Wir sind deine Community rund ums Thema Film mit Schwerpunkt auf italienischem bzw. europäischem Genre-Kino. Vom Giallo über den Poliziesco/die Poliziotteschi, den Italo-Western, den Horror und der Science-Fiction bis hin zum Eurospy, zur Commedia sexy all'italiana, zu Barbaren und Endzeit, Sex- und Nunploitation, Sleaze und Trash – tausch dich bei uns gratis mit Gleichgesinnten aus, werbefrei und unkommerziell.
The King of Comedy.jpg (31.1 KiB) 82 mal betrachtet
Originaltitel: The King of Comedy
Herstellungsland: USA / 1982
Regie: Martin Scorsese
Darsteller(innen): Robert De Niro, Jerry Lewis, Diahnne Abbott, Sandra Bernhard, Ed Herlihy, Lou Brown, Loretta Tupper, Peter Potulski, Vinnie Gonzales, Whitey Ryan, Doc Lawless, Marta Heflin, Katherine Wallach, Charles Kaleina, Richard Baratz, Catherine Scorsese, Cathy Scorsese u. A.
Rupert Pupkin (Robert De Niro) hält sich für einen großen Komödianten und will dies in der Fernsehshow seines Idols Jerry Langford (Jerry Lewis) unter Beweis stellen, um so den Durchbruch als Comedy-Star zu schaffen. Rupert lauert Langford deshalb auf und bittet ihn, ihm einen Auftritt in der erfolgreichen Show zu gewähren. Langford verweist Rupert genervt an sein Büro, von welchem dieser allerdings eine Absage erhält. Der Möchtegern-Entertainer gibt jedoch nicht auf und sucht den Showmaster in seinem Landhaus auf, wird aber unter Beschimpfungen von diesem vor die Tür gesetzt. Um sein Ziel dennoch zu erreichen, plant Rupert gemeinsam mit seiner Freundin Masha (Sandra Bernhard) den Starkomiker zu entführen, um durch Erpressung zu dem ersehnten Fernsehauftritt zu kommen...
„Vor dir an deinem Tisch sitzt der neue King of Comedy!“
Ein einfacherer, leichterer Film hatte es werden sollen – so hatten es sich US-Ausnahmeregisseur Martin Scorsese und sein damaliger Stammmime Robert De Niro nach der anstrengenden Arbeit an „Wie ein wilder Stier“ Überlieferungen zufolge zumindest vorgenommen. Doch der nach einem Drehbuch Paul D. Zimmermanns inszenierte und 1982 veröffentlichte „The King of Comedy“ wurde zu einer oft bitteren Melange aus Tragikomödie, Mediensatire und Charakterstudie.
„Mit ‘ner Kanone vor Augen wird er auf einmal freundlich!“
Der New Yorker Rupert Pupkin (Robert De Niro) ist felsenfest davon überzeugt, der nächste Stern am Stand-up-Comedy-Himmel zu sein. Sein Idol ist der Late-Night-Show-Star Jerry Langford (Jerry Lewis, „Der Bürotrottel“), von dem er unbedingt entdeckt werden will. Als es Rupert eines Tages gelingt, Langford bei der Flucht vor aufdringlichen Fans zu helfen, liegt er diesem während der kurzen gemeinsamen Taxifahrt mit seinem vermeintlichen Talent in den Ohren. Langfords eher abwehrende Reaktion auf Ruperts Bitte, sich mit seinem komödiantischen Potenzial auseinanderzusetzen, versteht Rupert falsch und versucht in der Folge, zu Langford vorzudringen. Gut gemeinte Ratschläge, es doch erst einmal innerhalb der Clubszene mit Auftritten zu versuchen und an seinem Programm zu feilen, lehnt er ab – er fühlt sich zu Höherem berufen. Aus seinen Träumen werden Wahnvorstellungen, in die er sich derart weit hineinsteigert, dass er schließlich zusammen mit seiner nicht minder entrückten Freundin Masha (Sandra Bernhard, „Cheech & Chong’s heiße Träume“), die von Langford schwärmt und ihm ebenfalls nahezukommen versucht, den Showstar entführt. Sein Ziel: Einen Auftritt in der Sendung zu erpressen…
„Besser ein König für eine Nacht als ein Bettler fürs Leben!“
Mit Auszügen aus der Jerry-Langford-Show zeigt uns Scorsese, worum es oberflächlich betrachtet überhaupt geht. Ruperts Figureneinführung und Charakterisierung geht mit visualisierten Fantastereien einher, die ihn als einen Traumtänzer zeichnen, der dabei jedoch durchaus charmant sein kann, also nicht grundsätzlich abschreckend auf seine Mitmenschen wirkt. Durch seine Aufdringlichkeit und den Umstand, dass er als Mittdreißiger noch bei seiner Mutter lebt und der Dreh seines Bewerbungsvideos vor einem imaginären bzw. durch Pappfiguren symbolisierten Publikum immer wieder durch Frau Mamas ihn zur Ruhe mahnendes Organ gestört wird, erhält „The King of Comedy“ groteske Züge. Zum Running Gag avanciert, dass kaum jemand seinen Namen richtig ausspricht. Der Realitätsverlust, aus dem heraus er sich mit Langford befreundet wähnt und glaubt, mit seiner Komikerkarriere direkt ganz oben anfangen zu können, wird aufgrund ihres Fremdschamgehalts zunehmend unangenehm zu beobachten; zumal fast alle zumindest zunächst sehr freundlich zu ihm sind, er aber regelrecht zwanghaft jede Geduld überstrapazieren muss.
Wir sehen einem recht einsamen, aber von sich selbst eingenommenem Narzissten mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein bei überschaubarem Talent dabei zu, wie er immer mehr zum obsessiven Nachsteller wird, der auch vor einem Kapitalverbrechen wie einer Entführung nicht zurückschreckt. De Niro spielt ähnlich eindrucksvoll wie in „Taxi Driver“ einen wahnhaften, sich sozial immer mehr entfremdenden Außenseiter, der seine Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen bereit ist – jedoch auf eine ganz andere Weise: War Travis Bickle aus „Taxi Driver“ ein Mann mit einer gefährlichen, respekteinflößenden Aura, wirkt Rupert Pupkin lange Zeit eher wie ein nicht ernstzunehmender Hanswurst. Das Resultat jedoch ist ein Ähnliches, wenngleich „The King of Comedy“ sein mediensatirisches Element in Form eines für Rupert versöhnlicheren Showdowns und Finales ausspielt.
Dessen Plan scheint nämlich aufzugehen, was Scorsese zum Anlass nimmt, zumindest einen Moment lang die Erwartungshaltung seines Publikums zu enttäuschen: Es wirkt, als wolle er ihm Ruperts Nummer vorenthalten. Als er sie schließlich doch zeigt, erfährt man auf komödiantische Weise Ruperts tragische Lebensgeschichte, womit wiederum eine andere Erwartungshaltung unterlaufen wird; nämlich die, dass von Rupert nur völliger Murks käme. Tatsächlich ist diese Nummer mindestens clubgeeignet – und Ruperts völlige Fixierung auf seine vermeintliche Showkarriere in Kombination mit seiner ehrlichen, wenn auch völlig überzogenen Begeisterung und Leidenschaft wesentlich authentischer als das, was Langford seinem Publikum seit Jahren allabendlich präsentiert. Dieser von US-Komiker Jerry Lewis als überraschend ernste Charakterrolle gespielte Medienmensch hadert mit seinem Beruf, ist genervt von seiner Show und erst recht seinen Fans. Der Epilog ist in gewisser Weise gar visionär (durch Gesetzesübertretungen zum gefragten Medienpromi), könnte aber auch schlicht ein weiterer Tagtraum Ruperts sein.
Mit ihren artifiziellen comichaften Kulissen und ihrem tragikomischen Inhalt könnte diese Geschichte auch gut einem Batman-Comic aus den 1980ern entsprungen sein, die oftmals einen ähnlich urbanen Schauplatz und ein ähnliches Gespür für psychische menschliche Abgründe irgendwie schillernder Figuren aufwiesen. Passenderweise griff der im Batman-Kosmos spielende „Joker“-Kinofilm aus dem Jahre 2019 Motive aus „The King of Comedy“ auf. Wie sich Lewis und De Niro hier schauspielerisch ergänzen und gewissermaßen ihre Rollen tauschen – Lewis als grummeliger, ruhiger Typ, De Niro als feildrehender Kasper – ist die hohe Schule. Zu dieser gesellen sich diverse sich selbst spielende damalige Promis wie Ed Herlihy, Lou Brown, Ton Randall, Joyce Brothers, Victor Borge, Ellen Foley und Don Letts in Form von Gastauftritten, auch die Punkband The Clash taucht kurz auf und Martin Scorsese legt mitsamt seiner Familie Cameos hin.
„The King of Comedy“ zeigt, wie gut Ruperts groteske Existenz letztlich in einen nicht minder grotesken Medienzirkus passt und trifft genau meinen Nerv, was ihn zu einem meiner liebsten Scorseses macht. Seltsamerweise ist er damals an den Kinokassen schwer gefloppt. Ob es an der gegen den Strich gebürsteten Hauptbesetzung oder an einem für diese Art von Medien-/Fernseh- bzw. Komikerbranchen-Farce noch nicht bereiten Publikum lag, darüber lässt sich nur mutmaßen.
8,5 von 10 Late-Night-Show-Auftritten für den neuen König!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)