bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

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Sindbads gefährliche Abenteuer
Sindbad, der Seefahrer, erbeutet von einem geflügelten Homunkulus ein goldenes Ornament, das eine Karte zeigt, an der der Zauberer Koura sehr interessiert ist. Kurz darauf lernt Sindbad den verstümmelten Großwesir kennen, der ein weiteres Teil des Ornaments besitzt. Während sich der Wesir Heilung von seinen Wunden verspricht, will Koura die anderen Gaben, die man erhält, wenn man alle drei Teile in einem Brunnen am Ende der Welt versenkt,: Jugend, Unsichtbarkeit und eine Krone von unerschöpflichem Wert. Sindbad und seine Leute machen sich auf den Weg, um Koura zuvor-zukommen, doch der läßt keine Gelegenheit ungenutzt, um Monster und Bestien auf die wackeren Seefahrer zu hetzen...
Satte eineinhalb Jahrzehnte nach „Sindbads 7. Reise“ drehte Regisseur Gordon Hessler („Die Galgenvögel“) in Zusammenarbeit mit Spezialeffekt-Guru Ray Harryhausen die 1973 veröffentlichte Fortsetzung der Fantasy-Abenteuer-Trilogie, „Sindbads gefährliche Abenteuer“, in britisch-US-amerikanischer Produktion und mit neuer Besetzung. Seefahrer Sindbad (John Phillip Law, „Barbarella“, „Tarzan – Herr des Urwalds“, „Space Mutiny“) nimmt ein güldenes Ornament an sich, das eine seltsame geflügelte Kreatur über seinem Schiff fallen ließ. Zwar rät ihm seine ängstliche Besatzung davon ab, doch der abenteuerlustige Sindbad macht sich auf, das Geheimnis des Ornaments zu erkunden, das sich als Drittel einer Karte entpuppt, die den Weg zum geheimnisvollen Brunnen des Schicksals zeigt. Dieser hält neben Jugend auch Unsichtbarkeit und eine Krone von unermesslichem Wert für denjenigen bereit, der das zusammengesetzte Ornament in ihn hineinwirft. Zusammen mit dem entstellten Großwesir (Douglas Wilmer, „Octopussy“), der das zweite Drittel des Ornaments besitzt und sein Gesicht unter einer Maske verbirgt, macht sich Sindbad auf die Reise zum Tempel der Göttin Kali, wo das letzte Drittel liegt, während er und seine Gefolgsleute sich gegen den finsteren Magier Koura (Tom Baker, „In der Schlinge des Teufels“) verteidigen müssen, der ursprünglich im Besitz von Sindbads Drittel war und ebenfalls an den verlockenden Kostbarkeiten interessiert ist. Dieser war es auch, der dem Großwesir seinerzeit das Gesicht verbrannte…

„Sindbads gefährliche Reise“ ist ein klassisches Fantasy-Abenteuer, das bereits zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung leicht nostalgisch gewirkt haben dürfte. Anstelle eines ausschweifendes Epos oder später so populär werdender Barbaren-Action erzählt Hessler relativ kurzweilig ein Märchen aus tausendundeiner Nacht, das wohlige Unterhaltung für die ganze Familie verspricht, dabei aber angenehm kitschfrei, wenn auch bisweilen auf charmante, liebenswerte Weise naiv ausfiel. Mit seinen Kostümierungen und Dialogen versprüht der Film arabisches Flair und während die Jüngeren sich am bunten Ambiente und Treiben erfreuen, werden reifere Zuschauer von sexy Caroline Munro („Love To Kill“, „Star Crash – Sterne im Duell“) in extravaganten, wenig verhüllenden Gewändern verwöhnt, die hier süß wie nie ist. Diese bekommt zwar grundsätzlich nicht viel mehr zu tun, als gut auszusehen, macht sich an der Seite John Phillip Laws, der sie einem Menschenhändler abkauft und damit aus der Sklaverei befreit, aber ausgezeichnet. Laws Sindbad ist passabel, seine Actionchoreographien wie Schwertkämpfe etc. beherrscht er gut. Bester Schauspieler ist aber Tom Baker als böser Magier, der seine Rolle so inbrünstig und überzeugend spielt, dass man sich dann und wann beinahe dabei ertappt, ihn ein wenig zu bemitleiden.

Wirklicher Star und das Interessanteste des Films sind aber selbstverständlich Harryhausens Kreaturen, die aufwändig per Stop-Motion-Technologie animiert wurden: Eine Gallionsfigur und eine mehrarmige Steinstatue erwachen zum Leben und liefern sich aufregende Kämpfe, die dem Magier unterstellten Geschöpfe sind niedlich und bösartig zugleich und ein Zentaur kämpft mit einem Greif. Harryhausens Publikum bekommt einmal mehr ein zünftiges Kreaturenspektakel geboten, dessen liebevolle Animation noch immer zu begeistern vermag und gegenüber kalten, leblosen CGI nach wie vor die Nase vorn hat. Bemerkenswert fiel auch der Schwertkampf gegen den unsichtbaren Koura aus, tricktechnisch ließ man sich nicht lumpen. Die zum Teil gemalten Kulissen fallen dagegen leider etwas ab und letztlich bleibt „Sindbads gefährliche Abenteuer“ familienfreundliche, oberflächliche Gut-gegen-Böse-Kost, jedoch der unterhaltsamen, sympathischen Sorte, der man ansieht, dass eine Menge Herzblut insbesondere in Harryhausens Arbeit steckt. Diesen klassischen Sonntagnachmittagsfilm kürzlich auf großer Leinwand im Kino sehen zu dürfen, war jedenfalls ein durchaus beeindruckendes Erlebnis – auch ohne den Film vorher bereits gekannt und deshalb möglicherweise nostalgisch verklärt erlebt zu haben. Danke dafür ans Hamburger „Monster machen mobil“-Team!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Die letzten Ferien
Das Ehepaar Rehberg macht zusammen mit seiner Tochter Beate (Jutta Speidel) Urlaub. Beate wird in wenigen Tagen volljährig und hat ab dann Zugriff auf das Erbe ihres verstorbenen leiblichen Vaters. Während einer Bootsfahrt entgeht Beate nur knapp einem Mordanschlag, den sie zunächst jedoch als Unglück erkennen möchte. Mit einigen Schwierigkeiten kommt sie wieder beim Ferienbungalow der Familie an und findet dort am Tisch zusammen mit den Eltern sitzend eine ihr sehr ähnlich aussehende junge, blonde Frau vor, die zudem ihre Sachen trägt. Langsam dämmert Beate, dass es wohl doch kein Unfall war ...
Ein weiterer vom deutschen Autorenfilmer Rainer Erler („Die Delegation“, „Operation Ganymed“, „Der Spot oder Fast eine Karriere“) gedrehter und fürs ZDF produzierter Spielfilm ist „Die letzten Ferien“ aus dem Jahre 1975. Familie Rehberg macht Urlaub in Lanzarote. Tochter Beate (Jutta Speidel, „Fleisch“) wird in ein paar Tagen volljährig und soll in Las Palmas das Erbe ihres leiblichen Vaters antreten. Die kleine Familie mit Mutter und Stiefvater jedoch ist zerrüttet und ein Techtelmechtel mit Urlaubsflirt Miguel (Dieter Laser, „The Human Centipede (First Sequence)“) endet beinahe tödlich für Beate. Todgeglaubt ist sie einem Mordkomplott auf der Spur...

„Die letzten Ferien“ ist, wenn man so will, eine Art Anti-Urlaubs-Thriller. Ferien und Urlaube sind häufig Ausgangspunkte für einschneidende Veränderungen im Leben. Familienkrach, Trennungen vom Partner, schicksalhafte Begegnungen oder gar Gefahr für Leib und Leben kann solch eine Reise statt schnöder Erholung mit sich bringen, so dass Erlers Wahl der Kanaren für seinen Thriller, auf denen er Beates Urlaub zur Hölle werden lässt, ihr aber auch zu wertvollen Erkenntnissen verhilft, ebenso naheliegend wie kontrastreich ist. Ein Familienzank direkt nach Ankunft zeigt sodann auch gleich die Fronten auf, um bald darauf Beate am malerischen Strand erst Sex haben und anschließend um ihr Leben kämpfen zu lassen. Als weiteren Kontrast führt Erler eine Aussteigerkommune ein, die in Höhlen am Strand lebt und als Lebensphilosophie das Anhäufen von Besitztümern ablehnt – im krassen Gegensatz zu Beates Mutter und ihrem Stiefvater, die sie umbringen lassen wollen, um eine engagierte Doppelgängerin das Erbe antreten zu lassen und es selbst einzustreichen.

Dabei werden die hilfsbereiten Hippies möglicherweise etwas naiv idealisiert, glücklicherweise konzentriert sich Erler jedoch weniger auf ein unreflektiertes Überbetonen eines vermeintlich besseren Lebensentwurfs als vielmehr auf Beate, die kurz vor ihrem 18. Geburtstag sehr viel lernt und sich zwischen beiden Polen nicht nur behaupten, sondern auch ihren eigenen Platz zwischen zwei extremen Weltanschauungen finden muss. Jutta Speidel verkörpert die hübsche, selbstbewusst-freche Beate dabei recht überzeugend und lässt den Zuschauer an ihrer Entwicklung teilhaben, der eine dramaturgisch spannende, jedoch bisweilen arg konstruierte Handlung verfolgt. So ist die Idee mit der Doppelgängerin doch ziemlich dick aufgetragen und gleichzeitig eher plump. Auf der anderen Seite gelingt es Erler aber, die leichte bzw. latente, in vielen Menschen verwurzelte Angst vor der Fremde mit anderen Sitten, Gesetzen und Moralvorstellungen und vor dem schutzlos Ausgeliefertsein fern der Heimat, ohne behördlichen Schutz von „Vater Staat“, zu bedienen und mit seinem Film ein wenig zu kitzeln. Sehenswert bis kurios ist auch Dieter Laser als Miguel, der tatsächlich wie ein echter Südländer auf den Zuschauer wirkt und mich äußerlich ein bisschen an Costa Cordalis erinnert. Wenn der jedoch gegen Ende noch Unmengen Zeit für Dia- bzw. Monologe bekommt, die beinahe an einen Rechtfertigungsgeplapper-Wasserfall erinnern und vermutlich Verständnis für seine Situation wecken sollen, wird es mir wieder zuviel des Guten.

Unterm Strich möchte ich „Die letzten Ferien“ als für Erler’sche Verhältnisse höchstens abstrakt gesellschaftskritischen Film bezeichnen, der in erster Linie etwas leichterer Thrillerkost zu Unterhaltungszwecken verpflichtet ist und Drehbuchschwächen durch annehmbares bis gutes Schauspiel und einen recht straffen Spannungsbogen weitestgehend wettmacht, seine kecke, attraktive Hauptdarstellerin gut in Szene setzt und mit seiner Botschaft, dass salziges Meerwasser eben manchmal doch dicker als Blut ist und nicht jeder nette Fremde Gigolo dein Freund ist, dem bundesdeutschen Pauschaltouristen einen Fingerzeig abseits von Heiler-Welt-Familienidylle mit auf den Weg gibt und hinsichtlich des hippieesken Konzepts des materiellen Verzichts zumindest zum Nachdenken anregt. Damals. Vielleicht.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Star Crash – Sterne im Duell
Der böse Count Zarth Arn (Joe Spinell) will die Macht über das Universum an sich reißen. Um dies zu verhindern entsendet der Emperor (Christopher Plummer) ein Aufklärungsschiff. Aber nachdem das Schiff einem Teilkräftefeld ausgesetzt wurde, gilt die Besatzung, unter ihnen auch der Sohn des Emperors, Simon (David Hasselhoff), als verschollen. Die einzige Hoffnung des Emperors und des gesamten Weltalls ruht nun auf den Schultern der beiden Schmuggler Acton (Marjoe Gortner )und Stella Star (Caroline Munro) und dem ihnen zur Seite gestellten Polizeiroboter Elle (Judd Hamilton). Doch bevor es zum finalen Kampf Gut gegen Böse kommen kann haben die Helden noch einige Abenteuer zu bestehen.
Als Italo-Regisseur Luigi Cozzi („Astaron – Die Brut des Schreckens“) 1978 – ein Jahr, nachdem die Weltraum-Seifenoper „Star Wars“ Rekorde brach – vor Schreck eine Espresso-Überdosis erlitt, der er mit LSD-Konsum entgegenzuwirken versuchte, entstand mit „Star Trash“, pardon, „Star Crash – Sterne im Duell“, ein tolldreister Plagiatsversuch à la Italiano in US-amerikanisch-italienischer Koproduktion.

Die Zukunft oder so, irgendwo in den unendlichen Weiten des Alls in einer fernen Galaxie: Count Zarth Arn (Joe Spinell, „Maniac“) ist böse, der Emperor (Christopher Plummer, „Dolores“, „Insider“) und sein Sohn Simon (David Hasselhoff, „Knight Rider“, „Baywatch“) sind gut, Stella Star (Caroline Munro, „Maniac“) und Akton (Marjoe Gortner, „Erdbeben“) sind intergalaktische Schmuggler, aber eigentlich auch gut und helfen dem Emperor dabei, Zarth Arn das Handwerk zu legen. So oder so ähnlich die Geschichte, die der Handlung zugrunde liegt, die aber eigentlich auch völlig nebensächlich ist.

Denn dank zahlreicher Wendungen und immer neuer Einfälle eines fragmentarisch und zusammengepuzzelt wirkenden Drehbuchs kommt schon bald eh niemand mehr mit und einen höheren Zweck als eine Alibi-Funktion erfüllt die Geschichte ohnehin nicht. Sie hält lose zusammen, was Cozzi und sein Team aus anderen Science-Fiction-Filmen, vorrangig offensichtlich „Star Wars“, zusammengeklaut und dilettantisch plagiiert haben. Daraus entstand aber die wahnwitzigste Weltraumfarce, die ich jemals gesehen habe! Hier folgt eine absurde Idee auf die nächste, ähnlich einem hyperaktiven Kind, werden ausgiebig mehrere Jahrzehnte Science-Fiction-Kino fast wie in einer selbstironischen Fan-Hommage zelebriert und alles in kunterbunte Farben getaucht – „Star Crash“ ist keine Space-Opera, „Star Crash“ ist eine Space-Disco! Sterne funkeln in den schönsten Farben, die herrlichen Raumschiffskonstruktionen schimmern auch schon mal im Regenbogenspektrum, die Kulissen wechseln übergangslos nicht nur von Weltall zu Raumschiff-Innenansichten, sondern auch zu Wäldern, Wüsten, Stränden, Höhlen ..., und die Darstellerriege wirkt äußerlich, als trete sie bereits Ende der 70er für die gleichgeschlechtliche Liebe ein. Plankton, pardon, Akton und „The Hoff“ haben offensichtlich denselben Friseur, wobei Gortner als irgendwie alleskönnender, aber immer erst damit herausrückender, wenn es fast zu spät ist, Akton unter seiner blondwuchernden Lockenpracht so herrlich dumm aus der Wäsche guckt, dass man ihm spontan ein paar Ohrfeigen verabreichen möchte, während man bei Hasselhoff übermäßig vom Schminktopf gebrauch machte. Das wiederum ist aber noch harmlos gegen Spinell als möchtegernfinsterer Zarth Arn, der in seinem extravaganten Fummel und ebenfalls unter spacigem Schminkeinfluss fast aus der „Rocky Horror Picture Show“ entsprungen sein könnte. David Hasselhoff kommt in einer seiner ersten Rollen erst relativ spät zum Einsatz, nämlich als er Stella Star aus den Fängen primitiver Urzeitmenschen befreien muss, bekam aber einige denkwürdige Szenen auf den Leib geschneidert. Unvergessen beispielsweise, wie er Stella auffordert, dicht hinter ihm zu bleiben, während er sie gleichzeitig in einer gefährlichen Situation vorschiebt. Ja, so lieben wir unseren Schaumschläger.

Auch wenn Christopher Plummer als weiser Emperor mit von der Sause ist, bleibt er doch vollkommen emotionslos und blass, ja, wirkt beinahe konsterniert, als würde ihm bewusst, worauf er sich da eigentlich eingelassen hat. Star des Films ist jemand vollkommen anderer, nämlich Caroline Munro als Stella Star! In den heißesten Fummeln kämpft sich das ehemalige Bond-Girl durch diverse Galaxien, verdreht dem Publikum den Kopf und offenbart dabei trotz sicherlich eher eingeschränktem schauspielerischen Talent solch eine wahnsinnige Spielfreude, dass man sie dafür knuddeln möchte! Egal, ob sie gerade ein Raumschiff steuert, Zwangsarbeit verrichtet, gegen nicht minder knapp bekleidete Amazonen kämpft oder zum Eisklotz gefriert, Caroline macht und hat stets eine Top-Figur und rettet selbst den verzweifeltsten, dem Nervenzusammenbruch oder epileptischem Anfall nahen Sci-Fi-Nerd der sich für seriös haltenden Sorte als Augenschmaus über die komplette Distanz, ist die fleischgewordene Belohnung für den Mut, den „Sternen im Duell“ beizuwohnen.

Während die Munro also zu jedem Zeitpunkt motiviert bis in die Haarspitzen scheint, pendelt die übrige Besetzung doch stark zwischen den Polen Under- und Overacting. Akton z.B. ist mal ein fideler Springinsfeld, doch schon in der nächsten Einstellung kann es wirken, als würde er bald einschlafen. Bei den mächtigen Herren Zarth Arn und Emperor wiederum wurde das Adrenalin so ungerecht verteilt, dass Spinell an Theatralik wenig zu wünschen übrig lässt, man Plummer aber offensichtlich unter Valium setzen musste, um ihn zur Teilnahme zu überreden. Noch offensichtlicher allerdings sind die Timing-Probleme des Films. So kommt es, dass mal Hektik grassiert und die Szenerie hoffnungslos überfrachtet wirkt, nur um seine Schützlinge ein paar Einstellungen später entspannt im Schneckentempo agieren zu lassen, als ginge es um etwas wesentlich Unwichtigeres als die Rettung des Alls. Zudem wurden viele Weltall-Sequenzen, in denen die „prächtigen“ Modellbauten zum Einsatz kommen sowie actionreiche Kampfszenen unheimlich in die Länge gezogen, indem dieselben Einstellungen immer und immer wieder hintereinander abgespult werden. Aber irgendwie muss der Streifen schließlich auf seine Länge kommen.

So ist es eigentlich auch müßig zu erwähnen, dass das Science-Fiction-Technik-Gequatsche ebenso sinnlos, naiv und hanebüchen klingt wie sämtliche Regeln der Physik und welche Naturwissenschaften sonst noch für eine Geschichte wie diese von Belang wären, geflissentlich ignoriert und als unnötiger Ballast über Bord geworfen werden. Der obligatorische quasselnde Roboter ist übrigens schlicht ein Mensch im Roboterkostüm, der sich wie vieles verhält, nur nie wie ein Roboter. Nein, Sinn ergibt das alles hinten und vorne nicht, was ob des immensen Unterhaltungsfaktors aber auch vollkommen überflüssig erscheint. Zuviel Sorgfalt in dieser Hinsicht hätte den Trashgrad nur unnötig gefährdet, ebenso wie ein höheres Budget, dem die grandiose Improvisationskunst, was die gesamte Ausstattung betrifft, zum Opfer gefallen wäre. So muss eine Lavalampe in Nahaufnahme als hochgefährliche Waffe herhalten, werden einfache Stöcke zu prähistorischen Laserspeeren oder ähnlichem Unfug und wird generell die Phantasie des Zuschauers angeregt, der fast wie bei Ed Wood mit „symbolischen Effekten“ umzugehen versuchen muss. Bei allem Dilettantismus, allen Fehlern, aller Unlogik und allem Ideenklau sind es aber Cozzis (vermutlich) eigene Einfälle, die jeden Vogel respektive Raumgleiter abschießen. Stellvertretend für all den Irrsinn möchte ich nur die „bemannten Torpedos“ erwähnen, die durch die Fenster der handförmigen Raumstation Zarth Arns schießen, aus denen dann wackere Soldaten steigen, die sich von Angesicht zu Angesicht verlustreiche Gefechte mit den „Legionen“ des Counts liefern. Wer nicht spätestens an dieser Stelle sein Hirn gegen die Wand schmeißt, hat nie eines besessen.

Es gilt schlicht: Hirn ausschalten und sich ungläubig die Äuglein reiben, während Cozzi, Munro und Co. zum Tanz in der intergalaktischen Laser-Lightshow-Disco laden, zu dem sich kein Trashologe lange bitten lassen wird. „Star Crash“ spielt in der obersten Trash-Liga, unterhaltsamer kann „Star Wars“ da gar nicht sein, den ich übrigens bis heute noch nicht gesehen habe. Wie in den 80ern beispielsweise „Paco – Kampfmaschine des Todes“ eine wunderbare unfreiwillige Parodie auf „Terminator“ und Co. war, ist „Star Crash“ vermutlich selbiges auf „Star Wars“, wenngleich mit einem noch höherem Brüllfaktor versehen. Schade, dass anscheinend die deutsche DVD nichts taugt, denn so billig der Film auch ist, auf seine spezielle Weise ist er ein opulentes visuelles Erlebnis, dem man sich im Idealfall inklusive der sich dem allgemeinen Niveau anpassenden deutschen Synchronisation (die Akton auch schon mal zum Bauchredner macht – obwohl, der kann ja ohnehin so gut wie alles...) auf großer Kinoleinwand hingibt – wie ich es erst kürzlich im Rahmen einer Wiederaufführung im vollbesetzten Kinosaal durfte, der sich in die reinste Party verwandelte.

Wie bewertet man nun eine solche Sause? Ich versuche es wie folgt:

Unterhaltungsfaktor: 10/10
Um cineastische Objektivität bemüht: 3/10
Ergibt zusammengezählt und durch 2 geteilt 6,5 Punkte, die mathematisch korrekt auf 7/10 aufgerundet werden.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Am nächsten Tag durfte ich bei "Monster machen mobil 3" der "Folterkammer des Hexenjägers" beiwohnen, von 35 mm in Cinemascope. Hier noch einmal mein älterer Kommentar:

Nachdem Roger Corman mit seinem Episoden-Film „Tales Of Terror“ und der Fantasy-Komödie „Der Rabe – Duell der Zauberer“ eher ungewöhnliche Wege innerhalb seines Edgar-Allan-Poe-Zyklus einschlug, wagte er sich an H.P. Lovecrafts „The Case Of Charles Dexter Ward“ heran und kehrte zurück zum ernsthaften Gruselkino. Die Produktionsfirma allerdings forderte einen weitere Poe-Verfilmung, so dass der Film um ein paar Poe-Zitate erweitert wurde und den Titel „The Haunted Palace“ bekam. Und als wäre das nicht schon irreführend genug, setzte man in der BRD noch einen drauf und suggerierte „Folter“ und „Hexenjäger“, womit der Film nun wirklich nicht viel zu tun hat. Corman konnte erneut auf Stammschauspieler Vincent Price zurückgreifen und schuf mit seinem bewährten Team einen grandiosen Gothic-Horror-Film, der für mich zu den besten der Reihe gehört. Die Ernsthaftigkeit, erreicht durch eine perfekte Atmosphäre, stimmige Kulissen, tadellose Filmmusik und allen voran einen brillierenden Vincent Price in seiner Doppelrolle als besessener Mr. Curwen, wird konsequent und kompromisslos angewandt. Die düstere Farbgebung, Masken von missgebildeten Dorfbewohnern und Spezialeffekte wie eine schreckenerregende Kreatur im Kellergewölbe des Schlosses sowie das Lovecraft-typische Geheimnis um das „Necronomicon“ machen „The Haunted Palace“ für mich zu einem Höhepunkt des klassischen Horror-Kinos der 1960er Jahre, der keine Langeweile aufkommen lässt. Wenn man so will ein absoluter gekonnter Lovecraft-Corman-Poe-Crossover.
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Draculas Tochter und Professor Satanas

Um einen Fischmenschen zu züchten, verstümmelt der irre Wissenschaftler Professor Satanas am Strand von Acapulco in seinem Schiff „Reptilicus“ unbedarfte Wrestler, die er mit einem Goldfisch zu kreuzen gedenkt. Doch Batwoman (in der deutschen Synchronisation „Draculas Tochter“!?) hat etwas dagegen und versucht, ihm das grausame Handwerk zu legen.

„Draculas Tochter und Professor Satanas“ ist ein ultrararer, aber reinrassiger mexikanischer Trashfilm von Regisseur René Cardona („Rock 'N Roll Wrestling Women vs. the Aztec Mummy“, nicht zu verwechseln mit René Cardona Jr.) aus dem Jahre 1968, der auf der US-amerikanischen Batman-Erfolgswelle mitzuschwimmen versuchte. Die Italienerin Maura Monti („Alien Invaders“) spielt die Hauptrolle, die ein mehr oder weniger geheimes Doppelleben führt. Mit Fledermausmaske und in knappem Bikini (!) geht sie auf Verbrecher- bzw. „Mad Scientist“-Jagd. Cardonas Film präsentiert sich als vergnügte, sich selbst kaum ernstnehmende, dilettantische Agenten-/Science-Fiction-Mixtur mit Sex-Appeal. Der ganze Zirkus um Professor Satanas, der doch tatsächlich eine Ken-Puppe zu seinem Goldfisch ins Aquarium wirft und selbiges in einen Whirlpool verwandelt, um seine Kreatur zu erschaffen, ist lediglich Aufhänger dafür, sexy Señora Monti halbnackt durch die Kulissen zu jagen und die Blicke des Publikums auf sich zu ziehen, die sämtliche Darsteller um sie herum vergessen lassen. Die Westler-Thematik ist dabei natürlich typisch mexikanisch, ist der Volkssport um seine maskierten Ringer doch Stolz und Nationalheiligtum des Landes.

Tatsächlich gelingt es Herrn Satanas irgendwann, seine Kreatur zu erzeugen, die sich als nichts anderes als ein Kerl in einem schlecht sitzenden Gummianzug entpuppt und wahrlich nicht geeignet ist, Angst und Schrecken zu verbreiten. Doch mit Geschick, Durchsetzungsvermögen und ein paar bond’schen Agententricks gelingt es Batwoman, Satanas Weltherrschaftspläne (?!) zu durchkreuzen, selbst sein Untergebener Igor (wie soll der auch sonst heißen?) kann ihm nicht mehr helfen. Der Weg dahin ist gezeichnet von einer recht unterhaltsamen, hanebüchenen Trash-Parade inkl. einigen Kloppereien und mitunter wirklich schönen und beeindruckenden Unterwasseraufnahmen. Der Film ist hübsch bunt und verbreitet gute Laune – Trashologen-Herz, was willst du mehr? Ok, vielleicht die eine oder andere krude Szene, die über eine schlechte Kostümschau hinausgeht und sich an so etwas wie Spezialeffekten versucht. Das höchste der Gefühle ist diesbzgl. eine Säureattacke auf den Professor, nach mehr muss man hier vergebens suchen (nach Meer hingegen nicht), im Prinzip könnte der Film problemlos ab 6 Jahren freigegeben werden. Den Kurzen würde sich der Sinn dieses Kuriosums aber vermutlich nicht ganz erschließen und der – da beißt die süße Maus keine Angelschnur ab – besteht nun mal einzig darin, Freundes des fledermausartigen Comichelden eine größtenteils unverhüllte, weibliche Variante zu kredenzen. Mit einem direkten Plagiat der alten komödiantischen Batman-Serie hat man es übrigens nicht zu tun, damit verglichen ist – ich wage es kaum zu schreiben – Cardonas Film weniger albern. Na ja, zumindest vordergründig.

Der beschwingte Soundtrack unterstreicht die locker-flockige Urlaubsstimmung und wer bei diesem kurzweiligen, nicht unsympathischen Trashvergnügen keine gute Zeit hat, sollte sich die Ken-Puppe aus dem Hintern ziehen oder leidet unter der seltenen Phobie vor knackigen Mädels in Fledermausmasken. Wer das Glück hat, die Möglichkeit zu bekommen, einer der seltenen Wiederaufführungen der deutschen Kinofassung beizuwohnen, sollte es mir gleichtun und sie wahrnehmen.

Unterhaltungsfaktor: 7/10
Um cineastische Objektivität bemüht: 2/10
Ergibt zusammengezählt und durch 2 geteilt 4,5 Punkte, die mathematisch korrekt auf 5/10 aufgerundet werden.
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Plutonium
Im Stil einer fiktiven Dokumentation erzählt der Film wie in einem korrupten südamerikanischem Land Plutonium aus einem Kernkraftwerk verschwindet. Eine Reporterin deckt auf, das nicht Terroristen das Plutonium entwendet haben, sondern die Regierung selbst es war, um in den Besitz von Kernwaffen zu gelangen.
Achtung: Enthält Spoiler!

Mit „Plutonium“ beglückte der prophetische Autorenfilmer Rainer Erler („Fleisch“, „Operation Ganymed“, „Der Spot oder Fast eine Karriere“) nach „Die Delegation“ das deutsche Fernsehpublikum im Jahre 1978 mit einem weiteren Spielfilm im Reportagestil, einer sog. Mockumentary. In einer südamerikanischen Militärdiktatur wird der deutsche Ingenieur Manfred Hartung (Werner Rundshagen) entführt. Reporterin Anna Ferroli (Charlotte Kerr, „Fleisch“) berichtete über den Fall und stieß zunächst auf viele Eigenartigkeiten, um später einer Verschwörung auf die Spur zu kommen, die mit dem Verschwinden von einigen Kilogramm Plutonium in Verbindung steht. Moderator Bob Cunningham (spielt sich selbst) präsentiert und kommentiert Ferrolis Aufnahmen im Rahmen einer TV-Dokumentation. Anna Ferroli ist dazu nicht mehr persönlich in der Lage.

Größtenteils in Brasilien gedreht, tat Erler gut daran, den Namen des Landes nicht zu nennen. Die Vermischung mit Bildern aus Argentinien und Chile trägt ihr Übriges dazu bei, dass sein Film nicht als für ein bestimmtes Land spezifisch, sondern staatenübergreifend aufgefasst wird, zumal damals in allen drei Nationen Militärdiktaturen ihr Unwesen trieben. Spannend erzählt und konsequent grimmig, dabei stets seinem realistischen Stil treu, weist Erler auf die Gefahren der Nukleartechnologie nicht nur in Bezug auf Atomkraftwerke hin, sondern vor allem auch, welches verheerende Potential sie in den Händen eines skrupellosen Regimes birgt. Er zeigt den manipulativen, instrumentalisierten Umgang mit Begriffen wie „Terrorismus“ und wie die Öffentlichkeit dreist belogen und in die Irre geleitet wird, um im Hintergrund ungestört die Strippen zu ziehen. Parallelen zu tatsächlichen Fällen aufgebauschter Terrorismus-Paranoia, die ein ganz anderes Ziel als den Schutz der Bevölkerung verfolgen, drängen sich geradezu auf.

Ferroli stellt unbequeme Fragen und kommt schließlich einem Komplott von Regierungsseite auf die Schliche, für das das ausführende Fußvolk auch ohne Weiteres als Bauernopfer herhalten muss, wie die dramatische Entwicklung zeigt. Dafür greift Erler auf Actionszenen zurück, die ohne sich jemals dem Verdacht des Selbstzwecks auszusetzen den von ihm gewohnten Pessimismus unterstreichen. Es wird scharf geschossen, bis selbst die toughe Journalistin dem nichts mehr entgegenzusetzen hat und ihren Einsatz mit dem Leben bezahlt.

In einer u.a. mit Talkshow-Auftritten Ferrolis und einem romantischen Techtelmechtel durchaus niveauvoll ausgeschmückten, nicht unkomplexen Handlung fordert Erler einen gewissen Grad an Konzentrationsfähigkeit vom Publikum ein, erklärt ihm aber auf intelligente und letztlich für Jedermann verständliche Weise die Zusammenhänge, wie sie in abstrakterer Form auch in der Realität ähnlich immer mal wieder Bestandteil von Nachrichtensendungen sind. Auf einen pädagogischen, belehrenden Zeigefinger verzichtet er dabei ganz bewusst und verarbeitet seine Aussage in einem überaus gelungenen, inspirierenden Polit-Thriller mit hohem Unterhaltungsfaktor, der seinen Reportagestil mit viel Gehalt füllt.

Charlotte Kerr spielt ihre Rolle glaubwürdig, die ihrem Naturell offensichtlich wesentlich mehr Entfaltungsraum bietet als ein Jahr später in „Fleisch“, wo sie in einer etwas eigenartig angelegten Funktion eher blass blieb. Wolf Roth („Fleisch“) als vermeintlicher Terrorist/Revolutionär Porfirio Perez agiert zurückhaltend genug, um sich eine undurchsichtige Aura anzueignen, aber dennoch so charakteristisch, dass die Finte anfänglich auch für den Zuschauer aufgeht. Generell gibt es eigentlich keine Ausreißer aus dem angepeilten und umgesetzten realistischen Stil zu verzeichnen, das Konzept gerät nie ins Wanken. Ich ziehe abermals meinen Hut vor Erlers Arbeit und zeige mich beeindruckt von einem seinem Bildungsauftrag unaufdringlich gerecht werdenden öffentlich-rechtlichen TV-Projekt von einmal mehr internationalem Format, das der allgemeinen Verblödung und Verschleierung effektiv entgegenwirkt, ohne dabei das Sujet eines unterhaltsamen Films zu verlassen und sein Publikum zu über- oder unterfordern. Die Thematik hat an Aktualität kaum eingebüßt; ein Grund mehr, sich wieder mit Erlers Werk auseinanderzusetzen.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Hardcover
Virginia liest begeistert den Horrorroman "I, Madman". Je weiter sie schmökert, desto mehr scheint sich die Geschichte mit der Realität zu vermischen. Als ein Fremder, die Hauptfigur des Romans plötzlich auftaucht und vor ihren Augen einen brutalen Mord begeht, meldet Virginia es der Polizei. Da sie zu Protokoll gibt, dass der Mörder aus dem Roman entsprungen sei, hält man sie dort für komplett geistesgestört. Gemeinsam mit ihren Freund geht Virginia der Sache auf den Grund...
Der gebürtige Ungar Tibor Takács („The Gate – Die Unterirdischen“) führte Regie bei diesem spätachtziger Horror-Genrebeitrag, das Drehbuch stammt von David Chaskin, der seinerzeit auch das Script zur meines Erachtens unterschätzten und mit einem interessanten Ansatz versehenen ersten „Nightmare on Elm Street“-Verfilmung verfasste. Diese Zusammenarbeit erwies sich als äußerst fruchtbar, denn herausgekommen ist ein zu Unrecht eher unpopulärer Film (nicht nur) für Genreliebhaber.

Schauspielschülerin Virginia (Jenny Wright, „St. Elmo’s Fire“, „Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis“) jobbt in einem Buchantiquariat und vertreibt sich die Zeit mit Gruselschundliteratur. Dabei stößt sie auf das Werk eines gewissen Malcolm Brand, das sie begeistert verschlingt. Eines Tages liegt dessen jüngste Veröffentlichung, „I, Madman“, auf ihrer Türschwelle, die vom durchgeknallten Dr. Kessler handelt, der sich in eine Schauspielerin verliebt hat, jedoch aufgrund seines Äußeren von ihr zurückgewiesen wird. Verzweifelt verstümmelt er sich daraufhin selbst. Doch während Virginia immer tiefer in Brands düstere Welt eintaucht, scheint Dr. Kessler plötzlich bittere Realität zu werden – ist er dabei, sich in Virginias Umfeld die amputierten Körperteile wieder zu beschaffen, indem er sie attraktiveren Zeitgenossen absäbelt? Niemand will Virginias abstruser Theorie Glauben schenken...

„Hardcover“ ist grundsätzlich ein Horrorfilm der düster-atmosphärischen Sorte, der jedoch gleichzeitig von einer feinen Selbstironie durchzogen ist und fleißig Genrestandards zitiert, dabei überwiegend im Gebiet schauriger und tragischer Romantik fündig wird. Währenddessen bewegt er sich vorsichtig am Rande kruder Gewalttätigkeiten, überschreitet jedoch nie die Grenze, die die Phantasie des Zuschauers ignorieren und splatterige Blutbäder zeigen würde. Nein, „Hardcover“ verfügt zwar über erschreckende und grausige Bilder, setzt diese jedoch nach dem Prinzip der alten Schule, an die der Film sich bisweilen in Art einer Hommage zu richten scheint, durch kameratechnisches Geschick und gute Maskenarbeit in einer Form um, dass der Zuschauer kraft seiner Imagination mehr zu sehen glaubt, als man ihm eigentlich bietet. Das passt hervorragend zum unterschwelligen Thema des Films, das eben jene Vorstellungskraft zum Inhalt hat und sich nicht nur vor den wortgewaltigen klassischen Horrorromanen, sondern gleichermaßen vor vermeintlicher „Schundliteratur“ verbeugt, denen es gelingt, durch die richtige Aneinanderreihung von Buchstaben Bilder im Kopf des Rezipienten entstehen zu lassen. Diese zeigt uns Takács, indem er visualisiert, was Virginia liest.

Die normalerweise klar umrissene Grenze zwischen Realität und Fiktion wird jedoch zu einem schmalen Grad erklärt, der anfänglich sowohl Virginia als auch den Zuschauer darüber im Unklaren lässt, was sich lediglich in Virginias Kopf abspielt und was blutige filmische Realität wird. Nun ist „Hardcover“ aber kein sonderlich anspruchsvoller Film, der zur Verwirrung des Publikums mit verschiedenen Bewusstseinsebenen übermäßig spielen würde. Er bleibt problemlos goutierbare Genrekost, der den Zuschauer mit den Spielregeln vertraut macht und ihn recht eindeutig wissen lässt, ab wann es für Virginias Umfeld besser wäre, sie endlich ernstzunehmen. Der Weg zum aufregenden Finale ist gespickt mit vorhersehbaren, aber eben ansprechend realisierten und nach einem eher ruhigen Auftakt einer immer temporeicher werdenden Dramaturgie verpflichteten Morden des menschlichen (?) Puzzles Dr. Kessler und funktioniert dabei fast ähnlich wie gewohnte, liebgewonnene Slasherkost, nur eben unter anderen Vorzeichen und in einem nicht ganz alltäglichen Kontext.

Manch Dialog ist jedoch arg knapp und oberflächlich gehalten, wie es auch manchem Charakter an emotionalem Tiefgang mangelt und es jedem halbwegs aufmerksamen Zuschauer vollkommen unverständlich erscheinen dürfte, wie lange Virginia braucht, um zu erraten, wer das finale Mordopfer sein würde. Bei allen netten musikalischen Sprengseln und dem herrlich zynischen Einsatz des „Chanson D'Amour“ hätte gewiss ein starkes Titelthema mit Wiedererkennungswert „Hardcover“ darüber hinaus prima zu Gesicht gestanden. Ansonsten ist aber alles enthalten, was in diesem Falle zu einem memorablen Filmerlebnis führt: Eine sich aus bewährten Genremotiven zusammensetzende originelle Grundidee, passable bis gute (Wright) Schauspieler, Drama und Schauerromantik, ein wenig Tragik und Schwermut hier, etwas Humor und Ironie dort, wohldosierte blutige Gewalt, eine träumerisch-morbide Grundstimmung, sehenswerte Make-up-Arbeit, eine Videothekenfutter gewordene Verneigung vor der Literatur und sogar etwas Poesie, zusammengehalten von einem Regisseur mit Fingerspitzengefühl – der im Übrigen gut daran tat, nicht alle aufgeworfenen Fragen eindeutig zu beantworten. Schließlich geht es ja um das Anregen der Phantasie. Eine kleine Perle des US-Genrehorrors des 1980er-Jahrzehnts.
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Verblendung
Der Wirtschaftsjournalist Michael Blomkvist steht mit seiner eigenen Zeitschrift vor dem Aus, als ihn ein Magnat wegen einer falsch recherchierten Geschichte vor Gericht zerrt. Da erreicht ihn das Angebot des ehemaligen Großindustriellen Henrik Vanger, dessen Nichte Henriette in den 60er Jahren auf einer Familienfeier verschwand und nie gefunden wurde. Vanger bekommt zum Geburtstag immer noch gepresste Blumen geschickt, wie Henriette es immer getan hatte und will nun vor seinem Tod den ungelösten Mord aufklären. Blomkvist bekommt ein Jahr Zeit, egal, ob er etwas findet oder nicht und darf sich auf der Familieninsel der Vangers einnisten. In der Familiengeschichte stößt er jedoch in ein Wespennest, denn die Familienmitglieder sind nicht nur teilweise verfeindet, sie haben auch eine im Nationalsozialismus verwurzelte Vergangenheit. Durch Zufall gerät Lisbeth Salander, die wohl seltsamste Angestellte einer Detektei an den Fall - Salander steht unter Aufsicht, gilt als psychisch krank und ist eher eine provokative Erscheinung, dabei ist sie nicht nur eine Computerspezialistin, sondern hat auch ein photographisches Gedächtnis. Irgendwann kreuzen sich die Wege der beiden Ermittler, die sich Stück für Stück an ein furchtbares Familiengeheimnis heranarbeiten...
Die im Jahre 2009 erschienene Verfilmung des gleichnamigen schwedischen Bestsellers Stieg Larssons entstand in schwedisch-dänisch-deutscher-Koproduktion, Regie führte der Däne Niels Arden Oplev („Der Traum“). Die Literaturvorlage ist mir zwar unbekannt, jedoch habe ich einen groben Überblick über die Unterschiede zur Verfilmung erhalten. Erwartungsgemäß wurde der Stoff gestrafft und abstrahiert, was aufgrund seiner Komplexität bitter nötig erscheint: So bringt es selbst die von mir gesehene Kinofassung auf fast zweieinhalb Stunden Spielzeit. Die Handlung des im Schweden der Gegenwart spielenden Thrillers lässt sich grob wie folgt umreißen:

Enthüllungsjournalist Mikael „Kalle“ Blomkvist (Mikael Nyqvist), Herausgeber des Magazins „Millennium“, tappt in eine von falschen Informanten aufgestellte Falle und verliert aufgrund gefälschter Beweise vor Gericht gegen den kriminellen Großunternehmer Wennerström. Er wird wegen Verleumdung zu drei Monaten Haft verurteilt. In der Zeit zwischen Urteil und Haftantritt bittet ihn der Großindustrielle Henrik Vanger (Sven-Bertil Taube), den Auftrag anzunehmen, nach dessen vor 40 Jahren verschwundenen Nichte Harriet zu suchen. Widerwillig nimmt Blomkvist den Job an und bekommt unerwartet Hilfe von der bei einer Detektei angestellten Hackerin und Punkette Lisbeth Salander (Noomi Rapace), die zuvor bereits Blomkvists Integrität im Auftrage Vangers überprüfte. Die individualistischen Charaktere – beide intelligent, bindungsunfähig, schroff, direkt und provokant, sie jedoch verschlossen, introvertiert, abweisend und ihr Punk-Outfit als Schutzpanzer gegen die Gesellschaft verwendend, er hingegen extrovertiert und die Öffentlichkeit suchend – nähern sich einander vorsichtig an und stoßen auf ein düsteres Familiengeheimnis des Vanger-Klans…

„Verblendung“ zeichnet ein düsteres Bild der schwedischen Gesellschaft, in der Altnazis ungesühnt ihrer Lebensabend verbringen und Wirtschaftskriminelle über die Macht verfügen, ihrerseits unliebsame Zeitgenossen hinter Gitter bringen und mundtot machen zu können und es sich außerhalb der Legalität bewegender Praktiken wie Computer-Hacking u.ä. bedarf, um ihnen das Handwerk zu legen, da die staatlichen Instrumente nicht greifen. Die Polizei ist hilflos und unfähig. Beziehungsunfähigkeit und perverse sexuelle Abartigkeiten innerhalb einer entsolidarisierten Gesellschaft, hinter deren Türen das Grauen lauert, ziehen sich durch den gesamten Film. In tristen, verregneten Aufnahmen der sterilen Großstadt und skandinavischer Dorflandschaften gleichermaßen erzählt Oplev die Geschichte, die die beiden zunächst voneinander unabhängigen Ebenen der journalistischen und ermittelnden Tätigkeiten Blomkvists und der undurchsichtigen Persönlichkeit Salanders, deren Leben gezeichnet ist von einer vermasselten Kindheit und dem berechtigten Misstrauen gegenüber Autoritäten, zusammenführt. Dabei erscheint Lisbeth zunächst weder sonderlich sympathisch, noch erotisch, was sich mit dem zunehmenden Kennenlernen ihrer Persönlichkeit jedoch im weiteren Verlauf ändert.

Noomi Rapace liefert eine beeindruckende, den Zuschauer gefangennehmende schauspielerische Leistung ab, so dass man bald danach giert, mehr über dieses faszinierende Wesen zu erfahren. Mit Hintergrundinformationen zu Lisbeths Leben hält sich „Verblendung“ jedoch bedeckt, vereinzelte Szenen aus ihrer Vergangenheit lassen jedoch erahnen, was sie zu dem machte, was sie heute ist. Der äußerst beklemmend inszenierte Missbrauch durch den ihr aufoktroyierten Vormund sowie die folgende Vergeltung vermitteln einen Einblick in den andauernden Kampf, als den sie gezwungen ist, ihr Leben zu führen. Der über 40-jährige Blomkvist wird souverän von Mikael Nyqvist verkörpert und ordnet sich in seinen Leistungen dem realistischen Stil des Films unter. Blomkvist ist verglichen mit Salander der weniger interessante Charakter, jedoch ebenfalls weit von einem wandelnden Klischee entfernt. Er beherrscht ebenso wie jeder andere in diesem Film die leiseren Töne und versteht es, frei von Overacting seine sparsam eingesetzten Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Generell spielt hier jeder Beteiligte seine Rolle überzeugend und glaubwürdig, niemand fällt negativ aus der Rolle. Nahezu alle stärker am Geschehen Beteiligten erscheinen auf ihre Weise vom Leben gezeichnet, jedem traut man diverse Leichen im Keller zu.

Die sich in der Überlange niederschlagende Komplexität erfordert Konzentration seitens des Publikums und befriedigt dieses gleichzeitig mit einer intelligent konstruierten Handlung, die mit religiös angehauchten Motiven und Bibelzeiten einen zusätzlichen religionskritischen Subtext einführt. Die Entwicklung der Handlung ist kaum vorhersehbar und dramaturgisch so spannend umgesetzt worden, dass sie sich der Aufmerksamkeit des interessierten Zuschauers gewiss sein kann. Beachtlich ist dabei die Zeit, die man sich nahm, um die Atmosphäre des Films zur vollen Entfaltung zu bringen, seine Charaktere einzuführen und sich die Geschichte in einem angenehmen Tempo entwickeln zu lassen, ohne die Ereignisse zu überstürzen. Langeweile indes kommt dabei zu keinem Zeitpunkt auf, gebannt folgt der Zuschauer dem Geschehen und achtet auf Details, um ja nichts zu versäumen. Auf jeglichen Pathos und Bombast, wie man ihn aus dem „Blockbuster“-Kino kennt, wird dankenswerterweise verzichtet.

Besonders interessant empfand ich den Umgang mit aktuellen Medien und moderner Technologie: Während in anderen Filmen das Internet höchstens für Google-Recherchen genutzt wird und sich jeder, der sich darüber hinaus mit Computern auskennt, verschrobener Weltfremdheit verdächtig macht, ist der PC in „Verblendung“ ein mächtiges und cooles Werkzeug, ein äußerst hilfreiches Instrument, mit dem sich auszukennen lohnt. Lisbeth Salander ist eben kein pickliger Computerfreak, sondern eine respekteinflößende, inspirierende Persönlichkeit mit Vorbildfunktion für jüngere Zuschauer. Leider versäumte man es, etwas Zeit dafür aufzuwenden, glaubhaft darzustellen, wie Lisbeth es schafft, sich der Daten anderer Rechner zu bedienen. Ich weiß, dass dies im Buch ausführlicher und realistischer beleuchtet wurde; hier jedoch wirkt es wie blindes Vertrauen in die Fähigkeiten von Hackern seitens des Drehbuchs – als könne man, entsprechende Fachkenntnis vorausgesetzt, mir nichts, dir nichts die Hoheit über fremde Festplatteninhalte gelangen, sobald der Besitzer nur den Rechner einschaltet.

Bisweilen erinnert mich „Verblendung“ bei allem skandinavischen Lokalkolorit dann doch an US-Großtaten wie „Sieben“ (im Hinblick auf die religiös motivierten Morde), „Das Schweigen der Lämmer“ (bezogen auf das anfänglich von Distanz und Faszination gleichermaßen geprägte Verhältnis zwei vordergründig unterschiedlicher Charaktere zueinander) oder „Roter Drache“ (großflächige Rückentätowierungen in Drachenform, vermutlich als eine Art kraftspendende Katharsis), was ich als Kompliment verstanden wissen möchte. „Verblendung“ beschreitet dabei dramaturgisch einen anderen Weg, indem er weniger auf nervenzerfetzende Suspense-Szenen als Klimax hinsteuert, sondern seinen Spannungsbogen konstant über Null hält, ohne stark nach oben oder unten auszuschlagen. Sozusagen weniger eine Spannungskurve als mehr eine Spannungsgerade. Ob dieser Umstand positiv oder negativ aufgefasst wird, hängt vermutlich stark von den Sehgewohnheiten des jeweiligen Rezipienten ab. Als irritierend empfand ich bei aller Begeisterung allerdings eine für meinen Geschmack etwas aufgesetzt und erzwungen wirkende Sexszene und, was schwerer wiegt, das angesichts des über weite Strecken allgegenwärtigen Drecks und Sündenpfuhls doch etwas zu unbeschwerte Happy End. Zudem wäre ein prägnanterer Soundtrack mit höherem Wiedererkennungswert wünschenswert gewesen. Schön wiederum, dass man trotz des Kontrastprogramms eine Reminiszenz an Astrid Lindgren („Pippi Langstrumpf“, „Wir Kinder aus Bullerbü“) in Form von Mikaels Spitznamen unterbrachte.

„Verblendung“ ist ein harter, von Hass, Sadismus, psychischen Abgründen, gebrochenen Persönlichkeiten und einer niemals ruhenden Vergangenheit geprägter nordeuropäischer Thriller und Trilogie-Auftakt auf hohem Niveau, der in trüben Grauzeichnungen die biedere Fassade des Bürgertums und des Kapitals einreißt und mit Lisbeth Salander einen neuen, begeisternden Typus der (Anti-)Heldin etabliert. Modern und dabei angenehm frei von Trends und Modeerscheinungen, dadurch gewiss ein zukünftiger Klassiker.
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Verdammnis
Nach den Ereignissen in "Verblendung" wird Michael Blomkvist (Michael Nyqvist) wieder als Redakteur bei seinem Magazin "Millennium" eingesetzt und bekommt von dem jungen Journalisten Dag Svensson eine heiße Story angeboten, die von Mädchenhandel und Prostitution für gut situierte Männer aus höchsten Kreisen handelt. Offenbar zu heiß, denn Svensson und Freundin werden kurz darauf ermordet, wie auch der Anwalt Bjurman (Peter Andersson), der zufällig auch der Vormund von Lisbeth Salander (Noomi Rapace) ist. Als sich an der Mordwaffe Lisbeths Fingerabdrücke finden, steht sie für die Behörden als Mörderin fest, war sie nach ihrem Millionenbetrug doch ausgerechnet für die Beerdigung ihrer Mutter nach Stockholm zurückgekehrt. Während Blomkvist recherchiert, nimmt Lisbeth wie üblich die Ermittlungen in die eigene Hand, auf ihre Weise...
Für die Verfilmung des zweiten Thrillers der „Millennium-Trilogie“ des schwedischen Bestsellerautors Stieg Larssons engagierte man den schwedischen Regisseur Daniel Alfredson („Wolf“), das Drehbuch stammt diesmal aus der Feder Jonas Frykbergs. Wie der Vorgänger „Verblendung“ erschien „Verdammnis“ im Jahre 2009. Auch hier ist mir das Buch unbekannt und ich sah die Kinofassung, nicht den Director’s Cut.

Dem zweiten Teil der Trilogie wird die etwas undankbare Aufgabe der Brückenschlagung zwischen Teil 1 und 3 zuteil, hängt jedoch wesentlicher enger mit dem darauffolgenden dritten Teil „Vergebung“ denn mit „Verblendung“ zusammen. Um der Beerdigung ihrer Mutter beizuwohnen, kehrt die punkige Hackerin Lisbeth Lasander (Noomi Rapace) aus ihrem selbstgewählten Exill nach Stockholm zurück und stattet ihrem abartigen offiziellen Vormund Bjurman (Peter Andersson) einen notwendig gewordenen Besuch ab, um mit Nachdruck auf die bestehende „Vereinbarung“ hinzuweisen. Dabei landen ihre Fingerabdrücke auf einem Revolver, mit dem anschließend Dag Svensson (Hans-Christian Thulin) und dessen Freundin ermordet werden. Auch Bjurman wird mit derselben Waffe erschossen, so dass die Polizei hinter Lisbeth her ist. Svensson hatte zuvor Mikael Blomkvist (Mikael Nyqvist), der nach den Ereignissen in „Verblendung“ wieder Enthüllungsjournalismus für seine Publikation „Millennium“ betreibt, brisantes Material angeboten, das auf einen mafiösen Mädchenhandel- und Prostitutionsring hinweist, hinter dem gutsituierte, bürgerliche Kreise stehen. Sowohl Blomkvist als auch Salander beginnen, auf eigene Faust zu ermitteln…

Der zweite Teil der Trilogie um die eigensinnige und -willige Hackerin Salander und den ehrgeizigen Journalisten Blomkvist präsentiert sich etwas weniger im Düsterschick des Vorgängers und spielt verstärkt in der schwedischen Großstadt, ist dabei action- und temporeicher sowie blutiger, jedoch nicht minder intelligent und komplex. War der Fall in „Verblendung“ in sich abgeschlossen und stand in keinem direkten Verhältnis zu Lisbeth Salander und ihrer Vergangenheit, ist der unfassbare politische Verwicklungen offenbarende Kriminalfall in „Verdammnis“ gleichzeitig Aufhänger dafür, dem Zuschauer nähere Einblicke in Lasanders erschütternde Biographie zu erlauben und findet erst im dritten Teil „Vergebung“ seinen eigentlichen Abschluss. Im Rahmen einer bis in die Zeiten des Kalten Krieges zurückreichenden Verschwörung, die in tiefer Menschenverachtung gipfelt, kommt es für Lisbeth zu einer ungeahnten Familienzusammenführung, man sticht in ein Hornissennest aus Geheimagenten, sich demokratischer Kontrolle und Legitimation entziehender Politorgane und organisierter Kriminalität. Damit wird aus „Verdammnis“ in gewisser Weise ein packender Politthriller, der neue, interessante Charaktere einführt. Vorsichtige Anspielungen auf das Attentat auf Olof Palme sorgen für gegenüber dem ersten Teil zusätzlichen Realismus, in dieser Hinsicht gibt sich „Verdammnis“ anspruchsvoller als der Vorgänger. Für den stärker betonten Actionanteil indes konstruiert man mit dem „blonden Riesen“ (Mikael Spreitz) ein nahezu übermenschliches Monstrum, das Erinnerungen an Slasher-Protagonisten wie Michael Myers wach werden lässt und setzt mehr auf spannende Einzelszenen. Auch Lisbeth Lasander lässt man angesichts ihrer Peiniger stärker aufdrehen und schneiderte ihr einige bemerkenswerte Momente auf den Leib, in denen sie in verschiedenen Outfits und Maskeraden fast comic-noir-haft die permanent in der Luft liegende Gewalt und den grassierenden Wahnsinn reflektiert und ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt, erneut hochgradig faszinierend und schlichtweg perfekt geschauspielert von Noomi Rapace.

Die weniger auf die Entfaltung einer tristen, finsteren Atmosphäre bedachte Herangehensweise des Films lässt erfreulicherweise auch Raum für die persönliche Entwicklung der Charaktere, allesamt besetzt mit einwandfrei agierenden Charakterdarstellern, für häufigere Einblicke in Mikael Blomkvists Privat- und Liebesleben und eine unheimlich erotisierende Lesbensexszene Lisbeths. Wie aus „Verblendung“ gewohnt, spielen moderne Technologien wieder eine wichtige Rolle. Lisbeth verdingt sich erneut als professionelle Hackerin, um an gewichtige Informationen zu gelangen und verwendet das heimlich mitgeschnittene Video ihrer Vergewaltigung als Druckmittel. Um die Handlung nicht zu verkomplizieren, wird allerdings wieder sehr wenig auf die technischen Hintergründe eingegangen; die Vorgänge erscheinen für eine versierte Kennerin der Materie wie Lisbeth als selbstverständliche, durch wenige Klicks und Tastendrücke durchsetzbare Maßnahmen. Der vordergründige Kontrast von einem gemeinhin abschreckenden äußeren Erscheinungsbild, das durch Piercings und großflächige Tätowierungen erreicht wird, auf der einen und ihrer ausgeprägten Intelligenz, die ihr bei den eigenmächtigen Ermittlungen und letztlich trotz aller emotionalen Befangenheit beim Überleben hilft auf der anderen Seite, ist eine der größten Stärken ihrer Charakterisierung und unterstreicht ihre klischeearme, individuelle, unübliche Rolle als kantige Sympathieträgerin.

Der ein wenig achtsamere Umgang mit der inneren Logik des Films erlaubt oben genannte Action- und Gewalteskapaden, ohne allzu sehr ins absurde Reich des Phantastischen abzudriften. Nichtsdestotrotz müssen sich Alfredson und sein Team den Vorwurf gefallen lassen, sich stärker an aktuellen Sehgewohnheiten orientiert zu haben und die individuelle Handschrift Oplevs aus dem Vorgänger vermissen zu lassen, die einer weniger künstlerischen Umsetzung weicht. Unterm Strich möchte ich aber das Wagnis der geänderten Personalien hinter der Kamera für diesen „Brückenteil“ als gelungen bezeichnen, denn die neuen Aspekte sowie die erneut intelligente und überaus spannend erzählte Geschichte verstehen es, den Zuschauer gefangen zu nehmen, seine Neugier nicht nur zu wecken, sondern auch zu befriedigen und ihn nach dem Abschluss der Trilogie lechzen zu lassen.
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Vergebung
Fortsetzung von "Verdammnis": Lisbeth Salander (Noomi Rapace) hat die Machenschaften von Alexander Zalatschenko (Georgi Staykov), ihrem Vater durchkreuzt, liegt jedoch mit schweren Verletzungen im Krankenhaus, genauso wie Zalatschenko selbst. Damit ist sie ein leichtes Ziel für die Geheimdienstgruppe, die ihre Enthüllungen über die Verwicklungen wichtiger öffentlicher Personen in den Mädchenhandelsskandal unter den Teppich kehren wollen. Prompt findet sie sich vor Gericht wieder, wo sie mit ihrer speziellen psychiatrischen Vorgeschichte und ihrem Verhalten natürlich schlechte Karten hat. Also ermittelt ihr Journalistenfreund Michael Blomkvist (Michael Nyqvist) unter Hochdruck, um die Vertuschung zu verhindern und Lisbeth zu rehabilitieren, was weder einfach, noch ungefährlich ist, denn der hünenhafte und schmerzunempfindliche Killer Niedermann ist auf freiem Fuß...
Auch der dritte und letzte Teil der „Millennium-Trilogie“ nach den Romanen des schwedischen Schriftstellers Stieg Larsson erschien im Jahre 2009 in schwedisch-deutscher Koproduktion, Regie führte wie beim Vorgänger „Verdammnis“ der Schwede Daniel Alfredson („Wolf“), das Drehbuch stammt erneut von Jonas Frykberg. Auch in diesem Falle habe ich die Literaturvorlage nicht gelesen und zunächst einmal die Kinofassung anstelle des längeren Director’s Cuts gesehen.

„Vergebung“ knüpft nahtlos an „Verdammnis“ an, beide Filme hängen enger miteinander als mit dem Auftakt der Trilogie zusammen und bilden eine Einheit. Als eigenständiger Film funktioniert „Vergebung“ wenn überhaupt nur sehr bedingt, die Kenntnis des Vorgängers scheint mir unabdingbar. Nachdem die unbequeme Hackerin und Punkerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) im Laufe der Ereignisse aus „Verdammnis“ mit der erschreckenden Wahrheit konfrontiert wurde, dass ihr gehasster, sadistischer Vater Alexander „Zala“ Zalatschenko (Georgi Staykov), entstellt von durch Lisbeth im Kindsalter zugefügten Brandwunden, ein ehemaliger, nach Schweden übergelaufener russischer Spion ist, der einer geheimen, staatlich subventionierten Politgruppe angehört und von den Behörden unbehelligt sowie gut abgesichert seinen mörderischen Umtrieben nachgehen kann, sie zudem ihren Halbbruder Ronald, ein hünenhaftes Monstrum ohne Schmerzempfinden, das es ebenfalls auf sie abgesehen hat, kennenlernte, kam sie bei der finalen Konfrontation mit ihrer „Familie“ beinahe ums Leben. Ronald befindet sich auf der Flucht, ihr Vater und sie werden im Krankenhaus behandelt. Gleichzeitig wird Mordanklage gegen Lisbeth erhoben, die in Notwehr mit einer Axt auf ihren Vater einschlug. Mikael Blomkvist (Mikael Nyqvist), Enthüllungsjournalist für sein „Millennium“-Magazin, dessen Wege sich bereits in den vorausgegangenen beiden Teilen kreuzten, versucht, Lisbeth zu helfen...

Kommt bei Filmfreunden gemeinhin der Trilogieauftakt „Verblendung“ am besten weg, so muss ich zugeben, dass mir nach Erstsichtung aller drei Teile in der jeweiligen Kinofassung dieser Abschluss noch eine Idee besser gefiel, was insbesondere an der meines Erachtens äußerst einnehmenden Geschichte liegt. Nicht nur, dass „Vergebung“ endlich alle Geheimnisse um Lisbeths Person lüftet und ihre Vergangenheit aufdeckt, nachdem man in den ersten beiden Teilen zunächst sehr zurückhaltend („Verblendung“), dann verstärkt („Verdammnis“) an sie herangeführt wurde, nein, „Vergebung“ entwickelt sich darüber hinaus nach dem actionlastigeren Vorgänger zu einem reinrassigen Polit-/Justiz-Thriller, indem er den in „Verdammnis“ gesponnen Faden aufnimmt und aus ihm eine gewohnt intelligente und komplexe, dabei jedoch wunderbar in die Tiefe gehende Politposse strickt, die mir eng mit der jüngeren schwedischen Geschichte verknüpft scheint. „Vergebung“ spinnt ein Intrigennetz, eine Verschwörungstheorie um eine zu Zeiten einer „bürgerlichen“ Regierung etablierten, von oberster Stelle legitimierten Geheimagentensache, die zu einem sich jeglicher Kontrolle entziehenden, antidemokratischen Selbstläufer wurde, der unter zukünftigen Regierungen gar in Vergessenheit geriet, aber deren Involvierte ein luxuriöses Leben von der Öffentlichkeit unbemerkt führen und unbehelligt mafiaähnliche Strukturen aufbauen konnten. „Verdammnis“ und „Vergebung“ greifen vorsichtig das nationale Trauma ungeklärter mörderischer Attentate auf fortschrittliche schwedische Politiker wie Olof Palme auf, der 1986 auf offener Straße erschossen wurde.

Dies geschieht auf subtile Weise, denn explizit ausgesprochen wird es zu keinem Zeitpunkt. Die Filme bzw. Larssons Romane zeigen aber, wie sich mächtige Strukturen außerhalb der offiziellen Politik entwickeln und an empfindlicher Stelle einnisten. Kritisch setzt man sich mit konspirativ agierenden Organen wie der „Sicherheitspolizei“ auseinander und zeigt sie als keinesfalls der öffentlichen Ordnung, Recht und Gesetz verpflichteten Diener des Gemeinwohls, sondern als verbrecherische, kriminelle Vereinigung, für die Mord ein legitimes Mittel ist. Ein wenig Abstraktionsfähigkeit des Rezipienten vorausgesetzt, lassen sich mühelos Parallelen zu tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und Ereignisse ziehen, nicht nur in Schweden. Dass es ausgerechnet der Hackerin und Punkerin Lisbeth Salander bedarf, um diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen und empfindlich in ihrer Existenz zu stören, ist ein inspirierender Revoluzzertraum, der beide Randbereiche – Punk-Subkultur und Computer-Hacking – als gesellschaftliche Kräfte wahr- und ernstnimmt, statt sie anhand alberner Klischees vorzuführen. Die Relevanz zivilen Ungehorsams, der Bedarf an intelligenten, individuellen Freigeistern und Kämpfern wie Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist als Hoffnung für ein in Angst und Obrigkeitshörigkeit erstarrten, doch hinter dem biederen Schein sich selbst zerfleischendes System ist ein dominantes Thema der Film- und damit vermutlich auch Buch-Reihe, abstrakt genug, um Ansprüchen an Unterhaltung zu genügen, dabei jedoch realitätsnah genug, um zumindest nachdenklich hinsichtlich fragwürdiger Autoritäten, als gegeben hingenommener Umstände und antisozialer Vorurteile zu stimmen.

Während die alternden und kranken Verschwörer also erkennen, dass sich die Schlinge um sie zuzieht und ihre Zeit abgelaufen ist, nimmt eine letzte große Vertuschungsaktion ihren Lauf. Morde und Selbstmorde werden begangen und Lisbeth Salander soll mundtot gemacht werden, indem sie u.a. auf Grundlage eines gefälschten Gutachtens ihres ehemaligen, sie ebenfalls misshandelt habenden Psychiaters Dr. Teleborian (Anders Ahlbom) des versuchten Mordes überführt und ins Gefängnis gesteckt werden soll. Nun bekommt Blomkvist Gelegenheit, sich mittels seiner Kontakte, seines journalistischen Ehrgeizes und Geschicks massiv für Lisbeth Salander einzusetzen, die ihrerseits lernen muss, fremde Hilfe anzunehmen, nachdem sie zeitlebens auf sich allein gestellt war. Ans Krankenbett gefesselt und zur Passivität gezwungen, bleibt „Vergebung“ trotzdem eindeutig auf sie als Hauptrolle ausgerichtet. Moderne Kommunikationsmittel spielen dabei eine noch stärkere Rolle als zuvor, insbesondere in Hinblick auf Smartphones. Diese kleinen Geräte werden als wichtige, mächtige Utensilien in die Handlung integriert und finden weit über genregewohnte Klischees wie Netzausfälle in brenzligen Situationen hinaus Verwendung. Auf die Berücksichtigung modernen Nippes wie Facebook und Konsorten verzichtete man dankenswerterweise. Auch hier erscheinen die Computerhacking-Attacken indes als allzu leichte Fingerübungen und etwas arg vereinfacht dargestellt.

Die überlange Handlung fällt aufgrund ihrer Komplexität ruhiger und dialogreicher als gewohnt aus, bleibt dabei jedoch dramaturgisch gekonnt spannend genug, um den Zuschauer sich solidarisch mit Blomkvist und Salander erklären zu lassen und mitzufiebern, mitzubangen und angesichts des gesamten Ausmaßes Lisbeths persönlicher Katastrophe emotional berührt und durch den Film geführt zu werden. Die einzelnen Handlungsstränge laufen auf eine Gerichtsverhandlung mit der weitestgehend gesundeten Salander hinaus, der es nachvollziehbar, doch respekteinflößend gelingt, ihrer Linie treu zu bleiben und den Gerichtssaal zu ihrer Bühne umzufunktionieren. Der Ablauf des Gerichtsverfahrens vermag sicherlich das kritische Bewusstsein des Zuschauers in Bezug auf vermeintlich unangreifbare Gutachten und ihre wirkungsvolle Einsatzmöglichkeit als Waffe gegen unbequeme Zeitgenossen zu schärfen. Dass es im Vorfeld zu einer Zusammenarbeit Blomkvists mit dem Verfassungsschutz kommt und sich seine Schwester Annika (Annika Hallin) erfolgreich als Anwältin Lisbeths annimmt, stellt dabei aufgrund der von beiden Protagonisten angebrachten Skepsis keinen wirklichen Stilbruch dar und bewahrt den Film vor dem Vorwurf plakativer, pessimistischer Schwarzmalerei. Wie sehr sich letztlich vor Gericht die Ereignisse überschlagen ist indes eine Fokussierung auf einen glücklichen Ausgang, der bei genauerer Hinterfragung dann doch etwas überkonstruiert erscheint, hilft aber, die schier unerträglichen Ungerechtigkeiten auch für den Zuschauer auf befriedigende Weise zu sühnen.

Im Epilog lässt man sich sodann auch die Gelegenheit nicht nehmen, noch einmal auf die nach wie vor unübersehbare und das Leben verkomplizierende traumatische Störung insbesondere Lisbeths einzugehen, die wiederum jeglichen Verdacht des Aufkommens typischen Hollywood-Kitsches unmissverständlich ausräumt und den Bogen zurück zum düsteren, ernüchternd-realistischen Stil der Reihe spannt. Dass Regisseur Alfredson erneut eher als souveräner Handwerker denn als künstlerischer Virtuose in Erscheinung tritt, mag bisweilen etwas schade sein, verleiht „Vergebung“ jedoch auch auf seine Weise eine gewisse Schroffheit, die letztlich aufgrund der starken, von guten bis hervorragenden Schauspielerin getragenen Handlung keiner weiteren Ausschmückung bedarf – wenn auch hier und da sicherlich, gerade in bedeutenden Einzelszenen, mehr möglich gewesen wäre. Doch auch für sich genommen sind Mordversuche im Krankenhaus oder ein erneutes Aufeinandertreffen mit dem blonden Hünen Niedermann kleine dramaturgische Höhepunkte, die für einen Moment das bitterernste Polit-/Justiz-Thriller-Sujet aufweichen bzw. variieren. Aus meiner persönlichen, sicherlich nicht ganz gesellschaftlichpolitisch und subkulturell unvorbelasteten Sichtweise ist „Vergebung“ ein absolut würdiger Abschluss der aufgrund des viel zu frühen Todes Larssons zur Trilogie geschrumpften Reihe; ein nordeuropäischer Thriller, der sein Herkunftsland in einem interessanten, kritischen Lichte präsentiert sowie Anspruch und Unterhaltungswert grandios und unwidersprüchlich miteinander verbindet – und in dem im Übrigen nichts und niemandem vergeben wird.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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