OI!STURM ASOZIAL + BOLANOW BRAWL + COCK-UPS

Der gute Rolf vonne THRASHING PUMPGUNS hatte mich gefragt, ob ich jemanden wüsste, der für die Thüringer Oi!-Punk-Band OI!STURM ASOZIAL im Billstedter Bambi galore Support machen könnte – und in von mir ungewohnter Geistesgegenwart antwortete ich: „Wir!“ Womit ich BOLANOW BRAWL meinte, denn mittlerweile waren wir, so unsere Selbsteinschätzung, in der neuen Besetzung mit Urko am Bass und Jogi an der Leadgitarre endlich wieder fit für die Bühne. Als dritte Combo brachte ich die COCK-UPS ins Spiel, womit das Line-Up stand. Das Bambi weist die perfekte Kombination aus Underground-Club-Charme und Professionalität auf und sah mich schon häufig als zahlenden Gast. Nun also selbst mal auf der Bühne.
Als wir vor Ort eintrafen, gefiel uns der Gedanke, OI!STURM ASOZIAL seien mit dem auf dem Parkplatz stehenden protzigen Nightliner angereist, doch die waren noch gar nicht da und das Gefährt gehörte dann wohl doch eher zur parallel im großen Saal stattfinden und fast ausverkauften Death-Metal-Sause mit BENEDICTION, MASTER und JUNGLE ROT. Aufgrund der vorhandenen Backline mussten wir nur „kleines Besteck“ mitbringen, was meist von Vorteil ist. Trotz relativ kleiner Bühne war Platz für drei Monitorboxen am vorderen Bühnenrand, die ungewöhnlicherweise keinerlei Anstalten machten, rückzukoppeln oder sonstwie rumzuzicken, sodass wir uns einen vielleicht etwas übertrieben lauten Monitorsound einstellen ließen. Mehr ist nun mal mehr! Anschließend ging’s im ebenfalls zum Gebäude gehörenden Restaurant lecker essen, aufgrund der angenehmen Frühlingstemperaturen konnten wir in der Außengastronomie platznehmen. Wie so oft, wenn wir irgendwo spielen, steuerten wir auch diesmal eine Einheimischenkneipe vorm Gig an, um ein Gefühl für, äh, Land und Leute zu bekommen. Unsere Wahl fiel aufs „Zum Prösterchen“. Auf dem Hinweg ließ Urko wissen, Bock auf ‘nen Ouzo zu haben. Und was lief, als wir die Kneipentür öffneten und eintraten? „Ich trink Ouzo, was trinkst du so“. Ein Zeichen! Doch damit nicht genug. Bekannte von mir riefen mir aus der hinteren Ecke „Hey Günni!“ entgegen und entpuppten sich als regelmäßige Besucher dieses Etablissements, das sowohl mit HSV- als auch FCSP-Fahnen geschmückt ist und noch Teile der Weihnachtsdeko aufgebaut hatte. Ein paar trinkfreudige Freunde hatten sich uns angeschlossen und glühten mit uns vor.
Ich drang aber recht bald auf den Rückweg, da ich die COCK-UPS nicht verpassen wollte. Als wir losgegangen waren, war es auf dem Gelände aufgrund der parallelen Veranstaltungen bereits sehr voll, wobei sich langhaarige Metaller mit dem Punk- und traditionell eher kurzhaarigen Oi!-Publikum vermischten. Im Bambi hatten sich mittlerweile auch reichlich Interessierte zusammengefunden, die sich von den COCK-UPS aufwärmen ließen. Ein einzelner Typ hatte sofort Bock zu tanzen und versuchte mitunter derart ungestüm, andere zum Rempelpogo zu animieren, dass es mich ein bisschen wundert, dass er sich damit keine fing. Dafür sah seine Vorwärtsrolle sehr elegant aus und dauerte es auch nicht allzu lange, bis tatsächlich Bewegung in die Meute kam. Die COCK-UPS mit ihrem UK-’82-Sound hauten gut einen raus und wurden umso aufstachelnder, je entfesselter der Gitarrist den treibenden Groove und Punch der tighten Rhythmusfraktion um melodische Licks und Leads ergänzte. Sänger Sven shoutete und knurrte sich derweil durch die englischsprachigen Texte, übernahm die Kommunikation mit dem Publikum und hinterließ uns einen wunderbar aufgewärmten und -gelockerten, gut gefüllten Laden.
So herrschte dann auch von Beginn an beste Stimmung; es wurde getanzt, gejohlt und applaudiert, wie man es sich nach derart langer Bühnenabstinenz nur wünschen kann. Das übertrug sich natürlich zu uns auf die Bühne. Wir spielten ein zwölf Songs umfassendes Set von „Alcoholic Heart“ über „Where Is My Hope?“ bis „Total Escalation“, Jogi riss ‘ne Saite, hatte aber schon eine Ersatzklampfe bereitgestellt, auf der Bühne bildeten sich Lachen aus am Bühnenrand abgestellten, verschütteten Getränken, vor der Bühne gab’s Glasbruch (der dankenswerterweise sofort beseitigt wurde) und Christian quatschte mir in meine Ansagen rein und übte sich in schlechten Witzen, was offenbar als Entertainment aufgefasst wurde… Unser Bühnensound klang zwar irgendwie ganz anders als noch beim Soundcheck und zumindest unsere Frontmonitore bliesen uns regelrecht weg; sich derart gut selbst zu hören, war aber eine Wohltat. Urko und Jogi spielten das Material, als hätten sie nie etwas anderes gemacht, und waren im Vorfeld weitaus weniger aufgeregt als ich. Einstand geglückt, würde ich in aller Bescheidenheit behaupten wollen. Geil!
Vor der Tür herrschte inzwischen ein heilloses Gedrängel, so voll wie an diesem Abend hatte ich das Gelände noch nie erlebt. Anscheinend war das Death-Metal-Konzert bereits zu Ende, und wer die 40,- Öcken dafür abgedrückt hatte, durfte auch auf unsere 20-Euro-Veranstaltung – wodurch’s auch im Bambi noch voller und durchmischter wurde. Nun bliesen OI!STURM ASOZIAL mit Pauken und Posaunen zur Attacke und ihren auf bisher schon drei Alben erprobten Oi!-Punk ins Publikum. Dieses wirkte regelrecht ausgehungert nach diesem Sound, der mich wohlig ans deutsche Oi!-Revival erinnerte, das von den 1990ern bis weit in die 2000er hinein gefeiert wurde, dann aber irgendwann nachließ. Bands lösten sich auf oder änderten mal mehr, mal weniger radikal ihren Sound, die sog. Grauzone aus Bands, die den antifaschistischen Grundkonsens infragestellten oder, vermeintlich unpolitisch, die Szene wieder nach Rechtsaußen öffneten, bildete sich und wurde größer, und mit den grandiosen zweieinhalb EIGHT-BALLS-Alben war für mich in diesem Subgenre dann irgendwann eigentlich auch alles gesagt. Auf die weitere Verprollung der Szene hatte ich keinen Bock mehr und erweiterte meinen musikalischen Horizont, stellte aber irgendwann fest, dass meine Grenze bei Technical Death Metal und sowat überschritten ist, blieb also dem Punk letztlich treu. Jetzt bin ich kräftig abgeschweift – was hat das mit OI!STURM ASOZIAL zu tun? Nun, die klingen, als hätten sie sich nach dem Hören von SMEGMA- und PÖBEL-&-GESOCKS-Platten gegründet, brüllen einem inbrünstig und mit Arbeiterstolz ihre gleichermaßen von Saufen und Party, Selbstverständnis als Subkulturteil und Außenseiter, Gesellschaftskritik und nicht zuletzt Szeneschimpfe geprägten Texte entgegen, dass man sich in vergangene Zeiten zurückversetzt wähnt. Dabei erwecken sie nie den Anschein, hohle Bratzbirnen zu sein, sind, wie sich bei genauerem Hinhören offenbart, auch geistig im Hier und Jetzt unterwegs und wirken auf ihre ungestüm lospolternde Art erfrischend, sympathisch und prollig zugleich. Vor der Bühne ging’s dann auch richtig rund, ruckzuck wurde ‘ne oberkörperfreie Party Gesichtstätowierter daraus, wie sie in manchen spießigeren Kreisen ja seit einiger Zeit irgendwie in Verruf gekommen sind (die Partys, nicht die Gesichtstätowierten). Tatsächlich war das dann auch nicht unbedingt jedermanns Sache und ging’s auch schon mal etwas rüder zu. Ich postierte mich etwas abseits, schaute dem immer chaotischer werdenden Treiben zu und wurde glatt ein bisschen nostalgisch. Mindestens einer musste leider wegen einer scherbenbedingten Schnittwunde verarztet werden, mehr ist mir in dieser Hinsicht aber nicht bekannt. Noch ein bisschen was zum Musikalischen: Der Bassist spielt ‘nen sechssaitigen Angeberbass mit Kapodaster und ‘nem Picking-Ring (oder wie man so was nennt) am Finger – das sieht man auch nicht alle Tage. Die Band zockt mit zwei Gitarren, wobei der Sänger von seiner ab und zu ablässt, um zur Posaune zu greifen. Der Drummer hilft beim Gesang kräftig aus und röhrt von hinten seine kehligen Backgrounds. Der andere Gitarrist trägt u.a. ein KNOCHENFABRIK-Tattoo, von denen dann auch „Filmriss“ gecovert wurde. Ob bereits an diesem Abend (es sollte nämlich noch ein zweiter folgen, dazu später mehr) das geniale „74.000“ von GEWOHNHEITSTRINKER gespielt wurde, weiß ich nicht, da ich nicht permanent zugegen war, es hätte aber zu seinem zweiten Bandtattoo gepasst. So oder so: Hammer-Gig, der das Bambi zum Kochen brachte und bewies, dass nach dieser Musik auch in Hamburg eine hohe Nachfrage besteht! Gut, wenn sie von Bands wie den Thüringern bedient wird.
Danke ans Bambi und das großartige Team dort – als Gast eh einer meiner Lieblingsläden, jetzt auch als Affe auf der Bühne! Apropos Lieblingsläden: Dass zeitgleich im Monkeys ebenfalls ein Oi!-Punk-Abend stattfand und sich beide Clubs damit vermutlich gegenseitig einen Teil ihres Publikums weggenommen haben, ist etwas unglücklich. Mehr hab‘ ich aber auch nicht zu kritisieren.
Die Rückfahrt meiner Liebsten und mir geriet wegen der U-Bahn-Streckensperrung, aber auch meinem Durst und der einen oder anderen Raucherpause zur halben Odyssee, aber immerhin hatten wir Rolf und Jaybee (COCK-UPS) dabei. Zwei Stunden früher inne Heia wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen, da es am frühen Nachmittag schon weiter nach Flensburg ging, wo wir für die leider kurzfristig ausgefallenen SPARTANICS eingesprungen sind. Dazu mehr in Kürze hier.
P.S.: Danke an meine Liebste für die Schnappschüsse unseres Auftritts!
Reich bebildert auch hier:
https://www.pissedandproud.org/04-04-20 ... -cock-ups/