
Die Studentin
„Er ist genau, was ich brauche: sympathisch, locker, nichts im Kopf!“
Der französische Regisseur Claude Pinoteau drehte mit Sophie Marceau einst die beiden „La Boum“-Filme und machte seine Hauptdarstellerin damit zum über Frankreichs Grenzen hinaus bekannten Kinder- bzw. Teenie-Star. Doch Sophie wurde erwachsen, reifte zu einer attraktiven jungen Frau und blieb dem Filmgeschäft glücklicherweise als Schauspielerin erhalten. Da lag es nahe, erneut mit ihr zusammenzuarbeiten. Die französisch-italienische Koproduktion „Die Studentin“, ein komödiantischer Liebesfilm, erschien im Jahre 1988 und zählt zwar nicht zur „La Boum“-Reihe, hätte aber mühelos als deren dritter Teil durchgehen können.
„Hin und wieder krieg‘ ich einen vollständigen Satz hin.“
Die Studentin Valentine (Sophie Marceau) steht kurz vor ihrer wichtigsten Prüfung, weshalb sie sich so gut wie möglich auf sie vorbereiten und konzentrieren möchte. Über One-Night-Stands hinausgehende Männergeschichten klammert sie daher kategorisch aus. Dennoch verfällt sie den Buhlereien des Jazzmusikers Ned (Vincent Lindon, „Der Panther“) und steigt mit ihm in die Federn. Eigentlich ist klar, dass das nichts für länger ist, denn Ned ist viel mit seiner Kapelle auf Tour. Dennoch fühlen die beiden sich derart zueinander hingezogen, dass Valentines Examen und Teds Musikerkarriere darunter zu leiden drohen. Wie das eben so ist, wenn man sich ineinander verliebt…
„Man darf die Augenblicke des Glücks nicht töten!“
Pinoteau eröffnet seinen Film mit einer in Point-of-View-Perspektive rasant gefilmten Longboard-Fahrt Neds in einem Ski-Gebiet, wenig später fährt die Kamera Valentines hübsches Gesicht ab. Teile ihrer Gedanken werden aus dem Off hörbar. Überaus anschaulich wird dargestellt, welche Probleme bei einem Rendezvous im Restaurant auftreten können, die dazu führen, dass man sich gar erst nicht in Ruhe unterhalten kann. Der Film arbeitet mit wohldosiertem Slapstick, Situationskomik, spritzigen Dialogen, mit romantischer Popmusik als Soundtrack und einigem Zeitkolorit – dass Ned beispielsweise einen CD-Player besitzt, ist hier noch keine Selbstverständlichkeit. Marceau bekommt viele süße Szenen, hat eine sinnliche Ausstrahlung und sieht toll aus. Sexploitative oder erotische Szenen aber bleiben ausgespart, wenngleich man Valentine kurz nackt aus dem Bett hüpfen sieht. Ein natürlicher Vorgang, der weder artifiziell erotisiert noch ausgeschlachtet wird. Ich erwähne dies auch vor dem Hintergrund, dass sie zwischen dem zweiten „La Boum“ und diesem Film bereits mit „Liebe und Gewalt“ und „Abstieg zur Hölle“ offenbar deutlich freizügigere (mir jedoch noch unbekannte) Filme gedreht hatte. Dieser hier hat aber eine FSK 6.
„Die Studentin“ jedenfalls widmet sich vielmehr den schwierigen Bedingungen, unter denen die Beziehung zwischen Valentine und Ned ihren Anfang nimmt. Obwohl als One-Night-Stand geplant, suchen beide in dieser wichtigen Phase ihres Lebens sofort wieder den Kontakt zueinander. Nicht alles mutet hier sonderlich realistisch an: So findet Valentine es großartig, dass Ned ihr nachstellt, sich sogar in den Unterricht schleicht. Die Phase, in der man den/die Partner(in) in spe erst einmal zappeln lässt, entfällt zudem komplett. Stattdessen beginnen die beiden, sich nach (ehemaligen) Liebschaften auszufragen. In der Uni ist Valentine müde, worunter ihre Prüfungsvorbereitung leidet. Folgerichtig verhaut sie Teile der Prüfung. Eigentlich ganz schlechte Voraussetzungen für eine Beziehung.
Dennoch telefonieren beide ständig und treffen sich miteinander. Wegen einer doppeldeutigen Bemerkung von Neds Ex-Freundin kommt’s zum Streit, in dessen Verlauf Valentine jedoch bald zur Selbstkritik übergeht (den mangelnden Realismus erwähnte ich ja bereits…). Dennoch entfacht diese Episode eine große Krise, die andauert, bis sie in ihrer Uni-Prüfung ein Stück Literatur behandelt, das exakt diesen Konflikt aufgreift, woraufhin sie etwas arg lang über Liebe monologisiert. Am Ende steht dann doch noch ein Happy End.
Dieses macht diesen ungewöhnlich verregneten Film letztlich zu einer nicht unsympathischen, leichtverdaulichen Angelegenheit, die als eine Art Plädoyer dafür verstanden werden kann, auch schwierige Kennenlernphasen durchzustehen und auf der Suche nach der Liebe seine eigene Komfortzone zu verlassen, und der man allein schon aufgrund der Strahlkraft Marceaus gern beiwohnt. Weshalb man es für eine gute Idee hielt, Neds Band in Tierkostümen auftreten zu lassen, würde mich aber schon noch interessieren…