Produktionsland: Großbritannien 1970
Regie: Malcolm Leigh
Darsteller: Alexander Sanders und (halb-)nackte Wicca-Hexen
Verwundert reibe ich mir manchmal die Augen, wie weit meine persönliche Einschätzung eines Films und diejenige, die man in breitgefächerten Internet-Kritiken zum gleichen Streifen finden kann, voneinander divergieren: Konsultiert man die einschlägigen auf der imdb verlinkten Kritiken zu Malcolm Leighs LEGEND OF THE WITCHES (1970), dann bekommt man schnell den Eindruck, der Filmemacher habe sich des Gewands einer pseudo-seriösen Dokumentation über archaischen und zeitgenössischen Hexenkult lediglich bedient, um unter diesem Deckmäntelchen seinen weiblichen Laiendarstellerinnen en masse die Kleidungsstücke vom Leib nesteln zu dürfen. Dass LEGEND OF THE WITCHES voll sei mit Ritualszenen, in denen die nackten Tatsachen weiblicher Wicca-Anhängerinnen im Vordergrund stehen würden, habe ich jedenfalls genauso oft gelesen wie, dass LEGEND OF THE WITCHES eine Art Vorstufe des (mir unbekannten) Sexploitation-Films GAMES THAT LOVERS PLAY (1971) sei, mit dem Leigh in der Folge scheinbar zweifelhafte Meriten einfuhr. Dabei verkennen die Review-Schreiber jedoch zum einen, dass die Filmographie des britischen Regisseurs offenbar recht breit aufgestellt ist – (demnach scheint er mit THE WINDOW CLEANER (1968) sein Kurzfilm-Debut über einen an Höhenangst leidenden Fensterputzer gedreht zu haben, und mit PILLARS OF ISLAM (1973) eine Kurz-Reportage über eine arabische Gemeinde in Großbritannien während des Ramadans) –, und außerdem frage ich mich: Haben diejenigen, die LEGEND OF THE WITCHES beinahe in die Schmuddel- oder Sex-Mondo-Ecke zu schieben beabsichtigen, überhaupt denselben Film gesehen wie ich, der ich gerade angesichts der wundervoll lyrischen Schwarzweißbilder dieses obskuren Streifens während der Sichtung kaum zu blinzeln wagte?
LEGEND OF THE WITCHES beginnt wie ein wahres Filmgedicht: Bilder menschenleerer englischer Landschaften; der Mond, wie er sich im stillen Wasser eines Bächleins spiegelt; die aufgehende Sonne, zeitlupenhaft sich über fernen Berggipfeln erhebend; dazu eine trockene, besonnenen Erzählerstimme, die davon berichtet, dass Diana, die Mondgöttin, sich mit dem Morgengrauen eingelassen und man gemeinsam einen Sohn gezeugt habe: Luzifer, den Sohn des Lichts. Erst nach Minuten entdecken wir die erste menschliche Gestalt in der vorzeitlichen Einöde: Einen nackten Mann, der am Ufer eines weiten Meers steht, und dem wir hinein in den Forst folgen, wo er Teil eines paganen Zeremonielles wird, der Initiation eines Jünglings namens Michael, dem sein Platz innerhalb des Wicca-Kults einnehmen soll. Detailliert berichtet der Erzähler, ohne seinen zurückhaltend-informativen Duktus fahrenzulassen, welche einzelnen Aufgaben und Stufen für den jungen Mann zu meistern sind bis er sich als vollwertiges Mitglied der naturverbundenen Gemeinschaft betrachten darf: Mit verbundenen Augen torkelt er einer Frau hinterher, die ihn, fortwährend seinen Namen rufend, mit den vier Elementen und den damit verbundenen Ängsten konfrontiert – der Furcht, zu ertrinken, indem sie ihn in ein Gewässer lockt; der Furcht, lebendig begraben zu werden, indem sie ihn in eine Felsspalte lotst; der Furcht, zu verbrennen, indem sie ihn dicht an ein prasselndes Lagerfeuer heranführt; die Furcht, sich bei einem Sturz das Genick zu brechen, indem sie ihn nötigt, einen kleinen Abgrund hinabzuspringen. Am Ende bestätigt die weibliche Hohepriesterin des Zirkels die Aufnahme Michaels, der, inzwischen am ganzen Körper gefesselt zum Zeichen dafür, dass er die Geheimnisse des Covens zu wahren gedenkt, von seinen neuen Brüdern und Schwestern begeistert in ihrer Mitte begrüßt wird. Schließlich tanzt man gemeinsam im Adams- bzw. Evakostüm ums Lagerfeuer. Obwohl all die Hexer und Hexen freilich wenig Textil am Leib tragen, könnte diese bald zwanzigminütige Eröffnungssequenz von etwaigen Exploitation-Strategien kaum weiter entfernt sein: Die Sprecherstimme aus dem Off verliert nie die objektive Distanz zum Gezeigten; das Gezeigte wird nie auf spekulative Details herabgebrochen, sondern stets mit beinahe ethnographischer Dezenz gefilmt; die Photographie wiederum ist – ich kann das gar nicht oft genug betonen – schlicht wunderschön. Nein, mit einem etwa zeitgleich entstandenen Schwarzmagie-Mondo wie beispielweise Luigi Scattinis auf Yellow-Press-Niveau rangierendem ANGELI BIANCHI… ANGELI NERI (1970) hat LEGEND OF THE WITCHES nun wirklich, abseits thematischer Überschneidungen, rein gar nichts gemein.
Dies beweisen auch die weiteren Episoden, in denen wir beispielweise dem Museum of Witchcraft and Magic in Cornwall einen Besuch abstatten – (zu sehen gibt es, unter anderem, Grabbeigaben einer als Zauberin hingerichteten Frau wie einen Kessel, einen Mörser, eine Pfanne, die tatsächlichen leiblichen Überreste der letzten verurteilten Hexe Englands sowie Voodoopüppchen voller Nadeln, mit denen die Kulte angeblich ihnen feindlich gesinnte Personen zu verfluchen trachteten) –, darüber instruiert werden, in welchem Ausmaß das expandierende Christentum sich heidnische Religionspraktiken aneignete und in seinen eigenen Mythenschatz integrierte –, (wozu auf pagane Symbole auf vermeintlich christlichen Wegsteinen hingewiesen oder eine katholische Messe auf direkt vorchristliche rituelle Bestandteile hin abgeklopft wird) –, oder einen historischen Exkurs in die Zeiten Wilhelm des Eroberers unternehmen, (und dabei en detail den berühmten Teppich von Bayeux studieren dürfen.) Zwischengeschnitten sind all diese vorurteilsfreien, tatsächlich dem dokumentarischen Anspruch gerecht werdenden Segmente mit Re-Enactments von Zeremonien, die Alexander Sanders, seinerzeit medienwirksamster Kopf der Wicca-Bewegung in Großbritannien mit Spitznamen „König der Hexen“, zusammen mit seiner Gattin und seinen Aposteln vor Leighs Kamera entfaltet, (und die ebenso nüchtern-realistisch gefilmt sind wie der ganze Rest, weshalb man auf pikante Details abseits von entblößten primären und sekundären Geschlechtsteilen gar nicht erst zu hoffen braucht.) Obwohl der Off-Kommentar niemals offen Stellung bezieht, lässt sich doch in seinem Subtext ein Werben um Verständnis für die seit jeher Verfolgten und Verfemten herauslesen –, (beispielweise, wenn in einer kurzen Episode auf die Folterqualen eingegangen wird, denen gerade Frauen durch kirchliche Autoritäten ausgesetzt gewesen sind, und diese als weitaus barbarischer bezeichnet werden als alles, was die mutmaßlichen Hexer und Hexen in ihren stillen Kämmerlein praktiziert haben dürften.) LEGEND OF THE WITCHES lehnt sich nie so weit aus dem Fenster, das Hexentum, (wie es z.B. der französische Historiker Jules Michelet in seiner auch heute noch absolut lesenswerten Studie "La Sorcière" von 1862 getan hat), als eine revolutionäre Reformbewegung zu modellieren, mittels derer sich die menschliche Natur gegen Unterdrückung und Autokratie aufgelehnt habe; andererseits lässt sich der Film aber auch nie dazu herab, den dargestellten Brauchtümern mit Arroganz oder gar Spott zu begegnen: Um zu zeigen, wie sehr auch der vermeintlich aufgeklärte Mensch des 20. Jahrhunderts noch Residuen archaischen Denkens in sich trägt, wird z.B. ein Kaleidoskop an abergläubischen Traditionen vor uns ausgebreitet, angefangen von der Angst vor dem dreizehnten Freitag bis hin zu Passanten, die es graut, unter einer Leiter durchzugehen. Selbst einer lidschlagkurzen Hahnenschlachtung, (mit der demonstriert werden soll, wie Hexen augurengleich aus den Tiereingeweiden die Zukunft vorherzusagen versuchten), dürfte durch den gewählten Kamerawinkel jedwedes Schock-Potential im Keim erstickt werden.
Tatsächlich habe ich höchstens ein Segment kurz vor Zapfenstreich als eher deplatziert empfunden: Dann nämlich, wenn plötzlich fünf Minuten lang Spukhäuser, spiritistische Medien und Ouija-Bretter zur Kommunikation mit der Geistwelt in den Fokus rücken, die mit der eigentlichen Hexenthematik, meiner Ansicht nach, in keinem notwendigen Zusammenhang stehen. Ansonsten jedoch besitzt LEGEND OF THE WITCHES einen roten Faden, an dem sich die einzelnen Sequenzen durchaus gemäß einer inhärenten Logik aufreihen, er besitzt die notwendige Professionalität, um für meine Begriffe niemals in plakative Schauwerte abzugleiten, und, allem voran, er besitzt diese traumhaften Schwarzweißbilder, an denen ein britischer Gruselfilm verlorengegangen ist, der mir mit Sicherheit die eine oder andere schlaflose Nacht bereitet hätte. Es wäre wirklich entzückend, LEGEND OF THE WITCHES einmal gemeinsam mit seinem hysterischen, exzessiven, am Surrealismus kratzenden Geschwister HÄXAN (Benjamin Christensen, 1922) als Kinodoppelvorstellung bewundern zu können, denn diese beiden einander einerseits so ähnlichen und andererseits doch so unterschiedlichen Filme hätten sich gegenseitig bestimmt verdammt viel zu erzählen!
LEGEND OF THE WITCHES beginnt wie ein wahres Filmgedicht: Bilder menschenleerer englischer Landschaften; der Mond, wie er sich im stillen Wasser eines Bächleins spiegelt; die aufgehende Sonne, zeitlupenhaft sich über fernen Berggipfeln erhebend; dazu eine trockene, besonnenen Erzählerstimme, die davon berichtet, dass Diana, die Mondgöttin, sich mit dem Morgengrauen eingelassen und man gemeinsam einen Sohn gezeugt habe: Luzifer, den Sohn des Lichts. Erst nach Minuten entdecken wir die erste menschliche Gestalt in der vorzeitlichen Einöde: Einen nackten Mann, der am Ufer eines weiten Meers steht, und dem wir hinein in den Forst folgen, wo er Teil eines paganen Zeremonielles wird, der Initiation eines Jünglings namens Michael, dem sein Platz innerhalb des Wicca-Kults einnehmen soll. Detailliert berichtet der Erzähler, ohne seinen zurückhaltend-informativen Duktus fahrenzulassen, welche einzelnen Aufgaben und Stufen für den jungen Mann zu meistern sind bis er sich als vollwertiges Mitglied der naturverbundenen Gemeinschaft betrachten darf: Mit verbundenen Augen torkelt er einer Frau hinterher, die ihn, fortwährend seinen Namen rufend, mit den vier Elementen und den damit verbundenen Ängsten konfrontiert – der Furcht, zu ertrinken, indem sie ihn in ein Gewässer lockt; der Furcht, lebendig begraben zu werden, indem sie ihn in eine Felsspalte lotst; der Furcht, zu verbrennen, indem sie ihn dicht an ein prasselndes Lagerfeuer heranführt; die Furcht, sich bei einem Sturz das Genick zu brechen, indem sie ihn nötigt, einen kleinen Abgrund hinabzuspringen. Am Ende bestätigt die weibliche Hohepriesterin des Zirkels die Aufnahme Michaels, der, inzwischen am ganzen Körper gefesselt zum Zeichen dafür, dass er die Geheimnisse des Covens zu wahren gedenkt, von seinen neuen Brüdern und Schwestern begeistert in ihrer Mitte begrüßt wird. Schließlich tanzt man gemeinsam im Adams- bzw. Evakostüm ums Lagerfeuer. Obwohl all die Hexer und Hexen freilich wenig Textil am Leib tragen, könnte diese bald zwanzigminütige Eröffnungssequenz von etwaigen Exploitation-Strategien kaum weiter entfernt sein: Die Sprecherstimme aus dem Off verliert nie die objektive Distanz zum Gezeigten; das Gezeigte wird nie auf spekulative Details herabgebrochen, sondern stets mit beinahe ethnographischer Dezenz gefilmt; die Photographie wiederum ist – ich kann das gar nicht oft genug betonen – schlicht wunderschön. Nein, mit einem etwa zeitgleich entstandenen Schwarzmagie-Mondo wie beispielweise Luigi Scattinis auf Yellow-Press-Niveau rangierendem ANGELI BIANCHI… ANGELI NERI (1970) hat LEGEND OF THE WITCHES nun wirklich, abseits thematischer Überschneidungen, rein gar nichts gemein.
Dies beweisen auch die weiteren Episoden, in denen wir beispielweise dem Museum of Witchcraft and Magic in Cornwall einen Besuch abstatten – (zu sehen gibt es, unter anderem, Grabbeigaben einer als Zauberin hingerichteten Frau wie einen Kessel, einen Mörser, eine Pfanne, die tatsächlichen leiblichen Überreste der letzten verurteilten Hexe Englands sowie Voodoopüppchen voller Nadeln, mit denen die Kulte angeblich ihnen feindlich gesinnte Personen zu verfluchen trachteten) –, darüber instruiert werden, in welchem Ausmaß das expandierende Christentum sich heidnische Religionspraktiken aneignete und in seinen eigenen Mythenschatz integrierte –, (wozu auf pagane Symbole auf vermeintlich christlichen Wegsteinen hingewiesen oder eine katholische Messe auf direkt vorchristliche rituelle Bestandteile hin abgeklopft wird) –, oder einen historischen Exkurs in die Zeiten Wilhelm des Eroberers unternehmen, (und dabei en detail den berühmten Teppich von Bayeux studieren dürfen.) Zwischengeschnitten sind all diese vorurteilsfreien, tatsächlich dem dokumentarischen Anspruch gerecht werdenden Segmente mit Re-Enactments von Zeremonien, die Alexander Sanders, seinerzeit medienwirksamster Kopf der Wicca-Bewegung in Großbritannien mit Spitznamen „König der Hexen“, zusammen mit seiner Gattin und seinen Aposteln vor Leighs Kamera entfaltet, (und die ebenso nüchtern-realistisch gefilmt sind wie der ganze Rest, weshalb man auf pikante Details abseits von entblößten primären und sekundären Geschlechtsteilen gar nicht erst zu hoffen braucht.) Obwohl der Off-Kommentar niemals offen Stellung bezieht, lässt sich doch in seinem Subtext ein Werben um Verständnis für die seit jeher Verfolgten und Verfemten herauslesen –, (beispielweise, wenn in einer kurzen Episode auf die Folterqualen eingegangen wird, denen gerade Frauen durch kirchliche Autoritäten ausgesetzt gewesen sind, und diese als weitaus barbarischer bezeichnet werden als alles, was die mutmaßlichen Hexer und Hexen in ihren stillen Kämmerlein praktiziert haben dürften.) LEGEND OF THE WITCHES lehnt sich nie so weit aus dem Fenster, das Hexentum, (wie es z.B. der französische Historiker Jules Michelet in seiner auch heute noch absolut lesenswerten Studie "La Sorcière" von 1862 getan hat), als eine revolutionäre Reformbewegung zu modellieren, mittels derer sich die menschliche Natur gegen Unterdrückung und Autokratie aufgelehnt habe; andererseits lässt sich der Film aber auch nie dazu herab, den dargestellten Brauchtümern mit Arroganz oder gar Spott zu begegnen: Um zu zeigen, wie sehr auch der vermeintlich aufgeklärte Mensch des 20. Jahrhunderts noch Residuen archaischen Denkens in sich trägt, wird z.B. ein Kaleidoskop an abergläubischen Traditionen vor uns ausgebreitet, angefangen von der Angst vor dem dreizehnten Freitag bis hin zu Passanten, die es graut, unter einer Leiter durchzugehen. Selbst einer lidschlagkurzen Hahnenschlachtung, (mit der demonstriert werden soll, wie Hexen augurengleich aus den Tiereingeweiden die Zukunft vorherzusagen versuchten), dürfte durch den gewählten Kamerawinkel jedwedes Schock-Potential im Keim erstickt werden.
Tatsächlich habe ich höchstens ein Segment kurz vor Zapfenstreich als eher deplatziert empfunden: Dann nämlich, wenn plötzlich fünf Minuten lang Spukhäuser, spiritistische Medien und Ouija-Bretter zur Kommunikation mit der Geistwelt in den Fokus rücken, die mit der eigentlichen Hexenthematik, meiner Ansicht nach, in keinem notwendigen Zusammenhang stehen. Ansonsten jedoch besitzt LEGEND OF THE WITCHES einen roten Faden, an dem sich die einzelnen Sequenzen durchaus gemäß einer inhärenten Logik aufreihen, er besitzt die notwendige Professionalität, um für meine Begriffe niemals in plakative Schauwerte abzugleiten, und, allem voran, er besitzt diese traumhaften Schwarzweißbilder, an denen ein britischer Gruselfilm verlorengegangen ist, der mir mit Sicherheit die eine oder andere schlaflose Nacht bereitet hätte. Es wäre wirklich entzückend, LEGEND OF THE WITCHES einmal gemeinsam mit seinem hysterischen, exzessiven, am Surrealismus kratzenden Geschwister HÄXAN (Benjamin Christensen, 1922) als Kinodoppelvorstellung bewundern zu können, denn diese beiden einander einerseits so ähnlichen und andererseits doch so unterschiedlichen Filme hätten sich gegenseitig bestimmt verdammt viel zu erzählen!