Douce pénétrations
Frankreich 1976
Regie: Jean Rollin
Tania Busselier, Martine Grimaud, Charlie Schreiner, John Oury, Jean Solesme, Jocelyne Clairis, Badia Magin, Victor Samama, Catherine Castel, Marie-Pierre Castel, Jean-Pierre Bouyxou, Jean-Paul Bride, Jean Clairis, Francois Gharsi, Eva Khris, Eva Kwang, Jean Rollin
OFDB
Martine versucht einen erotischen Roman zu schreiben. Um sich in Stimmung zu bringen bezieht sie ein Haus auf dem Lande und erklärt anreisenden Touristen per Schild, dass das eigentliche Hotel des Ortes zurzeit geschlossen ist, eine Filiale aber 500 Meter in Pfeilrichtung zur Verfügung steht. Die Gäste, die dann auch in Scharen eintrudeln, werden von Martine beobachtet, gezeichnet, und im Kopf entsteht nach und nach die zu erzählende Geschichte, während im tatsächlichen Hotel der Empfangschef und der Koch (Regisseur Jean Rollin selber) verzweifeln, weil kein einziger Gast mehr kommt.
So in etwa jedenfalls geht die Storyline, mit freundlicher Unterstützung der EGAFD-Datenbank. Die Texte, die im Kopf Marines entstehen, sind zusammen mit den Bildern von vögelnden Pärchen dabei sicher das Element, das dem Film seine Würze gibt. Dummerweise bin ich des Französischen nicht mächtig, somit bleiben mir die Inhalte dieser Texte und ihre Wirkung auf die dabei gezeigten Bilder wahrscheinlich auf ewig verborgen.
DOUCES PÉNÉTRATIONS hat ausgesprochen wenig Handlung: Die ersten Gäste kommen, werden von Martine zum Ausziehen überredet, vögeln, und die nächsten Gäste werden sofort inspiriert ebenfalls in die Kiste zu hüpfen. Der Partner hat keine Lust mehr? Wurscht, da laufen gerade auch noch genügend andere herum, und alle alle haben unendlich Lust und Spaß am Sex. Auffällig ist dabei, dass es zu keinerlei Erniedrigungen kommt, keine schmerzhaften Praktiken ausgeübt werden (Das mit dem Mais ist merkwürdig, aber sexy!), kein einziger Tropfen Sperma vergossen wird, und auf haarige Inserts wartet man hier ebenfalls vergebens. Im Gegenteil wirken die Szenen lange Zeit fast wie aus einem Softcore-Film - Sex wird hier entschieden als etwas Schönes und Angenehmes empfunden, weswegen dann am Ende des Films auch alle Beteiligten in die Kamera winken und sich ganz arg freuen.
Eine bourgeoise Sex-Fantasie mit gialloesker Musik? Der Traum eines untervögelten Mannes in der Post-Hippie-Kultur der 70er? Vielleicht, mag sein, aber DOUCES PÉNÉTRATIONS erzeugt dabei vor allem einen ungeheuren Charme, der die ausgesprochen ärmlich ausgestatteten Bilder und die oft fehlende Erotik neben der gelungenen Musik mit etwas ausfüllt, das ich mal „Zuneigung zu einer bestimmten Stimmung“ nennen möchte. Genauso wie in Klaus Lemkes LIEBE, SO SCHÖN WIE LIEBE am Ende alle einfach zusammen leben und eine gleichwertige Gemeinschaft bilden, genauso ist es auch hier. Man isst, man trinkt, man hat Sex, und mehr als nur eine Brise Gleichheit und Brüderlichkeit ziehen durch die Geschichte und lassen erahnen, was damals, in den Zeiten der sogenannten Freien Liebe, ursprünglich mal angedacht war (und damit meine ich nicht das was daraus geworden ist, sondern wirklich die Grundidee, die dem Besitzdenken eine Abfuhr erteilen wollte!). Rollin huldigt Idealen, die zur Zeit der Entstehung des Films, also 1975/76, schon lange vergessen und überholt waren zugunsten eines immer stärker werdenden Ich-Hungers. Und so bleibt man hinterher alleine vor dem Bildschirm zurück, möchte am liebsten zurückwinken, noch viel lieber einer der winkenden Menschen sein, zurückgehen in das kleine Haus, sich ausziehen und einfach weitermachen. Sorgen? Probleme? Krieg? Hunger? Gibt es hier alles nicht. Es geht darum, gemeinsam eine richtig gute Zeit zu haben. Selbst die Castel-Zwillinge schaffen das irgendwann, wenngleich es auch einige Zeit mit drolligen Szenen braucht.
DOUCES PÉNÉTRATIONS hat trotz der oft etwas mangelnden Erotik (oder vielleicht gerade deswegen?) eine sehr starke Wohlfühlstimmung in die man sich hervorragend hineinfallen lassen kann, und eine Veröffentlichung mit verständlichen Untertiteln und einem guten Bild dürfte ihn nochmal ein gutes Stück aufwerten. Ein Mittelding aus einem verhindertem Rammelfilm und Rollin-Poesie mit einem guten Stück Freiheitsträumerei.
5/10