The Murder Secret - Mario Bianchi (1988)
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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The Murder Secret - Mario Bianchi (1988)
Originaltitel: Non aver paura della zia Marta
Herstellungsland: Italien 1988
Regie: Mario Bianchi
Darsteller: Gabriele Tinti, Adriana Russo, Jessica Moore, Sacha Dawin, Maurice Poli
[Massive Spoiler! Warnung! Extreme Gefahrenzone!]
Wirklich erklären kann ich es mir nicht, weshalb dieser Giallo-Slasher-Hybrid aus den Iden der italienischen Schauerfilmindustrie hier im Forum bislang noch von keiner Seele mit ein paar warmen Worten bedacht worden ist – an seiner Qualität, meine ich, kann es sicher nicht liegen, beweist Mario Bianchi, normalerweise auf horizontale Stoffe mit tollen (deutschen) Titeln wie ZORRO – SPITZ WIE SEIN DEGEN, ORGASMIA oder DIE SEXREICHEN SIEBEN abonniert, doch, dass er die Regeln oder Nicht-Regeln des spätachtziger Genre-Films mediterraner Prägung so sehr verinnerlicht hat, dass ich NON AVER PAURA DELLA ZIA MARTA durchaus als einen völlig typischen Vertreter seiner Gattung bezeichnen würde, der alles aufbietet, was sich der geneigte Freund surrealen Schreckens von einem solchen Machwerk erhoffen darf.
Dabei lässt sich der Film relativ leicht in drei unterschiedlich große Segmente zerlegen, die Bianchi, scheint es, schließlich einfach, ohne einen bestimmten Spannungsbogen im Auge zu haben, intuitiv aneinandergeheftet hat. Sein Triptychon beginnt mit einer überlangen Exposition, die bis etwa zu seiner Fünfzig-Minuten-Grenze reicht. Monströs aufgeblasen, mit etlichen Füllszenen, in denen im Grunde nichts Nennenswertes passiert, außer eben, dass die mehr oder weniger sympathischen Protagonisten irgendwo umherstapfen, bedeutungsschwanger in Ecken stieren oder belanglose Dialoge führen, und, das sei noch einmal betont, ohne wirkliche Spannung stellt Bianchi uns hier Prämisse und Helden seiner hauchdünnen Story vor. Eine vierköpfige Familie, deren Mitglieder, obwohl der Film unübersehbar im italienischen Hinterland angesiedelt ist, allesamt auf englische Vor- und Nachnamen hören, beschließt, ihren Urlaub auf dem Land zu verbringen, wo der Kopf des Hauses, Gabriele Tinti in der Rolle des ständig verkniffen irgendwo hinstarrenden Richard Hamilton, eine jahrzehntelang in einem Sanatorium weggesperrte Tante namens Marta auf deren Anwesen zu treffen gedenkt. Während Richard, das wird gleich zu Beginn mittels Flashbacks klargemacht, dieser Begegnung eher mit gemischten Gefühlen gegenübersteht, da es seine eigene Mutter gewesen ist, die besagte Marta damals in die Irrenanstalt steckte, um sie um ihr Erbe zu betrügen, dann aber, von Schuldgefühlen übermannt, den Freitod im Fenstersturz wählte, und Richard, zu dieser Zeit noch ein halbwüchsiger Bengel, den gesamten Familienschmatz vermachte, freuen sich seine Gemahlin Nora und die beiden unzertrennlichen Geschwister auf ein paar ereignislos Tage in der Einöde, nichts ahnend von dem düsteren Familiengeheimnis, das Richard mit sich herumschleppt, und das er wohl am liebsten völlig aus seinem Gedächtnis verdrängt hätte, wäre da nicht jener Brief gewesen, angeblich von Marta selbst verfasst, der ihn kurz zuvor erreicht hatte, und in dem sie ihm mitteilte, dass sie nun endlich als geheilt aus der Klinik entlassen worden sei und sich nichts sehnlicher wünsche als ihn, ihren letzten lebenden Verwandten, bei sich zu sehen. Marta indes ist noch nicht eingetroffen, erklärt ein gewisser, von ihr offenbar als Hausverwalter eingesetzter Thomas, der die Familie jedoch in das adrett hergerichtete Landhaus einlädt, sie mit Speis und Trank versorgt, und Richard zusichert, Marta müsse spätestens am nächsten Morgen zu ihnen stoßen. Inzwischen hat sich noch ein Sohn Richards aus früherer Ehe zu der Truppe gesellt, man inspiziert die Gegend, die Kinder kichern und tollen, Richard und Nora zeigen, dass ihr Sexleben einem langen, traumlosen Schlummer gleicht, und dazwischen gibt es viele angenehme Aufnahmen der öden Landschaft rund um das Häuschen herum. Es dauert, wie gesagt, nahezu fünfzig Minuten bis die Fassade dieses Idylls zu bröckeln beginnt und Richard, von Thomas, was Martas Ankunft betrifft, auf einen weiteren Tag vertröstet, zu wittern anfängt, dass da irgendwas nicht stimmen kann…
Bis hierher ist der Film, mit Ausnahme einer kurzen Schockszene, nichts weiter als ein beschauliches Stück Zelluloidleere, ein Exempel für eben genau das, was man im späten italienischen Horrorfilm vom Schlage eines KILLING BIRDS, eines BLOODY PSYCHO oder all jener Fulci-Kuriositäten wie I FANTASMI DI SODOMA oder HANSEL E GRETEL euphorisch als Renaissance des Surrealismus feiern oder als puren, hochprozentigen Schmuddel-Dilettantismus der übelsten Sorte verdammen mag: eine Handlung ist zwar irgendwo vorhanden, stellt allerdings nicht mehr dar als ein fadenscheiniges Gerüst, in dem dann indes nicht etwa psychologische Problematiken ausgebreitet, zwischenmenschliche Beziehungen seziert oder auch einfach nur, wie in Argentos oder Mario Bavas besten Werken, Stimmungen durch Bilder evoziert werden, sondern das im Prinzip ein nicht mal besonders hübsches Nichts umschließt, einen Leerlauf, dessen Szenen sich ohne erkennbaren Zusammenhang, ohne Dramaturgie aneinanderschmiegen, und gar nicht erst versuchen, mehr zu sein als wie sie scheinen. NON AVER PAURA DELLA ZIA MARTA erreicht in seinem ersten Segment diesen traumwandlerischen Zustand, den so mancher Film D’Amatos kennzeichnet: die Handlungsarmut bettelt so heftig um Almosen, dass ich gar nicht umhin komme, ihr, aufgrund leerer Hosentaschen, mein Herz zu schenken. Im zweiten dann folgt ein harscher Stimmungswechsel, für den allein ich das Werk schon feiern würde: innerhalb kürzester Zeit schneidet Bianchi alle derben Splatterszenen, die ihm im Hirn herumspukten, zu einer Tour de force der Menschenverachtung und der nicht wirklich überzeugenden Effekte zusammen, dass einem die Sinne vergehen. Während Richard außer Haus ist, werden von einem gialloesken Lederhandschuh-Killer sowohl Nora wie die Kinder aufs Bestialistischste niedergemacht. Die Tochter mit den großen Brüsten darf in einer Hitchcock-Reminiszenz unter der Dusche dranglauben, nur tausendfach blutiger als Norman Bates das jemals ertragen hätte, die Mutter wird typisch italienisch, denn: eigentlich hirnrissig, mittels des Deckels einer alten Holzkiste (!) geköpft, und für das Bübchen hält Bianchi gleich die Kettensäge bereit, dass es nur so schmoddert und suppt. Nachdem die Liste der Grausamkeiten nun sozusagen abgearbeitet ist, kann der Film sich in seinem Ausklang ganz der „Auflösung“ der Mordfälle zuwenden, wobei „Auflösung“ hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt ist, da es hanebüchener wohl kaum werden kann, wenn Richard, auf den Fund seiner zerlegten Familie recht gefasst reagierend, erst dem Geist (!) seiner längst toten Tante über den Weg läuft, die ihn noch aus Himmel oder Hölle heraus dafür kritisiert, dass er sie damals nicht aus der Irrenanstalt befreit hat, und schlussendlich das erblickt, was von ihrer irdischen Hülle noch übrig ist: ein von Maden und Gewürm wimmelnder Kadaver, dem Thomas, der wahre Killer, in leichenschänderischer Liebe zugetan ist. Einfach unglaublich, was Bianchi hier aus einem Hut zaubert, den ich seinem Kopf so gar nicht zugetraut hätte, und vor allem so grenzenlos und grenzwertig jenseits jeder moralischen und filmischen Konvention, dass ich NON AVER PAURA DELLA ZIA MARTA nur jedem empfehlen kann, der nicht sofort die Hände zusammenschlägt, wenn ein Film offensichtlich kein richtiges Drehbuch, kein richtiges Budget und keine richtige Daseinsberechtigung besitzt, außer die, einem offenkundig verwirrten Geist entsprungen zu sein.
In Mario Bianchis Oeuvre bedeutet NON AVER PAURA DELLA ZIA MARTA jedenfalls eine Ausnahmeerscheinung. Gerade im Vergleich mit seinem einzigen mir bekannten anderen Horrorfilm, nämlich LA BIMBA DI SATANA, der pornösen Stiefschwester von Andrea Bianchis MALABIMBA, wird das evident, machen ja schon die deutschen Titel wie SEXORGIEN IM SATANSSCHLOSS oder gar DR. PORNO UND SEIN SATANSZOMBIE deutlich genug, worauf es bei der Chose primär ankommt. Sexdarstellungen, seit den frühen 80ern wohl DER integrale Sinn und Zweck von Bianchis Schaffen, finden in NON AVER PAURA DELLA ZIA MARTA nun aber gar nicht statt. Zwar ziehen beide Hauptdarstellerinnen blank, und eine suhlt sich lange und ausgiebig unter der Dusche, die einzige Möglichkeit, kopulierende Leiber zu präsentieren, verschmäht Bianchi jedoch, wenn er Richard und Nora, als die sich bettfertig machen, relativ uninteressiert nebeneinander auf der Matratze Platz nehmen lässt, ohne dass auch nur ein Anflug von Erotik zu verspüren wäre, beinahe so, als wolle der Regisseur und Drehbuchautor überdeutlich seinen Punkt verdeutlichen, dass dieser Film in einer ganz anderen Tradition stehlt als seine vorherigen und späteren. NON AVER PAURA DELLA ZIA MARTA als reinrassiger Italo-Horror ohne Geschmack braucht eben keine sexuellen Ferkeleien, da er diese mehr als genug mit seinen gewalttätigen kompensiert, sozusagen die Porno-Szenen durch die Splatter-Szenen ersetzt, ohne dass beide ihre strukturellen Eigenheiten verlieren.
Dass ich Bianchis morbide Familientragödie tatsächlich zu seinem bisher besten Film küre, den ich von dem guten Mann zu Gesicht bekommen habe, mag nun wahlweise für mich oder gegen ihn oder gegen mich oder für ihn sprechen, es ändert nichts daran, dass ich dieses Kleinod jedem hier wärmstens empfehle - mein Weihnachtsfest hat er auf jeden Fall bereichert, allein aufgrund der vielen liebgewonnen Gesichter, die man aus etlichen Spät-Fulcis und anderem obskuren Zeug kennt, und des Umstands, dass NON AVER PAURA DELLA ZIA MARTA mir, nach der ersten Sichtung vor Jahren, nun, beim zweiten Mal, wohl noch besser behagt hat als zuvor.
Re: The Murder Secret - Mario Bianchi (1988)
Als Heranwachsender musste Richard miterleben, wie seine Tante Martha als unheilbar in eine Nervenheilanstalt gebracht wurde und seine Mutter Selbstmord beging. Der Bitte seiner Mutter vor ihrem Freitod, sich in späteren Jahren um seine Tante zu kümmern, ist er jedoch nicht nachgekommen und hat mit Nora seine eigene Familie mit drei Kindern gegründet. Dreißig Jahre später erhält Richard jedoch Nachricht von Martha, die ihren Neffen samt Familie in ihre Villa einlädt. Richard ist zwar überrascht, aber fährt mit seiner Familie zu dem Ort, wo er vom Hausmeister auch herzlich willkommen geheißen wird und dieser im mitteilt, dass sich seine Tante verspäten wird. Während es sich Richards Familie in dem geräumigen Haus gemütlich macht, hat Richard jedoch Zweifel an der Sache, die sich wenig später auch als durchaus berechtigt herausstellen werden.
„The Murder Secret“ ist ja einer der Streifen, deren Gore-Anteil von Lucio Fulci für seinen „Nightmare Concert“ ausgeborgt wurde und ehrliche gesagt – viel mehr hat Mario Bianchis Horror-Thriller aus dem Jahr 1988 neben seiner durchaus passablen Darsteller-Riege auch nicht zu bieten. Die Geschichte plätschert belanglos vor sich hin und die ersten fünfzig Minuten passiert wirklich nicht sehr viel, außer dass sich die scheinbar sehr himmlische Familie untereinander stets etwas zu lieb hat. Doch nach dem drögen Start wird dann der Holzhammer bzw. die Kettensäge ausgepackt und „The Murder Secret“ hat durchaus ein paar böse Momente, die ich mir in der Form wohl nicht erwartet hätte und auch der Zuschauer, der glaubt, die Geschichte durchschaut zu haben, bekommt am Ende auch noch eine hübsche Überraschung serviert. Jedenfalls zählt das Schuld-und-Sühne-Drama sicherlich nicht zu den Highlights der Filmgeschichte und ist zu einer Zeit entstanden, als sich die italienische Genre-Produktion schon am Boden befand, aber irgendwie sind diese auf den amerikanischen Markt schielenden Husch-Pfusch-Produktionen mit erhöhten Gore-Anteil und etwas nackter Haut ja auch wieder irgendwie sehr reizvoll. Als geeichter und erfahrener Italo-Fan geht das alles und auch „The Murder Secret“ schon in Ordnung und es auch spannend zu sehen, wie kompromisslos und unkommerziell hier zu Werke gegangen wird.
„The Murder Secret“ ist ja einer der Streifen, deren Gore-Anteil von Lucio Fulci für seinen „Nightmare Concert“ ausgeborgt wurde und ehrliche gesagt – viel mehr hat Mario Bianchis Horror-Thriller aus dem Jahr 1988 neben seiner durchaus passablen Darsteller-Riege auch nicht zu bieten. Die Geschichte plätschert belanglos vor sich hin und die ersten fünfzig Minuten passiert wirklich nicht sehr viel, außer dass sich die scheinbar sehr himmlische Familie untereinander stets etwas zu lieb hat. Doch nach dem drögen Start wird dann der Holzhammer bzw. die Kettensäge ausgepackt und „The Murder Secret“ hat durchaus ein paar böse Momente, die ich mir in der Form wohl nicht erwartet hätte und auch der Zuschauer, der glaubt, die Geschichte durchschaut zu haben, bekommt am Ende auch noch eine hübsche Überraschung serviert. Jedenfalls zählt das Schuld-und-Sühne-Drama sicherlich nicht zu den Highlights der Filmgeschichte und ist zu einer Zeit entstanden, als sich die italienische Genre-Produktion schon am Boden befand, aber irgendwie sind diese auf den amerikanischen Markt schielenden Husch-Pfusch-Produktionen mit erhöhten Gore-Anteil und etwas nackter Haut ja auch wieder irgendwie sehr reizvoll. Als geeichter und erfahrener Italo-Fan geht das alles und auch „The Murder Secret“ schon in Ordnung und es auch spannend zu sehen, wie kompromisslos und unkommerziell hier zu Werke gegangen wird.
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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- Salvatore Baccaro
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Re: The Murder Secret - Mario Bianchi (1988)
Ein vorzüglicher Film!
Danke für die Erinnerung. Der war ja über mehrere Jahre Teil meines persönlichen "Weihnachtsprogramms"...
Noch vorzüglicher, dass Fulci gleich mehrere der einschlägigen Szenen für seinen genauso vorzüglichen UN GATTO NEL CERVELLO wiederverwendet hat...
Danke für die Erinnerung. Der war ja über mehrere Jahre Teil meines persönlichen "Weihnachtsprogramms"...
Noch vorzüglicher, dass Fulci gleich mehrere der einschlägigen Szenen für seinen genauso vorzüglichen UN GATTO NEL CERVELLO wiederverwendet hat...