3 Minutes - Massimo Coglitore (2014)

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horror1966
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3 Minutes - Massimo Coglitore (2014)

Beitrag von horror1966 »

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3 Minutes
(The Elevator: Three Minutes Can Change Your Life)
mit Caroline Goodall, Burt Young, James Parks, Katie McGovern, Sara Lazzaro, Niccolò Senni, Gianfranco Terrin, Daniel Mba, Katia Greco, Paolo Borzì
Regie: Massimo Coglitore
Drehbuch: Mauro Graiani / Riccardo Irrera
Kamera: Vincenzo Carpineta
Musik: Stefano Caprioli
FSK 16
Italien / USA / 2014

Der erfolgreiche Quizshow-Moderator Jack Tramell kommt nach einem langen Arbeitstag nach Hause. Im Fahrstuhl zu seiner Wohnung beginnt der Alptraum, als er von einer scheinbar verrückten Frau überfallen wird. Im gestoppten Aufzug kommt Jack gefesselt zu sich und befindet sich inmitten eines perfiden Spiels - basierend auf den Regeln der von ihm moderierten Quizshow "3 Minutes". Die sich Kathryn nennende Frau verfolgt berechnend und skrupellos ihr Vorhaben. Doch ist sie wirklich verrückt und Jack das unschuldige Opfer, wie er es in seiner Todesangst immer wieder beteuert, oder verbirgt er gekonnt ein dunkles Geheimnis?


Es ist immer wieder sehr erfreulich wenn man sieht, welch erstaunlich gute Regie-Debüts manch ein bisher vollkommen unbekannter Regisseur hinlegt. Auch der vorliegende Film "3 Minutes" zählt ganz eindeutig dazu und stellt den sehr guten Erstling von Massimo Coglitore dar, der an dieser Stelle sehr viel Fingerspitzengefühl für eine gelungene Mixtur aus einem klaustrophobischen Fahrstuhl-Thriller und einem Drama erkennen lässt. Dabei sollte man keinesfalls ein Szenario voller Action erwarten, denn die Macher konzentrieren sich vielmehr auf ein gelungenes-und äußerst perfides Katz-und Mausspiel zwischen den beiden Hauptdarstellern das sich fast ausschließlich innerhalb einer Fahrstuhl-Kabine abspielt. Der als Opfer auserkorene Quizmaster Jack wird dabei von einer ihm völlig unbekannten Frau überwältigt und im Fahrstuhl gefoltert, wobei die Täterin die Regeln aus seiner Show zu Grunde legt. Über die Beweggründe dieser zunächst willkürlich erscheinenden Handlungen wird man zunächst im Unklaren gelassen, wobei sich schon aufgrund der Motiv-Suche ein sehr gelungener Spannungsbogen aufbaut. Zudem schafft es Coglitore gekonnt den Zuschauer in die Ereignisse einzubinden, denn fast schon zwangsläufig versetzt man sich in die Lage der Protagonisten und kann dabei Verständnis für beide Figuren aufbringen.

Dies geschieht vor allem ab dem Zeitpunkt an dem die Beweggründe der Frau immer ersichtlicher werden und auch wenn die Motive nach gut der hälfte der Geschichte offen vor einem liegen, büßt der Film keinesfalls etwas von seiner Faszination ein. Von nun an geht der psychische Machtkampf nämlich in die zweite Runde und nimmt dabei so richtig an Fahrt auf, was ganz automatisch die bisher schon recht hohe Intensität des Ganzen noch einmal steigert. Das äußert sich aber auf keinen Fall durch Action oder Brutalität, denn "3 Minutes" ist viel eher ein Vertreter, der sein Hauptaugenmerk auf die ruhigeren Töne legt und dabei dennoch streckenweise brachial auf den Betrachter einwirkt. Hinzu kommt der räumlich gesehen arg eingeschränkte Schauplatz, denn bis auf ganz wenige Momente spielt sich das gesamte Geschehen innerhalb der Fahrstuhl-Kabine ab. Dieser Umstand schnürt einem teilweise die Luft ab und man kann sich durchgehend nicht der klaustrophobischen-und extrem beklemmenden Grundstimmung erwehren, die mit der Wucht eines Vorschlaghammers auf einen nieder prasselt. Ohne es wirklich zu wollen wird man zwangsläufig zu einem Teil der Geschehnisse und möchte dabei keinesfalls den Platz mit den Charakteren tauschen, die sich einen unerbittlichen Schlagabtausch auf der psychischen Ebene liefern.

Zum Ende hin gleitet das Szenario dann in etwas ruhigeres Fahrwasser und konfrontiert einen dabei mit einer Situation, in der sich anscheinend ein Happy End andeutet, doch von diesem kurzzeitigen Eindruck sollte man sich keinesfalls täuschen lassen. Massimo Coglitore hat nämlich noch einen gelungenen Twist eingebaut der zwar bei genauerer Betrachtung eventuell nicht vollkommen unvorhersehbar erscheint, aber dennoch eine gewaltige Wirkung hinterlässt. Und auch wenn man mit einer recht offen gelassenen Szene aus der Geschichte entlassen wird kann man sich doch ohne Probleme seinen Reim darauf machen wie die Chose endgültig endet, da kleinere Indizien kurz vor dem Ende ganz eindeutig in eine bestimmte Richtung weisen. Und so kann man letztendlich von einem äußerst stimmigen Gesamteindruck sprechen, wobei dieser Film aber auch sicher nicht jeden Geschmack treffen wird. Das liegt sicherlich in der Hauptsache an dem Umstand, das es sich hier fast schon um ein Kammerspiel handelt und nicht jeder etwas mit dieser Art der Geschichten-Erzählung anfangen kann. Wer jedoch auf extrem intensive Filme steht in denen auch das Schauspiel der Akteure stärker gewichtet wird ist hier genau an der richtigen Adresse, denn "3 Minutes" zieht einen in seinen Bann und besticht durch die herausragenden Leistungen seiner Darsteller.

Wie immer liegt es im Auge des jeweiligen Betrachters, doch meiner persönlichen Meinung nach hat das Label OFDB Filmworks einmal mehr sein Gespür für den besonderen Film unter Beweis gestellt. Trotz mangelnder Action, einem stark begrenzten Schauplatz und einem eher ruhigen Erzähl-Tempo handelt es sich um ein höchst intensives Werk das einen von der ersten bis zur letzten Minute in seinen Bann zieht. Zudem stimmen die Ereignisse durchaus nachdenklich und werfen auch bestimmte moralische Fragen auf, was dem Ganzen in meinen Augen auch eine gewisse tiefe verleiht. Deshalb kann ich an dieser Stelle auch nur eine glasklare Empfehlung an all jene aussprechen, die auch einmal etwas anderes als überzogene Action und literweise Kunstblut sehen wollen, denn das Regie-Debüt von Massimo Coglitore ist definitiv ein Film, der auch nachhaltig im Gedächtnis hängen bleibt.


Fazit:


Und wieder einmal bekommt man es mit einem Film zu tun an den man im Prinzip ohne jegliche Erwartungen heran geht, um letztendlich richtig positiv überrascht zu sein. Eine tolle Mischung aus Thriller-und Drama die mit tollen Darstellern besetzt ist und spürbar unter die Haut geht. "3 Minutes" ist ein Machtkampf auf der psychischen Schiene, der von einem bisher unbekannten Regisseur nahezu brillant in Szene gesetzt wurde und dabei ein Seh-Erlebnis präsentiert, an das man sich noch länger erinnern wird.


8,5/10
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Arkadin
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Re: 3 Minutes - Massimo Coglitore (2014)

Beitrag von Arkadin »

Jack Tramell (James Parks) moderiert sehr erfolgreich die immens populäre Quizshow „3 Minutes“. Als er eines Tages von einem arbeitsreichen Tag nach Hause kommt, wird er im Aufzug zu seinem Apartment von einer ihm unbekannten Frau (Caroline Goodall) attackiert. Die Frau, die sich ihm als Kathryn vorstellt, stoppt den Fahrstuhl und fesselt Tramell. Dann beginnt sie mit ihm ein schmerzhaftes Spiel, welches auf den Regeln von „3 Minutes“ fußt. Bald schon entwickelt sich ein tödlicher Psychokrieg zwischen den Beiden, bei dem man nicht weiß, zu welcher Seite man halten soll. Ist Jack unschuldiges Opfer oder gibt es in seiner Vergangenheit ein finsteres Geheimnis?

Mit „3 Minutes“ hat OFDb Filmworks wieder einmal einen kleinen, eher unbekannteren Thriller mit überraschenden Wendungen auf den Markt geworfen. Doch im Gegensatz zum exzellenten „The Body“ (Rezension hier) oder dem feinen „Cold Blooded“ (Rezension hier), will das Rezept hier nicht so ganz aufgehen. Dabei besitzt „3 Minutes“ alle Zutaten, um für spannende 90 Minuten zu sorgen: Eine mysteriöse Handlung, ein fieses Spielchen bei dem man nie weiß, wer nun der Gute und wer der Böse ist, sowie gute Schauspieler, die das Kammerstück durchaus über die volle Laufzeit tragen könnten. Doch irgendwie scheint Regisseur Massimo Coglitore seinem Drehbuch nicht zu trauen und versucht es doch verschiedene Eskalationen noch zu beschleunigen und spektakulärer zu gestalten. Dabei verliert er allerdings immer wieder den roten Faden und was ihm besonders anzulasten ist: Er torpediert ständig seine eigene, gar nicht uninteressante Prämisse.

Dass der Quizmaster hier in einer pervertierten Version seiner eigenen Show um sein Leben kämpfen muss, verspricht einige Spannung. Coglitore entscheidet sich allerdings dafür, dies damit zu konterkarieren, dass nach der ersten Runde klar ist, dass die Fragen, die dem TV-Star Jack gestellt werden, recht belanglos und einfach zu beantworten sind – wenn die Lösung nicht völlig abstrus und unter die Rubrik „Hat sich der Drehbuchautor halt so ausgedacht“ fällt. Ein Beispiel dafür ist die Frage, welcher Film („Misery“, „Machete“, „Kill Bill“ oder „Million Dollar Baby“ ) nicht in diese Reihe gehört, welche lediglich platt mit vorgegaukeltem Filmwissen ala Tarantino kokettiert, aber letztendlich höchst einfallslos, gezwungen und in der Auflösung vollkommen an den Haaren herbeigezogen daherkommt. Auch wird schnell deutlich, dass es eigentlich völlig egal ist, welche Antworten Jack gibt, da sie zum Teil gar nicht nachvollzogen werden können und seine Peinigerin offensichtlich auch kein großes Interesse daran hat, das Spiel durch Jacks Tod vorzeitig abzubrechen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Jack zwar leidet, aber keine ernsthaften Konsequenzen tragen muss. Ein herausgerissener Fußnagel schmerzt sicherlich höllisch, ist aber ein Witz gegenüber dem, was Jack sonst angedroht wird, aber in letzter Konsequenz dann doch nicht geschieht. Ebenfalls irritiert es, wenn Dinge, die auch dem unbedarftesten Zuschauer relativ schnell klar sind, einem als plötzliche Überraschung und große Sensation verkauft werden. Wenn sich im Laufe der Spielzeit dann auch noch herausstellt, dass die Motivation der Frau, diesen hohen Aufwand zu betreiben, um Jack zu foltern, auf ganz, ganz tönernen Füssen steht, macht sich beim Zuschauer eine gewisse Gereiztheit breit, die von dem sich ganz besonders clever gebenden Ende nicht unbedingt gelindert wird.

Immerhin kann sich Coglitore aber auf seine beiden Hauptdarsteller verlassen. Insbesondere die Engländerin Caroline Goodall wirft sich mit großem Enthusiasmus in ihre Rolle und agiert durchaus überzeugend als Frau, bei der man nie so recht weiß, ob es jetzt Verzweiflung oder schon purer Wahnsinn ist, der sie zu ihren Taten treibt. Auch Tarantino-Stammschauspieler James Parks bringt die richtige Mischung aus schmieriger Arroganz und Angst mit, um seine Rolle durchaus ambivalent zu gestalten, was dem Film sehr gut tut. Ein totaler Ausfall ist allerdings der Gaststar des Filmes, Burt Young. Wahrscheinlich geholt, um mit einem „großen Namen“ werben zu können, spielt er den Nachtwächter mit Boxkarriere (ein Hinweis auf die „Rocky„-Reihe, die ihn berühmt machte?) im Halbschlaf und merklich ohne große Lust.

„3 Minutes“ ist kein vollkommener Fehlschlag. Tatsächlich kann er streckenweise gut, wenn auch oberflächlich, unterhalten und profitiert deutlich von seinen beiden spielfreudigen Hauptdarstellern. Umso ärgerlich ist es, mit anzusehen, wie er sein durchaus vorhandenes Potential verschwendet und auf dem Weg zum Geheimtipp immer wieder ausrutscht und auf dem Hintern landet.
Früher war mehr Lametta
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