Tanz der toten Seelen - Herk Harvey (1962)

Moderator: jogiwan

Slim Naughton
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Tanz der toten Seelen - Herk Harvey (1962)

Beitrag von Slim Naughton »

Starker US-Indie-Grusler mit Trash-Qualitäten.

Film Maniax Review:

Übermut tut selten gut: Das müssen drei junge Frauen erfahren, die sich auf ein Autorennen mit ein paar Jungs einlassen. Bei einer Rempelei auf einer engen Brücke verlieren die Mädels die Kontrolle über die Karre, die sich postwendend in den Fluss verabschiedet. Die Suche nach dem verunglückten Auto verläuft ergebnislos, nur Mary Henry (Candace Hilligos) kann sich traumatisiert ans Ufer retten. Ein paar Tage später verlässt Mary die Stadt für immer, um weit fort einen neuen Job als Kirchenorganistin anzutreten. Doch mittlerweile plagen die eigenbrötlerische Frau zunehmend Visionen, die immer ein abgewrackter, offensichtlich toter Herr (Cari Conboy) bestreitet. Gleichzeitig leidet sie an wiederkehrenden Absencen, in denen sie zwar sehen, aber nicht hören kann und von ihrer Umwelt offensichtlich nicht wahrgenommen wird. Zwar schiebt ein Arzt (Stan Levitt) diese Probleme auf Nachwirkungen des Unfallschocks, doch Mary ahnt, dass die Ursachen für ihren allmählich abdriftenden Geisteszustand in einem luxuriösen, inzwischen aber aufgegebenen Badehaus liegen.

Low-Budget Grusel, der sich deutlich durch den deutschen expressionistischen Film der 10er- und 20er-Jahre hat inspirieren lassen. Das ist nicht nur zum Teil der Ausleuchtung oder dem Makeup geschuldet, sondern auch der Geschichte. Diese nimmt zunehmend fantastische Züge an, bis Realität und Traumwelt völlig verschwimmen. Das Ende wartet mit einem schönen Dreh auf, der das bis dahin Geschehene noch einmal durcheinander wirbelt. Die Protagonistin könnte dabei in ihrer schlafwandlerischen Isoliertheit und mit steigender Verstörung einem frühen Polanski-Film entsprungen sein.
Der Film ist pure Atmosphäre, gestützt durch einen recht bizarren Score mit fast elektronisch klingenden Kirchenorgelsoundteppichen. Schauspielerische Schwächen, insbesondere in der Komparserie, und dramaturgische Ungereimtheiten fallen da nicht wirklich ins Gewicht. Regisseur Harvey und sein Drehbuchautor Clifford arbeiteten häufig zusammen, allerdings hauptsächlich im Bereich Kurz- und Dokumentarfilm.

Rating: knapp 4/5

Inzwischen ist es kein Problem, den Streifen in einer passablen VÖ zu bekommen, und auch arte hat ihn schon einige Male über die Mattscheibe flimmern lassen.
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jogiwan
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Re: Tanz der toten Seelen

Beitrag von jogiwan »

Toller Film mit schrägen Soundtrack und coolem Finale! Ich mag den total gern! :D
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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horror1966
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Re: Tanz der toten Seelen

Beitrag von horror1966 »

Tanz der toten Seelen
(Carnival of Souls)
mit Candace Hilligoss, Frances Feist, Sidney Berger, Art Ellison, Stan Levitt, Tom McGinnis, Forbes Caldwell, Dan Palmquist, Bill de Jarnette, Steve Boozer, Pamela Ballard, Larry Sneegas, Cari Conboy, Karen Pyles, T.C Adams
Regie: Herk Harvey
Drehbuch: John Clifford
Kamera: Maurice Prather
Musik: Gene Moore
FSK 16
USA / 1962

Seit einem schweren Autounfall, den sie als einzige überlebt hat, ist die junge Mary nicht mehr dieselbe. Von schrecklichen Erinnerungen geplagt flieht sie in eine Stadt. Aber auch hier findet sie keinen Frieden: Immer wieder sieht sie sich von schemenhaften Gestalten und fratzenhaften Gesichtern verfolgt. Ein ausgedienter, verfallener Ballsaal am Ufer des Sees übt auf Mary eine geheimnisvolle Anziehungskraft aus. Dort scheint die Heimstatt der toten Seelen zu sein, die Mary zu sich ins Schattenreich rufen. Von ihren Mitmenschen wird Mary für hysterisch gehalten. Aber sie selbst weiß nur zu gut, dass es vor den Untoten kein Entkommen gibt.


Nun gibt es nicht gerade wenig Leute, die diesen Grusel-Klassiker als langweilig oder sehr zähflüssig bezeichnen. Das ist wohl hauptsächlich in der Tatsache begründet, das hier keinerlei Action oder großartige Effekte vorhanden sind. Wenn man sich den Film aber einmal etwas genauer betrachtet, dann stellt man doch ziemlich schnell fest, das die von ihm ausgehende Faszination in seiner schlichten Inszenierung begründet ist. Denn so unspektakulär das Geschehen auch ist, es verfehlt keineswegs seine Wirkung auf den Zuschauer. Dazu trägt auch ganz sicher die eher ruhige Erzählweise der Geschichte bei, die manch einer als ermüdend und schleppend ansehen mag. Dabei scheint das eher bedächtige Erzähl-Tempo vollkommen bewust gewählt, denn nur so kann kann sich die meiner Meinung nach vorhandene Intensität dieses Werkes so richtig entfalten.

Gerade wenn man bedenkt, das "Tanz der toten Seelen" mit einem geschätzten Budget von nur 30.000 Dollar produziert wurde, so ist hier mit minimalem Aufwand eine wirkliche Perle des Gruselfilms entstanden, die durch ihren sehr gelungenen Spannungsaufbau den Zuschauer in ihren Bann zieht. Es ist die Schlichtheit dieses Werkes, die eine unheimlich starke Atmosphäre entwickelt, der man sich nur schwerlich entziehen kann. Die immer mysteriöser wirkende Grundstimmung löst sogar phasenweise ein sehr beklemmendes Gefühl beim Betrachter aus und auch wenn man ahnen kann, worauf die Geschichte hinausläuft, so nimmt ihr das keineswegs etwas von ihrer Intensität und ihrer Spannung.

Dazu tragen auch die eher unbekannten Darsteller bei, die durch die Bank sehr gute Leistungen abliefern. Hierbei sollte man aber Candace Hilligoss in der Rolle der Mary ganz besonders hervorheben, denn sie verkörpert den Charakter der scheinbar verstörten jungen Frau nahezu perfekt. Sie verleiht dem von ihr dargestellten Charakter ein hohes Maß an Authenzität und Glaubwürdigkeit. Gerade ihrem Schauspiel ist es auch zu verdanken, das man eigentlich zu keiner Zeit das Interesse an der Geschichte verliert und der Auflösung des Ganzen richtiggehend entgegenfiebert.

Dieses 1962 entstandene Original ist in meinen Augen um Klassen besser als das 1998 entstandene Remake von Wes Craven, denn hier wirkt das ganze Geschehen viel intensiver, wobei die Neuauflage wirklich vielmehr zähflüssig und auch langweilig wirkt. Richtig gut hat mir gefallen, das man jetzt auch das original in Farbe genießen kann und das der Film dadurch rein gar nichts von seiner Faszination und seiner sehr intensiven Wirkung verloren hat.


Fazit:


Auch wenn "Tanz der toten Seelen" von vielen als langweilig angesehen wird, hat man es hier mit einem wirklich tollen Grusel-Klassiker zu tun, der seinen festen Platz im Genre hat. Ein Film, der gerade durch die Schlichtheit seiner Bilder extrem intensiv auf den Betrachter wirkt und seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Freunde niveauvoller Grusel-Kost kommen eigentlich nicht an diesem Werk vorbei und dürften hier voll auf ihre Kosten kommen, denn gruselige und sehr spannende Unterhaltung ist hier vorprogrammiert.


Die DVD:

Vertrieb: Sunfilm
Sprache / Ton: Deutsch / Englisch DD 2.0 Mono
Bild: 1,33:1 (4:3)
Laufzeit: 81 Minuten
Extras: Trailershow


7/10
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buxtebrawler
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Re: Tanz der toten Seelen

Beitrag von buxtebrawler »

„Carnival Of Souls“ (dt. „Tanz der toten Seelen“) von US-Regisseur Herk Harvey ist ein kleiner, feiner Low- bzw. fast schon „No“-Budget-Grusselklassiker, der, Anfang der 1960er bewusst in Schwarz/weiß gedreht, mit einfachsten Mitteln, aber dem richtigen Gespür für das Erzeugen einer surrealen, alptraumhaften Atmosphäre, die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die von unheimlichen Gestalten verfolgt wird und nach und nach aus der Gegenwart zu scheiden scheint. Der Film wurde mit einem nervenzerreißenden Orgel-Soundtrack unterlegt, der die Eigenständigkeit von „Carnival Of Souls“ unterstreicht, aber mit Sicherheit nicht Jedermanns Geschmack sein wird. So langatmig die Dramaturgie und vorhersehbar die Schlusspointe aus heutiger Sicht aus sein mögen, so groß scheint der Einfluss des Films auf Produktionen wie „Die Nacht der lebenden Toten“, „Jacob’s Ladder“, „The Sixth Sense“ etc. gewesen zu sein. Ein tolles Beispiel für maximale Wirkung bei minimalem Budget, das mich in seiner Effektivität positiv an den weitaus bekannteren Klassiker „Bis das Blut gefriert“ erinnert.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tanz der toten Seelen

Beitrag von dr. freudstein »

Grussel?
Ja, den habe ich auch vor einigen Monaten gesehen während meiner Internetabstinenz und gebe den 8/10 (Und Du? Traust Dich nicht mehr? :lol:
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buxtebrawler
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Re: Tanz der toten Seelen

Beitrag von buxtebrawler »

dr. freudstein hat geschrieben:Grussel?
Ja, den habe ich auch vor einigen Monaten gesehen während meiner Internetabstinenz und gebe den 8/10 (Und Du? Traust Dich nicht mehr? :lol:
Von mir bekommt er 7/10. Was traue ich mich nicht mehr?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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dr. freudstein
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Re: Tanz der toten Seelen

Beitrag von dr. freudstein »

buxtebrawler hat geschrieben:
dr. freudstein hat geschrieben:Grussel?
Ja, den habe ich auch vor einigen Monaten gesehen während meiner Internetabstinenz und gebe den 8/10 (Und Du? Traust Dich nicht mehr? :lol:
Von mir bekommt er 7/10. Was traue ich mich nicht mehr?
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jogiwan
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Tanz der toten Seelen - Herk Harvey (1962)

Beitrag von jogiwan »

Tanz der toten Seelen


Bild

Originaltitel: Carnival of Souls

Herstellungsland: USA / 1962

Regie: Herk Harvey

Darsteller: Candace Hilligoss, Frances Feist, Sidney Berger, Art Ellison, Stan Levitt

Story:

Seit einem schweren Autounfall, den sie als einzige überlebt hat, ist die junge Mary nicht mehr dieselbe. Von schrecklichen Erinnerungen geplagt, flieht sie nach Salt Lake City, um sich dort als Kirchenorganistin durchzuschlagen. Aber auch hier findet sie keinen Frieden: Immer wieder sieht sie sich von schemenhaften Gestalten und fratzenhaften Gesichtern verfolgt. Ein ausgedienter, verfallener Vergnügungspark am Ufer eines Sees übt auf Mary eine geheimnisvolle Anziehungskraft aus. Dort scheint die Heimstatt der toten Seelen zu sein, die Mary zu sich ins Schattenreich rufen. Von ihren Mitmenschen wird Mary für hysterisch gehalten. Aber sie selbst weiß nur zu gut, dass es vor den Untoten kein Entkommen gibt. (quelle: amazon.de)
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karlAbundzu
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Re: Tanz der toten Seelen - Herk Harvey (1962)

Beitrag von karlAbundzu »

da sind mir der jogiwan und horrotschi zu vor gekommen.

CARNIVAL OF SOULS (1962)
Schöner, aber vorerst letzter Abend der Weird Xperience Reihe, bei der ich beim Trailer ein wenig sentimental wurde.
Egal, guter Film, erstaunlich gute Qualität in digitaler Form.
Diese Geistergeschichte, für mich ja ein kleiner Klassiker, beeindruckt doch immer wieder. Es mutet immr wie ein kleines Wunder an, dass sich diese Leute, die ja alle eigentlich nur diesen einen Spielfilm machten (ausser der Hauptdarstellerin, die hat später noch in THE CURSE OF THE LIVING CORPSE spielte, hier für diesen Low Budget Film zusammenkamen und diese Perle produzierte.
Durch meine Beschäftigung mit diesem Film im Vorfeld wurde mein Blick ja auch auf andere Sachen gelenkt. Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schrieb ja gutes über den Film. Nicht nur die Geister, der Grusel interessierte mich, sondern auch der Umgang mit den Räumen, dementspehend die Kameraeintellungen und zusätzlich die Musik. Das ist ganz raffiniertes tolles Kino.
Tipp
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Tanz der toten Seelen - Herk Harvey (1962)

Beitrag von karlAbundzu »

ich tu es mal hier rein, wo es ein thread gibt
karlAbundzu hat geschrieben:
Adalmar hat geschrieben:Carnival of Souls sollte jeder Horrorfan kennen. Unter anderem kann man dort sehen, wo sich diverse spätere Filme ihren Schluss-Twist ausgeliehen haben.
NIcht nur das, Romero und Lynch gaben ihn ja als Inspiration an, und man merkt das tatsächlich. Und ich glaube, den Mystery Man in Lost Highway und den Tall Man bei Coscarelli hätte es so auch nicht unbedingt gegeben.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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