Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico (1974)

Moderator: jogiwan

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Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico (1974)

Beitrag von buxtebrawler »

Un_nuage_entre_les_dents.jpg
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Originaltitel: Un nuage entre les dents

Herstellungsland: Frankreich / 1974

Regie: Marco Pico

Darsteller: Philippe Noiret, Pierre Richard, Claude Piéplu, Jacques Denis, Michel Peyrelon, Marc Dudicourt, Gabriel Jabbour, Pierre Olaf, Michel Fortin, Francis Lemaire, Roger Riffard, Jacques Rosny u. A.
Der Reporter Malisard (Philippe Noiret) und der Pressefotograf Prevot (Pierre Richard) arbeiten für das Pariser Boulevardblatt "Le Soir de Paris" und sind ständig auf der Suche nach einer Topstory. Eines Tages will Prevot seine beiden Söhne von der Schule abholen und verliert diese unterwegs. Malisard und er glauben, dass die beiden Opfer einer Entführung geworden sind und heften sich an die Spur von zwei vermutlichen Kidnappern, von denen Phantombilder angefertigt werden konnten. Sie merken allerdings nicht, dass sie nun auf der Jagd nach sich selbst sind...
Quelle: www.ofdb.de

Französische Komödie mit einem brillanten Pierre Richard, die stellenweise hektisch wie ein De-Funés-Film wirkt und neben allerlei Slapstick, Situationskomik und herrlich schrulligen Charakteren die Boulevard-Medienlandschaft kräftig aufs Korn nimmt und karikiert. Wann kommt der endlich auf DVD?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico

Beitrag von buxtebrawler »

„Respektiere den Leser!“

In Frankreich wurden im Jahre 1974 gleich vier Komödien mit Parade-Tollpatsch Pierre Richard in der Hauptrolle veröffentlicht. Nach „Der große Blonde mit dem blauen Auge“ erschien im Mai ’74 „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ unter der Regie Marco Picos, der zusammen mit Edgar De Bresson auch das Drehbuch verfasste. Es handelt sich um sein Regie-Debüt, fortan trat er in erster Linie als TV-Film- und -Serien-Regisseur in Erscheinung.

Die Pariser Zeitungsreporter Malisard (Philippe Noiret, „Der Saustall“) und Prevot (Pierre Richard, „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“), „Die Cowboys“ genannt, sind angestellt beim Revolverblatt „Le Soir de Paris“ und jagen einer heißen Story nach der anderen hinterher. In der allgemeinen Hektik verliert Prevot eines Tages seine beiden kleinen Söhne, die er von der Schule abgeholt hatte. Die Zeitung bauscht die Angelegenheit zu einer Entführungsgeschichte auf. Auch die beiden Journalisten glauben, dass die Kinder Opfer von Kidnappern wurden und suchen verzweifelt in ganz Paris nach den Entführern. Was sie jedoch nicht ahnen: Sie selbst wurden dabei beobachtet, vor der Schule auf die Kinder gewartet zu haben und sie sind es auch, deren Phantombilder in der Zeitung abgedruckt wurden…

„Eine Wolke zwischen den Zähnen“ ist ein relativ unbekannter Pierre-Richard-Film, aber meines Erachtens ein hochinteressanter. Er beginnt mit der Realität entrückt scheinendem Gequatsche beider Protagonisten über unterschiedliche Wolkenformen, bis sie in ihrer Eigenschaft als Reporter jäh aus ihrem Gespräch gerissen und zu einem Unglück gerufen werden. Nein, „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ präsentiert Paris nicht als sonnendurchfluteten, schönen, lebenswerten Ort, sondern zeichnet es in tristen Farben und herbstlicher Stimmung als chaotische Großstadtvoll voll hektischem, wuseligem Treiben und einer Vielzahl an notwendigen Polizeieinsätzen. Da stürzt ein Haus bei Bauarbeiten in sich zusammen, Bauarbeiter werden verschüttet, da explodiert Gas in einem Wohnblock… und der Film zeigt realistische Bilder Schwerverletzter. Unglück und Tod scheinen allgegenwärtig. Der Zuschauer bekommt Einblicke in den hektischen Alltag des Arbeitslebens. Es wird viel getrunken, viel geraucht – und niemand kann es verdenken.

„Die Cowboys“ betreiben Sensationsjournalismus für ihren Brötchengeber und heizen damit die aufgeladene Atmosphäre zusätzlich an. Sie sind totale Rowdys im Straßenverkehr. Prevot ist ein schusseliger Choleriker, der permanent vor Autos rennt und makabrerweise seine Kinder mit zu Unglücken nimmt. Cholerisch ist auch sein Chef, der die vermeintliche Kindsentführung zwecks Auflagensteigerung in seiner Zeitung ausschlachtet. Schon bald wird das völlig aus der Luft gegriffene Thema gar zu Lustmorden hochstilisiert, denn Sexualverbrechen erhöhen die Auflage nochmals. Kommt es zu tatsächlich Berichtenswertem bei treu ergebenen, vermögenden Anzeigenkunden oder wohlgesinnten Staatsbeamten, wird sich in Selbstzensur geübt, schließlich solle „der Leser beim Zeitunglesen seine Sorgen vergessen!“ Der Zuschauer indes erfährt schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt, dass die Kinder wohlauf und in Sicherheit sind, woraufhin er mehr weiß als das Reporter-Duo. An dieser Stelle muss sich Pico den Vorwurf gefallen lassen, dramaturgisch unklug vorgegangen zu sein, indem er aus dem unklaren Verbleib der Kinder keinerlei Spannung mehr bezieht.

Doch sein Film verfügt über eine ungewöhnliche Ambivalenz: Während er auf der einen Seite hektisch wie ein De-Funés-Film wirkt und trotz seines grimmigen, irgendwie wütenden Sujets auf Slapstick, Situationskomik und herrlich schrullige Charaktere setzt, verfügt er andererseits auch über eine gewisse melancholische Note. Das beginnt bereits beim wörtlich übersetzten, irgendwie verträumt wirkenden Titel und setzt sich fort in angegrauten Bildern eines wenig erstrebenswerten Lebensentwurfs, die dazu einladen, einfach im Bett zu bleiben und zu entspannen, dem Treiben dabei mit sicherem Abstand passiv beizuwohnen. Der weitestgehende Verzicht auf Filmmusik trägt seinen Teil dazu bei und vertraut voll auf die Kraft der Bilder.

Sein Hauptaugenmerk richtet „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ natürlich darauf, die Boulevard-Medienlandschaft kräftig aufs Korn zu nehmen und zu karikieren, was ihn zusätzlich kantig und unbequem macht. Übertreibung, die so übertrieben gar nicht ist, veranschaulicht hier, wie „Bild“ und Konsorten ihre journalistisch höchst fragwürdigen Erzeugnisse verbreiten. Prevots und Malisards Odyssee durch den Großstadtdschungel liefert zudem viele bereits genannte urbane Eindrücke, die sogar mit ausgiebig gezeigten Recherchen im Varieté-Show-Bereich einhergehen und das Pariser Nachtleben beleuchten. Neu an diesem Vertreter der Pierre-Richard-Komödie war neben der ernsten Note zudem, dass mit dem faltengesichtigen, brummeligen Philippe Noiret Richard erstmals ein starker männlicher Charakter zur Seite stand, woraus ein wechselwirkendes, ungleiches Duo entstand – wie es später mit Gérard Depardieu an Richard Seite in Filmen wie „Der Hornochse und sein Zugpferd“ oder „Die Flüchtigen“ zu großer Popularität gelangte.

Neben der bereits erwähnten wenig nachvollziehbaren Entscheidung in Sachen Dramaturgie kann man dem Film vielleicht noch attestieren, letztlich dann doch ein wenig zu selten zum lauthalsen Mitlachen eingeladen zu haben. Dass er mit einer wahren Schimpfkanonade schließt, ist jedoch wiederum konsequent und passt zu diesem wagemutigen stilistischen und inhaltlichen Gebräu, das meines Erachtens zu Unrecht ein Schattendasein im Œuvre Richards fristet.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico

Beitrag von Onkel Joe »

Ich hoffe wir sind bald durch mit dem ganzen Richard zeugs... :|
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Re: Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico

Beitrag von buxtebrawler »

Onkel Joe hat geschrieben:Ich hoffe wir sind bald durch mit dem ganzen Richard zeugs... :|
Nee, der Großteil folgt noch. Wenn's dich nicht interessiert, brauchste's ja nicht zu lesen. :winke:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico

Beitrag von Onkel Joe »

buxtebrawler hat geschrieben:
Onkel Joe hat geschrieben:Ich hoffe wir sind bald durch mit dem ganzen Richard zeugs... :|
Nee, der Großteil folgt noch. Wenn's dich nicht interessiert, brauchste's ja nicht zu lesen. :winke:
Der Großteil folgt noch :palm:, Oh mein Gott.Es muss doch aber einen geben der dir nicht gefällt??
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Re: Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico

Beitrag von buxtebrawler »

Onkel Joe hat geschrieben:Der Großteil folgt noch :palm:, Oh mein Gott.Es muss doch aber einen geben der dir nicht gefällt??
:P

Mir ist bisher noch keiner untergekommen, dem ich weniger als 6/10 gegeben hätte, aber viele hab ich noch gar nicht gesehen. Die liegen hier und harren einer Sichtung.
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Re: Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico

Beitrag von Bonpensiero »

Es gibt auch keine schlechten Richard-Flics, Onkel. Daher: "Go, buxte, go." :lol:
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Re: Eine Wolke zwischen den Zähnen - Marco Pico (1974)

Beitrag von buxtebrawler »

buxtebrawler hat geschrieben: Fr 31. Dez 2010, 03:51 Wann kommt der endlich auf DVD?
Erscheint voraussichtlich am 13.07.2023 bei EuroVideo innerhalb der "Pierre Richard Edition 2"-4-DVD-Box:

Bild

Beinhaltet:
- Der Zerstreute
- Der Zwilling
- Eine Wolke zwischen den Zähnen
- Zwei Kamele auf einem Pferd

Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/47658, ... erstreute/
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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