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Darsteller: Cillian Murphy, Stephen Rea, Brendan Gleeson, Liam Neeson, Ruth Negga, Laurence Kinlan, Gavin Friday, Bryan Ferry, Morgan Jones, Eva Birthistle, Mary Coughlan, Conor McEvoy u. A.
Patrick Braden (Cillian Murphy) hat schnell bemerkt, dass er anders ist als andere. Nicht nur weil er ein vor der lokalen Kirche ausgesetztes Findelkind ist. Vielmehr hat es damit zu tun, dass Patrick gerne Frauenkleider anzieht, im religiösen Internat die Lehrer mit Fragen zu Geschlechtsumwandlung zur Frau zur Verzweiflung bringt und nie richtig von seiner Pflegefamilie als eigener Nachwuchs akzeptiert wurde...
Der irische Regisseur Neil Jordan („Interview mit einem Vampir“) verfilmte im Jahre 2005 mit „Breakfast on Pluto“ den gleichnamigen Roman des Schriftstellers Patrick McCabe und schuf damit einen Film irgendwo zwischen Drama und Tragikomödie, der nicht nur für ein homosexuelles Publikum interessant sein dürfte.
Findelkind Patrick, von seiner leiblichen Mutter vor der örtlichen Kirchentür ausgesetzt – die Wahl des Orts erfolgte keinesfalls beliebig –, wächst im beschaulichen irischen Nest Tyreelin nahe der nordirischen Grenze auf, wo ihm und seiner Umwelt bald auffällt, dass er anders ist als andere Kinder. Aus dem kleinen Patrick, der gern Frauenkleider anzieht, sich schminkt und mit seiner provokant-frechen Art im streng katholischen Umfeld aneckt, wird ein homosexueller Transvestit, der sich in seiner Haut und seiner Rolle zwischen den Geschlechtern sehr wohl fühlt und offensiv mit ihr umgeht. In seiner Pflegefamilie stößt er damit aber nicht auf Gegenliebe, so dass er bald bis auf eine Handvoll Freunde auf sich allein gestellt die Welt erkundet – wobei „die Welt“ das Großbritannien der 1970er-Jahre vor dem Hintergrund des Nordirland-Konflikts ist. Viel mehr interessiert ihn aber seine leibliche Mutter, die er nie kennengelernt hat…
„Breakfast on Pluto“ hat durch seinen Hauptdarsteller Cillian Murphy („28 Days Later“, „Batman Begins“, „The Dark Knight“) schon halb gewonnen. Wie er sich in die Rolle des androgynen Patrick, der sich selbst gern Kitten nennt, hineinfindet, ist der schiere Wahnsinn und zählt zu den beeindruckendsten schauspielerischen Leistungen, die ich in der letzten Zeit gesehen habe. Er schafft es, seine tuntige, häufig komische – denn wenn Patrick etwas hasst, dann, das Leben ernst zu nehmen – Rolle auszufüllen, ohne sie überzustrapazieren und ins Lächerliche zu ziehen. Stattdessen verleiht er ihrer sensiblen Charakterzeichnung Anmut und Würde. Patrick bzw. Kitten ist jemand, der seinen Weg geht und das Beste aus seiner Situation macht, ohne sich von Rückschlägen und Intoleranz den Spaß am Dasein nehmen zu lassen.
Schließlich verschlägt es ihn nach London, wo er nach einem Techtelmechtel mit Billy Hatchet, dem Sänger der Rock’n’Roll-Band „The Mohawks“ (Gavin Friday, „Disco Pigs“) und einigen weiteren, mitunter gefährlichen Abenteuern sowohl in privater als auch beruflicher Hinsicht seinen Körper verkauft, was der Film nicht plakativ als sozialen Abstieg definiert, sondern ebenso selbstverständlich damit umgeht wie mit der Person Patricks. Nach einem Bombenanschlag der IRA, bei dem Patrick selbst verletzt wird, gerät er ins Visier der Polizei, die ihn schwer misshandelt. Tatsächlich hatte Patrick Kontakt mit radikalen irischen Revoluzzern, hat den bewaffneten Kampf aber stets abgelehnt. Damit betont der Film seine grundlegend pazifistische Haltung, bei der die IRA alles andere als gut wegkommt. Jedoch schlägt sich „Breakfast on Pluto“ auf keine Seite bzw. wenn, dann die auf des unpolitischen Patricks, der allein durch sein Auftreten schon mehr Reaktionen hervorruft als die Masse anderer Menschen und bereits in seiner Person ein Statement darstellt, ob er nun will oder nicht. Es passieren viele schreckliche Dinge im Rahmen der Handlung, auf die die Antwort des Films zu sein scheint, sich besser weitestmöglich herauszuhalten und auf sich selbst zu konzentrieren, dabei seinen Optimismus und seine Lebensfreude zu behalten.
Ebenfalls ungeschönt und fernab jeglicher romantischer Verklärung irischer Kultur werden die Schattenseiten einer konservativen, katholischen Gesellschaft gezeigt, die Patrick in Form blanker Ablehnung bis hin zu Mordversuchen entgegenschlagen. Das widernatürliche, gestörte Verhältnis zur Sexualität katholischer Würdenträger wird dabei ebenso thematisiert wie Bigotterie und Heuchelei. Bei alldem funktioniert „Breakfast on Pluto“ quasi komplett ohne allzu freizügige Sexszenen oder Artverwandtes, das einen zusätzlichen Provokationsfaktor geboten und evtl. polarisiert hätte. Nein, in dieser Hinsicht bleibt der Film einem breiten Publikum verpflichtet und nach gängigen, hiesigen Moralvorstellungen „anständig“. „Breakfast on Pluto“ will seinem Publikum nicht vor den Kopf schlagen, sondern es langsam um den Finger wickeln und verzaubern. Dies gelingt auch größtenteils ganz vorzüglich, denn neben den schauspielerischen Leistungen sind die authentisch wirkenden Kulissen und der flotte, abwechslungsreiche Soundtrack quer durch die Populärmusik der 70er Garanten und Stützpfeiler für das hohe Niveau der Inszenierung.
Das Ende indes bleibt offen und in mehrere Richtungen auslegbar und hat man es erst einmal geschafft, sich nach den möglicherweise etwas zu lang geratenen rund zwei Stunden aus dem Klammergriff des Films zu befreien, die charmante Kitten vom Schoß zu stupsen und wieder klare Gedanken zu fassen, bleibt ein Plädoyer für individuelle, andersartige Lebensentwürfe und ein kritischer Blick auf den Nordirlandkonflikt, verbunden mit einer politisch etwas naiv anmutenden, pazifistischen Aussage, gekleidet in die luftigen Frauengewänder eines leichtfüßigen transsexuellen Coming-outs. Allein schon aufgrund Murphys überragender Leistung überaus sehenswert!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)