Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin (1967)
Moderator: jogiwan
Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin (1967)
Originaltitel: Le Viol du vampire
Herstellungsland: Frankreich / 1967
Regie: Jean Rollin
Darsteller: Solange Pradel, Bernard Letrou, Catherine Deville, Ursule Pauly u. A.
Story:
Ein Psychologe wird in ein abgelegenes Schloss gerufen um einen bizarren Auftrag zu erfüllen: Er soll sich vierer Schwestern annehmen (von denen eine psychosomatisch erblindet ist), die von sich selbst glauben Vampire zu sein. Begleitet wird er von dem Ehepaar Mark und Brigitte, beide sind allerdings nicht angetan von der unheimlichen Umgebung und de seltsamen Geschehnissen. Als sich die Ereignisse überschlagen und Brigitte einen mysteriösen Tod stirbt, werden die Schlossbewohner bedroht von einem aufgebrachten Mob, der sich im Dorf gebildet hat. Am Strand kommt es schließlich zur Entscheidung… (quelle: ofdb.de)
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- sid.vicious
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Re: Die Vergewaltigung eines Vampirs – Jean Rollin
Im Prinzip gibt es keine Vampire! Es gibt nur Menschen. Dieses ist die Aussage die Rollin in seinem Debütfilm trifft, obwohl kann man hier überhaupt von einem Film reden? Nicht ohne Grund wurde bei der Titelvergabe die Firmierung „Mélodrame en deux parties“ vergeben. Handelt es sich doch bei "Le viol du vampire" um einen 30 Minuten kurzen, abgeschlossenen Vampirfilm, welcher mit dem zweiten Akt, "Le femmes vampires" zu einem Abendfüllenden Film erweitert wurde.
"Le viol du vampire" zeigt, dass der Psychologe Thomas vier junge Frauen von ihrem Wahn befreien soll, dass sie Vampire seien. Mit ihm zusammen kommen Mark und dessen Freundin Brigitte in das Dorf in dessen Nähe die Vampire „leben“.
Als Brigitte stirbt wendet sich Mark einer der Vampirfrauen, Caroline zu um ihr zu zeigen, dass sie ein Mensch wie jeder andere ist. Als Mark ein Fenster öffnet um ihr die Angst vor dem Tageslicht zu nehmen, erscheint der aufgebrachte Dorfpöbel um sie zu töten. Trotzdem wird Caroline in diesem Moment klar, dass sie keine Angst vor dem Tageslicht haben muss und erkennt, dass sie eigentlich doch ein Mensch ist.
Mark lässt sich daraufhin von Caroline den „Kuss des Vampirs geben und flüchtet mit ihr zum Strand…
"Le viol du vampire" zeigt einige Außenaufnahmen die ich sehr gern in Farbe gesehen hätte, da es sich hier um märchenhaft schöne Locations handelt, die stimmig in Szene gesetzt werden. Die Hauptdarsteller sind allesamt überzeugend und vermitteln ein glaubhaftes Ambiente. Rollins Message ist eindeutig: Es gibt keine Vampire, es gibt nichts Übernatürliches, es sind alles nur Menschen. Wie diese in ihrem Wesen gestrickt sind, ist eine andere Geschichte. Jeder ist individuell, er ist entweder Gut oder Böse und alle die vorab als das Böse gesehen werden, sind im Endeffekt das Gute, sowie das eigentlich Gute, viel eher das Böse ist. Dinge die wir nicht verstehen, die unseren Horizont übersteigen, sollten wir nicht verachten bzw. hassen. Das Unbekannte ist nicht gleich das Böse. Es befindet sich auf der gleichen Ebene wie alles andere auch. Es hat die gleichen Ängste, die gleichen Empfindungen, auch wenn es scheinbar in einer parallelen Welt lebt.
…und damit wäre wir auch am Ende von "Le viol du vampire" angelangt und dieses mündet in "Le femmes vampires".
Mark und Caroline erwachen als Vampire, aus dem Meer kommt die Königin der Vampire mit ihrer Gefolgschaft. Rollin erwähnt in einem Interview, dass er in diesen Part des Films sehr zur Improvisation gegriffen hat. Unter dem Strich ist dieses allerdings mit einem positiven Gesamtresultat abgeschlossen worden. Die Story und deren Ablauf mag bei einigen Kritikern zwar eine gewisse Verwirrung stiften, ist aber meines Erachtens gut durchdacht und sinnvoll umgesetzt. Es gibt einige interessante Bilder, wie z.B. ein Trauerzug, der vor sich ein umgedrehtes Kreuz trägt und sich als ein Klan von völlig durchgeknallten Vampiren entpuppt. "Le femmes vampires" ist wie auch "Le viol du vampire" purer Surrealismus und das Ganze erinnert vereinzelnd durchaus an Bunuel. Rollin setzt auf eine völlig abgedrehte Atmosphäre gespickt mit irrsinnigen Vampiren und ihren hilflosen Untertanen. Mit der Vampirkönigin nimmt das Böse eindeutig Stellung, es lässt keine Zweifel aufkommen.
Zum Ende des Films kommt es zur Vernichtung der Vampire, doch macht es Rollin natürlich nicht offensichtlich das es sich allein um das Ende der Vampire handelt. Denn die letzte Einstellung des Films zeigt, eine Stadt in der es auch keine Menschen gibt.
Fazit:
"Le viol du vampire" ist ein nahezu brillanter Film, der mit dem schwächeren "Le femmes vampires" abgeschlossen wird. Der Film ist Rollin-Fans und Filmstudenten durchaus ans Herz legen. Alle anderen, die sich eher zu Massentauglichen Produktionen hingezogen fühlen, werden mit diesem Film/ diesen Filmen absolut Nichts anfangen können.
"Le viol du vampire" 9/ 10
"Le femmes vampires" 7,5/ 10
"Le viol du vampire" zeigt, dass der Psychologe Thomas vier junge Frauen von ihrem Wahn befreien soll, dass sie Vampire seien. Mit ihm zusammen kommen Mark und dessen Freundin Brigitte in das Dorf in dessen Nähe die Vampire „leben“.
Als Brigitte stirbt wendet sich Mark einer der Vampirfrauen, Caroline zu um ihr zu zeigen, dass sie ein Mensch wie jeder andere ist. Als Mark ein Fenster öffnet um ihr die Angst vor dem Tageslicht zu nehmen, erscheint der aufgebrachte Dorfpöbel um sie zu töten. Trotzdem wird Caroline in diesem Moment klar, dass sie keine Angst vor dem Tageslicht haben muss und erkennt, dass sie eigentlich doch ein Mensch ist.
Mark lässt sich daraufhin von Caroline den „Kuss des Vampirs geben und flüchtet mit ihr zum Strand…
"Le viol du vampire" zeigt einige Außenaufnahmen die ich sehr gern in Farbe gesehen hätte, da es sich hier um märchenhaft schöne Locations handelt, die stimmig in Szene gesetzt werden. Die Hauptdarsteller sind allesamt überzeugend und vermitteln ein glaubhaftes Ambiente. Rollins Message ist eindeutig: Es gibt keine Vampire, es gibt nichts Übernatürliches, es sind alles nur Menschen. Wie diese in ihrem Wesen gestrickt sind, ist eine andere Geschichte. Jeder ist individuell, er ist entweder Gut oder Böse und alle die vorab als das Böse gesehen werden, sind im Endeffekt das Gute, sowie das eigentlich Gute, viel eher das Böse ist. Dinge die wir nicht verstehen, die unseren Horizont übersteigen, sollten wir nicht verachten bzw. hassen. Das Unbekannte ist nicht gleich das Böse. Es befindet sich auf der gleichen Ebene wie alles andere auch. Es hat die gleichen Ängste, die gleichen Empfindungen, auch wenn es scheinbar in einer parallelen Welt lebt.
…und damit wäre wir auch am Ende von "Le viol du vampire" angelangt und dieses mündet in "Le femmes vampires".
Mark und Caroline erwachen als Vampire, aus dem Meer kommt die Königin der Vampire mit ihrer Gefolgschaft. Rollin erwähnt in einem Interview, dass er in diesen Part des Films sehr zur Improvisation gegriffen hat. Unter dem Strich ist dieses allerdings mit einem positiven Gesamtresultat abgeschlossen worden. Die Story und deren Ablauf mag bei einigen Kritikern zwar eine gewisse Verwirrung stiften, ist aber meines Erachtens gut durchdacht und sinnvoll umgesetzt. Es gibt einige interessante Bilder, wie z.B. ein Trauerzug, der vor sich ein umgedrehtes Kreuz trägt und sich als ein Klan von völlig durchgeknallten Vampiren entpuppt. "Le femmes vampires" ist wie auch "Le viol du vampire" purer Surrealismus und das Ganze erinnert vereinzelnd durchaus an Bunuel. Rollin setzt auf eine völlig abgedrehte Atmosphäre gespickt mit irrsinnigen Vampiren und ihren hilflosen Untertanen. Mit der Vampirkönigin nimmt das Böse eindeutig Stellung, es lässt keine Zweifel aufkommen.
Zum Ende des Films kommt es zur Vernichtung der Vampire, doch macht es Rollin natürlich nicht offensichtlich das es sich allein um das Ende der Vampire handelt. Denn die letzte Einstellung des Films zeigt, eine Stadt in der es auch keine Menschen gibt.
Fazit:
"Le viol du vampire" ist ein nahezu brillanter Film, der mit dem schwächeren "Le femmes vampires" abgeschlossen wird. Der Film ist Rollin-Fans und Filmstudenten durchaus ans Herz legen. Alle anderen, die sich eher zu Massentauglichen Produktionen hingezogen fühlen, werden mit diesem Film/ diesen Filmen absolut Nichts anfangen können.
"Le viol du vampire" 9/ 10
"Le femmes vampires" 7,5/ 10
Re: Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin
Le Viol du Vampire
Akt I: Die Vergewaltigung des Vampirs
Der Psychologe Thomas und das befreundete Pärchen Marc und Brigitte erhalten von einem mysteriösen Gutsbesitzer den Auftrag, sich um vier Schwestern zu kümmern, die in einem heruntergekommenen und abgeschiedenen Schloss am Lande leben und sich seltsamerweise für Vampire halten. Doch für Marc scheint es klar, dass Aberglaube und die Ächtung der Dorfbevölkerung dazu geführt hat, dass sich die attraktiven Frauen für Blutsauger halten und versucht dem Ganzen mit Ursachenforschung und moderner Psychoanalyse zu begegnen.
Thomas versucht die jungen Frauen mit Tageslicht und Gottessymbolen zu vertrauen und auch der blinden Frau zu erklären, dass der Sehverlust lediglich psychosomatische Gründe hat. Und tatsächlich gelingt es dem jungen Mann, die Frauen zu überzeugen und das Schloss zu verlassen, wo diese jedoch auf die aufgebrachte Dorfbevölkerung stoßen, die bereits mit Waffen Jagd auf die vermeintlich verfluchten Damen macht. Als auch Brigitte vom wütenden Dorfmob getötet wird, dreht Marc durch und es kommt zur tödlichen Konfrontation….
Akt II: Die Vampir-Frau
Thomas und eine der Schwestern liegen ermordet am Strand, als überraschend die Königin der Vampire mit ihrem vermummten Gefolge erscheint, einen vermeintlicher Komplize ermordet und den Auftrag gibt, alles Zeugen zu beseitigen und die Körper der Leichen so zu entsorgen, dass diese nicht mehr als Vampire weiterleben können. Doch dem Auftrag wird nicht Folge geleistet und durch das Blut des Komplizen erwachen Thomas und der weibliche Vampir zu neuem Leben.
Zur gleichen Zeit führt ein namenloser Arzt im Auftrag der Vampir-Königin ein Krankenhaus und ist auch eigenmächtig damit beschäftigt, ein Heilmittel für Vampire zu erforschen. Thomas ist für die Forschungen der fehlende Schlüssel und mit vereinten Kräften wird tatsächlich ein Heilmittel geschaffen. Als auch Brigittes Leichnam aus der Gruft entführt wird und sich Marc hinter den Vampiren hermacht, kommt es wenig später bei einem Ritual zu einem Aufstand, bei dem sich auch einige der Vampire offen gegen ihre selbstgefällige Königin stellen und die Schreckensherrschaft ein für alle Mal beenden wollen…
Im Jahre 1967 erhielt der Regisseur Jean Rollin, der bis zu diesem Zeitpunkt bereits einige Kurzfilme und Dokumentationen realisiert hatte, von einem französischen Vertrieb das Angebot, einen Prolog zu einem amerikanischen Film zu drehen, der für eine europäische Kino-Auswertung schlicht und ergreifend zu kurz ausgefallen war. Für ein Budget von knapp 200.000, das von französischen und amerikanischen Investoren stammte, sollte der ambitionierte Filmemacher daher eine Art Vor-Film realisieren, der dann vor dem eigentlichen Hauptfilm gezeigt werden sollte.
Irgendwie hat man sich dann offensichtlich dennoch anders entschieden und Rollin bekam die Möglichkeit, mit weiteren 300.000 Franc seinen ersten Spielfilm zu realisieren, der sich um den bereits gedrehten, halbstündigen Film drehen sollte. Herausgekommen ist letztendlich „Le Viol du Vampire“ – ein Vampirfilm in zwei Akten, der sich aus 31minütigen „Die Vergewaltigung des Vampirs „und dem knapp 55 minütigen „Die Vampir-Frau“ zusammensetzt und von echten und unechten, sowie freiwilligen und unfreiwilligen Blutsaugern handelt.
„Le Viol du Vampire“ bietet neben bekannten Gesichtern und Locations dann auch eigentlich alle Elemente, die die Filme des französischen Regisseurs so besonders machen. Weibliche Vampire mit Hang zur Freizügigkeit, nackten Menschen, die durch menschenleere Strände irren und eine Erzählweise, die wohl nicht gerade als geradlinig zu beschreiben sind. Surrealistische Momente wechseln mit wunderbaren Bildern und wenn die zauberhafte Brigitte in einem Acker erschöpft zusammenbricht und diese traurige Szene aus vier Perspektiven gezeigt wird, ist die künstlerische Ambition des jungen Filmemachers offensichtlich.
Dennoch ist der Debüt-Film nicht gänzlich gelungen und auch wenn mir der erste Akt mit seiner Mischung aus mysteriöser Geschichte, schicken Locations und hübschen Menschen sehr gut gefallen hat, so hat mich der zweite Akt nicht so überzeugt und war mir mit seinen zahlreichen Charakteren auch etwas zu verworren. Die langsame und entrückte Erzählweise ist danach auch nicht so zu vernehmen und wirkt mit seinen überzeichneten Charakteren im direkten Vergleich auch eher experimentell, hysterisch überzeichnet und für Rollin´sche Verhältnisse sogar ungewohnt aggressiv.
Das sah das Publikum bei seinerzeitigem Kinostart wohl ähnlich und ortete in der kryptischen Geschichte eine wütende Metapher auf Unterdrückung und die blutigen Pariser Studenten-Proteste im Mai 1968, die wochenlang das Land lahmlegten und die kulturelle Landschaft Frankreichs maßgeblich veränderten. Der Streifen löste kontroverse Reaktionen aus und es soll während der Vorführungen in den Kinosälen zu Tumult-artigen Szenen gekommen sein, bei denen die Polizei einschreiten musste und in dessen Zuge auch der Regisseur bedroht wurde, der – so erzählt man sich – seine Karriere als Regisseur angesichts der Feindseligkeit sogleich wieder an den Nagel hängen wollte.
Zu unserem Glück ist das ja nicht passiert und Rollin realisierte mit „Die nackten Vampire“, „Le Frisson des Vampire“ und „Requiem für einen Vampir“ in den darauffolgenden Jahren noch drei weiteren Filme mit ähnlicher Thematik, die auch zu den schönsten Werken des Regisseurs zählen. „Die Vergewaltigung des Vampirs“ ist daher nicht nur ein interessantes Erstlingswerk und Rollins einziger Spielfilm in Schwarz-Weiß, sondern bietet bereits seine unverkennbare Handschrift und eine wunderbare Variation klassischer Vampir-Motive, die Cineasten und Genre-Fans friedlich vereinigt und daher auch in keiner Sammlung fehlen sollte. Für den ersten Akt zücke ich locker die volle Punktezahl, während der zweite losgelöst lediglich eine 6/10 erreichen würde. Macht unterm Strich dann dennoch 8/10 Punkten, für ein Werk, das auf ungewöhnliche Art etappenweise realisiert wurde und zum überwiegenden Teil faszinierend ausgefallen ist.
Akt I: Die Vergewaltigung des Vampirs
Der Psychologe Thomas und das befreundete Pärchen Marc und Brigitte erhalten von einem mysteriösen Gutsbesitzer den Auftrag, sich um vier Schwestern zu kümmern, die in einem heruntergekommenen und abgeschiedenen Schloss am Lande leben und sich seltsamerweise für Vampire halten. Doch für Marc scheint es klar, dass Aberglaube und die Ächtung der Dorfbevölkerung dazu geführt hat, dass sich die attraktiven Frauen für Blutsauger halten und versucht dem Ganzen mit Ursachenforschung und moderner Psychoanalyse zu begegnen.
Thomas versucht die jungen Frauen mit Tageslicht und Gottessymbolen zu vertrauen und auch der blinden Frau zu erklären, dass der Sehverlust lediglich psychosomatische Gründe hat. Und tatsächlich gelingt es dem jungen Mann, die Frauen zu überzeugen und das Schloss zu verlassen, wo diese jedoch auf die aufgebrachte Dorfbevölkerung stoßen, die bereits mit Waffen Jagd auf die vermeintlich verfluchten Damen macht. Als auch Brigitte vom wütenden Dorfmob getötet wird, dreht Marc durch und es kommt zur tödlichen Konfrontation….
Akt II: Die Vampir-Frau
Thomas und eine der Schwestern liegen ermordet am Strand, als überraschend die Königin der Vampire mit ihrem vermummten Gefolge erscheint, einen vermeintlicher Komplize ermordet und den Auftrag gibt, alles Zeugen zu beseitigen und die Körper der Leichen so zu entsorgen, dass diese nicht mehr als Vampire weiterleben können. Doch dem Auftrag wird nicht Folge geleistet und durch das Blut des Komplizen erwachen Thomas und der weibliche Vampir zu neuem Leben.
Zur gleichen Zeit führt ein namenloser Arzt im Auftrag der Vampir-Königin ein Krankenhaus und ist auch eigenmächtig damit beschäftigt, ein Heilmittel für Vampire zu erforschen. Thomas ist für die Forschungen der fehlende Schlüssel und mit vereinten Kräften wird tatsächlich ein Heilmittel geschaffen. Als auch Brigittes Leichnam aus der Gruft entführt wird und sich Marc hinter den Vampiren hermacht, kommt es wenig später bei einem Ritual zu einem Aufstand, bei dem sich auch einige der Vampire offen gegen ihre selbstgefällige Königin stellen und die Schreckensherrschaft ein für alle Mal beenden wollen…
Im Jahre 1967 erhielt der Regisseur Jean Rollin, der bis zu diesem Zeitpunkt bereits einige Kurzfilme und Dokumentationen realisiert hatte, von einem französischen Vertrieb das Angebot, einen Prolog zu einem amerikanischen Film zu drehen, der für eine europäische Kino-Auswertung schlicht und ergreifend zu kurz ausgefallen war. Für ein Budget von knapp 200.000, das von französischen und amerikanischen Investoren stammte, sollte der ambitionierte Filmemacher daher eine Art Vor-Film realisieren, der dann vor dem eigentlichen Hauptfilm gezeigt werden sollte.
Irgendwie hat man sich dann offensichtlich dennoch anders entschieden und Rollin bekam die Möglichkeit, mit weiteren 300.000 Franc seinen ersten Spielfilm zu realisieren, der sich um den bereits gedrehten, halbstündigen Film drehen sollte. Herausgekommen ist letztendlich „Le Viol du Vampire“ – ein Vampirfilm in zwei Akten, der sich aus 31minütigen „Die Vergewaltigung des Vampirs „und dem knapp 55 minütigen „Die Vampir-Frau“ zusammensetzt und von echten und unechten, sowie freiwilligen und unfreiwilligen Blutsaugern handelt.
„Le Viol du Vampire“ bietet neben bekannten Gesichtern und Locations dann auch eigentlich alle Elemente, die die Filme des französischen Regisseurs so besonders machen. Weibliche Vampire mit Hang zur Freizügigkeit, nackten Menschen, die durch menschenleere Strände irren und eine Erzählweise, die wohl nicht gerade als geradlinig zu beschreiben sind. Surrealistische Momente wechseln mit wunderbaren Bildern und wenn die zauberhafte Brigitte in einem Acker erschöpft zusammenbricht und diese traurige Szene aus vier Perspektiven gezeigt wird, ist die künstlerische Ambition des jungen Filmemachers offensichtlich.
Dennoch ist der Debüt-Film nicht gänzlich gelungen und auch wenn mir der erste Akt mit seiner Mischung aus mysteriöser Geschichte, schicken Locations und hübschen Menschen sehr gut gefallen hat, so hat mich der zweite Akt nicht so überzeugt und war mir mit seinen zahlreichen Charakteren auch etwas zu verworren. Die langsame und entrückte Erzählweise ist danach auch nicht so zu vernehmen und wirkt mit seinen überzeichneten Charakteren im direkten Vergleich auch eher experimentell, hysterisch überzeichnet und für Rollin´sche Verhältnisse sogar ungewohnt aggressiv.
Das sah das Publikum bei seinerzeitigem Kinostart wohl ähnlich und ortete in der kryptischen Geschichte eine wütende Metapher auf Unterdrückung und die blutigen Pariser Studenten-Proteste im Mai 1968, die wochenlang das Land lahmlegten und die kulturelle Landschaft Frankreichs maßgeblich veränderten. Der Streifen löste kontroverse Reaktionen aus und es soll während der Vorführungen in den Kinosälen zu Tumult-artigen Szenen gekommen sein, bei denen die Polizei einschreiten musste und in dessen Zuge auch der Regisseur bedroht wurde, der – so erzählt man sich – seine Karriere als Regisseur angesichts der Feindseligkeit sogleich wieder an den Nagel hängen wollte.
Zu unserem Glück ist das ja nicht passiert und Rollin realisierte mit „Die nackten Vampire“, „Le Frisson des Vampire“ und „Requiem für einen Vampir“ in den darauffolgenden Jahren noch drei weiteren Filme mit ähnlicher Thematik, die auch zu den schönsten Werken des Regisseurs zählen. „Die Vergewaltigung des Vampirs“ ist daher nicht nur ein interessantes Erstlingswerk und Rollins einziger Spielfilm in Schwarz-Weiß, sondern bietet bereits seine unverkennbare Handschrift und eine wunderbare Variation klassischer Vampir-Motive, die Cineasten und Genre-Fans friedlich vereinigt und daher auch in keiner Sammlung fehlen sollte. Für den ersten Akt zücke ich locker die volle Punktezahl, während der zweite losgelöst lediglich eine 6/10 erreichen würde. Macht unterm Strich dann dennoch 8/10 Punkten, für ein Werk, das auf ungewöhnliche Art etappenweise realisiert wurde und zum überwiegenden Teil faszinierend ausgefallen ist.
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- CamperVan.Helsing
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Re: Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin
Hm, so richtig warm wurde ich mit "Viol" nicht, und die Musik fand ich nervig. War zwar OK, aber ich würde doch jeden anderen Rollin vorziehen.
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Re: Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin
nur 2 (!) Akte? Da fehlen doch noch ein paar, oder? Früher sollten das mal 5 sein, da bin ich mir sicher
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
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- CamperVan.Helsing
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Re: Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin
Könnte schon sein, dass da mehr als 2 Nacktszenen drin sind , aber der Film ist schon sehr zweigeteilt...purgatorio hat geschrieben: nur 2 (!) Akte? Da fehlen doch noch ein paar, oder? Früher sollten das mal 5 sein, da bin ich mir sicher
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- Salvatore Baccaro
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Re: Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin
In der Buchfassung von Diedrich Diederichsens 2015 gehaltenen Frankfurter Adorno-Vorlesungen bin ich doch tatsächlich über eine völlig unverhoffte Jean-Rollin-Referenz gestolpert.
Das dünne Büchlein enthält zwar einige interessante Denkansätze z.B. bzgl. eines Versuch, die Adorno'sche und Horkheimer'sche "Kulturindustrie" ins nachpopuläre Zeitalter fortzudenken, im Großen und Ganzen kann man die 150 Seiten in ein paar hundert Jahren aber wohl als symptomatisches Beispiel eines wissenschaftlichen Schreibens ins Museum stellen, das sich derart in seinen eigenen Elfenbeinturm aus Fachtermini und kruden Satzgebäuden zurückgezogen hat, dass a) jeder mit den abertausenden Querbezügen und Theorien nicht vertrauter Laie größtenteils nur "Bahnhof" versteht, und b) selbst jemand, auf den dieses Kriterium zutrifft, eigentlich nach jedem vierten Absatz zur Erholung erst einmal eine Rollin-Retrospektive bräuchte...
Mit Diederichsens Urteil bzgl. Rollin stimme ich freilich auch nur so halb überein, trotzdem, anzurechnen ist es dem guten Mann dann wohl doch, dass er seinen Namen in einem solchen Kontext überhaupt fallenlässt, und dann auch noch in quasi "aufwertender" Absicht, (die - eine Seltenheit in diesem Werk! - auch noch vergleichsweise pointiert und luzide rüberkommt):
„In den 1950er und 60er Jahren lässt sich nicht nur beobachten, wie die Kulturindustrien einander unter neuen Medienbedingungen ablösen, sondern auch, wie sie sich, obwohl ja schon zum niederen arbeitsteilig-massenproduzierenden Teil der Kultur gehörig, noch einmal in ein hohes und ein niederes Segment aufteilen: in Big Industry und Klitsche – wobei Erstere auf universelle Verwertung (vom James-Bond-Film bis zum Beatles-Album) ausgerichtet ist, während Letztere sich, um ihre strukturellen Nachteile in Produktion und Distribution zu kompensieren, auf einen einzelnen Produktvorteil kapriziert. Meist basiert dieser auf plakativ-sensationellen B[egehrens]- und P[ersonalpräsenz]-Effekten entlang der jeweiligen Tabugrenzen von Sex und Gewalt sowie der findigen Bewirtschaftung je aktueller Moden und Sujets. Seit sich – wie zuerst im Kino, bald jedoch auch in der Musik- und Broadcasting-Industrie- oligopolitische Strukturen herausgebildet haben, also sogenannte Majors den globalen Markt beherrschen, produzieren die Kleinen mit Vorliebe das Sexuelle und Brachiale, das sich in den ebenso typischen wie klassischen Filmtiteln à la Two Thousand Maniacs! – She-Devils On Wheels – Faster Pussycat! Kill! Kill! Oder Beneath the Valley of the Ultra-Vixens humorvoll mitteilt. Dass in solchen weitgehend regellos um Sensationen und rührende Zaubertricks mit Blut und nackten Körpern herumgebauten Eintagsfliegen eben deshalb auch viele neue Einfälle und plot-indifferente Effektverknüpfungen möglich werden, wissen zunächst nur junge Nachwuchsregisseure der Generation f[ree] p[erson], die hier – so wie Brian de Palama oder Martin Scorsese in der Trash-Fabrik von Roger Corman – ihr Handwerk lernen. Ab Mitte der 1980er erinnern sich dann auch eine inzwischen professionellere und (auto)reflexivere zweite und dritte Gegenkulturgeneration daran.
Dabei fällt auf, dass die B- und C-Filmproduktion zwischen 1950 und 1980 in Europa einen etwas anderen Verlauf nahm, insbesondere in Frankreich und Italien. Kürzlich hörte ich eine Platte des französischen Free-Jazzers Francois Tusques mit dem Titel La Reine des Vampires 1967, die Soundtrack-Aufnahmen zu dem Film Les Femmes Vampires enthält. Sind Vampire in den allerletzten Jahren (von den Vampire Diaries bis zu True Blood) wieder zum großen kulturindustriellen Populärthema geworden, das effektive Bilder von zerfleischten, zerrissenen und gepfählten Körpern mit den ebenso effektiven von erregten, lüsternen oder romantisch schmachtenden zu kreuzen erlaubt, so sind die Vampire, die um 1968 Jean Rollins Filme bevölkern, noch unmittelbar surrealistisch inspiriert. War Rollin, der damals im seedy underground zwischen Softporno und Avantgarde operierte (und später unter Pseudonym auch Hardcorefilme drehte), doch bis zu dessen Tod mit Georges Bataille befreundet, den er durch seine Eltern kannte. Lange vor der 1980er-Durchsetzung der Erkenntnis, dass man der Kulturindustrie auf dem Weg nach unten nachhaltiger entkommen kann als durch Ambition und Prätention, interessierte er sich für eine Wiederbelebung des Cinema of Attractions und anderer präkulturindustrieller Populärkultur im Trash-Modus: Seine Vampir-Softpornos will er an den Serials von Louis Feuillade orientieren. Das klappt nicht immer, zeigt jedoch, wes Geistes Kind er ist.
Für den Soundtrack gewinnt Rollin nun tatsächlich Francois Tusques, der als einer der ersten Franzosen die vielleicht wichtigste Lektion des amerikanischen Free Jazz verstanden und umgesetzt hat; dass nämlich der atonale afroamerikanische Jazz nicht primär nach der Logik avantgardistischen Voranschreitens zu verstehen sei, weshalb auch von der europäischen Avantgarde entlehnte Kategorien wie ,Emanzipation der Dissonanz‘ oder ,Atonalität‘ hier fehl am Platz seien, sondern dass es stattdessen – wie vom schon erwähnten John-Coltrane-Biographen Ben Ratliff nachdrücklich herausgestellt – um Idee und Praxis eines maximal inklusiven Musizierens füreinander gehe, eines Musizierens, das weniger der Aufführung von Werken oder der Performances für andere diene als der Herstellung einer vibrierenden Situation wechselseitiger Ansteckung und Beobachtung, eines Zugleichs von maximaler Inklusion (natürlich nicht in einem quantitativen, sondern in einem qualitativen Sinne) und nahezu gottesdienstartiger Abgeschlossenheit. Dass Ratliff diese Coltrane-Konzeption als ,Sound‘ bezeichnet, unterstreicht einmal mehr die oben beschriebene Nähe zwischen musikalischem Minimalismus und Free Jazz im New York der mittleren 1960er Jahre: Sound ist für die Minimalisten ja das, worin man sich hineinbegibt. Hier ist also nicht eine äußere Welt, in der man sich spiegelt – wie die, nach der die Künstler suchen, die sich selbst als Index-Effekt in Warhol-Filmen gesehen haben -, sondern eine, die erst dadurch entsteht, dass man sich im selben, selbstverursachten Vibrationsraum aufhält.
Davon inspiriert, versucht Tusques nun, diese inkludierende Free-Jazz-Praxis im Frankreich vor der Mai-Revolte zu implementieren, etwa in grenzüberschreitenden Projekten – er selbst nennt sie ,interkommunal‘. Das führt unter anderem zu einer Kollaboration mit der linksradikalen Folk-Sängerin Colette Magny. Das Filmprojekt von Rollin, mit welchem er befreundet ist, wirkt vom Free Jazz zunächst mindestens ebenso weit entfernt. Und so scheint auch sein Soundtrack erst einmal nichts mit dem billig gedrehten, aber ambitionierten Horror-Surrealismus des Films zu tun zu haben. Indes zerstreut sich dieser Eindruck in dem Maße, wie man wahrnimmt, dass beide eine für die Zeit schon ziemlich ausdifferenzierte Haltung zu einer Ästhetik der Beschleunigung, des Effekts und der singulären Spuren von Personen aufweisen. Im Gegenteil erweist sich so ausgerechnet an einem europäischen Sexploitation-Film und seinem Soundtrack schon früh die Möglichkeit, aus den nominell kunstfremden und von fiktionaler Narration und künstlerischer Architektur auch real kaum moderierten Mitteln des Effektes, des Index und des Fetisch eigenkünstlerische Welten, wenn man so will, gar eine eigene Ästhetik aufzubauen und auszudifferenzieren. Denn so fremd die Komponenten nebeneinander anfangs wirken, können sie aufgrund ihrer gemeinsamen Matrix doch ohne weiteres zusammen funktionieren – auch und gerade quer zum damals noch hegemonialen System aus medienspezifischer Hochkunst und fiktional-narrativer Kulturindustrie.
Dabei liegt die besondere Leistung dieses Zusammenwirkens tatsächlich darin, zwei divergierende Interpretationen von Index- und Realverursachungs-Effekten zusammenzuführen: zum einen das Verharren in der Kontinuität des Verursachens – hier konkret der Praxis, sich von den fortwährenden Wirkungen des eigenen kollektiven Musizierens auszusetzen; und zum anderen den Schock – hier verursacht durch den Horror- und Verletzungseinsatz des indexikalischen Bildes und der entsetzten, erschrockenen Stimme. So legt ausgerechnet das Zusammentreffen des feierlichen, ja quasi-religiösen Free-Jazz-Formats mit einer Trash-Ästhetik der Drastik und Verletzung frei, wie sehr beide mit demselben medientechnologischen Einschnitt fertigzuwerden versuchen, mögen ihre Rahmenerzählungen auch noch so konträr sein. Was bei Warhol noch über die Polarität von Sadismus und Masochismus zu einer homogenen Kunstwelt integrierbar war, muss hier – nach nur wenigen Jahren der Ausdifferenzierung und des Kontraktes zu sozialen und politischen Bewegungen – durch externe Kunstgriffe wieder zusammengeführt werden, ist dann aber auch in voller Heterogenität zu zelebrieren und zu genießen, als geradezu manichäischer Antagonismus."
(Diedrich Diederichsen, Körpertreffer. Zur Ästhetik der nachpopulären Künste, Frankfurt a.M. 2017, S.88-92.)
Das dünne Büchlein enthält zwar einige interessante Denkansätze z.B. bzgl. eines Versuch, die Adorno'sche und Horkheimer'sche "Kulturindustrie" ins nachpopuläre Zeitalter fortzudenken, im Großen und Ganzen kann man die 150 Seiten in ein paar hundert Jahren aber wohl als symptomatisches Beispiel eines wissenschaftlichen Schreibens ins Museum stellen, das sich derart in seinen eigenen Elfenbeinturm aus Fachtermini und kruden Satzgebäuden zurückgezogen hat, dass a) jeder mit den abertausenden Querbezügen und Theorien nicht vertrauter Laie größtenteils nur "Bahnhof" versteht, und b) selbst jemand, auf den dieses Kriterium zutrifft, eigentlich nach jedem vierten Absatz zur Erholung erst einmal eine Rollin-Retrospektive bräuchte...
Mit Diederichsens Urteil bzgl. Rollin stimme ich freilich auch nur so halb überein, trotzdem, anzurechnen ist es dem guten Mann dann wohl doch, dass er seinen Namen in einem solchen Kontext überhaupt fallenlässt, und dann auch noch in quasi "aufwertender" Absicht, (die - eine Seltenheit in diesem Werk! - auch noch vergleichsweise pointiert und luzide rüberkommt):
„In den 1950er und 60er Jahren lässt sich nicht nur beobachten, wie die Kulturindustrien einander unter neuen Medienbedingungen ablösen, sondern auch, wie sie sich, obwohl ja schon zum niederen arbeitsteilig-massenproduzierenden Teil der Kultur gehörig, noch einmal in ein hohes und ein niederes Segment aufteilen: in Big Industry und Klitsche – wobei Erstere auf universelle Verwertung (vom James-Bond-Film bis zum Beatles-Album) ausgerichtet ist, während Letztere sich, um ihre strukturellen Nachteile in Produktion und Distribution zu kompensieren, auf einen einzelnen Produktvorteil kapriziert. Meist basiert dieser auf plakativ-sensationellen B[egehrens]- und P[ersonalpräsenz]-Effekten entlang der jeweiligen Tabugrenzen von Sex und Gewalt sowie der findigen Bewirtschaftung je aktueller Moden und Sujets. Seit sich – wie zuerst im Kino, bald jedoch auch in der Musik- und Broadcasting-Industrie- oligopolitische Strukturen herausgebildet haben, also sogenannte Majors den globalen Markt beherrschen, produzieren die Kleinen mit Vorliebe das Sexuelle und Brachiale, das sich in den ebenso typischen wie klassischen Filmtiteln à la Two Thousand Maniacs! – She-Devils On Wheels – Faster Pussycat! Kill! Kill! Oder Beneath the Valley of the Ultra-Vixens humorvoll mitteilt. Dass in solchen weitgehend regellos um Sensationen und rührende Zaubertricks mit Blut und nackten Körpern herumgebauten Eintagsfliegen eben deshalb auch viele neue Einfälle und plot-indifferente Effektverknüpfungen möglich werden, wissen zunächst nur junge Nachwuchsregisseure der Generation f[ree] p[erson], die hier – so wie Brian de Palama oder Martin Scorsese in der Trash-Fabrik von Roger Corman – ihr Handwerk lernen. Ab Mitte der 1980er erinnern sich dann auch eine inzwischen professionellere und (auto)reflexivere zweite und dritte Gegenkulturgeneration daran.
Dabei fällt auf, dass die B- und C-Filmproduktion zwischen 1950 und 1980 in Europa einen etwas anderen Verlauf nahm, insbesondere in Frankreich und Italien. Kürzlich hörte ich eine Platte des französischen Free-Jazzers Francois Tusques mit dem Titel La Reine des Vampires 1967, die Soundtrack-Aufnahmen zu dem Film Les Femmes Vampires enthält. Sind Vampire in den allerletzten Jahren (von den Vampire Diaries bis zu True Blood) wieder zum großen kulturindustriellen Populärthema geworden, das effektive Bilder von zerfleischten, zerrissenen und gepfählten Körpern mit den ebenso effektiven von erregten, lüsternen oder romantisch schmachtenden zu kreuzen erlaubt, so sind die Vampire, die um 1968 Jean Rollins Filme bevölkern, noch unmittelbar surrealistisch inspiriert. War Rollin, der damals im seedy underground zwischen Softporno und Avantgarde operierte (und später unter Pseudonym auch Hardcorefilme drehte), doch bis zu dessen Tod mit Georges Bataille befreundet, den er durch seine Eltern kannte. Lange vor der 1980er-Durchsetzung der Erkenntnis, dass man der Kulturindustrie auf dem Weg nach unten nachhaltiger entkommen kann als durch Ambition und Prätention, interessierte er sich für eine Wiederbelebung des Cinema of Attractions und anderer präkulturindustrieller Populärkultur im Trash-Modus: Seine Vampir-Softpornos will er an den Serials von Louis Feuillade orientieren. Das klappt nicht immer, zeigt jedoch, wes Geistes Kind er ist.
Für den Soundtrack gewinnt Rollin nun tatsächlich Francois Tusques, der als einer der ersten Franzosen die vielleicht wichtigste Lektion des amerikanischen Free Jazz verstanden und umgesetzt hat; dass nämlich der atonale afroamerikanische Jazz nicht primär nach der Logik avantgardistischen Voranschreitens zu verstehen sei, weshalb auch von der europäischen Avantgarde entlehnte Kategorien wie ,Emanzipation der Dissonanz‘ oder ,Atonalität‘ hier fehl am Platz seien, sondern dass es stattdessen – wie vom schon erwähnten John-Coltrane-Biographen Ben Ratliff nachdrücklich herausgestellt – um Idee und Praxis eines maximal inklusiven Musizierens füreinander gehe, eines Musizierens, das weniger der Aufführung von Werken oder der Performances für andere diene als der Herstellung einer vibrierenden Situation wechselseitiger Ansteckung und Beobachtung, eines Zugleichs von maximaler Inklusion (natürlich nicht in einem quantitativen, sondern in einem qualitativen Sinne) und nahezu gottesdienstartiger Abgeschlossenheit. Dass Ratliff diese Coltrane-Konzeption als ,Sound‘ bezeichnet, unterstreicht einmal mehr die oben beschriebene Nähe zwischen musikalischem Minimalismus und Free Jazz im New York der mittleren 1960er Jahre: Sound ist für die Minimalisten ja das, worin man sich hineinbegibt. Hier ist also nicht eine äußere Welt, in der man sich spiegelt – wie die, nach der die Künstler suchen, die sich selbst als Index-Effekt in Warhol-Filmen gesehen haben -, sondern eine, die erst dadurch entsteht, dass man sich im selben, selbstverursachten Vibrationsraum aufhält.
Davon inspiriert, versucht Tusques nun, diese inkludierende Free-Jazz-Praxis im Frankreich vor der Mai-Revolte zu implementieren, etwa in grenzüberschreitenden Projekten – er selbst nennt sie ,interkommunal‘. Das führt unter anderem zu einer Kollaboration mit der linksradikalen Folk-Sängerin Colette Magny. Das Filmprojekt von Rollin, mit welchem er befreundet ist, wirkt vom Free Jazz zunächst mindestens ebenso weit entfernt. Und so scheint auch sein Soundtrack erst einmal nichts mit dem billig gedrehten, aber ambitionierten Horror-Surrealismus des Films zu tun zu haben. Indes zerstreut sich dieser Eindruck in dem Maße, wie man wahrnimmt, dass beide eine für die Zeit schon ziemlich ausdifferenzierte Haltung zu einer Ästhetik der Beschleunigung, des Effekts und der singulären Spuren von Personen aufweisen. Im Gegenteil erweist sich so ausgerechnet an einem europäischen Sexploitation-Film und seinem Soundtrack schon früh die Möglichkeit, aus den nominell kunstfremden und von fiktionaler Narration und künstlerischer Architektur auch real kaum moderierten Mitteln des Effektes, des Index und des Fetisch eigenkünstlerische Welten, wenn man so will, gar eine eigene Ästhetik aufzubauen und auszudifferenzieren. Denn so fremd die Komponenten nebeneinander anfangs wirken, können sie aufgrund ihrer gemeinsamen Matrix doch ohne weiteres zusammen funktionieren – auch und gerade quer zum damals noch hegemonialen System aus medienspezifischer Hochkunst und fiktional-narrativer Kulturindustrie.
Dabei liegt die besondere Leistung dieses Zusammenwirkens tatsächlich darin, zwei divergierende Interpretationen von Index- und Realverursachungs-Effekten zusammenzuführen: zum einen das Verharren in der Kontinuität des Verursachens – hier konkret der Praxis, sich von den fortwährenden Wirkungen des eigenen kollektiven Musizierens auszusetzen; und zum anderen den Schock – hier verursacht durch den Horror- und Verletzungseinsatz des indexikalischen Bildes und der entsetzten, erschrockenen Stimme. So legt ausgerechnet das Zusammentreffen des feierlichen, ja quasi-religiösen Free-Jazz-Formats mit einer Trash-Ästhetik der Drastik und Verletzung frei, wie sehr beide mit demselben medientechnologischen Einschnitt fertigzuwerden versuchen, mögen ihre Rahmenerzählungen auch noch so konträr sein. Was bei Warhol noch über die Polarität von Sadismus und Masochismus zu einer homogenen Kunstwelt integrierbar war, muss hier – nach nur wenigen Jahren der Ausdifferenzierung und des Kontraktes zu sozialen und politischen Bewegungen – durch externe Kunstgriffe wieder zusammengeführt werden, ist dann aber auch in voller Heterogenität zu zelebrieren und zu genießen, als geradezu manichäischer Antagonismus."
(Diedrich Diederichsen, Körpertreffer. Zur Ästhetik der nachpopulären Künste, Frankfurt a.M. 2017, S.88-92.)
Re: Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin
Interessanter Text. Ich finde es sehr schön, dass dieser den Exploitationfilm und den Jazz miteinander verbindet. Diese Verbindung sehe ich z.B. sehr deutlich bei Jess Franco, der ja auch großer Jazz-Fan und -Musiker war und dessen Filme für mich auch immer neue Variationen/Improvisationen seiner Lieblingsthemen sind.
Früher war mehr Lametta
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Re: Die Vergewaltigung des Vampirs – Jean Rollin
An Franco musste ich tatsächlich auch denken. Dessen Verbindung zum Jazz bzw. des Jazz zu ihm hattest Du ja in der Einführung von "Lolita am Scheideweg" seinerzeit in Nürnberg schon sehr überzeugend dargelegt...