Allures - Jordan Belson (1961)

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Salvatore Baccaro
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Allures - Jordan Belson (1961)

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Originaltitel: Allures

Produktionsland: USA 1961

Regie: Jordan Belson
Verlockend ist das allemal, was der US-amerikanische Experimentalfilmer Jordan Belson mit ALLURES auf die Leinwände frühsechziger Underground-Kinos gezaubert hat: Acht Minuten dauert diese Proto-Laser-Show, dieser Trip in die Tiefen des Weltalls, der mich, wie es Belsons selbsterklärte Intention gewesen ist, mit der Erhabenheit des Kosmos konfrontieren soll, und deshalb nicht nur stellenweise wirkt wie eine Vorstufe zum technisch freilich wesentlich elaborierteren Finale von Kubricks 2001.

Um ehrlich zu sein, mag ich gar nicht wissen, was für ein armseliges Equipment Belson zur Verfügung gestanden haben mag, um seinem 16mm-Material Meteoritenregenschauer, Funken sterbender Sterne, spiralförmige schwarze Löcher, kaleidoskopische Kometentänze oder kubistische Objekte einzubrennen, die scheinbar schwerelos im Raum um sich selbst zirkulieren – und wie viel Arbeit es im Analogzeitalter dann noch bedeutet hat, die gelungensten Sequenzen zu einer halbwegs homogenen Parade zusammenzuschneiden. Was heute problemlos in der Effekte-Abteilung eines beliebigen digitalen Bildbearbeitungsprogramm abgerufen werden kann, was in den 80ern schon zum Repertoire jedes halbwegs begabten Musik- oder Werbevideo-Regisseurs gehörte, und was im Laufe der 70er bereits in Planetarien und bei Pop-Konzerten rege Anwendung fand, dafür hat Belson gemeinsam mit dem Klangkünstler Henry Jacobs schon ab Ende der 50er in Handarbeit den Grundstein gelegt, als die beiden im Morrison Planetarium in San Francisco selbstvergessen an ihren intergalaktischen Visionen werkeln.

In letzter Zeit habe ich ALLURES in drei verschiedenen Versionen gesehen – was mir einmal mehr mit Nachdruck versichert hat, wie sehr eine bestimmte Tonspur Bilder, und wenn sie noch so für sich alleinstehend überwältigend sein mögen, in die eine oder andere Richtung beeinflussen kann. Auf der großen Leinwand ist Belsons Film (zumal im originalen 16mm-Format) natürlich sowieso ein hypnotischer Sog, und veritables Äquivalent zu einem LSD-Trip, allerdings hat die elektronische Begleitmusik der Aufführung dann doch eher seinen meditativen Charakter betont. Auf DVD gibt’s ALLURES (zusammen mit vier weiteren Filmen Belsons bis 2005) ebenfalls, und dort ist der Soundtrack zwar ebenso elektronisch, jedoch ziemlich dissonant, wenn nicht gar atonal, und geradeheraus verstörend. Im Netz kursiert zudem eine dritte Fassung, von der ich keine Ahnung habe, ob die von einem fanatischen Fan bewerkstelligt wurde, oder es sich um einen offiziellen Neuschnitt handelt: ALLURES dauert dort nämlich beinahe eine halbe Stunde, sprich, das vorhandene Material wurde neu gruppiert und repetiert, und zu hören ist, außer dem Knacken und Knirschen des Filmmaterials, exakt nichts.

Für Enthusiasten der Experimentalfilmszene der 60er und Menschen, die bei 2001 die Handlung gestört hat, ist dieser kleine Flug in Regionen jenseits von Vernunft und Materie aber sowieso Pflichtprogramm – egal, in welcher Fassung.
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