Coonskin - Ralph Bakshi (1975)
Moderator: jogiwan
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Coonskin - Ralph Bakshi (1975)
Coonskin
(Coonskin)
mit Barry White, Charles Gordone, Scatman Crothers, Philip Michael Thomas, Danny Rees, Buddy Douglas, Jim Moore
Regie: Ralph Bakshi
Drehbuch: Ralph Bakshi
Kamera: William A. Fraker
Musik: Chico Hamilton
FSK 16
USA / 1975
Der exzentrische Predriger “Preacherman” fährt mit seinem Freund Sampson zu einem Gefängnis, um dort dem gemeinsamen Bekannten Randy zur Flucht zu verhelfen. Während Randy auf seine beiden Fluchthelfer wartet, erzählt ihm ein älterer Mithäftling eine allegorische Geschichte von drei ähnlich gelagerten Typen: Bruder Hase, Bruder Bär und Prediger Fuchs. Jene drei hatten bisher ebenfalls nur wenig Glück und waren wenig erfolgreich in ihrem Bemühen, an Geld und Reichtum zu gelangen. In Harlem angekommen hoffen sie, das sich ihr Traum vom großen Geld endlich erfüllen wird. Bruder Hase entwickelt sich zum umtriebigen Gangster und das Trio scheint seinem Ziel langsam näher zu kommen. Doch nicht nur innere Spannungen sorgen für Probleme, auch von außen droht stets Gefahr, da man sich immer mehr Feinde in der Verbrecherszene macht...
Nachdem Ralph Bakshi mit "Fritz the Cat" und "Heavy Traffic - Starker Verkehr" in den frühen 70er Jahren schon zwei Zeichentrickfilme für Erwachsene auf den Weg gebracht hat, von denen wohl vor allem der erstgenannte Titel über einen ziemlichen Kultstatus verfügt, erschien 1975 mit "Coonskin" ein weiteres Werk, das dem Schema treu blieb. Dabei fällt es jedoch relativ schwer diesen Film einem bestimmten Genre zuzuordnen, denn bekommt man in einer Mischung aus Realfilm-und Zeichentrick ein Szenario geboten, in dem sich Anteile einer schwarzen Komödie, Sozialdrama und Gangsterfilm zu erkennen geben. Hinzu kommen mehrere-und immer wieder eingefügte Passagen, die dem Zuschauer fast schon surreal anmutende Momente bescheren, die beim ersten Anblick gar nicht so einfach einzuordnen sind. Dennoch-oder auch gerade deswegen entfaltet "Coonskin" jedoch einen unglaublich hohen Unterhaltungswert, der insbesondere durch die bissigen Dialoge immer wieder in den Vordergrund tritt. Andererseits kommen dadurch allerdings auch soziale Probleme, unverhohlener Rassismus und insbesondere sexuelle Anspielungen zum Vorschein, die ganz eindeutig dafür Sorge tragen, das dieses Werk als ein Film für Erwachsene anzusehen ist.
Nun treffen solche Produktionen ganz sicher nicht jeden Geschmack und ehrlicherweise kann auch ich selbst mich nicht als Fan solcher Geschichten bezeichnen, doch dieses kleine und mir persönlich bisher vollkommen unbekannte Werk hat eine Ausstrahlung, der man sich nur sehr schwer entziehen kann. Gerade die Kombination aus realem Film-und Zeichentrick stellt in diesem Fall etwas ganz besonderes dar, wobei man keinesfalls erwarten sollte etwas Ähnliches wie "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" serviert zu bekommen. Bakshi's Story verläuft auf einer ganz anderen Schiene und bietet vielmehr einen gelungenen Einblick in das soziale Chaos, das in der damaligen Zeit phasenweise in Amerika herrschte. Wer jetzt der Meinung ist das diese Thematik in der Form einer Animation nicht wirklich zur Geltung kommen kann sieht sich schnell getäuscht, denn obwohl streckenweise ein sogar als niedlich zu bezeichnendes Szenario die Bühne beherrscht, sind es doch ganz besonders die bissigen-und schwarz humorigen Wortwechsel, die einem den durchaus ernsten Hintergrund der Chose immer wieder in das Bewusstsein rufen.
Zudem sind es die einzelnen Figuren, die einerseits für jede Menge Unterhaltung und so manchen Lacher sorgen, auf der anderen Seite aber auch eine echte Boshaftigkeit an den Tag legen, die in der hier dargestellten Form schon etwas ganz Besonderes darstellt. Auch die frivole Seite des Ganzen kommt auf keinen Fall zu kurz, wobei in dieser Beziehung wohl der berühmt-berüchtigte "Fritz the Cat" noch um Einiges höher einzustufen ist. Der größte Unterschied der beiden Werke liegt aber wohl ganz eindeutig in der Tatsache begründet, das "Coonskin" keinesfalls auf Mainstream getrimmt ist und so wohl eher nur eine kleinere Gruppe ansprechen dürfte. Das ändert aber rein gar nichts an der vorhandenen Qualität und streckenweise kann man diese wilde Chose sogar schon als ein klein wenig genial bezeichnen.
Letztendlich liegt das wie immer am eigenen Geschmack und in der Sichtweise des jeweiligen Betrachters, doch mir persönlich hat diese ungewöhnliche Produktion ausnehmend gut gefallen. Zwar hat mich Bakshi's kleine Perle immer noch nicht zu einem ausgewiesenen Fan dieser Film-Gattung werden lassen, doch "Coonskin" wird ganz bestimmt noch öfter den Weg in den heimischen DVD-Player finden. Denn für eine einmalige Sichtung liefert der Film ganz einfach zu viele interessante Aspekte-und Eindrücke, so das einem beim nächsten Anschauen sicherlich noch andere Punkte auffallen, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht gänzlich erkannt hat.
Fazit:
Unterhaltsam, frivol-und vor allem außergewöhnlich sind wohl die Begriffe die "Coonskin" am besten beschreiben dürften. Um jedoch überhaupt etwas mit dieser Geschichte anfangen zu können muss man auch bereit sein, sich ihr vollkommen zu öffnen. Ansonsten wird wenig Begeisterung aufkommen und man wird sich eher die Frage stellen, welcher Sinn denn eigentlich hinter dem Ganzen stehen mag.
8/10
Big Brother is watching you
- karlAbundzu
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Re: Coonskin - Ralph Bakshi (1975)
Coonskin (1974)
DVD
Hase, Fuchs und Bär fahren nach Harlem, um endlich das Glück zu finden. Sie kommen aber in einem Sumpf aus Gewalt, Sex, Drogen. Was ihnen allerdings nicht fremd ist.
Bakshis wilder Blaxploitator. Zeichentrick wird verbunden mit Realszenen und muss sich so nicht zurück nehmen.
Derbe, gewalttätig, zynisch, grotesk. Wird jedes Klischee übersteigert, wird heftig Sozialkritik geübt und niemand verschont. Dreht zwischendurch sehr ab, und ist manchmal Realsatire.
Die Stimmen von Philip Michael Thomas (Miami Vice), Barry White, Charles Gordone und Scatman Crothers (Shining) sind stark, und sie bekommen auch eine reale Rahmenhandlung.
Scatman singt den tollen Intro Song, ansonsten ist die Musik mehr jazzy als funky, viel von Ain't No sunshine, alles stimmig.
Ungewöhnlich und gut.
Empfehlung.
DVD
Hase, Fuchs und Bär fahren nach Harlem, um endlich das Glück zu finden. Sie kommen aber in einem Sumpf aus Gewalt, Sex, Drogen. Was ihnen allerdings nicht fremd ist.
Bakshis wilder Blaxploitator. Zeichentrick wird verbunden mit Realszenen und muss sich so nicht zurück nehmen.
Derbe, gewalttätig, zynisch, grotesk. Wird jedes Klischee übersteigert, wird heftig Sozialkritik geübt und niemand verschont. Dreht zwischendurch sehr ab, und ist manchmal Realsatire.
Die Stimmen von Philip Michael Thomas (Miami Vice), Barry White, Charles Gordone und Scatman Crothers (Shining) sind stark, und sie bekommen auch eine reale Rahmenhandlung.
Scatman singt den tollen Intro Song, ansonsten ist die Musik mehr jazzy als funky, viel von Ain't No sunshine, alles stimmig.
Ungewöhnlich und gut.
Empfehlung.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
- Dick Cockboner
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Re: Coonskin - Ralph Bakshi (1975)
Den Film habe ich mal vor längerer Zeit im Fernsehen gesehen.
Und, frag nicht wie ich gerade jetzt darauf komme, wie ist denn der Titel eigentlich zu verstehen?
Coon ist ja eine sehr abwertende Bezeichnung, sozusagen das N-Wort mit C, ist das Ganze also als Coon-Skin oder eher als Coons-Kin lesbar?
Möglicherweise eine wirklich doofe Frage, aber kann dazu jemand was sagen?
Und, frag nicht wie ich gerade jetzt darauf komme, wie ist denn der Titel eigentlich zu verstehen?
Coon ist ja eine sehr abwertende Bezeichnung, sozusagen das N-Wort mit C, ist das Ganze also als Coon-Skin oder eher als Coons-Kin lesbar?
Möglicherweise eine wirklich doofe Frage, aber kann dazu jemand was sagen?
Re: Coonskin - Ralph Bakshi (1975)
Vor neun Jahren mal gesehen und jenes niedergeschrieben:
Sampson (Barry White) und der Prediger (Charles Gordone) wollen ihren Kumpel Randy (Philip Michael Thomas) aus dem Knast holen. Dieser hat bereits mit seinem Mithäftling Pappy (Scat Man Crothers) seine Flucht vorbereitet. Während sie auf Sampson und den Prediger warten, erzählt Pappy Randy die Geschichte von Hase, Bär und Fuchs. Drei Typen, die aus dem Süden nach Harlem kommen und sich dort einen Namen machen wollen…
Nach seinem Debüt „Fritz, the Cat„, welchem die Kult-Comics des Underground-Zeichners Robert Crumb zugrunde lag, und seinem, von ihm selbst geschriebenen und aufgrund des hohen Sex- und Gewalt-Anteils kontrovers aufgenommenen „Heavy Traffic„, bei dem er erstmalig mit Animationen und realen Hintergründen experimentierte, drehte Ralph Bakshi 1975 „Coonskin„. „Coonskin“ wird heutzutage oftmals übersehen, denn die beiden ersten Filmen haben einen großen Einfluss auf „erwachsene“ Animationsfilme gehabt, dass sie heute als die Prototypen des anarchistisch-subversiven Underground-Film gelten. Seine nächsten Filme, „Herr der Ringe“ und „Feuer und Eis„, kehrten dann dem Underground den Rücken zu und beschäftigten sich mit Fantasy-Themen.
„Coonskin“ ist zwar inhaltlich und stilistisch immer noch Underground, wurde aber bereits von einem großen Studio (Paramount) produziert. Vielleicht liegt hier der Grund dafür, dass er heute nicht so bekannt ist, wie seine anderen Filme. Denn obwohl Bakshi hier auf bekannte Stimmen, wie dem großen Barry White oder Scat Man Crothers (der später auch in „Shining“ eine wichtige Rolle spielte) zurückgreifen konnte, war „Coonskin“ auch Bakshis am meisten angefeindeter Film und vielleicht war es Paramount peinlich, mit Rassismus-Vorwürfen in Verbindung gebracht zu werden. Und diese sind durchaus nachvollziehbar, zeichnet doch der in Palästina geborene Bakshi ein denkbar schlechtes Bild von den farbigen Amerikanern. Er wirft jedes billige Klischee und jedes Vorurteil in die Waagschale und überzeichnet dieses noch einmal. Sieht man sich „Coonskin“ an, könnte man auf die Idee kommen, alle Schwarzen wären Drogendealer, Prostituierte oder Gewaltverbrecher. Aber dies ist nur die eine Seite. Tatsächlich übertreibt Bakshi diese Stereotypen so maßlos, dass der satirische Faktor klar hervorgehoben wird und einem durch dieses Überspitzen die eigenen Vorurteile gnadenlos ns Gesicht knallen. Und man darf nicht vergessen, dass die Weißen auch nicht viel besser wegkommen. Tatsächlich gibt es in dem ganzen Film keine einzige normale, sympathische Figur.
szenenbild_Coonskin1Als Bakshi mit seinen Eltern in den USA zog, lebten sie u.a. in einem schwarzen Viertel, wo Bakshis einzigen Freunde schwarz waren. Um mit ihnen zusammen zu sein, entschloss er sich, von seiner rein weißen, auf eine rein schwarze Schule zu wechseln, wo er dann der einzige weiße Schüler war. Dies brachte ihm und seinen Eltern einigen Ärger seitens der weißen Behörden ein. Von daher weiß Bakshi schon genau, worüber er seinen Film drehte, und der Verdacht des Rassismus ist nicht haltbar. Bakshis Film ist eine überdrehte und recht geschmacksbefreite Satire und gleichzeitig ein waschechter Blaxploitation-Film. Gleichzeitig verarbeitet er alle rassistischen Ausprägungen der amerikanischen Pop-Kultur. Von Szenen aus „Birth of a Nation“ (der für seine positive Darstellung des Ku-Klux-Klan und einer entsprechend schlechten der Schwarzen bekannt ist) bis zum berüchtigten „Blackfacing“, bei dem weiße Darsteller ihr Gesicht schwarz malten, um schwarze Witzfiguren darzustellen. Aber auch Klischeedarstellungen der Schwarzen als immer potente Sexmaschinen, die nur das eine im Kopf haben und generell auch eine Neigung zu kriminellen Machenschaften und Größenwahn aufweisen. Quasi so, wie sich die amerikanischen Gangsta-Rapper gerne geben.
Während der Animationsteil von „Coonskin“ noch relativ konventionell beginnt, steigert er sich in Laufe der Handlung immer mehr ins Groteske hinein. Besonders deutlich wird dies, wenn auch die Mafia auftritt. Der „Pate“ (im Original von Al „Grandpa Munster“ Lewis gesprochen) ist ein merkwürdig aussehendes Wesen mit vielen Zähnen, Warzen und einen dicken, behaartem Bauch, der sich ständig unter seinem Hemd hervor drückt. Seine Sohne alles Homosexuelle, die – dies zieht sich als roter Faden durch den Film – auch jedem Klischee entsprechen, welches man sich vorstellen kann. Dabei reicht ihre Bandbreite von einer scheinbar an David Bowie orientierten Figur bis hin zu einen Rüsselwesen, dessen merkwürdiger Kopf an eine Mischung aus Ameisenbär und Staubsauger erinnert. Der jüngste Sohn ist dann ein affenähnliches Geschöpf im Harlekin-Kostüm. Grundsätzlich sind Bakshis Zeichnungen klar karikaturartig, wobei sie von recht detailliert bis hin zum kruden, skizzenhaften reichen. Während z.B. ein Charakter wie Bär noch einem klassischen Stil folgt, ist der korrupte Polizist Madigan einem verzerrten Underground-Stil verpflichtet.
Wie schon in „Heavy Traffic“ vermischt Bakshi Animation und Realfilm. Ein etwas holprig daherkommender Realfilm bildet die Rahmenhandlung des Filmes, in denen Barry White, Charles Gordone, Michael Philip Thomas und Scat Man Crothers, der hier auch die Rolle des Erzählers übernimmt, zu sehen sind. Alle vier leihen auch den Figuren im Animationsteil ihre Stimmen. Inspiriert wurde Bakshi bei dieser Rahmenhandlung von dem Disney-Film „Song of the South“, indem ebenfalls im Realfilmteil der Rahmen für die animierten Szenen im Film vorgebenden wird, und ein durch einen Schauspieler verkörperter Erzähler vorkommt. „Song of the South“ basiert wiederum auf den „Onkel Remus“-Büchern, die Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden und in denen ein freundlicher, schwarzer Onkel Remus afroamerikanische Fabeln erzählt. In diesen tauchen dann auch die drei Figuren Bruder Hase, Bruder Bär und Bruder Fuchs auf. Ähnlich wie „Onkel Toms Hütte“ galten die Bücher bis in die 50er als Darstellungen der „guten Schwarzen“ bis sie ab den 60ern als Beispiele für indirekten Rassismus aufgegriffen wurden. Bakshi bezieht sich ganz direkt auf die „Onkel Remus“-Geschichten. Nicht nur indem er die drei Hauptcharaktere Hase, Bär und Fuchs übernimmt, sondern auch Elemente aus den Geschichten, wie z.B. das „Pech-Baby“, zitiert.
Innerhalb des Filmes lässt er dann Trickfiguren mit Menschen interagieren. Sei es, dass reale Menschenmengen den Hintergrund einer Szene bilden; in einer großartigen Szene, der korrupte Madigan von einer realen, barbusigen Schönheit verführt wird oder sich einmal sogar Rabbit mit realen Schauspielern unterhält. Auch nutzt Bakshi Filmaufnahmen, die er in Harlem gemacht hat, um diese als Hintergründe für seinen Film zu verwenden. Dies gibt „Coonskin“ trotz aller satirischen Übertriebenheit einen rauen, realistischen Ton und stellt heute ein geradezu historisches Dokument über das Leben in Harlem Mitte der 70er Jahre dar.
„Coonskin“ steckt voller Brutalität, billigem Sex, bewusst vorgeführten, rassistischen Stereotypen und schierem Wahnsinn, der sich auch auf der kreativen Ebene niederschlägt. Dies ist manchmal schon zu viel des Guten, an einigen stellen sicherlich viel zu dick aufgetragen und kann zu gewissen Ermüdungserscheinungen führen. „Coonskin“ stellt aber darüber hinaus ein interessantes Zeitzeugnis dar, welches sicherlich nicht jedermanns Geschmack trifft (und treffen will), aber zumindest einmal gesehen werden sollte.
Sampson (Barry White) und der Prediger (Charles Gordone) wollen ihren Kumpel Randy (Philip Michael Thomas) aus dem Knast holen. Dieser hat bereits mit seinem Mithäftling Pappy (Scat Man Crothers) seine Flucht vorbereitet. Während sie auf Sampson und den Prediger warten, erzählt Pappy Randy die Geschichte von Hase, Bär und Fuchs. Drei Typen, die aus dem Süden nach Harlem kommen und sich dort einen Namen machen wollen…
Nach seinem Debüt „Fritz, the Cat„, welchem die Kult-Comics des Underground-Zeichners Robert Crumb zugrunde lag, und seinem, von ihm selbst geschriebenen und aufgrund des hohen Sex- und Gewalt-Anteils kontrovers aufgenommenen „Heavy Traffic„, bei dem er erstmalig mit Animationen und realen Hintergründen experimentierte, drehte Ralph Bakshi 1975 „Coonskin„. „Coonskin“ wird heutzutage oftmals übersehen, denn die beiden ersten Filmen haben einen großen Einfluss auf „erwachsene“ Animationsfilme gehabt, dass sie heute als die Prototypen des anarchistisch-subversiven Underground-Film gelten. Seine nächsten Filme, „Herr der Ringe“ und „Feuer und Eis„, kehrten dann dem Underground den Rücken zu und beschäftigten sich mit Fantasy-Themen.
„Coonskin“ ist zwar inhaltlich und stilistisch immer noch Underground, wurde aber bereits von einem großen Studio (Paramount) produziert. Vielleicht liegt hier der Grund dafür, dass er heute nicht so bekannt ist, wie seine anderen Filme. Denn obwohl Bakshi hier auf bekannte Stimmen, wie dem großen Barry White oder Scat Man Crothers (der später auch in „Shining“ eine wichtige Rolle spielte) zurückgreifen konnte, war „Coonskin“ auch Bakshis am meisten angefeindeter Film und vielleicht war es Paramount peinlich, mit Rassismus-Vorwürfen in Verbindung gebracht zu werden. Und diese sind durchaus nachvollziehbar, zeichnet doch der in Palästina geborene Bakshi ein denkbar schlechtes Bild von den farbigen Amerikanern. Er wirft jedes billige Klischee und jedes Vorurteil in die Waagschale und überzeichnet dieses noch einmal. Sieht man sich „Coonskin“ an, könnte man auf die Idee kommen, alle Schwarzen wären Drogendealer, Prostituierte oder Gewaltverbrecher. Aber dies ist nur die eine Seite. Tatsächlich übertreibt Bakshi diese Stereotypen so maßlos, dass der satirische Faktor klar hervorgehoben wird und einem durch dieses Überspitzen die eigenen Vorurteile gnadenlos ns Gesicht knallen. Und man darf nicht vergessen, dass die Weißen auch nicht viel besser wegkommen. Tatsächlich gibt es in dem ganzen Film keine einzige normale, sympathische Figur.
szenenbild_Coonskin1Als Bakshi mit seinen Eltern in den USA zog, lebten sie u.a. in einem schwarzen Viertel, wo Bakshis einzigen Freunde schwarz waren. Um mit ihnen zusammen zu sein, entschloss er sich, von seiner rein weißen, auf eine rein schwarze Schule zu wechseln, wo er dann der einzige weiße Schüler war. Dies brachte ihm und seinen Eltern einigen Ärger seitens der weißen Behörden ein. Von daher weiß Bakshi schon genau, worüber er seinen Film drehte, und der Verdacht des Rassismus ist nicht haltbar. Bakshis Film ist eine überdrehte und recht geschmacksbefreite Satire und gleichzeitig ein waschechter Blaxploitation-Film. Gleichzeitig verarbeitet er alle rassistischen Ausprägungen der amerikanischen Pop-Kultur. Von Szenen aus „Birth of a Nation“ (der für seine positive Darstellung des Ku-Klux-Klan und einer entsprechend schlechten der Schwarzen bekannt ist) bis zum berüchtigten „Blackfacing“, bei dem weiße Darsteller ihr Gesicht schwarz malten, um schwarze Witzfiguren darzustellen. Aber auch Klischeedarstellungen der Schwarzen als immer potente Sexmaschinen, die nur das eine im Kopf haben und generell auch eine Neigung zu kriminellen Machenschaften und Größenwahn aufweisen. Quasi so, wie sich die amerikanischen Gangsta-Rapper gerne geben.
Während der Animationsteil von „Coonskin“ noch relativ konventionell beginnt, steigert er sich in Laufe der Handlung immer mehr ins Groteske hinein. Besonders deutlich wird dies, wenn auch die Mafia auftritt. Der „Pate“ (im Original von Al „Grandpa Munster“ Lewis gesprochen) ist ein merkwürdig aussehendes Wesen mit vielen Zähnen, Warzen und einen dicken, behaartem Bauch, der sich ständig unter seinem Hemd hervor drückt. Seine Sohne alles Homosexuelle, die – dies zieht sich als roter Faden durch den Film – auch jedem Klischee entsprechen, welches man sich vorstellen kann. Dabei reicht ihre Bandbreite von einer scheinbar an David Bowie orientierten Figur bis hin zu einen Rüsselwesen, dessen merkwürdiger Kopf an eine Mischung aus Ameisenbär und Staubsauger erinnert. Der jüngste Sohn ist dann ein affenähnliches Geschöpf im Harlekin-Kostüm. Grundsätzlich sind Bakshis Zeichnungen klar karikaturartig, wobei sie von recht detailliert bis hin zum kruden, skizzenhaften reichen. Während z.B. ein Charakter wie Bär noch einem klassischen Stil folgt, ist der korrupte Polizist Madigan einem verzerrten Underground-Stil verpflichtet.
Wie schon in „Heavy Traffic“ vermischt Bakshi Animation und Realfilm. Ein etwas holprig daherkommender Realfilm bildet die Rahmenhandlung des Filmes, in denen Barry White, Charles Gordone, Michael Philip Thomas und Scat Man Crothers, der hier auch die Rolle des Erzählers übernimmt, zu sehen sind. Alle vier leihen auch den Figuren im Animationsteil ihre Stimmen. Inspiriert wurde Bakshi bei dieser Rahmenhandlung von dem Disney-Film „Song of the South“, indem ebenfalls im Realfilmteil der Rahmen für die animierten Szenen im Film vorgebenden wird, und ein durch einen Schauspieler verkörperter Erzähler vorkommt. „Song of the South“ basiert wiederum auf den „Onkel Remus“-Büchern, die Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden und in denen ein freundlicher, schwarzer Onkel Remus afroamerikanische Fabeln erzählt. In diesen tauchen dann auch die drei Figuren Bruder Hase, Bruder Bär und Bruder Fuchs auf. Ähnlich wie „Onkel Toms Hütte“ galten die Bücher bis in die 50er als Darstellungen der „guten Schwarzen“ bis sie ab den 60ern als Beispiele für indirekten Rassismus aufgegriffen wurden. Bakshi bezieht sich ganz direkt auf die „Onkel Remus“-Geschichten. Nicht nur indem er die drei Hauptcharaktere Hase, Bär und Fuchs übernimmt, sondern auch Elemente aus den Geschichten, wie z.B. das „Pech-Baby“, zitiert.
Innerhalb des Filmes lässt er dann Trickfiguren mit Menschen interagieren. Sei es, dass reale Menschenmengen den Hintergrund einer Szene bilden; in einer großartigen Szene, der korrupte Madigan von einer realen, barbusigen Schönheit verführt wird oder sich einmal sogar Rabbit mit realen Schauspielern unterhält. Auch nutzt Bakshi Filmaufnahmen, die er in Harlem gemacht hat, um diese als Hintergründe für seinen Film zu verwenden. Dies gibt „Coonskin“ trotz aller satirischen Übertriebenheit einen rauen, realistischen Ton und stellt heute ein geradezu historisches Dokument über das Leben in Harlem Mitte der 70er Jahre dar.
„Coonskin“ steckt voller Brutalität, billigem Sex, bewusst vorgeführten, rassistischen Stereotypen und schierem Wahnsinn, der sich auch auf der kreativen Ebene niederschlägt. Dies ist manchmal schon zu viel des Guten, an einigen stellen sicherlich viel zu dick aufgetragen und kann zu gewissen Ermüdungserscheinungen führen. „Coonskin“ stellt aber darüber hinaus ein interessantes Zeitzeugnis dar, welches sicherlich nicht jedermanns Geschmack trifft (und treffen will), aber zumindest einmal gesehen werden sollte.
Früher war mehr Lametta
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