Die Axt / Jobkiller - Costa-Gavras (2005)

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Die Axt / Jobkiller - Costa-Gavras (2005)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: Le Couperet

Herstellungsland: Frankreich / Belgien / Spanien (2005)

Regie: Costa-Gavras

Darsteller: José Garcia, Karin Viard, Geordy Monfils, Christa Theret, Ulrich Tukur, Olivier Gourmet, Yvon Back, Thierry Hancisse, Olga Grumberg, Yolande Moreau, Dieudonné Kabongo, Jean-Pierre Gos u. A.
Bruno Davert (José Garcia) ist ein "Arbeitstier. Nach 15 Jahren in seinem Betrieb wird er wegen Umstruckturierung entlassen. Mit 15 Monatsgehältern und im Vertrauen auf seine Qualifizierung ist er zuversichtlich schnell wieder einen Job zu finden. Als er allerdings nach zwei Jahren immer noch keinen neuen Job gefunden hat, wird er mürbe und bekommt Minderwertigkeitskomplexe. Aus diesem Grund heckt Bruno einen "wahnsinnigen" Plan aus, um schnellst möglich wieder in der Papierindustrie Fuß zu fassen...
Quelle: www.ofdb.de

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Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Die Axt / Jobkiller - Costa-Gavras (2005)

Beitrag von buxtebrawler »

„Wir sollten gemeinsam kämpfen und uns nicht um die Krümel streiten!“

Der als Mitbegründer des Polit-Thrillers geltende gebürtige Grieche Costa-Gavras („Z“, „Das Geständnis“, „Der unsichtbare Aufstand“) widmete sich drei Jahre nach seinem Nazi-Drama „Der Stellvertreter“ wieder der Gegenwart, als er zusammen mit Jean-Claude Grumberg einen Roman aus der Feder Donald E. Westlakes zu einem Drehbuch umschrieb und verfilmte, der 2005 erschien und in Deutschland unter den Titeln „Die Axt“ und „Jobkiller“ vermarktet wurde. Es handelt sich um eine schwarzhumorig-makabre Satire auf den Arbeitsmarkt in Form eines französisch-belgisch-spanisch produzierten Serienmörder-Thrillers, der den Zynismus des kapitalistischen Arbeitssystems karikierend auf die Spitze treibt.

Bruno (José Garcia, „Ein Fisch namens Ärger“) hat lange Zeit in der Papierindustrie als Chemiker gearbeitet, doch die Arbeitslosigkeit, in die er nach Rationalisierungsmaßnahmen seines Arbeitgebers geriet, jährt sich zum zweiten Mal. Das Haus will weiter abbezahlt und die Familie versorgt werden und so schreibt er unermüdlich Bewerbungen, bekommt jedoch eine Absage nach der anderen. Da entwickelt er einen perfiden Plan: Er fingiert selbst ein Stellenangebot und lässt so sich die Bewerbungen seiner Konkurrenten um seinen Traumjob schicken. Letztlich kommen nur fünf in Frage: Wenn er sich dieser nun entledigt und er zudem Raymond Mâchefer (Olivier Gourmet, „Wolfzeit“), den er aus einem Werbespot des Branchenriesen Arcadia kennt, aus dem Weg räumt, müsste er doch eigentlich dessen Position einnehmen können…

„Ich wurde aggressiv und unsozial…“

All dies erfährt der Zuschauer allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt, denn Costa-Gavras hat den Aufbau seines Films dynamisch gestaltet: Er steigt direkt damit ein, dass Bruno jemanden absichtlich mit seinem Auto überfährt. Im Anschluss hadert er mit sich, spricht ein Geständnis und wie es überhaupt so weit kommen konnte, auf ein Diktiergerät, womit er eine ausgedehnte Rückblende einleitet. Man erfährt von Brunos Schicksal und Kritik an asozialen Aktionären, die Entlassungen von Arbeitnehmern zwecks „Gewinnoptimierung“ begünstigen, wird laut. Brunos beschwerliche Schießübungen tragen u.a. dazu bei, dem trotz satirischer Ausrichtung und schwarzen Humors nicht als Komödie aufgezogenen Film eine nicht unbeträchtliche Authentizität zu verleihen, wozu auch gehört, wie schwer sich Bruno anfänglich tut, mutmaßliche Konkurrenten zu ermorden. Daraus resultiert bisweilen ein hohes Maß an Spannung und man erwischt sich dabei, Brunos Verhalten nachvollziehen zu können, ihm möglicherweise gar alles Gute zu wünschen. Costa-Gavras macht uns zu Komplizen.

Noch vor der Hälfte der Spielzeit endet die Rückblende, mit seinem bisher ungehörten Geständnis war Bruno also noch längst nicht am Ende angelangt. Nicht minder aufregend geht es weiter, psychologische Aspekte werden aufgegriffen, wenn er glaubt, seine Frau (Karin Viard, „Hass“) würde von ihm den Erhalt des Lebensstandards erwarten und wäre nur am Jammern, obwohl sie sich in erster Linie nach seiner Zuneigung sehnt und man geht auf die Bedeutung und den Stellenwert von Arbeit innerhalb der Gesellschaft ein – stets organisch wirkend in die Handlung eingebunden. Als Bruno seinen Sohn aus einem Ladendiebstahl in größerem Stil herausboxen muss, wird angedeutet, wie finanzielle familiäre Not auch Kleinkriminalität begünstigt und die nächste Generation negativ beeinflusst. Auch Brunos Opfer sind nicht einfach nur Opfer, sondern werden zum Teil ebenfalls charakterisiert, Bruno und die Zuschauer lernen sie kennen und entdecken Parallelen zwischen Mörder und Ermordeten.

Das auf Profitmaximierung ausgerichtete kapitalistische Wirtschafts- und Wertesystem sorgt u.a. mit seiner künstlichen Verknappung des Arbeitsmarkts für einen Konkurrenzkampf innerhalb der Schicht der Arbeiter und Angestellten untereinander, obwohl diese die größte Fraktion darstellen. Der Kapitalismus sorgt so für Entsolidarisierung der Arbeitnehmer, ständige Angst um den Arbeitsplatz und macht sie dadurch gefügig, während Gewerkschaften immer mehr zur Farce verkommen. Dieses System ist von fast allen etablierten Parteien, von den Grünen über den größten Vorfall menschlicher Halbbildung, der „Sozialdemokratie“ bis zu den Erzreaktionären von CDU und den Nationalisten von der AfD als alternativlos anerkannt und gewollt, lediglich die Linke wagt es, diese Ideologie in Frage zu stellen. „Die Axt“ denkt dieses System ein paar Schritte weiter und veranschaulicht es durch eine Übertreibung, die dem Zuschauer gerade auch aufgrund der brillanten schauspielerischen Leistung Garcias gar nicht einmal sonderlich hochgegriffen vorkommt. Damit leistet Costa-Gavras einmal mehr einen hervorragenden Beitrag zu einem viel zu wenig geführten gesellschaftlichen Diskurs und bedient sich wunderbar künstlerisch und unterhaltsam des Mediums Spielfilm, um sowohl formalen und schöngeistig cineastischen als auch rein inhaltlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Ein unbedingt sehenswerter, intelligenter Film mit einer bösen Pointe, der den Wahnsinn des Arbeitsmarkts drastisch veranschaulicht.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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