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Darsteller: Rebecca Romijn, Antonio Banderas, Peter Coyote, Eriq Ebouaney, Edouard Montoute, Rie Rasmussen, Thierry Frémont, Olivier Albou, Sandrine Bonnaire, Emilie Châtel, Chloé Crémont, Eva Darlan u. A.
Ein großangelegter Juwelendiebstahl während der Filmfestspiele von Cannes läuft nicht so ab wie geplant - doch Laure, ein Mitglied der Verbrecherbande, kann mit der wertvollen Beute entkommen. Ihr Versuch, ihre Gangster-Kollegen zu betrügen und allein vom Raub zu profitieren, scheint aber fehlzuschlagen: einer von ihnen, Racine, spürt sie in ihrem Hotel auf und wirft sie nach einer heftigen Auseinandersetzung einfach über das Treppenhaus-Geländer. Zwar war man in einem der oberen Stockwerke zugange, doch Laure stirbt nicht - stattdessen erwacht sie in einer fremden Wohnung, wo ein altes Ehepaar sich um sie kümmert. Offensichtlich verwechselt es sie mit seiner Tochter - und deren Rolle nimmt Laure bald ein, nachdem sie den Selbstmord der Tochter beobachten mußte. Sie steigt in ein Flugzeug nach Amerika, lernt einen aufstrebenden Politiker kennen - und ist ihrer Vergangenheit, der Kriminalität und Verfolgung, endlich entflohen. So scheint es zumindest. Bis sie sieben Jahre später, an der Seite ihres inzwischen zum US-Botschafter gewordenen Mannes, nach Frankreich zurückkehrt. Ein Foto, das Boulevard-Fotograf Nicolas Bardo dort von ihr schießt, ruft nicht nur ihre ehemaligen Kollegen auf den Plan und bringt sie in Lebensgefahr. Es stößt auch Bardo selbst in einen immer wilderen Strudel von Intrigen, Gewalt, Erotik - und eiskalter weiblicher Strategie. Und er muß, wie der Zuschauer, bald lernen, daß nicht alles ist, wie es zu sein scheint...
„Wieso bist du der einzige Mann in diesem Laden, der mich nicht ficken will?“
US-Regisseur Brian De Palmas („Carrie“, „Scarface“, „Dressed to Kill“) nach „Mission to Mars“ erster Film nach der Jahrtausendwende wurde der in US-amerikanisch-französischer Koproduktion entstandene Thriller „Femme Fatale“, der – in Anbetracht des Titels und des Regisseurs wenig verwunderlich – über eine nicht ungefähre erotische Note verfügt.
„Ich stell' dir den Fernseher an, dann hast du etwas Gesellschaft…“
Die Filmfestspiele in Cannes werden Schauplatz eines spektakulären Juwelenraubs: Das Objekt der Begierde ist ein aus mehreren Teilen bestehendes Schmuckgebilde, das die vorgebliche Fotografin Laure (Rebecca Romjin, „Der Playboy - Die Hugh Hefner Story“) dem Modell Veronica (Rie Rasmussen) bei einer spontanen Lesbennummer auf dem Damenklo vom Körper blättert und von Bandenboss Black Tie (Eriq Ebouaney, „The Three Kings“) unbemerkt durch Fälschungen ausgetauscht wird. Doch Laure arbeitet auf eigene Rechnung und trickst die Ganoven aus, entkommt zunächst mit der Beute. Ihr ehemaliger Komplize Racine (Edouard Montoute, „Hass“) aber macht ihr Hotelzimmer ausfindig, verwickelt sie in einem Kampf und wirft sie das Treppenhaus hinunter. Was er nicht ahnt: Laure hat überlebt und wird von einem älteren Ehepaar fürsorglich aufgepäppelt, das in ihr seine Tochter zu erkennen glaubt. Die echte Tochter wiederum begeht praktischerweise Selbstmord, so dass Laure tatsächlich komplett ihre Identität annehmen kann. Während eines Flugs lernt sie US-Botschafter Watts (Peter Coyote, „Die letzten Amerikaner“) kennen, den sie alsbald ehelicht. Als sie nach sieben Jahren an Watts‘ Seite nach Paris zurückkehrt, schießt Paparazzo Nicolas Bardo (Antonio Banderas, „Philadelphia“) ein Foto von ihr, das nach seiner Veröffentlichung die just aus dem Gefängnis entlassenen Ex-Komplizen auf den Plan ruft, die fortan hinter Laure her sind. Laure versucht derweil, Nicolas um den Finger zu wickeln und instrumentalisiert ihn für ihre Intrigen…
Laure schaut sich zunächst einmal einen klassischen Film noir im TV an, einen Film jenes Genres voller fataler Frauenzimmer also, womit De Palma den vorgeblichen Wurzeln dieses Films die Ehre erweist. Nach einer kurzen Einweihung in den Raubzug kommt es dann zum großangelegten Coup vor dem Hintergrund der Filmfestspiele des Jahres 2001, der in nicht minder klassischer Weise nach Vorbild von Heist Movies zelebriert wird und sich in seinen Einzelheiten ausgiebig dem Zuschauer offenbart. Jedoch ist solchen Heists normalerweise immanent, dass nichts oder zumindest so wenig wie möglich dem Zufall überlassen und beim Zuschauer der Eindruck erweckt wird, mit ausreichend Kalkül und Geschick befände sich in solcher Coup tatsächlich im Bereich des Möglichen. Hier allerdings verlässt sich die Diebesbande ganz auf die Verführkünste Laures und geht fest davon aus, dass es ihr gelingen wird, in einem eng gesteckten Zeitrahmen das Modell zum gleichgeschlechtlichen Sex auf dem Klo zu überreden. So erotisch die Lesbenszene dann auch ausgefallen ist: Glauben machen, dass Rebecca Romjin eine solche Sexbombe ist, dass ihr dieses Unterfangen mir nichts, dir nichts gelingt, können weder sie noch De Palma.
Dieser Auftakt ist in Sachen Glaubwürdigkeit symptomatisch für den gesamten Film, der mutmaßlich prinzipiell gern die eiskalte egoistische Berechnung der Femme fatale skizzieren würde, sich seine Hauptrolle aber in einem derartigen Ausmaße immer wieder auf glückliche Zufälle verlassen lässt, dass die Handlung vollkommen absurd erscheint – und dadurch schnell zu langweilen beginnt. Nach dem Zeitsprung von sieben Jahren beginnen Laures ehemalige Komplizen also ihre dramaturgisch wenig aufregende Jagd auf sie, doch als die spannendste Frage erweist sich, wer die Frau im Tarnanzug war, die sie vor einen Lkw gestoßen haben. Auch Laure verhält sich reichlich seltsam, als sie den sie verfolgenden Paparazzo Nicolas scheinbar wie eine Amateurin in ihr Hotelzimmer einlädt und ihn mit aufgemaltem blauen Auge schließlich verführt, nur um seine Motorradschlüssel zu stehlen. Schließlich initiiert sie seine Verhaftung, doch auch als im Nachhinein enttarnte Intention bleibt ihre Habitus wenig nachvollziehbar und schwach konstruiert. Dafür aber kann sich „Femme Fatale“ nun erneut Laures Sexualität widmen, die sie – na klar – anscheinend lediglich als Instrument einsetzt, um ihre Ziele zu erreichen. Nachdem sie fingierte Erpressungs-E-Mails von Nicolas‘ E-Mail-Konto aus an ihren Ehemann geschickt und sich zum Entführungsopfer stilisiert hat, gehört es anscheinend zum Klischee, dass sie und Nicolas sich näherkommen. Das sieht durch De Palmas Kameralinse dann so aus, dass sie in einer Bar einem Wildfremden einen Striptease aufs Parkett legt, der genauso angezogen bleibt wie die anschließende Sexszene mit Nicolas und damit fast zu einer Art Symbol für plötzlich einsetzende Prüderie im Zusammenhang mit der schmutzigen Phantasie von einem verdorbenen, durchtriebenen Luder, das nicht einmal davor zurückschreckt, seinen Ehemann zu erschießen, wird.
Sicherlich hätte De Palma Laure damit gern zur ambivalenten Charakterin umdefiniert, nachdem sie sich zunächst der Sympathien der Zuschauer gewiss sein konnte – doch stattdessen schuf er mit Nachdruck ein comichaftes, künstlich wirkendes Abziehbild. Nachdem der sexuell aufgeladene Kneipentanz und der anschließende keusche Beischlaf Geschichte sind, traut man sich völlig unerwartet dann auch wieder, Laure nackt zu zeigen – nachdem sie von Gangstern ins Wasser geworfen wurde, müssen entweder die starke Strömung oder baumwollfixierte Raubfische sie ihrer Kleidung entledigt haben…
Eine überraschende Wendung hat De Palma schlussendlich noch in petto: Laure ist in der Badewanne eingeschlafen und hat alles nur geträumt. Dass sich damit prompt sämtliche Unzulänglichkeiten der Handlung davonwischen, weil als Traum deuten lassen, macht es aber ebenso wenig besser wie die nun daraufhin folgende Kitschoffensive, die so gar nicht in den Film passen will. Doch De Palma hat noch nicht genug und installiert einen Epilog, der sieben Jahre später einsetzt. Da ist wieder Nicolas, der auf den US-Botschafter angesetzt wird und da ist die Frau im Tarnanzug, deren Identität diesmal enthüllt wird, was die nächste und glücklicherweise abschließende Kitschattacke einleitet. Um wen es sich bei der Dame handelt, verrate ich an dieser Stelle nicht; angemerkt sei lediglich, dass dieser Schachzug der Handlung offenbar antritt, um die eingangs entstandenen tiefen Stirnrunzler glattzubügeln, dabei jedoch viel zu kurz greift.
Wohlgemerkt, De Palmas Film hat visuell einiges zu bieten. Split-Screens der alten Schule wechseln sich ab mit gewagten Kameraperspektiven und aus seinen Schauspielern holt er doch einiges heraus, setzt sie adäquat in Szene, wenngleich – wie erwähnt – der Erotikfaktor nach dem diesbzgl. stärkeren Beginn auf der Strecke bleibt. Im Gedächtnis bleibt auch eine vielleicht etwas zu breit ausgewalzte Suspense-Szene, in der Laure während eines Gewitters einen Selbstmord beobachtet. Dem gegenüber stehen aber viele Momente, in denen „Femme Fatale“ zu sehr nach Hochglanz müffelt, zu geleckt daherkommt. Und was das Sprachwirrwarr bedeuten soll (stellenweise werden französische Dialoge nicht übersetzt, ein französischer Bulle spricht mit französischem Akzent, alle anderen Franzosen nicht), weiß wohl nur De Palma allein. Zweifelsohne ist „Femme fatale“ ein Beispiel für Style over Substance, wobei Stil und Ästhetik letztlich zu wenig zu bieten haben, um die Substanzlosigkeit zu kompensieren. Bisweilen drängt sich auch der Eindruck auf, De Palma habe möglicherweise einen zitatreichen Meta-Film über Femmes fatale erschaffen wollen, dem jedoch – wenn dem so wäre – jegliche Tiefe abgeht und der seine Haupt- und Titelfigur derart reduziert, dass sie keinesfalls stellvertretend für diesen cineastischen Rollentypus stehen kann.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)