandelt Arme und andere Menschen vom Rande der Gesellschaft ohne Honorar in seiner daher hochfrequentierten Praxis. Dennoch wird er eines Abends im Bremer Hafen überfahren und anschließend totgeschlagen. Wer tut so etwas und warum? Liv Moormann und Linda Selb ermitteln, dass das Tatfahrzeug jenes von der Zigarrenfabrikantentochter Vicky Aufhoven (Franziska von Harsdorf, „Égalité“) als gestohlen gemeldete sein könnte. Diese ist zum Entsetzen ihrer Mutter Charlotte (Karoline Eichhorn, „Der Felsen“) mit Ann Gelsen (Anna Bachmann, „Wolfsland“) aus der Unterschicht liiert, die bereits eine Haftstrafe verbüßte, nachdem sie jenen Mann erschlagen hatte, der betrunken ihren Bruder Hendrik (Ole Bramstedt) angefahren hatte. Hendrik ist seither behindert – und liegt jetzt im Koma, weil er, nachdem er an Kehrers Praxis abgewiesen wurde, auf der Straße mit einer Hirnblutung zusammengebrochen war… Mads Andersen hält sich derweil in Kopenhagen auf, wo er vom jungen arabischstämmigen Adil Helveg (Issa Khattab, „Shorta – Das Gesetz der Straße“) verfolgt wird. Dieser will sich dafür rächen, dass Andersen einst seinen Vater erschoss.

„Was ist Kopenhagen gegen Bremen?“

Die Exposition lässt Selb Goethe zitieren und zeigt ein Panoptikum beinahe aller Figuren, die in den folgenden knapp 90 Minuten eine Rolle spielen werden, ohne diese bereits in größerem Umfang vorzustellen. Wenn der junge Mann, der sich später als Hendrik herausstellen wird, zunächst nicht zuzuordnende Satzfetzen vor sich hin rufend durch Bremens Straßen geht, Vicky und Ann containern und zusammen auf ihrem Fahrrad davonbrausen, Charlotte Aufhoven mit gleichsam nachdenklichem und entschlossenem Blick eine Tasche packt, ein Mann (Ernst Stötzner, „Tatort: Der wüste Gobi“) – ihr Ehemann – blutig in ein Taschentuch hustet und sich genüsslich eine dicke Zigarre ansteckt, Dr. Kehrer jemandem auf der Straße erste Hilfe leistet und eine andere Frau (Lisa Jopt, „Tanze Tango mit mir“) weinend in ihrer Küche sitzt, mutet das wie der neugierig machende Auftakt einer Kettenreaktion an, die jedoch ausbleibt. Stattdessen setzt dieser „Tatort“ all diese Puzzleteile im weiteren Verlauf zu einem großen Ganzen zusammen – und all diese interessanten Figuren in Beziehung zueinander.

Der Nebenhandlungsstrang um Andersens Besuch in Kopenhagen, wo er einen Vortrag über Integration hält und seinen jungen Verfolger wahrnimmt, wird mit den Bremer Ermittlungen zusammengeführt, als Andersen einen Bürojob in der dänischen Metropole ablehnt und in die deutsche Hansestadt zurückkehrt. Da die raubeinige Besatzung der gerade im Hafen liegenden „Always Lucky“ etwas mit dem Tötungsdelikt zu tun haben könnte, man sich dort aber bedeckt hält, schleicht er sich kurzerhand ein, was in eine actionreiche Kampfchoreographie an Bord mündet und das Profil dieser Figur ebenso schärft wie sein nachsichtiger, regelrecht pädagogischer (und Informationen über Andersens geheimnisumwitterte Vergangenheit preisgebender) Umgang mit Avil, den er auf den Pfad der Tugend zurückzuführen hilft. Andersen ist hart im Nehmen, kann auch gut austeilen, unter der rauen Schale aber steckt ein Kern voller Menschlichkeit.

Dualismus und Ambivalenz ziehen sich hier durch viele Figuren: Dr. Kehrer war depressiv, hatte mit Schuldgefühlen zu kämpfen und fügte sich selbst Brandwunden zu. Seine Sprechstundenhilfe Kirsten Beck, jene alleinerziehende Mutter, die zu Beginn weinend in der Küche saß, hat es alles andere als leicht, ist – dadurch bedingt? – jedoch charakterlich auch nicht zu 100 Prozent integer. Ann gibt eine selbstbewusste, rebellische „Kampflesbe“, neigt jedoch dazu, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und hat bereits ein Menschenleben auf dem Gewissen. Für Vicky scheint sie ungeachtet dessen die große Liebe zu sein. Und Familienpatriarch Claas-Heinrich Aufhoven träumt realitätsvergessen vom großen Comeback seiner Tabakdynastie und fabuliert über die Besonderheit seiner Zigarren, doch wer will es ihm angesichts seiner Diagnose verdenken? Laut seinen Ärzten dürfte er eigentlich schon gar nicht mehr am Leben sein.

Die junge Kommissarin Moormann hingegen kommt – ebenso wie Ann – von recht weit unten und hat sich hochgekämpft. Ihre Herkunft und damit einhergehende Selbstzweifel scheint sie überzukompensieren, indem sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Kombinationsgabe hervorkehrt, was die ihre Gegenüber nervende Macke zur Folge hat, deren angefangene Sätze selbst zu beenden. Derartigen Dialogen mit der autistisch anmutenden Selb wohnt immer mal wieder etwas Humor inne, es überwiegt jedoch eine gereizte Grundstimmung, die überall vorzuherrschen scheint und zum einen frösteln lassenden Nordic-noir-Touch dieses „Tatorts“ beiträgt. In ihm geht es um Schuld(-gefühle), Emanzipation und Kompensation, um Sühne und Selbstkasteiung, um glückliche und, mehr noch, unglückliche Liebe.

Beim die Lösung vorantreibenden, plötzlich auftauchenden Video spielt leider Kommissar Zufall eine etwas übertriebene Rolle und die Täterschaft ist relativ vorhersehbar (was indes andere anders zu empfinden scheinen und von einer unvorhersehbaren, überkonstruierten Auflösung sprechen), deutsch (und zum Teil mit Interpunktionsfehlern) untertitelte dänische Dialoge sind zudem an einem sonntäglichen Fernsehabend sicherlich nicht jedermanns Sache. Dafür ist es Hirschbiegel und Jeltsch jedoch gelungen, trotz des großen Ensembles kein Übermaß an Konzentration einzufordern, damit das Publikum nicht den Überblick verliert, und Bremen ein urban-tristes Erscheinungsbild angedeihen zu lassen, in das die Stadt nicht allzu häufig getaucht wird. Bauer ist in ihrer Rolle noch etwas gewöhnungsbedürftig, doch zwischen Moormann und Selb scheint sich eine interessante Chemie zu entwickeln. Großartig spielt Bachmann als Ann, die dem Fall zu ein wenig Ghettoromantik verhilft, und nach der alles aufdröselnden Rückblende gegen Ende stand für mich fest: 7,5 von 10 kubanischen Tabakmischungen gehen diesmal nach Bremen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Onkel Joe
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Onkel Joe »

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Ich schau gerade Schimanski auf der Mediathek.
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Reinifilm
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Reinifilm »

Na, können wir dich doch noch mit dem Tatort-Fieber anstecken? :D
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Arkadin
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Arkadin »

Onkel Joe hat geschrieben: So 19. Dez 2021, 22:09 Ich schau gerade Schimanski auf der Mediathek.
Da gibt es jetzt sogar die ersten 13 Schimanskis alle in restaurierter Form zu sehen.
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort München: Wunder gibt es immer wieder
Ein Mann stirbt vergiftet im Zug, vorher war er in einem kleinen Nonnenkloster. Dieses kämpft ob ihrer Unterbesetzung um ihre Existenz und hat im Keller ein Wunder.
Der Film hat sich die Stimmung eines Klosters angenommen. Langsam gedreht, immer wieder hält die Kamera irgendwo bedeutungsverweisend an, die Bilder sind symmetrisch angeordnet, der Sound ist intensiv aber nicht vordergründig sakral. Zwischdurch dachte ich, ich wäre noch im neuen Verhoeven, doch dann fuhr ein Zug vorbei. Und auch ruhig erzählt, eins nach dem anderen. Klar, der Klischee-Vorwurf könnte kommen, denn bis auf lesbische Orgien sind hier alle erwartbaren Verfehlungen bzw Überraschungen drin.
Mir gefiel es. Ungewöhnlich. Ohne auf den Putz zu hauen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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buxtebrawler
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Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Spätlese

„Ihre Höflichkeit hat was Perfides…“

Mit „Spätlese“ feierten die Essener „Tatort“-Kommissare Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) und Willy Kreutzer (Willy Semmelrogge) ihren zehnten Einsatz innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe. Das Drehbuch zum am 22. Mai 1977 erstausgestrahlten Fall verfasste Herbert Lichtenfeld; für die Regie konnte man Wolfgang Staudte („Die Mörder sind unter uns“) gewinnen, der damit nach „Tote brauchen keine Wohnung“ und „Zwei Leben“ seinen dritten „Tatort“ inszenierte.

„Fast alle Leute fühlen sich von mir belästigt, das muss an meinem Beruf liegen.“

Paul Bernhold wurde erschlagen, Täter und Motiv sind unbekannt. Seine Witwe Claudia (Andrea Jonasson, „Schonzeit für Füchse“), die mit ihm in einer schicken Villa zusammenlebte und nie finanzielle Sorgen zu haben brauchte, fällt aus allen Wolken, als ihr bewusst wird, dass ihr Mann offenbar ein Erpresser war. Dies erklärt auch ihren gehobenen Lebensstandard, den sie bisher nie hinterfragt hatte. Zusammen mit ihrer auf einen Rollstuhl angewiesenen Schwester Ingeborg (Claudia Wedekind, „Attentat auf den Mächtigen“) versucht sie herauszufinden, wen ihr Mann erpresste – und womit. Da die regelmäßigen Zahlungen weiterhin am vereinbarten Ort konspirativ hinterlegt werden, findet sie recht bald Gefallen daran und verwirft den Gedanken, diesbezüglich mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Kommissar Haferkamp verdächtigt derweil Claudia und ermittelt in ihrem Umfeld. Doch auch Dr. Stolp (Udo Vioff, „Die letzten Ferien“), Hausarzt der Bernholds, kommt als Verdächtiger in Betracht, da sein Interesse an Claudia über ein rein freundschaftliches hinauszugehen scheint. Bei der Beschattung beider gerät Haferkamp unwissentlich in eine Geldübergabe und lernt dadurch den gutbetuchten Eckhart Waarst (Alexander Kerst, „Der Fall Liebknecht-Luxemburg“) kennen, offenbar das Erpressungsopfer. Aber wer ist dieser Waarst, und womit wurde respektive wird er erpresst? Haferkamp studiert zurückliegende, unaufgeklärte Kapitalverbrechen im Archiv…

„Vielleicht hat er uns zuliebe eine Bank überfallen!“

Eine reizvolle Prämisse: Ein Tötungsdelikt, durch das man einer Erpressung auf die Spur kommt, wodurch wiederum ein anderes Verbrechen aufgeklärt werden kann. Vom alles ins Rollen bringenden Mord bzw. Totschlag ist indes nichts zu sehen; die Episode beginnt damit, dass Haferkamp Frau Bernhold die schlechte Nachricht vom Tode ihres Mannes überbringt. Der Hausarzt erscheint Haferkamp eher als Hausfreund und ist ihm gleich suspekt, womit jenem die Rolle des klassischen Erstverdächtigen zuteilwird. Demonstrativ wissend blickt Haferkamp drein, um seine Gegenüber aus der Reserve zu locken, kommt um Beschattung und schließlich das Einspannen seiner zeitweise bei ihm wohnenden Ex-Frau Ingrid (Karin Eickelbaum) jedoch ebenso wenig herum wie um einige weitere Finten und Tricks.

„Ich muss in eine Besprechung. Fangen Sie nicht an, mich zu nerven!“

Bedauerlicherweise ist die Inszenierung für einen Staudte ungewöhnlich bieder ausgefallen und wird die Handlung langatmiger, je weniger Claudia und Ingeborg noch zu ihr beizutragen zu haben. Durch den Verzicht auf jegliche über die seriösen schauspielerischen Leistungen hinausgehende Schauwerte – keines der behandelten Verbrechen geschieht onscreen – gerät „Spätlese“ zu einem ermüdenden Laber-„Tatort“, der zudem in einem zunehmend uninteressanten Milieu spielt (zumindest wird kaum etwas aus ihm herausgeholt). Stattdessen pfeift einem ein verrückter Freejazz-Soundtrack in den Ohren.

Nichtsdestotrotz ist der Fall bzw. seine Lösung durch Haferkamp und Kreutzer intelligent konstruiert und, folgt man der Handlung aufmerksam, auf einem noch annehmbaren Level bis zu seinem fatalistischen Ende spannend. Seine stärksten Momente hat er aber, wenn er nur allzu menschliche Verhaltensweisen wie „Gelegenheit macht Diebe“-Verführbarkeit, die Rechtfertigung bewusst falschen Handelns vor sich selbst und den damit verbundenen Pragmatismus aufgreift. Seine in einem Dialog formulierte Frage richtet sich demnach auch an die Zuschauenden: „Glaubst du etwa an das Gute im Menschen?“
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

100. Geburtstag von Gustl Bayrhammer: Sonderprogramm im BR
Restaurierte „Tatort“-Folgen und „Pumuckl“-Wiederholungen

Am 12. Februar 2022 wäre der 1993 verstorbene Schauspieler Gustl Bayrhammer 100 Jahre alt geworden. Zu Ehren des legendären bayerischen Volksschauspielers hat das BR Fernsehen eine Sonderprogrammierung angekündigt. So sind unter anderem am 12. Februar ab 20:15 Uhr drei neu restaurierte „Tatort“-Folgen mit Bayrhammer als Kommissar Veigl zu sehen.

Quelle und weitere Infos:
:arrow: https://www.fernsehserien.de/news/100-g ... ramm-im-br
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Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Alles kommt zurück

„Ich war das nicht!“

In ihrem 29. Fall verschlägt es die Göttinger „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) nach Hamburg. Der von Uli Brée geschriebene und von Detlev Buck („Wir können auch anders“) inszenierte Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe wurde im Frühjahr 2021 vor Ort gedreht und am zweiten Weihnachtsfeiertag erstausgestrahlt. Die zuweilen komödiantische Ausrichtung dieser auch sonst aus der Art schlagenden Episode weckt Erinnerungen die humorigen Weimarer „Tatorte“, die oftmals an Feiertagen erstgesendet wurden, bis sie an Neujahr 2021 mit „Der feine Geist“ das Zeitliche segneten und somit leider nicht mehr zur Verfügung standen. Für Detlev Buck ist „Alles kommt zurück“ sein erster „Tatort“.

„Bei Mord ist nichts privat.“

Charlotte Lindholm hat eine Verabredung zu unverbindlichem Sex mit einem Mann, der sie im Hamburger Luxushotel Atlantic erwartet. Doch als sie sein Zimmer betritt und sich erwartungsvoll zu ihm ins Bett begibt, muss sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass er ermordet wurde – sie liegt neben einer blutüberströmten Leiche. Für die Hamburger Kripo-Kollegen Jana Zimmermann (Anne Ratte-Polle, „Ferdinand von Schirach: Feinde“) und Ruben Delfgau (Jens Harzer, „Nackt unter Wölfen“) ist Lindholm die Hauptverdächtige, wobei es insbesondere Zimmermann auf sie abgesehen zu haben scheint. Offenbar hat jemand Lindholm eine Falle gestellt, in die sie prompt getappt ist. Dass es im Hotel aufgrund eines Castings vor Udo-Lindenberg-Doppelgängern nur so wimmelt, macht die Tätersuche nicht einfacher. Nichtsdestotrotz sieht sich Lindholm gezwungen, auf eigene Faust zu ermitteln. Ihre Recherchen führen sie auf den Kiez in St. Pauli, und zumindest Delfgaus Vertrauen scheint sie zu gewinnen: Man kommt sich näher und Lindholm somit doch noch zu ihrem Schäferstündchen…

„Das ist nicht Ihr Fall, Frau Kollegin!“

Wenn der offizielle ARD-Text zur Episode „Ein Racheakt an der Kommissarin?“ fragt, nimmt er die Antwort bereits vorweg: Natürlich ist dem so, bleibt die Frage nach dem wer und warum. Klassische Krimispannung kommt dabei nicht auf. Am fesselndsten ist dieser „Tatort“ im ersten Akt, wenn Lindholms reichlich misslungener Abend in von der Gegenwart partiell unterbrochenen Rückblenden gezeigt wird. Die Kameraarbeit ist überaus dynamisch, die Ausleuchtungen fallen mitunter neo-noiresk artifiziell aus, der Schnitt ist originell und zusätzliche Bildeffekte machen „Alles kommt zurück“ neben der sexualisierten Lindholm zu einem Hingucker. Ein paar witzige Hamburger Schnacks, Buck persönlich in der Rolle des mehr wie ein Clown aussehenden Zuhälters Einstein und weitere skurrile Gestalten sorgen für darüber hinaus für Unterhaltung.

„Kommen Sie wieder, wenn Sie tot sind.“

Die Handlung mit ihren Ermittlungen nimmt dabei jedoch eine untergeordnete Rolle ein. Relativ unmotiviert steigt Lindholm mit Delfgau ins Bett, was mithilfe eines vom echten Udo Lindenberg gesungenen Songs nachträglich romantisiert wird. Dieser hat mit dem Mordfall jedoch letztlich genauso wenig zu tun wie seine zahlreichen Doubles und scheint in erster Linie hier zu sein, um seine Lieder sowie sich selbst zu promoten. Der übrige Soundtrack bildet mit seinen enervierenden, tickenden Klängen einen Kontrast und würde sicherlich gut zu einem echten Krimi passen, der seine Wirkung nicht permanent untergräbt. Rein gar nichts mit der Handlung zu tun hat auch die „Shining“-Hommage-Szene mit den Zwillingen, die man anscheinend – schließlich spielt sich ein Großteil der Handlung im Hotel ab – ebenso unterbringen musste wie Udo und den Kiez, wenn man schon mal in Hamburg ist… Ein bisschen wirkt „Alles kommt zurück“ wie ein Hamburg-Tourist, der die Episode gewissermaßen ja auch ist.

Unverständlich ist hingegen, dass man ausgerechnet diese Farce auserkor, um auf der horizontalen Erzählebene an den „Tatort: Der Fall Holdt“ anzuknüpfen, der im Jahre 2017 zu einer Zäsur innerhalb des Lindholm-Asts der Reihe führte. Plötzlich zaubert man eine weitere Leiche aus dem Hut. Dass die rothaarige Choleriker-Bullette Zimmermann Dreck am Stecken hat, wird dem Publikum recht früh vermittelt und ändert nichts daran, dass man es am Ende mit einem reichlich überkonstruierten Mumpitz zu tun hat, dessen Finale als Tanz inszeniert wird. Das war eher nix. Ich vermisse Weimar…
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Stuttgart: Videobeweis
Weihnachtsfeier in einem Versicherungskonzern. Karaoke, Alkohol und am Ende bleiben ein Chef, eine aufstrebende Frau und eine Leiche zurück. Das Opfer, selbst Freund und Aufstiegskonkurrent der Frau filmt die anderen beiden beim Sex. Das Video sieht auf den ersten Blick nach einvernehmlichen aus, die Aussage der Frau spricht von Vergewaltigung. Das sich Kommissar Lannert in die verguckt hat, macht das ermitteln nicht einfacher.
Sehr kühl und auch lanhsam inszeniert, breitet sich der Fall erst nach und nach auf, doch eigentlich geht es ja nur um Kleinigkeiten. Was ist Nötigung, Machtmissbrauch, braucht es kürperliche Beweise. Ist ein Video aussagekräftig. Beim dem heftigen und schwierigen Thema ist diese Inszenierungsweise angebracht. Auch interessant, das die beiden KOmmissare, wieder gut dargestellt von Müller und Klare selbst in patriachalen Denkweise gefangen sind, und diess trotz Reflektionsversuchen nicht durchbrechen können, siehe Umgang mit Praktikantin.
Die Musik von Verena Marisa ist toll, muss ich mich mal tiefer mit beschäftigen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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