LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection - Fred Halsted (1972 - 1975)
Moderator: jogiwan
LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection - Fred Halsted (1972 - 1975)
LA Plays Itself / Sex Garage / Sextool
Originaltiteln: LA Plays Itself / Sex Garage / Sextool
Herstellungsland: USA / 1972 - 1975
Regie: Fred Halsted
Darsteller: Fred Halsted, Joseph Yale, Gus Harvey, Charmaine Lee Anderson, Jim Frost, Bob Madison
Story:
Fred Charles Halsted war ein amerikanischer Pornodarsteller und Regisseur. Aufgrund seiner experimentellen und verstörenden Filme nahm Halsted in der Pornoindustrie eine Ausnahmestellung ein und wurde von Künstlern wie William S. Burroughs und Salvador Dalí verehrt. (quelle: wikipedia)
Originaltiteln: LA Plays Itself / Sex Garage / Sextool
Herstellungsland: USA / 1972 - 1975
Regie: Fred Halsted
Darsteller: Fred Halsted, Joseph Yale, Gus Harvey, Charmaine Lee Anderson, Jim Frost, Bob Madison
Story:
Fred Charles Halsted war ein amerikanischer Pornodarsteller und Regisseur. Aufgrund seiner experimentellen und verstörenden Filme nahm Halsted in der Pornoindustrie eine Ausnahmestellung ein und wurde von Künstlern wie William S. Burroughs und Salvador Dalí verehrt. (quelle: wikipedia)
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Re: LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection - Fred Halsted (1972 - 1975)
Drei Erwachsenenfilme von Regisseur Fred Halsted zwischen 35 und 60 Minuten, die dem Zuschauer in einer Mischung aus Experimentalfilm und schwuler Pornographie eine sehr bunte Mischung aus Sex-Szenen zumuten, die man so in dieser Form auf der großen Leinwand bis dahin noch nicht gesehen hat. „LA Plays Itself“ beginnt ja recht harmlos mit einem Pärchen in der Bergwelt Südkaliforniens, die sich vergnügen und switcht dann zu einer zweiten Geschichte über einen Texaner, der im Sündenmoloch Los Angeles an den falschen Mann gerät. Dann folgt auch die Antwort auf die Frage, wieviel Hand im Unterleib einen Mannes Platz haben und der menschliche Körper wirklich so einiges auszuhalten vermag. „Sex Garage“ wirkt da schon fast verhalten, während „Sextool“ beim Thema Fisting wieder voll aufdreht und dem Zuschauer allerlei andere Dinge im Spannungsfeld von Sadismus und Masochismus vor die Linse knallt. Fred Halsted hat ja definitiv keine Wohlfühlfilme gedreht und dass die Protagonisten größtenteils getrieben wirken, lässt auch kaum die Vermutung zu, dass Sex den Beteiligten nebenher auch noch Spaß machen kann. Vielmehr wird dieser hier fast schon zu einem Akt der Zerstörung und leider auch wenig verwunderlich, dass Halsted nicht nur sein Publikum verstört zurückgelassen hat, sondern auch in späteren Jahren Selbstmord begangen hat, nachdem er wohl selber nichts ausgelassen hat.
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- Salvatore Baccaro
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Re: LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection - Fred Halsted (1972 - 1975)
Das klingt nach wilden Ritten - und erinnert mich an "Good Hot Stuff", jene Hommage an das "Golden Age of Gay Porn", die das Frankfurter Filmkollektiv Anno 2021 veranstaltete, und dabei primär Produktionen von Jack Deveau und seiner Firma "Hand in Hand" zeigte. Dessen PRIVATE COLLECTION, (nicht Teil des offiziellen Programms, jedoch in diesem Rahmen quasi unter der "Hand" in meinen Besitz gelangt), aber auch DRIVE, (der wegen Filmrissen im Analogmaterial letztlich nicht vollständig gezeigt werden konnte), sind mir bei den Beschreibungen dieser drei etwa zeitgleich entstandenen Halsted-Filmen sofort zurück ins Gedächtnis gesprungen, puh. Kommt auf die (inzwischen uferlose) Watchlist...
- Salvatore Baccaro
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Re: LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection - Fred Halsted (1972 - 1975)
Angefixt von Jogis Besprechung konnte ich mich nicht bezwingen und habe fieberhaft nach irgendeiner Möglichkeit gesucht, mir zumindest Fred Halsteds Debüt LA PLAYS ITSELF von 1972 zeitnah besehen zu können. Fragt mich nicht, auf welcher Seite ich fündig geworden bin, fragt mich vielmehr, wie begeistert ich von dem Film bin, und lauscht meiner Antwort, die einfach nur "Ja!" lautet.
LA PLAYS ITSELF dürfte der zugleich faszinierendste, experimentellste, sinnlichste (erste Hälfte) wie verstörendste (zweite Hälfte) Gay Porn sein, den ich jemals gesehen habe - (den bereits erwähnten Jack Deveau mit eingeschlossen) - wobei das Label "Schwulenporno" diesen vielschichtigen Film vielleicht auch allzu sehr einengt. Klar, es gibt einige HC-Szenen zu bestaunen, in denen Männer miteinander verkehren - (innerhalb der Pornofilmgeschichte gilt LA PLAYS ITSELF als erstes Fisting-Einsprengsel beinhaltendes Werk) -, doch dabei endet der bunte Reigen an Bildern bei Weitem nicht.
Wie Jogi schon beschrieben hat, ist LA PLAYS ITSELF streng als Diptychon komponiert: Die erste Hälfte erzählt in entzückenden Natur- und Landschaftsaufnahmen des Umlands von Los Angeles, wie sich zwei Männer unter freiem Himmel über den Weg laufen, Gefallen einander finden, sexuell anbandeln. Es ist eine Art homoerotischer Garten Eden, den Halsted hier inszeniert: Freie Liebe, freier Sex, Flora und Fauna unbelastet von den Zugriffen der Zivilisation. Aus dem Off ertönen Klänge, die an fernöstliche Ritualmusik erinnern, teilweise aber intoniert von verzerrten E-Gitarren; Halsted arbeitet mit Überblendungen, die die Hardcore-Szenen synergetisch mit den Wiesen, Bäumen, Bachläufen verschmelzen lassen. Die Vertreibung aus dem Paradies erfolgt sinnfällig dadurch, dass sich unsere Liebenden vom Lärm nahender Bulldozzer gestört fühlen, die anrücken, um Eden für ein weiteres Neubaugebiet plattzumachen: Die Kamera zoomt zurück; auf einmal ist das Paradies in weite Ferne gerückt; im Vordergrund drängt sich eine stark befahrene Autobahn in den Bildkader.
Die zweite Hälfte nimmt uns dann mit in das desillusionierte, konsumorientierte, nihilistische Treiben im Herzen von L.A., wo Halsted als Sadist einen schutzbedürftigen texanischen Jüngling unter seine Fittiche nimmt, um ihn in eine BDSM-Session zu verstricken, die alsbald völlig aus dem Ruder läuft und mit dem Tod des Knaben endet. Die Tonspur dominieren nunmehr eher atonale elektronische Klänge; in den mit Boots und Leather nicht geizenden Sexualakt sind Bilder der molochartigen Metropole eingestreut, von einem gegenkulturellen Musikfestival, von jungen Männern, die scheinbar ziellos durch die Gassen streunen; ebenfalls aus dem Off hören wir einen Dialog mutmaßlich zwischen Halsteds Figur und seinem Opfer, der sich um die Vorzüge vom Stadt- und Landleben dreht, und zu Gunsten letzteren ausfällt. Einer der beiden Protagonisten erlebt den Abspann lediglich als lebloser Körper, bereit, in der nächstbesten Mülltonne entsorgt zu werden, während der Überlebende sich genüsslich auf den Ermordeten einen runterholt.
Im Grunde alles an LA PLAYS ITSELF spielt für mich in der obersten Liga: Die dem Underground Cinema verpflichtete 16mm-Ästhetik; die avantgardistische Montage, die nicht narrativ, sondern assoziativ funktioniert; die handgeführte Kamera; das Tondesign; die improvisiert anmuteten Off-Dialoge - vor allem aber auch dieser disruptive Wechsel zwischen Himmel und Hölle innerhalb von einem Film, der nur knapp 50 Minuten dauert. Ein Diptychon im wahrsten Wortsinn! Dass ich bislang noch nie von Halsted gehört habe, ist sicherlich rein der sexuellen Orientierung seiner Figuren geschuldet - und das, obwohl selbst das MoMA eine Kopie des Films zu beherbergen scheint.
Wenn SEX GARAGE und SEXTOOL nur halb so wild sind wie dieser wirklich aufwühlende Trip, bin ich ebenfalls im Himmel, und zwar im siebten: Welch Entdeckung!
LA PLAYS ITSELF dürfte der zugleich faszinierendste, experimentellste, sinnlichste (erste Hälfte) wie verstörendste (zweite Hälfte) Gay Porn sein, den ich jemals gesehen habe - (den bereits erwähnten Jack Deveau mit eingeschlossen) - wobei das Label "Schwulenporno" diesen vielschichtigen Film vielleicht auch allzu sehr einengt. Klar, es gibt einige HC-Szenen zu bestaunen, in denen Männer miteinander verkehren - (innerhalb der Pornofilmgeschichte gilt LA PLAYS ITSELF als erstes Fisting-Einsprengsel beinhaltendes Werk) -, doch dabei endet der bunte Reigen an Bildern bei Weitem nicht.
Wie Jogi schon beschrieben hat, ist LA PLAYS ITSELF streng als Diptychon komponiert: Die erste Hälfte erzählt in entzückenden Natur- und Landschaftsaufnahmen des Umlands von Los Angeles, wie sich zwei Männer unter freiem Himmel über den Weg laufen, Gefallen einander finden, sexuell anbandeln. Es ist eine Art homoerotischer Garten Eden, den Halsted hier inszeniert: Freie Liebe, freier Sex, Flora und Fauna unbelastet von den Zugriffen der Zivilisation. Aus dem Off ertönen Klänge, die an fernöstliche Ritualmusik erinnern, teilweise aber intoniert von verzerrten E-Gitarren; Halsted arbeitet mit Überblendungen, die die Hardcore-Szenen synergetisch mit den Wiesen, Bäumen, Bachläufen verschmelzen lassen. Die Vertreibung aus dem Paradies erfolgt sinnfällig dadurch, dass sich unsere Liebenden vom Lärm nahender Bulldozzer gestört fühlen, die anrücken, um Eden für ein weiteres Neubaugebiet plattzumachen: Die Kamera zoomt zurück; auf einmal ist das Paradies in weite Ferne gerückt; im Vordergrund drängt sich eine stark befahrene Autobahn in den Bildkader.
Die zweite Hälfte nimmt uns dann mit in das desillusionierte, konsumorientierte, nihilistische Treiben im Herzen von L.A., wo Halsted als Sadist einen schutzbedürftigen texanischen Jüngling unter seine Fittiche nimmt, um ihn in eine BDSM-Session zu verstricken, die alsbald völlig aus dem Ruder läuft und mit dem Tod des Knaben endet. Die Tonspur dominieren nunmehr eher atonale elektronische Klänge; in den mit Boots und Leather nicht geizenden Sexualakt sind Bilder der molochartigen Metropole eingestreut, von einem gegenkulturellen Musikfestival, von jungen Männern, die scheinbar ziellos durch die Gassen streunen; ebenfalls aus dem Off hören wir einen Dialog mutmaßlich zwischen Halsteds Figur und seinem Opfer, der sich um die Vorzüge vom Stadt- und Landleben dreht, und zu Gunsten letzteren ausfällt. Einer der beiden Protagonisten erlebt den Abspann lediglich als lebloser Körper, bereit, in der nächstbesten Mülltonne entsorgt zu werden, während der Überlebende sich genüsslich auf den Ermordeten einen runterholt.
Im Grunde alles an LA PLAYS ITSELF spielt für mich in der obersten Liga: Die dem Underground Cinema verpflichtete 16mm-Ästhetik; die avantgardistische Montage, die nicht narrativ, sondern assoziativ funktioniert; die handgeführte Kamera; das Tondesign; die improvisiert anmuteten Off-Dialoge - vor allem aber auch dieser disruptive Wechsel zwischen Himmel und Hölle innerhalb von einem Film, der nur knapp 50 Minuten dauert. Ein Diptychon im wahrsten Wortsinn! Dass ich bislang noch nie von Halsted gehört habe, ist sicherlich rein der sexuellen Orientierung seiner Figuren geschuldet - und das, obwohl selbst das MoMA eine Kopie des Films zu beherbergen scheint.
Wenn SEX GARAGE und SEXTOOL nur halb so wild sind wie dieser wirklich aufwühlende Trip, bin ich ebenfalls im Himmel, und zwar im siebten: Welch Entdeckung!
- Salvatore Baccaro
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Re: LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection - Fred Halsted (1972 - 1975)
...und weiter geht meine Reise ins Universum des Fred Halsted mit SEXTOOL, der mich ebenfalls mitgerissen, jedoch bei mir nicht ganz so einen Nerv getroffen hat wie LA PLAYS ITSELF mit seiner strengen Zweiteilung, seinem konfrontativen Aufeinanderprallen von naturbelassenem Idyll und molochartiger Großstadt, seinem Subtext, der nur so strotzt vor Kulturkritik, Retour-à-la-nature-Rhetorik, gar zarten ökologischen Anflügen.
In seiner Laufzeit von etwa einer Stunde reiht SEXTOOL mehrere eigenständig funktionierende Vignetten aneinander, die weitgehen den sexuellen Vorlieben ihres Regisseurs entsprechen dürften: Minutenlang wohnen wir bei, wie ein Jüngling von mehreren Mannsbildern in einer immer heftiger werdenden BDSM-Orgie malträtiert wird, das heißt, wie man jedwede seiner Körperöffnungen genital penetriert, wie man ihm anal nicht nur Fäuste, sondern auch Stiefelspitzen und Polizeiknüppel einführt, wie man ihn generell erniedrigt und gemäß des Slogans auf dem Filmplakat, der da lautet "Use/Abuse Everyone/Everything", zum Objekt degradiert; ebenso öffnet Halsted seinen Kosmos, im Vergleich zum Debüt, wenn er mehrfach Drag Queens, von denen eine eine relativ ansehnliche Marlene-Dietrich-Imitation abgibt, bei ihren Show-Einlagen zeigt, oder wenn er auch mal einfach nur kollektives Masturbieren illustriert, ohne dass das Ganze in heftigere Regionen abdriften würde; gegen Ende dann dürfen wir Halsted höchstselbst beim Hanteltraining bestaunen, sowie, natürlich, dabei, wie er einen weiteren jungen Mann sich unterwirft, indem dieser ihm, nicht nur, die Stiefel sauberleckt.
Inhaltlich wirkt SEXTOOL auf mich wie eine düstere Version von FLAMING CREATURES, mit dem Jack Smith etwa eine Dekade zuvor ein hedonistisches Panorama des New Yorker Undergrounds jenseits heteronormativer Geschlechter- und Gesellschaftsvorstellungen entworfen hat - mit dem Unterschied freilich, dass SEXTOOL weitaus rüder, pessimistischer, wenn nicht sogar nachgerade nihilistisch daherkommt. Halsted setzt den in LA PLAYS ITSELF eingeschlagenen Weg fort und betrachtet das (sexuelle) Treiben innerhalb der US-Schwulenszene durch eine Brille, die auf der Nase von De Sade auch nicht allzu verkehrt platziert wäre: Bei den meisten Sexakten, die wir in SEXTOOL präsentiert bekommen, geht es um Machtausübung, darum, die eigene Männlichkeit rituell zu zelebrieren, darum, sich andere Untertan zu machen, sprich, zum Sexwerkzeug zu verdinglichen.
Neben der einmal mehr sehr abenteuerlichen Montage, (wenn diese auch, meines Erachtens, nicht an die schnitttechnischen Exzesse in LA PLAYS ITSELF heranreicht), ist es vor allem die Tonspur, die mich einmal mehr umpustet: Alles beginnt ja noch recht harmlos, und konventionell, mit gefälligen Jazz-Funk-Klängen, die aber wohl nur dazu gedacht sind, einen in Sicherheit zu wiegen, denn für den Rest des Films ertönen wabernde, flirrende, monoton pulsierende, stets atonale elektronische Soundscapes, die, wären sie nicht als Filmscore, sondern regulär auf einer Popmusikplatte veröffentlicht worden, jedem frühen Noise-Album, jeder experimentelleren Progressive-Rock-Combo, jedem mit Synthie operierenden Komponisten von Neuer Musik bestens zu Gesicht gestanden hätten. Diese verleihen den ausufernden Sexszenen eine nahezu hypnotische Qualität, führen dazu, dass SEXTOOL den Charakter eines (apokalyptischen) Trips erhält - nur um dann im Schlussakt von chopin-esquer Klaviermusik konterkariert zu werden: Toll!
SEXTOOL siedelt für mich nicht ganz auf dem Niveau von LA PLAYS ITSELF, lässt mich aber einmal mehr baff zurück, was es in den verfemten Regionen der Filmgeschichte offenbar noch alles für Goldgruben zu heben gilt...
In seiner Laufzeit von etwa einer Stunde reiht SEXTOOL mehrere eigenständig funktionierende Vignetten aneinander, die weitgehen den sexuellen Vorlieben ihres Regisseurs entsprechen dürften: Minutenlang wohnen wir bei, wie ein Jüngling von mehreren Mannsbildern in einer immer heftiger werdenden BDSM-Orgie malträtiert wird, das heißt, wie man jedwede seiner Körperöffnungen genital penetriert, wie man ihm anal nicht nur Fäuste, sondern auch Stiefelspitzen und Polizeiknüppel einführt, wie man ihn generell erniedrigt und gemäß des Slogans auf dem Filmplakat, der da lautet "Use/Abuse Everyone/Everything", zum Objekt degradiert; ebenso öffnet Halsted seinen Kosmos, im Vergleich zum Debüt, wenn er mehrfach Drag Queens, von denen eine eine relativ ansehnliche Marlene-Dietrich-Imitation abgibt, bei ihren Show-Einlagen zeigt, oder wenn er auch mal einfach nur kollektives Masturbieren illustriert, ohne dass das Ganze in heftigere Regionen abdriften würde; gegen Ende dann dürfen wir Halsted höchstselbst beim Hanteltraining bestaunen, sowie, natürlich, dabei, wie er einen weiteren jungen Mann sich unterwirft, indem dieser ihm, nicht nur, die Stiefel sauberleckt.
Inhaltlich wirkt SEXTOOL auf mich wie eine düstere Version von FLAMING CREATURES, mit dem Jack Smith etwa eine Dekade zuvor ein hedonistisches Panorama des New Yorker Undergrounds jenseits heteronormativer Geschlechter- und Gesellschaftsvorstellungen entworfen hat - mit dem Unterschied freilich, dass SEXTOOL weitaus rüder, pessimistischer, wenn nicht sogar nachgerade nihilistisch daherkommt. Halsted setzt den in LA PLAYS ITSELF eingeschlagenen Weg fort und betrachtet das (sexuelle) Treiben innerhalb der US-Schwulenszene durch eine Brille, die auf der Nase von De Sade auch nicht allzu verkehrt platziert wäre: Bei den meisten Sexakten, die wir in SEXTOOL präsentiert bekommen, geht es um Machtausübung, darum, die eigene Männlichkeit rituell zu zelebrieren, darum, sich andere Untertan zu machen, sprich, zum Sexwerkzeug zu verdinglichen.
Neben der einmal mehr sehr abenteuerlichen Montage, (wenn diese auch, meines Erachtens, nicht an die schnitttechnischen Exzesse in LA PLAYS ITSELF heranreicht), ist es vor allem die Tonspur, die mich einmal mehr umpustet: Alles beginnt ja noch recht harmlos, und konventionell, mit gefälligen Jazz-Funk-Klängen, die aber wohl nur dazu gedacht sind, einen in Sicherheit zu wiegen, denn für den Rest des Films ertönen wabernde, flirrende, monoton pulsierende, stets atonale elektronische Soundscapes, die, wären sie nicht als Filmscore, sondern regulär auf einer Popmusikplatte veröffentlicht worden, jedem frühen Noise-Album, jeder experimentelleren Progressive-Rock-Combo, jedem mit Synthie operierenden Komponisten von Neuer Musik bestens zu Gesicht gestanden hätten. Diese verleihen den ausufernden Sexszenen eine nahezu hypnotische Qualität, führen dazu, dass SEXTOOL den Charakter eines (apokalyptischen) Trips erhält - nur um dann im Schlussakt von chopin-esquer Klaviermusik konterkariert zu werden: Toll!
SEXTOOL siedelt für mich nicht ganz auf dem Niveau von LA PLAYS ITSELF, lässt mich aber einmal mehr baff zurück, was es in den verfemten Regionen der Filmgeschichte offenbar noch alles für Goldgruben zu heben gilt...
- Salvatore Baccaro
- Beiträge: 3072
- Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10
Re: LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection - Fred Halsted (1972 - 1975)
...und um die Trias der Hauptwerke Halsteds vollzumachen, habe ich mir nun endlich auch den zeitlich zwischen LA PLAYS ITSELF und SEXTOOL platzierten SEX GARAGE besehen - und bin erneut schlicht begeistert.
Von den drei genannten Filmen dürfte SEX GARAGE der mit Abstand abstrakteste sein: Sowohl LA PLAYS ITSELF wie SEXTOOL besitzen ja zumindest noch Rudimente einer Handlung, vermitteln eine mehr oder minder artikulierbare Botschaft, verfügen, (wenn auch marginal), über gesprochenen (Off-)Dialog. Nicht so SEX GARAGE, der uns 35 Minuten lang in eine Autowerkstatt entführt, um dort quasi dort weiterzumachen, wo Underground-Cinema-Maestro Kenneth Anger ein Jahrzehnt zuvor mit KUSTOM KAR KOMMANDOS (1965) oder SCORPIO RISING (1963) begonnen hat: Ersteres eine Art kurzes Musikvideo, das zu Sixties-Pop in einer unverhohlen schwulen Ikonographie zeigt, wie ein Jüngling sein Automobil poliert; zweiterer ein halbstündiger non-narrativer Höllentrip rund um eine sadomasochistische Bikergang, die die Straßen ihrer Heimatstadt mit Tod und Teufel überzieht.
Elemente beider Filme lassen sich problemlos in SEX GARAGE ausmachen: Auch die Ikonographie Halsteds ist unmissverständlich schwul, (wenn es auch überraschenderweise zu Beginn tatsächlich eine Beischlafszene ganz klassisch zwischen Mann und Frau zu sehen gibt), wobei gerade das Verhältnis zwischen Mann und Maschine - in diesem Fall: den Höllenrädern unserer Protagonisten - über Gebühr sexualisiert wird, dass man fast geneigt ist, J.G. Ballards kurz zuvor veröffentlichten (und später von Cronenberg verfilmten) Roman "Crash" (1973) für im Vergleich stiefmütterlich in seiner Behandlung des Themas "Sex im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" zu halten; ebenso inszeniert Halsted, der Angers Kino offensichtlich kennt wie die eigene Westentasche, das martialische Auftreten einer Grupper Biker ganz im Stil seines (mutmaßlichen) Idols - inklusive Close-Ups auf Comic-Sprechblasen ("Kawumm!"), einer BDSM-Sequenz, in der ein junger Mann von einem Lack-und-Leder-Rocker anal verwöhnt wird, während er seinen Kopf in eine Toilettenschüssel stecken muss, und der einen oder anderen Szene, die direkt aus SCORPIO RISING stammen könnte, wenn die harten Typen auf ihren heißen Öfen den Highway unsicher machen. Inszenatorisch fand ich dabei vor allem die Momente spannend, in denen sich die Handkamera dem Rhythmus der abgefilmten Sexualakte anzupassen versucht: Zu Beginn beispielsweise hüpft sie bei einem Blow Job förmlich hin und her, je nachdem, wie tief der Penis gerade im saugenden Mund steckt, was ein bisschen an ähnliche Versuche Stan Brakhages erinnert, Operator und Apparat miteinander verschmelzen zu lassen, (und damit ja ebenfalls die Dichotomie zwischen Mensch und Maschine aufzulösen). Zudem besitzt SEX GARAGE nahezu abstrakte Qualitäten, wenn Halsted derart dicht an manche (sexuelle) Handlung heranzoomt, dass man Mühe hat, überhaupt noch zu erkennen, was da eigentlich gerade vor sich geht.
Einmal mehr habe ich die Tonspur als mindestens genauso glorreich empfunden wie die tabubrechenden, entfesselten, wild montierten Bilder: Eine weitere Reminiszenz an Anger dürfte es sein, dass wir anfangs Fetzen von Popsongs zu hören bekommen, wie sie jede Jukebox der 60er en masse gefüllt haben; dann aber switcht der Soundtrack immer wieder abrupt zu barock anmutendem Klaviergeklimper, zu völliger Stille, und, in der zweiten Hälfte, zu einem atonalen elektronischen Klanggewitter, das meinen Ohren mindestens genauso viele Orgasmen bereitet hat wie die, die in SEX GARAGE auf der Leinwand zu sehen sind.
Die Schlussszene wiederum zu beschreiben, fehlt mir schlicht die Sprache, und selbst die Kinnlade eines eingefleischten Futuristen wie Filippo Tommaso Marinetti dürfte in den letzten Minuten von SEX GARAGE einen Sinkflug hingelegt haben, hätte der gute Mann die Möglichkeit gehabt, zu sehen, wie sein erotisch und maskulin konnotierter Maschinenfetisch von Halsted kompromisslos bis zur letzten Konsequenz weitergedacht wird. Ich möchte es bei der Andeutung belassen, dass jene Öffnung eines Motorrads, wo eigentlich der Zapfhahn hingehört, für ganz andere Dinge zweckentfremdet wird...
Tausend Dank an Jogi (und damit an dieses Forum) für diese wundervolle Begegnung mit dem Oeuvre eines Filmemachers, der mich auf meine immer älter werdenden Tage unverhofft verzaubern konnte, als sei ich noch einmal 15 oder 16, und würde zum ersten Mal mit den homosexuellen Phantasien von Kenneth Anger, Andy Warhol oder Jack Smith in Gestalt miserabler WebRips konfrontiert werden...
Von den drei genannten Filmen dürfte SEX GARAGE der mit Abstand abstrakteste sein: Sowohl LA PLAYS ITSELF wie SEXTOOL besitzen ja zumindest noch Rudimente einer Handlung, vermitteln eine mehr oder minder artikulierbare Botschaft, verfügen, (wenn auch marginal), über gesprochenen (Off-)Dialog. Nicht so SEX GARAGE, der uns 35 Minuten lang in eine Autowerkstatt entführt, um dort quasi dort weiterzumachen, wo Underground-Cinema-Maestro Kenneth Anger ein Jahrzehnt zuvor mit KUSTOM KAR KOMMANDOS (1965) oder SCORPIO RISING (1963) begonnen hat: Ersteres eine Art kurzes Musikvideo, das zu Sixties-Pop in einer unverhohlen schwulen Ikonographie zeigt, wie ein Jüngling sein Automobil poliert; zweiterer ein halbstündiger non-narrativer Höllentrip rund um eine sadomasochistische Bikergang, die die Straßen ihrer Heimatstadt mit Tod und Teufel überzieht.
Elemente beider Filme lassen sich problemlos in SEX GARAGE ausmachen: Auch die Ikonographie Halsteds ist unmissverständlich schwul, (wenn es auch überraschenderweise zu Beginn tatsächlich eine Beischlafszene ganz klassisch zwischen Mann und Frau zu sehen gibt), wobei gerade das Verhältnis zwischen Mann und Maschine - in diesem Fall: den Höllenrädern unserer Protagonisten - über Gebühr sexualisiert wird, dass man fast geneigt ist, J.G. Ballards kurz zuvor veröffentlichten (und später von Cronenberg verfilmten) Roman "Crash" (1973) für im Vergleich stiefmütterlich in seiner Behandlung des Themas "Sex im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" zu halten; ebenso inszeniert Halsted, der Angers Kino offensichtlich kennt wie die eigene Westentasche, das martialische Auftreten einer Grupper Biker ganz im Stil seines (mutmaßlichen) Idols - inklusive Close-Ups auf Comic-Sprechblasen ("Kawumm!"), einer BDSM-Sequenz, in der ein junger Mann von einem Lack-und-Leder-Rocker anal verwöhnt wird, während er seinen Kopf in eine Toilettenschüssel stecken muss, und der einen oder anderen Szene, die direkt aus SCORPIO RISING stammen könnte, wenn die harten Typen auf ihren heißen Öfen den Highway unsicher machen. Inszenatorisch fand ich dabei vor allem die Momente spannend, in denen sich die Handkamera dem Rhythmus der abgefilmten Sexualakte anzupassen versucht: Zu Beginn beispielsweise hüpft sie bei einem Blow Job förmlich hin und her, je nachdem, wie tief der Penis gerade im saugenden Mund steckt, was ein bisschen an ähnliche Versuche Stan Brakhages erinnert, Operator und Apparat miteinander verschmelzen zu lassen, (und damit ja ebenfalls die Dichotomie zwischen Mensch und Maschine aufzulösen). Zudem besitzt SEX GARAGE nahezu abstrakte Qualitäten, wenn Halsted derart dicht an manche (sexuelle) Handlung heranzoomt, dass man Mühe hat, überhaupt noch zu erkennen, was da eigentlich gerade vor sich geht.
Einmal mehr habe ich die Tonspur als mindestens genauso glorreich empfunden wie die tabubrechenden, entfesselten, wild montierten Bilder: Eine weitere Reminiszenz an Anger dürfte es sein, dass wir anfangs Fetzen von Popsongs zu hören bekommen, wie sie jede Jukebox der 60er en masse gefüllt haben; dann aber switcht der Soundtrack immer wieder abrupt zu barock anmutendem Klaviergeklimper, zu völliger Stille, und, in der zweiten Hälfte, zu einem atonalen elektronischen Klanggewitter, das meinen Ohren mindestens genauso viele Orgasmen bereitet hat wie die, die in SEX GARAGE auf der Leinwand zu sehen sind.
Die Schlussszene wiederum zu beschreiben, fehlt mir schlicht die Sprache, und selbst die Kinnlade eines eingefleischten Futuristen wie Filippo Tommaso Marinetti dürfte in den letzten Minuten von SEX GARAGE einen Sinkflug hingelegt haben, hätte der gute Mann die Möglichkeit gehabt, zu sehen, wie sein erotisch und maskulin konnotierter Maschinenfetisch von Halsted kompromisslos bis zur letzten Konsequenz weitergedacht wird. Ich möchte es bei der Andeutung belassen, dass jene Öffnung eines Motorrads, wo eigentlich der Zapfhahn hingehört, für ganz andere Dinge zweckentfremdet wird...
Tausend Dank an Jogi (und damit an dieses Forum) für diese wundervolle Begegnung mit dem Oeuvre eines Filmemachers, der mich auf meine immer älter werdenden Tage unverhofft verzaubern konnte, als sei ich noch einmal 15 oder 16, und würde zum ersten Mal mit den homosexuellen Phantasien von Kenneth Anger, Andy Warhol oder Jack Smith in Gestalt miserabler WebRips konfrontiert werden...