Delitto carnale - Cesare Canevari (1983)

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Maulwurf
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Delitto carnale - Cesare Canevari (1983)

Beitrag von Maulwurf »

 
Delitto carnale
Delitto carnale
Italien 1983
Regie: Cesare Canevari
Marc Porel, Sonia Otero, Fulvio Ricciardi, Moana Pozzi, Dirce Funari, Rino Falcone, Vanni Materassi, Angela Minafro, Tony Raccosta, Nico Salatino


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Der alte Mann stirbt, und die lachenden Erben versammeln sich, vorzugsweise an einem einsamen Ort, um die Kohle einzustreichen. Ein Butzemann geht um, und die Erben werden weniger. Ein Szenario, das man als ausgesprochen gelungen bewundern kann (z.B. Alfred Vohrers DAS INDISCHE TUCH), als relativ durchwachsen aber ansehbar (etwa Peter Collinsons EIN UNBEKANNTER RECHNET AB) oder auch als ziemlich schrottig. Was den Kreis zu DELITTO CARNALE schließt.

Wenn ich nicht genau wüsste, dass Cesare Canevari 1983 schon einige Jahre Regieerfahrung auf dem Buckel hatte, würde ich den Film einem Regieneuling zuordnen. Die Handlung ist unerheblichstes Larifari, die Musik Daniel White-ed mühsam vor sich hin (und dürfte wahrscheinlich Librarymusik sein), und die Kamera gefällt sich darin, Türrahmen abzulichten oder ohne Sinn und Verstand startende Autos in Detailaufnahmen in den Fokus zu rücken. OK, ein paar sehr schöne Kamerawinkel hat es im Zusammenhang mit den Morden schon, bloß: Wo bitte schön sind diese Morde?

Tatsache ist, dass DELITTO CARNALE ein Whodunit-Krimi ist, in dessen Besetzungsliste sich einige ausgesprochen zeigefreudige Damen der südeuropäischen Filmgeschichte tummeln. Man könnte nun also von einem klassischen italienischen Früh-80er-Vehikel ausgehen, in dem viel gepoppt wird, und die Nackten und die Schönen anschließend blutig gemeuchelt werden. Womit alles beschrieben wäre, was in diesem Film NICHT vorkommt. Die verwandtschaftliche Mischpoke treibt es zwar gern und kreuz und quer miteinander, und Geschlechtsunterschiede sind da natürlich auch keine Hindernisse, aber das Ganze findet sehr zahm, um nicht zu sagen prüde, statt. Aufgerichtete Brustwarzen, wohlgeformte Hinterbacken und langgestreckte Oberschenkel sind da schon das Äußerste der (nur marginal vorhandenen) Erotik. Was schade ist, da Moana Pozzi, Dirce Funari und Sonia Otero damit glatterdings verschenkt werden. Vor allem die Beziehung zwischen der Pozzi und der Otero hätte mit eindeutigeren Regieanweisungen ein deutliches Plus an Schauwerten gebracht.

Na gut, lassen wir die Schweinigeleien, es gibt ja noch den Krimipart. Im blutigen Metzeln haben die Italiener in dieser Zeit schließlich einiges an Erfahrung gehabt. Aber: Fehlanzeige! Der erste Mord geschieht nach 50 Minuten Laufzeit – Im Off!! Der zweite Mord, ebenfalls ohne grafische Darstellung, geraume Zeit später, und das war es. Gialli gehen anders, 10 kleine Negerlein-Plots ebenfalls! Hinzu kommt, dass die Figuren, die hier durch das ansonsten leere Hotel rennen, fast durch die Bank uninteressant sind, und keinerlei Lust zum Mitfiebern erwecken (weswegen ich mich auch traue zu spoilern, dass es eben bei mehr oder weniger zwei Morden bleibt). Einzig Marc Porel verströmt in seinem letzten Film genau die Art von Lässigkeit und schauspielerischer Professionalität, die ihn in den 1970ern zu einem veritablen Star gemacht hat. Aber auch hier gilt, dass seine Figur eigentlich nicht interessant ist, und die angedeuteten Nickligkeiten und Zwischenmenschlichkeiten eigentlich bei allen Darstellern sinnlos verpuffen. In dem Zusammenhang ist dann auch eine Szene bei der (ausgesprochen unspannenden) Auflösung der ganzen Sache bemerkenswert: Exakt 10 Minuten vor Ende äußert ein Darsteller, dass 10 Minuten eine Ewigkeit sein können. Wie wahr, wie wahr …

Ein paar marginal erinnerungswürdige Momente sind durchaus vorhanden, und die heben den Film dann doch noch ganz leicht über Kokolores-Niveau: Eine Dame fellatiert einen Mann und wischt sich hinterher, diskret gefilmt, ebenso diskret den Mund ab. Ein anderer Mann mit weit aufgerissenen Augen in der Badewanne – Ein Mord? Nur für kurze Zeit …. Eine Frau tanzt den Marc Porel an und der tut so, als ob er sie fotografiert. Solche Momente machen für kurze Augenblicke ein klein wenig Freude, und man hofft, dass Canevari jetzt die Kurve kriegt und zumindest den Kameramann mal machen lässt. Herrje, WILLKOMMEN IN DER HÖLLE war doch auch ein Fest für die Augen, warum jetzt nur diese Selbstkasteiung in Bezug auf die Optik?

Also: Züchtige Nacktheit, unblutige Morde, uninteressante Rollen, dümmliche Musik, eine vor sich hin dümpelnde altbekannte Geschichte, und die einzigen Highlights sind die bemühten Kameraeinstellungen und die nackten Brüste der Damen: Wir raten ab …

3/10
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
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Il Grande Racket
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Re: Delitto carnale - Cesare Canevari (1983)

Beitrag von Il Grande Racket »

Killing of the Flesh hab ich vor knapp einem halben Jahr das erste Mal gesehen. Ist nicht viel hängen geblieben, war ziemlich konfus, schlecht gespielt und sah eher billig produziert aus. Fand ich aber irgendwie lustig.
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