Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Moderator: jogiwan

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Reinifilm
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Reinifilm »

phantom hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 22:19 Morgen im Bremer Tatort:

In der Rolle der Rechtsmedizinerin Edda Bigley
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Hui, das ist jetzt mal eine überraschende Besetzung…
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Alle 16 "Tatort"-Episoden um die Berliner Ermittler Karow und Rubin erscheinen voraussichtlich am 12.12.2024 bei Fernsehjuwelen als 8-DVD-Box:

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Extras:
Digitales Booklet (online abrufbar) mit Hintergrundinformationen und Episodenführer; Trailer; weitere Highlights; Schuber; Wendecover

Episoden:
01. Das Muli (22. März 2015)
02. Ätzend (15. Nov. 2015)
03. Wir – Ihr – Sie (5. Juni 2016)
04. Dunkelfeld (11. Dez. 2016)
05. Amour Fou (5. Juni 2017)
06. Dein Name sei Harbinger (10. Dez. 2017)
07. Meta (18. Feb. 2018)
08. Tiere der Großstadt (16. Sep. 2018)
09. Der gute Weg (5. Mai 2019)
10. Das Leben nach dem Tod (10. Nov. 2019)
11. Das perfekte Verbrechen (15. März 2020)
12. Ein paar Worte nach Mitternacht (4. Okt. 2020)
13. Die dritte Haut (6. Juni 2021)
14. Die Kalten und die Toten (14. Nov. 2021)
15. Das Mädchen, das allein nach Haus’ geht (22. Mai 2022)
16. Das Opfer (18. Dez. 2022)

Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/275503 ... -Das-Muli/
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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sid.vicious
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie

Beitrag von sid.vicious »

buxtebrawler hat geschrieben: Fr 2. Mär 2018, 09:45 Tatort: Verbrannt
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Das nenne ich (wie den kürzlich ausgestrahlten „Schweigen“) einen sehr mutigen Tatort. Bei allem Mut wird auch die Spannung nicht vergessen, da mich „Verbrannt“ von der ersten bis zur letzten Minute packen konnte. Die Leistungen der Darsteller/innen muss ich dito loben. Was mir missfällt ist der Ausstieg von Petra Schmidt-Schaller als Katharina Lorenz, einem Charakter den ich (ich habe drei ihrer sechs Falke-Tatorte geschaut) äußerst lieb gewonnen habe.

Fazit: Auch Tatort-Muffel sollten ruhig mal in die Mediatheke reinschauen und sich „Verbrannt“ (solang der Tatort noch verfügbar ist) anschauen.
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Stille Nacht

„Absolut keiner mag ,Last Christmas‘!“

Für „Stille Nacht“, den sechsten Fall des Bremer Ermittlerinnen-Duos Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram), führte „Tatort“-Routinier Sebastian Ko zum zweiten Mal an der Hansestadt Regie. Von November bis Dezember 2023 verfilmte er ein Drehbuch Daniela Baumgärtls und Kim Zimmermanns, das einen Todesfall mit einem Familiendrama in weihnachtlichem Ambiente verquickt. „Stille Nacht“ wurde am 7. Dezember 2024, also genau ein Jahr und einen Tag nach Abschluss der Dreharbeiten, erstausgestrahlt.

„Manchmal vergisst man, dass man ‘n Körper hat…“

Familie Wilkens feiert im großzügigen Kapitänshaus am Deich Weihnachten: Kapitän Hendrik Wilkens (Matthias Freihof, „All You Need“) und sein Mann Bjarne (Rainer Sellien, „Der Usedom-Krimi“) haben eingeladen und die erwachsenen Kinder Fabienne (Pia Barucki, „Dünentod – Ein Nordsee-Krimi“) und Marco (Robert Höller, „Wut“) sowie Schwiegertochter Nahid (Rana Farahani, „9 Tage wach“) kamen. Fabienne brachte zudem den philippinischen Matrosen Andy Malinao (Jernih Agapito) mit, dessen Schiff gerade in Bremen ankert. Am nächsten Morgen jedoch wird Hendrik erschossen im Souterrain aufgefunden. Er habe früher als die anderen ins Bett gehen wollen, und wegen der „Last Christmas“-Karaoke will niemand etwas gehört haben. Dies kommt den Kommissarinnen der Mordkommission, Liv Moormann und Linda Selb, seltsam vor, wenngleich gerade eine Einbruchswelle grassiert und das Kellerfenster eingeschlagen wurde…

„Niemand in dieser Scheißfamilie erzählt mir hier irgendwas!“

Ein Weihnachts-„Tatort“ und Familiendrama zugleich, der zudem zur Normalisierung homosexueller Ehen beiträgt. Wir erfahren, dass Hendrik Kinder hat, deren Mutter verstorben ist, aber schon seit Langem mit einem Mann verheiratet ist. Punkt. Dieser Umstand wird in keiner Weise exotisiert und wird auch nichts mit der Auflösung des Falls zu tun haben. Also rasch weiter zu eben diesem: Eine Art False Scare im Prolog geht nahtlos in die weihnachtliche Idylle der Familie über. Innerhalb eines toll gemachten Schneekugeleffekts wird der Titel dieses „Tatorts“ eingeblendet. Es wird heimelig. Als Kontrast dienen zunächst die Ermittlerinnen, die Feiertagsdienst schieben und in ihrem Büro über Weihnachten lästern. Der Mord, Totschlag oder was auch immer genau passiert ist wird nicht gezeigt, ein Überblendeffekt offenbart den Leichnam auf dem Fußboden.

„Ich liebe meine Familie, aber ich liebe auch meine geistige Gesundheit!“

Dass es sich bei der Erwähnung der Einbruchserie um einen roten Hering handelt, riecht man zehn Meter gegen den Wind, wodurch man sich aber gut aufs klassische Whodunit? und die Motivrätselei konzentrieren kann. Verschiedene Theorien der Ermittlerinnen werden visualisiert durchgespielt – ein gelungener Kniff, der die Dialoglastigkeit reduziert und das Medium Film besser nutzt. Ein weiteres Medium sind die Bilder der neuen 360°-Kamera, von der Selb ganz fasziniert ist und anhand derer sie den Tatort in aller Ruhe auf der Wache untersucht. Tatsächlich liefert diese Technik den entscheidenden Hinweis, der einen Einbruch ausschließen lässt. Damit bietet dieser „Tatort“ nicht uninteressante Einblicke in aktuelle Ermittlungsmethoden. Eine ganze Weile zeigt „Stille Nacht“ parallel die stattfindende Ermittlungsarbeit und den Umgang der Familie mit dem, was vorgefallen ist. Erwartungsgemäß bekommt die Familienidylle dabei einige Risse. Selb bricht aus der Spuren- und Hinweissuche und auch aus ihrer angestammten Rolle aus, als sie im Seemannsheim mit ausländischen Seemännern feiert und sogar Mariah Careys Weihnachtshit singt. Etwaige Klischees wie etwa jenes, dass Selb im weiteren Verlauf der Feier belästigt werden würde, bleiben aus, Ressentiments werden nicht bedient.

Der eigentliche Fall bekommt etwas mehr Würze, als sich – wenn auch ungewöhnlich spät – herausstellt, dass Matrose Andy nicht wirklich so heißt und zudem von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben ist. Die Anzahl der Verdächtigen ist unabhängig davon hoch und sogar ein Cold Case scheint mit diesem Fall in Verbindung zu stehen. Was wirklich geschehen ist, dröseln Rückblenden am Schluss auf. Bis dahin spielt „Stille Nacht“ zu großen Teilen in Hendriks Kapitänshaus, während einer kurzen Verfolgung bekommt man aber etwas vom Bremer Ostertorviertel zu sehen. Sängerin Helen Schneider heuerte als Rechtsmedizinerin Edda Bingley in Bremen an, wo die Herausforderung anscheinend eine versöhnliche, weihnachtliche Geschichte über Schuld und Vergebung war, die trotzdem einen oder mehrere Tote auffährt und Anlass für einen kniffligen Kriminalfall ist. Dieser Spagat ist über weite Strecken gelungen, wenngleich man das vom Vorweihnachtsstress geplagte Publikum keinem allzu aufregenden Nervenkitzel aussetzt. Der anfängliche Anflug von Zynismus – es waren tatsächlich Hendriks „last Christmas“ – wird rasch fallengelassen, die musikalische Untermalung mit diversen Weihnachtsliedern indes beibehalten. Auch ausufernde Melodramatik verkneift man sich, gut und zuweilen emotional geschauspielert ist’s dennoch.

Kann man so machen und war vielleicht schwieriger zu realisieren, als es sich fürs Publikum anfühlt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Münster: Man stirbt nur zweimal
Mann tut so, als ob er tot wäre, um mit seiner Frau die Lebensversicherung auszulösen. Nach gewonnem Rechtsfall stirbt der Anwalt.
An sich klassische Konstellation übers gegenseitige betrügen, sich veränderten Machtverhältnissen, und Überraschungen. Dazu soziale Themen wie toxische Beziehung, und auch klassisch: die Einsamkeit der Ermittler.
Tja, aber irgendwie alles unelegant verbunden. Wie Börne zu Beginn als Experte für Versicherungsbetrug etabliert wird, witzig, aber unpassend. Ebenso der rant gegen woke Sprache. Oder der Ausversehen - Schuss vom Assistenten, dem ich dann den finalen Heldenauftritt gegönnt hätte, den bekommt aber Silke Haller.
Insgesamt unbefriedigend, gute Ansätze, hätte aber alles besser funktionieren können.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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sid.vicious
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von sid.vicious »

buxtebrawler hat geschrieben: Mi 4. Dez 2019, 14:13
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Am Ende leider etwas kitschig. Höchstwahrscheinlich als Versöhnung mit einem vornehmlich angeschlagenem TV-Publikum (ich habe in einigen Momenten dito mit dem Filmcharakteren gelitten) gedacht und deshalb zur Pflicht geworden.
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Zürich: Fährmann
Altbekannte Zutaten: Mordfall verweist auf alten, hier den ersten Durchbruchsfalls der Kommissarin, die macht einen Alleingang und hält Infos zurück, die Kollegin kommt irgendwann drauf. Wegen Betroffenheit kommt sie nicht auf den Täter (diesmal wirklich beinahe unerklärlicher Weise) , Wissensvorsprung Zuschauer, Krankenhaus vorzeitig verlassen, Nahtoderfahrung... Aber das gemischt mit einer Story um Alleinsam an Weihnachten und eben um den Fährmann des Todes: da gibt es immer stimmungsvolle Gothic Horror Bilder. Die Serienmörder Geschichte ist auch ganz spannend und mit Lukas Gregorowicz auch gut besetzt. Und die drei Züricher Frauen und ihre Chemie mag ich auch.
Gute Unterhaltung.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Polizeiruf München: Jenseits des Rechts
Dritter Fall für Blohm und Eden. Der erste gefiel mir nicht, den zweiten sah ich nicht, der dritte lockte mit der Regie von Dominik Graf.
Eine junge Frau aus reichen Hause ist schwer verliebt und dreht mit ihrem neuen Freund Pornos für das Internet. Dieser wird tot aufgefunden....
Tja, so richtig Spannung will kaum aufkommen. Die grundsätzliche Disposition ist einerseits generisch ( reiche Tochter in einer Art Rebellion gegen reichen Vater, der skrupelloser Kapitalist und alleinerziehend), andererseits Chancen mit dem Sujet des Amateurporno da ein bisschen tiefer einzusteigen, bleibt aber bis auf ein paar spekulative Schauwerte halt austauschbar, zu anderen Zeiten wären es Drogen und/oder schlimme Jugendkultur gewesen. Das privat und kommerziell Pornos zu drehen im Umfeld vollkommen okay ist, fand ich dann schon gut.
Graf konzentriert sich auf die Polizeiarbeit, so wird versucht mittels Split Screen und Spannungsmusik einem DNS Test etwas dramatisches zu verleihen, wirkt aber wie eine Parodie. Sonst sitzen sie gerne und warten. Bis der Computer etwas ausspuckt, oder man eine Kammer verlassen kann.
Das Problem bei den Polizeiruf sind tatsächlich auch die Ermittler, die haben so gar nichts, sind vollkommen uninteressant. Hier schlägt die Kommissarin dann plötzlich und recht unmotiviert (und auch unnötig) über die Strenge (der Titel verrät es ja schon).
Sowieso ist das Drehbuch wirklich nur für Krimianfänger, dass ist alles früh und leicht durchschaubar. Ich dachte eher, das sind falsche Fährten, so easy kann es nicht gewesen sein.
Was bleibt? Recht gute Leistungen von Emma Preisendanz und Martin Rapold. Und ein schöner jazzy Soundtrack.
Ansonsten kann ich die Münchner Polizeirufe auslassen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

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Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts

„Er macht Pornos.“

Die Münchner Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) ermittelt zusammen mit ihrem Kollegen Dennis Eden (Stephan Zinner) in ihrem dritten Fall. Dieser wurde von Dominik Graf (sein bereits siebter Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe) nach einem Drehbuch Tobias Kniebes inszeniert und am 29. Dezember 2024 erstausgestrahlt, nachdem er seine Premiere bereits am 25. Oktober 2024 auf den Hofer Filmtagen hatte feiern können.

„Ich hab‘ mich stark gefühlt!“

Die junge Mia (Emma Preisendanz, „Tatort: In der Familie“) muss den Verlust ihres Freunds Lukas Bärwein (Florian Geißelmann, „Seid einfach wie ihr seid“), einem von allen nur „Lucky“ genannten Amateurpornofilmer, der in einem Wohnwagen in einem Münchner Künstlerquartier lebte und arbeitete, verkraften. Er hatte auch Mia in die Welt der Amateurpornos eingeführt, nun wurde er ermordet. Alles Grund, gegen diese Liaison und die Aktivitäten Luckys mit Mia zu sein, hatte ihr Vater Ralph Horschalek (Martin Rapold, „Cargo“), ein vermögender Unternehmer aus der Oberschicht, der sein Geld als Leiter der Munich Gold AG verdiente – und dies offenbar nicht immer ganz sauber, wie die Proteste gegen das Unternehmen nahelegen und aufgrund derer er gerade einige Kundinnen und Kunden verliert…

„Ist eigentlich alles fake?“

Ein Stylo-Vierer-Splitscreen-Vorspann geht mit einem Gespräch zwischen Mia und ihrem Therapeuten (Michael Roll, „Herz“) einher, das sich um ihre Beziehung zu Lucky dreht. Mia ist eine hübsche junge Frau, die durch den frühen Tod ihrer Mutter schon Verlusterfahrungen durchmachen musste. Durch die Beziehung zu Lucky und den Sex mit ihm vor dessen Kamera habe sie sich befreit gefühlt. Der „Polizeiruf“ wirft die Frage auf, ob Lucky dies ausgenutzt habe, ohne sie abschließend zu beantworten. Es geht ihm nicht darum, Amateurpornographie zu dämonisieren, und dieses Sujet wird auch nicht sexploitativ ausgeschlachtet. Vielmehr vermischen sich unter Grafs Regie ein Kriminalfall, ein Familiendrama, subkulturelle Milieueinblicke, Kapitalismuskritik und eine Art Justizposse miteinander – insgesamt ein bisschen viel für einen knapp 90-minütigen Fernsehfilm, weshalb manches nur angerissen bleibt und Graf neben wunderschönen sommerlichen Bildern zu Zeitsprüngen und unvermittelten Rückblenden, teilweise inklusive Jumpcuts, greift, um möglichst viel erzählen zu können. Der Schnitt ist modern und rasant.

Daran gemessen steigt er ungewöhnlich früh in die Handlung ein: Lucky lebt noch, Mia und Blohm/Eden begegnen sich auf der Straße – Szenen, die offenbar der Charakterisierung der Figuren dienen. Nach dem Leichenfund steht kurzzeitig auch die Frage im Raum, ob es sich anstelle eines Mords um einen Unfall, Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag gehandelt haben könnte. Eine DNA-Spur führt einerseits zu einem männlichen Familienmitglied Mias und andererseits zu einer Besonderheit des deutschen Rechts, die die Rechtsmedizinerin (Jule Gartzke) in einen argen Gewissenskonflikt treibt und Blohm derart belastet, dass sie sich gar von einem Rechtsanwalt, der so etwas normalerweise gegen die Polizei verwenden würde, beraten lässt. Der Umstand, dass Blohm durch Informationen, die sie eigentlich gar nicht haben dürfte, den Täter zu kennen glaubt, den sie aufgrund dieser Informationen aber weder belasten noch verhaften darf, avanciert zum neben moderner Polizeiarbeit justiziales Spezialwissen vermittelnden Herzstück des Falls. Ihr Wissensvorsprung erweist sich als problematisch in der Zusammenarbeit mit Eden und mündet schließlich in eine spannend gemachte Home Invasion inmitten der Geburtstagsfeier einer 16-jährigen Social-Media-Daueronlinerin (Falka Klare, „Tonio & Julia“).

Die zur Auflösung führende Pointe ist für die einen vorherseh- und erratbar, für andere sicherlich überraschend. Vollgepackter hätte diese „Polizeiruf 110“-Episode dann auch wirklich nicht sein dürfen; umso bemerkenswerter, dass es Graf gelungen ist, den sommerlichen Bildern zum Trotz melancholische Atmosphäre zu erzeugen und mit interessanten, ambivalenten Figuren zu arbeiten. Von diesen hätte ich gern mehr gesehen; dafür vielleicht etwas weniger Polizeiarbeit, die menschlich wirken soll, mitunter aber eher befremdet. Zu guter Letzt: Der Stranglers-Evergreen „Golden Brown“ wird mehrfach ehrenvoll hervorgehoben – er hat es verdient!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Ludwigshafen: Der Stelzenmann
Ein Kind wird entführt, eine Zeugin wird dabei umgebracht. Neben der Mordabteilung ermittelt das LKA. Ein ehemaliges Entführungsopfer könnte helfen.
Lenas 81. Fall! Inzwischen bildet sie ein eingespieltes Team mit Johanna Stern, neu dazu gekommen (anscheinend schon letztes Mal, den verpasste ich aber) zwei junge Kommissariatsanwärter*innen: Nico und Mara. Die machen ihre Sache gut, werden auch Fehler zugestanden.
Das ist von Anfang an spannend inszeniert, die Welt des Zeugen nachvollziehbar und trotzdem mit Falltüren. Irgendwann hat der Zuseher einen Wissensvorsprung und nach circa einer Stunde wissen wir das meiste, doch er bleibt trotzdem spannend. Ein Thriller mit horriblen Einschüben.
Im Vergleich mit letzter Woche sieht man hier den Vorteil eines guten Buches, das dann nur noch Standardniveau bei allem anderen verlangt, um ein guter Sonntagsabend - Krimi zu werden. Einzig die Sache mit dem LKA findet kaum statt und wirkt aufgesetzt, vielleicht noch Nachhall der Folge davor.
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