Produktionsland: USA 2001
Regie: Fred Vogel
Darsteller: Fred Vogel, Allen Peters, Joe Knetter, AnnMarie Reveruzzi
Das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen. Die Raunächte halten Einzug, der erste Schnee fällt, die Uhren ticken leiser und langsamer – und ich komme auf die großartige Idee, mit AUGUST UNDERGROUND aus dem Jahre 2001 einen der berühmt-berüchtigtsten Faux-Snuff-Filme überhaupt zu sichten, von dem es heißt, er könne selbst Connaisseure von Werken wie Satoru Oguras GUINEA PIG: AKUMA NO JIKKEN (1985) oder Chris Powers und Nathan Hymes LONG PIGS nachhaltig traumatisieren…
AUGUST UNDERGROUND beginnt mit einem Blick in die Hölle – und nein, das ist nicht eine stilisierte, ästhetisch aufbereitete, an abendländischer Kunst- und Kulturgeschichte geschulte Hölle wie die in Lars von Triers THE HOUSE THAT JACK BUILT, sondern eine Hölle direkt in der Nachbarschaft irgendeines langweiligen US-amerikanischen Vororts: Ein junger Mann namens Peter lädt seinen namenlosen handkameraführenden Freund zu sich in Haus, wo dieser sich vor debilem Kichern kaum noch einkriegt, als er realisiert, dass sein Kumpel doch tatsächlich ein Pärchen entführt, und den männlichen Teil desselben bereits in der Badewanne (teilweise) zerstückelt hat, während die Frau grässlich zugerichtet, blutüberströmt, im Brustbereich verletzt und mit Exkrementen beschmiert geknebelt und gefesselt darauf wartet, dass man ihrem Martyrium ein Ende setzt. Bis dahin ist es ein langer Weg, dessen Steine, die mir nach dem „Genuss“ dieses Machwerks wie Blei im Magen liegen, sich sowohl aus der primitiven Anti-Ästhetik des Films als auch seinen schlicht unglaublichen Protagonisten rekrutieren.
AUGUST UNDERGROUND wurde auf Mini-DVD gedreht, die Bilder sind verwackelt, voller Artefakte, und sollen offensichtlich nicht anders ausschauen als das, was jeder beliebige Heimvideo-Filmer kreiert, wenn er zum ersten Mal seine Kamera testet. Natürlich verleiht das einem Film wie diesem eine gewisse Authentizität, die Regisseur und Hauptdarsteller Fred Vogel und seine schlechtere Hälfte, Co-Autor und Kameramann Allen Peters, noch durch die glorreiche Idee (aka „Marketing-Gag“) unterstreichen wollten, den vor- und abspannlosen AUGUST UNDERGROUND auf Datenträgern an öffentlichen Plätzen zu verteilen, damit Passanten, die die Tapes mit nach Hause nehmen, im Glauben, es handle sich um einen echten Snuff-Film, den Schreck ihres Lebens erleben. Solche pubertären Späße passen auch gut zu dem Verhalten, das die Beiden in AUGUST UNDERGROUND vor und hinter der Kamera an den Tag legen. Den Preis für den unsympathischsten, grauenvollsten Hauptdarsteller der gesamten Filmgeschichte hat sich Fred Vogel für seine Performance genauso redlich verdient wie Allen Peters den für das infantilste Gegacker im Hintergrund. Gegeizt wird weder an misogynen Zoten der vulgärsten Sorte noch an absolut infantilem Gebaren, wenn unsere „Helden“ ihr erstes Opfer zu Beginn auf allen mir bekannten Ebenen erniedrigen und demütigen. Auch das mag man, will man die Existenz dieses Films unbedingt rechtfertigen, aufs Authentizitäts-Konto verbuchen. Mich persönlich hat diese Optik, die ausschaut wie der letzte Dreck, in Verbindung mit zwei Psychopathen, die sich aufführen wie der letzte Dreck, schon nach wenigen Minuten meine Entscheidung zutiefst bereuen lassen, nun auch noch diese Lücke der Filmgeschichte für mich schließen zu müssen.
Was erwartet uns sonst noch in den insgesamt fünfundsiebzig Minuten? Peter und Kameramann nehmen eine Tramperin mit, zwingen sie zum Oralverkehr, und schlagen sie halbtot. Peter und Kameramann überfallen einen Tankstellenkiosk, schlagen den Besitzer halbtot, und zwingen ein Pärchen dazu, sich gegenseitig am Anus zu schnüffeln, bevor beide ebenfalls mit einem Baseballschläger zusammengeknüppelt werden. Peter und Kameramann machen Stunk bei einem Metal-Konzert, und werden vom Türsteher auf die Straße geworfen. Peter und Kameramann lassen sich ein Tattoo stechen, entführen den Tätowierer und seinen Zwillingsbruder (!), und amputieren ihnen zu Hause mehrere Gliedmaßen. Peter und Kameramann laden ein paar Prostituierte zu sich ein, von denen eine anal penetriert und dabei mit einem Hammer bearbeitet wird. Irgendwelche Szenen, die auch nur den Versuch unternehmen würden, die kranken Psychen unserer „Helden“ näher zu beleuchten, sucht man vergebens. Zwar besuchen Peter und Kameramann einmal einen Schlachtbetrieb, und lassen sich von einem Arbeiter die genaue Prozedur bei der Schlachtung erklären, (die wir glücklicherweise nicht auch noch zu Gesicht kriegen), sowie einen Haufen armer Schweine in der Kühlkammer zeigen, und ein anderes Mal posieren sie vor einem steinernen Christus, wirklichen Mehrwert hat keiner dieser Momente. Wobei man dieses Urteil natürlich auch auf den kompletten Film anwenden könnte: Ernsthaft, wieso sollte jemand Vergnügen darin finden, zwei derartigen Gestalten dabei zuzuschauen, wie sie ihre Opfer mit Eimern voll Urin überschütten, wie sie ihre Opfer mit Kot einschmieren, wie sie auf dem Niveau von Dreijährigen ihr Frauenbild breittreten, wie sie Kühe auf der Weide anglotzen? Es ist erstaunlich, aber noch nie hatte ich das Gefühl, eine Person – in diesem Fall: Herrn Vogel –, die ich nicht persönlich kenne, mit einem ganzen Korb an Ohrfeigen versorgen zu müssen.
Ich höre allerdings schon die Apologeten schreien, dass genau das die Qualität eines Films wie AUGUST UNDERGROUND sei: Solche transgressiven Werke tauchen derart tief ein in die abartigen Phantasien der Serienkiller und Psychopathen, die ihren Dreh- und Angelpunkt bilden, dass sie wirken wie Schlüssellochblicke in eine perverse Welt, die sich gar nicht allzu weit von unserer eigenen zu befinden scheint, und dadurch, dass irgendeine Erklärung für das mörderische Treiben fehlt, irgendeine psychologische Herleitung, irgendeine narrative Einbettung oder dramaturgische Motivation, sind wir den Bildern wehrlos ausgeliefert, und müssen selbst eine moralische Haltung entwickeln, mittels der wir sie kontextualisieren, und damit konsumierbar machen, oder unverdaut ausspucken können. Ich höre allerdings viel lauter das Johlen derjenigen, die die Taten von Peter und Kameramann witzig, unterhaltsam, gar beklatschenswert finden, und einen Film wie AUGUST UNDERGROUND tatsächlich so rezipieren wie andere Leute Aufnahmen ihrer schönsten Partyabstürze.