Tödliche Strahlen
The invisible ray
USA 1936
Regie: Lambert Hillyer
Boris Karloff, Bela Lugosi, Frances Drake, Frank Lawton, Violet Kemble Cooper, Walter Kingsford, Beulah Bondi,
Frank Reicher, Paul Weigel, Georges Renavent, Ernie Adams, Ricca Allen
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OFDB
Der Wissenschaftler Dr. Rukh kann beweisen, dass vor Millionen von Jahren ein Komet aus dem Andromedanebel auf die Erde gestürzt ist. Die Beweisführung auf seinem Schloss in den Karpaten ist so eindrucksvoll, dass sein bis dato Erzfeind, der Astrochemiker Dr. Benet, und ein vormaliger Zweifler, Dr. Francis Stevens mitsamt Frau und Neffe, ihn mitnehmen auf eine Expedition nach Afrika, damit Rukh dort vor Ort den Kometen suchen kann. Tatsächlich findet Rukh den abgestürzten Himmelsstein, aber der Komet verstrahlt Rukh tödlich. Benet kann gerade noch Rukhs Leben retten, allerdings wird Rukh für den Rest seines Lebens ein Gegengift nehmen müssen, und zwar jeden Tag pünktlich um Mitternacht.
Was aber niemand ahnt ist, dass der Komet auch einen Einfluss hat auf Rukhs Geist. Als Benet mit Hilfe der außerirdischen Strahlung Heilungen an bedürftigen Patienten durchführt, sieht Rukh seinen Ruhm in Gefahr – Alles wird ihm geraubt, gestohlen, alle sind Diebe, Diebe sind sie, alle wollen seinen Schatz (verdammt, falscher Film …) – denn der Fund ist doch seiner seiner seiner. Und dieser dumme kleine Neffe Ronald Drake hat ihm seine Frau gestohlen. Alle müssen sie sterben! Unter der kosmischen Strahlung schmelzen wie die Steine!!
Manchmal ist die Welt ganz schön ungerecht. Nein, damit meine ich nicht die unfreundliche Behandlung von Dr. Rukh, die auch, ja, aber vor allem meine ich damit den Film TÖDLICHE STRAHLEN. Was wäre wenn? Wenn von der Universal nicht genau während der Zeit der Produktion verkündet worden wäre, dass ein Verkauf ansteht? Wenn der ursprünglich vorgesehene Regisseur Stuart Walker, der den Film auch begonnen hatte zu drehen, seine drei Tage Pause für eine Überarbeitung des Drehbuchs bekommen hätte? Wenn die Regie nicht an den Western-Spezialisten Lambert Hillyer gegangen wäre sondern an jemanden, der sich mit sowas auskennt? Wenn die Kameraarbeit von einem, sagen wir, Karl Freund übernommen worden wäre? Wenn einfach alles besser zusammengepasst hätte?
TÖDLICHE STRAHLEN ist ein ordentlicher gemachter Film, ohne Frage, und das Zusammenspiel der beiden Ikonen Karloff (ohne Vorname!) und Bela Lugosi klappt recht gut. Aber meine persönliche Meinung ist, dass das Skript ständig gegen irgendwelche Hindernisse rennt, und die Regie nicht fähig war, diese Hindernisse kreativ aufzulösen. Karloff mit lockiger Hundefrisur beginnt den Film als Good Guy während Lugosi im Vorführraum steht, finster vor sich hin dräut, und unheilvoll rüberkommt. Jeder macht halt das was er am Besten kann – Karloff schauspielert und Lugosi wirkt. Aber ab der Hälfte des Films und nach dem x-ten Schauplatzwechsel mutiert Karloff allmählich zum Mörder, während Lugosi mit schickem Spitzbärtchen zum Wohltäter und Menschenfreund wird. Eine Rolle die ihm sehr gut steht, allein er hat nicht das schauspielerische Vermögen, dies auch adäquat zu zeigen. Und während der überbelichtete (wörtlich gemeint!) Karloff immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird, und seine ganz allmählich hervortretende Verkommenheit gar nicht so recht zeigen mag, kann Lugosi nicht wirklich in den Vordergrund treten und zeigen was für ein guter Mensch sein Dr. Benet ist. Doch, die Herzensgüte zeigt er, aber seine eigentliche Stärke, dämonisch neben die Kamera zu starren und Bosheit auszustrahlen, das darf er in dieser Rolle nicht. Und damit fallen beide Hauptdarsteller aus dem Rampenlicht.
Wer könnte denn dann stattdessen in das Rampenlicht treten? Frances Drake als Diana Rukh, Karloffs Ehefrau? Sie schaut gut aus, sie gibt sich Mühe, aber sie ist eine Frau, und damit in einem Horrorfilm des Jahres 1936 eine Nebenfigur, auch wenn sie ein paar mal erstaunlich emanzipierte Aktionen zeigt. Frank Lawton als Neffe Ronald Drake? Nein, der Mann ist trotz seines guten Aussehens Stichwortgeber und nur für einen kleinen Teil der Nebenhandlung zuständig. Wirklich stark und eigentlich der heimliche Star ist die Britin Violet Kemble Cooper in ihrem vorletzten Film – In dunkler Kleidung mit strohblondem Haar und immer irgendwie zwischenweltlich beleuchtet wirkt sie als Mutter Rukh wie eine Sendbotin aus einem anderen Reich; ein Medium aus einer Welt, in der tödliche Strahlen aus dem Weltall fast alltäglich sein könnten. Sie wird die Handlung ein paar Mal mit den Gänsehautszenen bereichern, die eigentlich Karloff und Lugosi zugestanden hätten, doch leider sieht man sie viel zu wenig. Walter Kingsford und Beulah Bondi spielen noch als weitere Stichwortgeber mit, der eine manchmal etwas komisch, die andere ist für den mondänen Touch zuständig, und das war‘s. Auf der Ebene der Charaktere tummeln sich nicht wirklich starke Identifikationsfiguren.
Also die Szenerie. Mal abgesehen davon, dass Kulissen aus FLASH GORDON und aus FRANKENSTEIN verwendet wurden, was ja nun beileibe kein Vorwurf sein soll, abgesehen davon leidet der Film meines Erachtens darunter, dass so viele verschiedene Drehorte verschlissen werden, und alle nicht richtig genutzt werden. Das Schloss in den Karpaten mit seinem klassischen Mad Scientist-Labor ist wunderbar düster und böse, durchdrungen von der Melancholie des menschenabgewandten Dr. Rukh, aber leider verweilt man dort viel zu wenig. Flugs zieht die Truppe nach Afrika, wo man in Zelten lebt, von pittoresken Eingeborenen umgeben ist, und irgendwann einen rauchenden Stein entdeckt. Ich frage mich, was jemand wie Karl Freund aus dem Dialog gemacht hätte, bei dem Rukh seine tödliche Vergiftung gesteht, und Benet ihm anbietet zu helfen – Die Szene, in der die beiden letzten Endes ihre Charaktere tauschen. Im Hintergrund Schattenspiele auf der weißen Zeltleinwand, die ein Eigenleben zu führen, die ihre Seelen zu verschachern scheinen. Stattdessen reden und reden und reden die beiden, und die Dialoge bringen die Handlung sehr wohl voran, aber die grafischen Möglichkeiten bleiben völlig ungenutzt.
Afrika hat viele helle Farben und Tageslicht, also muss das Showdown dann folgerichtig in einem großen Haus ohne Licht stattfinden. Viele Menschen stehen dort im Dunklen, und mittendrin der leuchtende(!) Dr. Rukh, der seine Opfer grausam töten will. Wie THE OLD DARK HOUSE in Tschernobyl. Aber das Drehbuch bleibt zahm, der Regisseur kann oder will das Drehbuch nicht großartig verändern (am Ende ist der Film sowieso erst weit über Zeit und Budget fertiggestellt), und das ganze Showdown bleibt irgendwie farblos. Einzig wenn Dr. Rukh seiner Mutter begegnet wird es gruslig, wird es spannend, zieht sich die Atmosphäre zu etwas zusammen was Gänsehaut beschert. Aber bis dahin heißt es leider nicht Gänsehaut sondern höchstens Hühnerfrikassee. Was zwar gut schmeckt, aber gegen die Gans nicht wirklich anstinken kann …
TÖDLICHE STRAHLEN ist ein ordentlich gemachter Film, der auch heute noch Spaß macht und unterhält, und den man sich immer wieder mal ansehen kann, auch weil er mit seinen 76 Minuten Laufzeit keine Lebenszeit stiehlt. Aber wenn man sieht wie der Film hätte werden können, wenn die Möglichkeiten, die der Film bietet, ausgeschöpft worden wären, dann wird man ganz traurig, weil hier so viel Potential brach liegen blieb. Und man sich hinterher beim darüber nachdenken so viele Szenen herrlich gruselig und atemberaubend vorstellen kann. TÖDLICHE STRAHLEN ist ein Film der verpassten Chancen, und so etwas tut halt doch immer ein klein wenig weh …
6/10