Originaltitel: North Korea in Emoji
Produktionsland: USA 2013
Regie: Julia Kim Smith
Darsteller: Emoji
Abt.: Salvatores kleine Nordkorea-Reise
Es ist wenig verwunderlich, dass sich viele Werke der US-amerikanischen Multimedia-Künstlerin Julia Kim Smith an den gesellschaftlich-politischen Zuständen innerhalb der nordkoreanischen Volksrepublik abarbeiten, sind ihre Eltern doch, wie Smith selbst in einem Interview erklärt, einst vor dem dortigen Regime in die Vereinigten Staaten geflohen. „One of the worst human rights disasters is occurring in North Korea”, sagt Smith im selben Interview, und es sei als Tochter zweier Exil-Nordkoreaner gewissermaßen ihre Pflicht, die ihr zur Verfügung stehenden künstlerischen Mittel in den Dienst eines Protests gegen das selbsterklärte Märchenreich der Kim-Dynastie in Anschlag zu bringen.
Neben Projekten wie LEADERLAND! aus dem Jahre 2013, einer Ausstellung an der George-Mason-Universität in Fairfax, bei der die Besucher sich Portraits Kim Il-sungs sowie seines Sohns Kim Jong-il herunterladen konnten, um daraus ihre eigenen Memes zu basteln, oder der Videoarbeit PYONGJANG STYLE, ebenfalls aus 2013, in dem Smith zu einer Parodie des Gassenhauers „Gangnam Style“ einen Beating-A-Dead-Horse-Tanz aufführt, der daraus besteht, dass sie vor den Portraits Kim Il-sungs und Kim Jong-ils maskiert mit einem Knüppel auf den Boden einschlägt, wozu sekundenschnelle Einblendungen auf die Menschenrechtsverletzungen Nordkoreas hinweisen, dürfte ihr eineinhalbminütiges Video NORTH KOREA IN EMOJI die mit Abstand bekannteste Arbeit der Künstlerin darstellen.
Der Titel legt im Grunde schon alles offen, was man über den Inhalt von NORTH KOREA IN EMOJI wissen muss: Zu einem Musik-Loop, der sich anhört wie die Eröffnungsmelodie einer beliebigen TV-Nachrichtensendung, präsentiert Smith eine Gruppe von Emojis auf weißem Hintergrund, während englische Untertitel deren piktorale Bedeutungen in konkrete Sätze übersetzen. Dabei scheint Smiths Attacke auf die Heimat ihrer Eltern kein bestimmtes Ziel zu besitzen, vielmehr feuert die Künstlerin ihre Munition auf alles, was sich als Zielscheibe anbietet: Der Personenkult um den jeweils amtierenden Regierungschef; die bereits erwähnten Menschenrechtsverletzungen mit Arbeits- und Umerziehungslagern; der hasserfüllte Kurs, mit dem Nordkoreas Staatsmedien auf alles einschlagen, was nur ansatzweise nach westlicher Lebensart riecht.
Die einzelnen Emoji-Ensembles wirken dabei wie Twitter-Meldungen, getippt von jemandem, der sich auf einer Linie mit der nordkoreanischen Führung befindet, wobei sie aber gerade aufgrund ihrer Kürze und Prägnanz die Absurdität des kritisierten Systems relativ pointiert offenlegen. Eine Meldung beispielweise lautet: „Dirty U.S. imperialist devils are responsible for rice shortage, which is why we have to eat trees.” Die zugehörigen Emojis sind: Ein grinsender Kackhaufen; die US-Flagge; ein Sack voll Dollar; ein violetter gehörnter Teufel mit bösem Gesichtsausdruck; ein Schälchen voll Reis; ein rotes X; Messer und Gabel; Blattlaub. Während Smith in diesem Statement die Tendenz der nordkoreanischen Medien aufs Korn nimmt, den US-Imperialismus als universellen Sündenbock für alle Fährnisse heranzuziehen, die die Volksrepublik zu erleiden hat, macht sie sich in einem anderen Tweet darüber lustig, in welch unglaublicher Weise der „Große Führer“ Kim Jong-un als waschechter Messias verehrt wird: „Great Leader was heaven-sent & walked on water“, (animiert von einem pausbäckigen Kim Jong-un-Emoji; einem Engelchen; einem abgesandt werdenden Brief; einem Turnschuh; einer sich bäumenden Welle). An anderer Stelle aber lässt einem Smiths Generalangriff das Lachen im Halse steckenbleiben: „Three generations of family are in a political prison camp“ oder „The camp guard raped the woman & beat the child” last ebenso wenig zum Schmunzeln ein wie die letzte Reihe von Emojis, in denen Smith die vermeintliche wirtschaftliche Autarkie ihres Hassobjekts untergräbt, und uns auf „black market Chines cell phones“ oder „black market South Korean soap operas“ hinweist.
So spannend sich die Intention Smiths anhört, so unausgegoren empfinde ich aber doch das Ergebnis. Laut Smith soll NORTH KOREA IN EMOJI ein Video sein, in dem auf einfache, leicht goutierbare Weise dargestellt werden soll „what is going down in North Korea for those who find the news coverage too onerous to follow.“ Um zumindest für meine Begriffe wirklich als politisches Kunstwerk zu überzeugen, fehlt es NORTH KOREA IN EMOJI aber an einem klaren Fokus: Es wirkt, als habe Smith relativ unüberlegt alles in den Topf ihrer Kritik geworfen, was ihr an Nordkorea missfällt, ohne dabei auf eine strukturell oder argumentativ sinnvolle Reihung zu achten. Möglicherweise ist auch das Teil des Konzepts, doch in seiner jetzigen Form macht NORTH KOREA IN EMOJI auf mich einen eher lieblosen Eindruck, der weit hinter dem zurückbleibt, was Smiths zwischen beißender Satire und harschem Protest oszillierendes Video mit etwas mehr Laufzeit und etwas weniger inhaltlichem Chaos hätte werden können.
North Korea in Emoji - Julia Kim Smith (2013)
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