Linda Blair Richard Burton Louise Fletcher Kitty Winn in
● EXORZIST II - DER KETZER / EXORCIST II - THE HERETIC (1977)
mit Max von Sydow, Paul Henreid, Ned Beatty, Belinda Beatty und James Earl Jones
Produktion und Verleih Warner Bros.
ein Film von John Boorman
»Das Böse ist ein spirituelles Wesen. Greifbar und lebendig.«
Vier Jahre nach William Friedkins Welt-Erfolg "Der Exorzist" schickte Warner Bros. mit "Exorzist II - Der Ketzer" deren bis zu diesem Zeitpunkt teuerste Produktion, mit einem Produktionsbudget von rund $ 14.000.000 ins Rennen, also dem Fünffachen der ursprünglich geplanten Kosten. Ein Prestige-Projekt sozusagen. Der Film präsentiert sich (nominell gesehen) zwar unmittelbar als Fortsetzung des ersten Teils, doch Regisseur John Boorman inszenierte dem Empfinden nach einen sehr eigenständigen, emanzipierten und vor allem global denkenden Film. Das Ergebnis ging schlagartig in die Filmgeschichte ein und gilt angesichts des End-Ergebnisses und des nicht erzielten wirtschaftlichen Erfolges (es wurde nur gut die Hälfte der Kosten wieder eingespielt), als weitgehend misslungen. Wenn man nach Informationen zu diesem Film sucht, spürt man ein Fließband an harten und eindeutigen Verrissen auf, so dass es sich als beinahe unmöglich heraus stellt, wohlwollende Worte zu finden. Aus persönlicher Sicht und großer Wertschätzung für diesen vielschichtigen und zugegebenermaßen komplizierten Spielfilm sollte daher gesagt werden, dass er seine Stärken vielleicht nicht auf dem Präsentierteller servieren möchte, aber dennoch als Gedankenspiel ernst genommen werden sollte, denn auf rein hypothetischer Basis liefert der Plot schon Inhalte, über die es wert ist, nachzudenken.
Als überragende Assoziationskette offeriert Borrmans Arbeit also eine Reihe alternativer Berührungspunkte, die sich eindeutig sowohl von einschlägigem Trivial-Horror, als auch von edleren Varianten abzuheben wissen. Das Ergebnis ist schließlich faszinierend ausgefallen, aber auch eigenartig zurückweisend zugleich. In den Bereichen Anspruch und Ausstattung ist ein weit unterschätztes Meisterwerk entstanden, doch betrachtet man die Thematik und deren Plot-Fragmente genau, so mutet Boorman dem Zuschauer eine nur langsam transparent werdende Komplex-Maßnahme zu, die Freunde des passiven Berieselungs-Horrors vermutlich abschrecken, und die ein mehrmaliges Anschauen von "Exorzist II" sicherlich verhindern wird. Im positiven Sinne werden tatsächlich allerhand Gedankensprünge aufzuspüren sein, die Aufmerksamkeit lässt sich daher unweigerlich nicht immer auf dem gleich hohen Niveau aufrecht erhalten lassen, welches der Verlauf allerdings auch unerbittlich zu diktieren versucht. Er streckt sich selbst um in den richtigen Momenten eindrucksvoll zuzupacken. Im Grunde genommen wirkt "Exorzist II" in vielerlei Hinsicht überambitioniert, vielleicht kann man sogar überqualifiziert sagen, man sieht der Produktion schon deutlich an, dass mit allen verfügbaren Mitteln erreicht werden wollte, an bestehende Erfolge anzuknüpfen, oder diese eventuell zu übertrumpfen.
Handlung und tieferer Sinn wirken selbst nach mehrmaligem Ansehen wie ein Phantom, das zwar unzählige Gestalten annimmt, aber nicht unmittelbar auszumachen ist. Es wirkt ohnehin so, als versuche der Verlauf Transparenz zu unterbinden, so dass man den ihn beinahe schon unberechenbar nennen kann, wofür in der Regel allerdings andere Umschreibungen, wie beispielsweise langweilig, gebraucht werden. "Exorzist II" wird immer wieder als hoffnungslos verworren und mühsam konstruiert beschrieben, was man in einer positiven Umkehrreaktion, also im Sinne von fordernd, durchaus als Hauptambition der kompletten Inszenierung ansehen sollte. Dem Vernehmen nach wurde das Drehbuch während der Herstellung immer wieder umgeändert und die augenscheinlich verworrenen Elemente werden von Regie und Drehbuch nur vage geordnet und mit Hilfe von permanent auftauchenden Allegorien aufzuschlüsseln versucht. Die umwerfende Bebilderung fügt sich als essentieller Mosaikstein hinzu und die wichtigste Aufgabe übernimmt letztlich das geneigte Publikum. Boormans Beitrag ist ein Film der Zuschauergewalt. Trotz aller Vorgaben, die teilweise sogar erdrückend und aufdringlich wirken werden, sieht man "Der Ketzer" lediglich in einer Silhouette, einer Façon innerhalb der bestehenden Regeln oder Konventionen eines etablierten Genres, jedoch steckt das Ganze in keiner Zwangsjacke, oder besser gesagt, in keinem Korsett.
Somit handelt es sich um einen der bemerkenswertesten Progressiv-Beiträge im Horrorfilm-Orbit, da Grenzen mutig überschritten wurden, ohne jedoch die grundeigenen Wurzeln zu vergessen. Es gehört zum stillen Dasein aller verkannten Hochkaräter, dass es kaum, beziehungsweise ungerne Anerkennung gibt, doch hier lohnt es sich unbedingt, den Film mit einem gezielteren Blick zu belohnen. Beispiellose Ketten von Schlüsselszenen, verschachtelte Aussagen und Dialoge, die umwerfende Ausstattung und Kamera-Arbeit, sowie das Star-Ensemble wirken naturgemäß faszinierend, die satten Bilder fabrizieren Stimmungen, offenbaren Tragik, Spannung und eben Horror, Ennio Morricones einerseits sanfte Musik, die andererseits aber auch in aggressiv wirkenden Stücken gipfeln kann, die interessanten Ortswechsel, um nur einige Beispiele zu nennen, wirkten seit der Erstansicht überdurchschnittlich faszinierend. Es bleibt einer der mutigsten und vor allem intelligentesten Blicke zurück nach vorn, und wenn es aus persönlicher Sicht einmal deutlich gesagt werden darf, es bleibt sogar durchaus ein kontraktes Meisterwerk zurück, welches den brillanten Vorgänger in mancherlei Hinsicht in die Tasche steckt. Diese einleitenden Worte würden viele Kritiker von "Exorzist II" sicherlich schon zu einem Verriss vor dem eigentlichen Verriss des Films verleiten, aber gerade bei diesem zweiten Teil ist es auch einmal angebracht, die andere Seite der Medaille zu durchleuchten. Und das gerne in mehreren Etappen...