Verblendung - David Fincher (2011)

Moderator: jogiwan

purgatorio
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von purgatorio »

jogiwan hat geschrieben:aber die Musik ist doch total daneben - da gehen wir wohl hoffentlich konform! :?
:nick: :thup:
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buxtebrawler
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von buxtebrawler »

jogiwan hat geschrieben:Heutzutage ist mit dem nötigen Batzen Geld ja ohne Weiteres möglich, alle Bilder zu erschaffen, dass sich der menschliche Geist ausdenken kann. Das mag jetzt für junge Menschen, die mit dieser CGI-Sache aufgewachsen sind, durchaus okay sein - für mich ist es leider eher der Weg in eine falsche Richtung, wo nicht mehr der Kreative mit Herzblut und Kreativität Gedanken macht und etwas Tolles erschafft, sondern einfach nur noch die Rechner angeworfen werden.
Urgs... bei aller angebrachten Kritik an CGI, aber du stellst dir das glaube ich etwas zu einfach vor :-?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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jogiwan
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von jogiwan »

passt ja auch super zum eigentlichen Fred :lol:
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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CamperVan.Helsing
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Mir hat das Remake durchaus gefallen - allerdings hab ich die schwedischen Originale noch nicht gesehen.
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purgatorio
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von purgatorio »

ugo-piazza hat geschrieben:Mir hat das Remake durchaus gefallen - allerdings hab ich die schwedischen Originale noch nicht gesehen.
:o MANGEL ABSTELLEN! SCHNELL! :opa:
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Blap
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von Blap »

purgatorio hat geschrieben:Diese bedient sich nämlich immer der neuen Medien und Kommunikationskanäle um sich neu zu definieren.
Dennoch muss der "Kunstbegeisterte" nicht zwangsläufig jeden Weg mitgehen. Wer immer hinterherläuft, der sieht in den meisten Fällen nur Ärsche.

Ich liebe es in meiner kleinen Zeit-/Raumblase zu leben, ich fühle mich wohl als untoter Anachronismus. Manchmal ist sogar Platz für neuen Stoff in meinem Kosmos.
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
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buxtebrawler
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von buxtebrawler »

„Sie ermitteln unter Geizkragen, Dieben, Rüpeln, der wohl widerlichsten Ansammlung von Menschen, die Sie jemals gesehen haben: meiner Familie.“

Nach dem Erfolg der europäischen Thriller-Trilogie „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergebung“ aus dem Jahre 2009, die auf den Bestsellern des schwedischen Autors Stieg Larsson basieren, wurde auch der US-amerikanische Filmmarkt aufmerksam und beauftragte Regisseur David Fincher („Fight Club“) mit der Neuverfilmung in US-amerikanisch-schwedisch-norwegischer Koproduktion, welche im Jahre 2011 unter dem Titel „The Girl With The Dragon Tattoo“ in die Kinos kam und hierzulande ebenfalls „Verblendung“ tituliert wurde.

Wirtschafts- bzw. Enthüllungsjournalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig, „Ein Quantum Trost“) tappt bei seinen Ermittlungen gegen das kriminelle Wennerström-Unternehmen in eine Falle und verliert dadurch einen Gerichtsprozess, der ihn beinahe seine ganze Existenz kostet. Er beschließt, sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und wird von Henrik Vanger (Christopher Plummer, „Insider“), einem der ehemaligen Köpfe des großindustriellen Vanger-Konzerns und jetzt im (Un)Ruhestand, beauftragt, dem Verschwinden seiner Großnichte, die zuletzt 1966 gesehen wurde, nachzugehen, von der er vermutet, dass sie von einem Mitglied seiner eigenen nicht sonderlich solidarisch miteinander umgehenden Familie ermordet wurde. Unterstützung bei seiner Arbeit erfährt er durch die junge Hacker- und Punkerin Lisbeth Salander (Rooney Mara, „The Social Network“), die eigenbrötlerisch ihre eigenen Ermittlungsmethoden verfolgt und durch ein Kindheitstrauma eine ausgeprägte Menschenscheu entwickelt hat. Gemeinsam kommt man einer ganzen Mordserie auf die Spur...

Um es gleich vorwegzunehmen: Meine Kritik wird kein erschöpfender Vergleich beider Verfilmungen, aber auch keine eigenständige Analyse des Inhalts. Ersteres erübrigt sich meines Erachtens insofern, als ich beide Filme in etwa auf Augenhöhe miteinander sehe und letzteres entnehme man bei Interesse meiner Rezension der Erstverfilmung, bei der ich, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, stärker auf die identische Geschichte und ihre Eigenheiten eingegangen bin.

Mit einem modernistischen animierten Vorspann lässt man, unterlegt von den Klängen Trent Raznors der Gruppe „Nine Inch Nails“, den Zuschauer eintauchen in einen opulent eingefangenen verschneiten schwedischen Winter, dessen Ästhetik fesselt und fröstelt zugleich. Fincher versteht es von vornherein, das Publikum für sich zu gewinnen, dem erst mit der Zeit klar wird, worum es überhaupt geht. Er lädt es dazu ein, es sich bequem zu machen, jedoch nur, damit es besser in der Lage bzw. überhaupt willens ist, sich auf die komplexe Handlung einzulassen, ihr konzentriert zu folgen. Raznors Industrialklänge und Klangcollagen passen dabei gut zum unschöngeistigen Realismus und Pessimismus, die den stimmlich düsteren Film durchziehen, in bester Film-noir-Tradition aber zum Verweilen einladen; nicht zuletzt, da man mit dem ungleichen Duo Blomkvist/Lassander zwei begeisternde Anti-Helden-Typen etabliert. Diese zeigen sich wandelbar und wirken mal fertig, blass und fahl, und mal ausgeschlafen und sogar attraktiv – eine Entwicklung, die mit der geistigen Gesundung durch das Entdecken des jeweiligen Gegenübers für sich in Zusammenhang mit voranschreitenden Erkenntnissen die Vanger-Familiengeheimnisse betreffend einherzugehen scheint.

In seiner Mischung aus urbanem und ländlichem Flair beleuchtet Finchers „Verblendung“ etwas andere Aspekte als seinerzeit Niels Arden Oplev bzw. gewichtet sie ein wenig anders. Gleich geblieben ist jedoch, dass Blomkvists Redaktionspartnerin kaum eine Rolle spielt und die bedeutsame Weiblichkeit fast ausschließlich Lisbeth Lassander zugeschrieben bekommt. Dieser Typus des nur scheinbar scheuen Rehs in Punk-Schutzpanzer-Montur, das sich sehr wohl beispielsweise gegen einen abartigen, perversen Vormund zu wehren versteht und blitzgescheit sowohl ihr eigenes Überleben am Rande der Gesellschaft zu meistern als auch ihre speziellen Fähigkeiten im Umgang mit modernen Kommunikationsmedien zielgerichtet einzusetzen versteht, strahlt eine starke Faszination aus, die sich schließlich in erotische Obsessionen multipliziert, geschauspielert von einer offenherzigen und in ihrer Andersartig- und Natürlichkeit ebenso verunsichernden wie anziehenden, ja, erregenden Jungmimin Rooney Mara. Die Sexszene, in die ihre Beziehung zu Blomkvist kulminiert, wirkt weniger aufgesetzt als unter Oplev und geradezu wohltuend nach allem, was Lisbeth zuvor angetan wurde. Ihre Rolle steht für eine mutige, überfällige Emanzipation im „Blockbuster“-Kino, die auch nicht von der Älterer-Mann-mit-junger-Frau-Phantasie torpediert wird, da die Initiative unvergleichlich selbstbewusst von ihr ausgeht, wie sie generell trotz oder vielmehr wegen ihrer geheimnisvoll bleibenden traumatischen Sozialisation als stärkster Charakter des Rollenensembles aufgrund des Umgangs mit den eigenen Schwächen wirkt. In Sachen Ausdruck hat „James Bond“-Darsteller gegenüber seinem schwedischen Kollegen Michael Nyqvist aus der Erstverfilmung die Nase vorn und beweist eine Palette glaubwürdiger, leiserer Emotionen, Gemütszustände und charakterlicher Tiefen, die bis 2011 seinem Bond-Image konträr gegenübergestanden haben und daher für Überraschungen bis hin zu Unmut seitens eines oberflächlichen Publikums geführt haben dürften. Zur Wahl dieser beiden Hauptdarsteller kann ich nur ausdrücklich gratulieren.

Den Ermittlungen in allen Details zu folgen, fällt nicht immer leicht, doch gelang Fincher das Kunststück, auch demjenigen ein hochgradig spannendes Filmerlebnis zu bescheren, der die Geschichte – auch in Filmform – bereits kennt. Dies wiederum mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass die Kriminalhandlung als eine Art Aufhänger dient für Kritik an einer schwedischen Gesellschaft und ihrer unter den Teppich gekehrten, wenig idyllischen Seite, auf der sich Machtmissbrauch, Faschismus, Sexismus und Korruption ebenso finden wie religiöser Irrsinn (Erinnerungen an Finchers „Sieben“ werden wach) und eben eine ungesühnte Mordserie an Frauen – wohlgemerkt alles zu finden in einer dekadenten, antisozialen Oberschicht und nicht etwa in den Ghettos des Prekariats. Welche Details schließlich formell zu diesen Erkenntnissen führen, ist dabei weniger relevant als das Ergebnis und dementsprechend weniger erinnerungswürdig, dafür jedoch gerade im Zusammenspiel der ambivalenten, tiefgründigen Charaktere miteinander immer wieder spannend anzusehen. Während unter Oplev jedoch die persönliche Ebene von und zwischen Blomkvist und Lassander mit der kritischen Aussage des Films gleichberechtigt einherzugehen schien, geht Finchers Gewichtung zugunsten seiner Protagonisten aus – was ich in diesem Falle als überhaupt nicht negativ erachte. Finchers Film rebelliert als US-Produkt dafür auf anderen Ebenen, allen voran dem gegen die Hollywood-Mainstream-Prüderie gebürsteten, sich in seiner Authentizität nicht selbst limitierenden Stil, der nackte Haut und immer wieder über eine gesundheitlich unbedenkliche Dosierung hinausgehend genossenen Zigarettendunst geradezu in den Vordergrund rückt und in seinem durchästhetisierten Film mit seinen vielen in absoluter Symmetrie eingefangen Formen während Frontalansichten auf Häuser, Straßen, Alleen etc. nicht nur den Willen zum, sondern Beweis des Organischen, Echten, eben wie eingangs erwähnten Ungeschönten antritt.

Unangenehm fallen mir andere Dinge auf, beispielsweise wenn man zeitweise zu vergessen scheint, dass hinter der rauen Oberfläche Lisbeths ein verletzter und verletzlicher, unsicherer, einsamer Mensch steckt und man sie in einem Ausmaße resolut und abgeklärt präsentiert, das mir fragwürdig erscheint und ihre Vielschichtigkeit außer Acht lässt. Richtiggehend genervt hat das Marlboro-, McDonald’s-, Coca-Cola-, Apple- und Google-Product-Placement, wovon ich das NIN-T-Shirt allerdings ausnehme – das hat Raznor sich verdient. Und obwohl Finchers Verfilmung mit seinen knapp 160 Minuten in Sachen Überlänge zwar deutlich aus dem üblichen Rahmen fällt, wird sie zu keiner Sekunde im klassischen Sinne langweilig, jedoch, und das ist mein letzter erwähnenswerter Kritikpunkt nach meiner Erstsichtung, bekommt er mit seiner weiteren Entwicklung nach zwei Stunden Anschlussschwierigkeiten, es schlingert dramaturgisch kurz und die Bruchstelle bleibt sichtbar.

Alles in allem aber gereicht David Fincher dem Stoff zur Ehre, der es ebenso wie sein Vorgänger verstand, einen modernen, rauen, kantigen Noir-Thriller zu drehen, der ebenso fasziniert wie inspiriert und das Individuum in seiner Zurückgezogen- und Insichgekehrtheit betont, was in entsolidarisierten Industrienationen nicht auf taube Ohren stoßen sollte. Bleibt die Frage, inwieweit sich die Fortsetzungen der geplanten Trilogie am politkritischen Gewicht der europäischen Verfilmungen orientieren werden oder ob man sie zugunsten anderer Charakteristika der Reihe abschwächen wird, weil man sie eventuell als zu wenig interessant für den amerikanischen Markt betrachtet. Ich brauche eigentlich keine weitere Verfilmung des zweiten Teils, aber das dachte ich damals auch, als ich von diesem just besprochenen Film erfuhr... wir werden sehen.
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Il Grande Silenzio
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von Il Grande Silenzio »

Guter und äußerst harter Thriller, allerdings in der Tat überflüssig, da das Original schon sehr gut war. Die Abweichungen haben die Story nicht weiterentwickelt.

7,5/10
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Maulwurf
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Re: Verblendung - David Fincher (2011)

Beitrag von Maulwurf »

 
Verblendung
The girl with the dragon tattoo
USA/Norwegen/Schweden 2011
Regie: David Fincher
Daniel Craig, Rooney Mara, Christopher Plummer, Stellan Skarsgård, Steven Berkoff, Robin Wright,
Yorick van Wageningen, Joely Richardson, Geraldine James, Goran Visnjic, Donald Sumpter, Ulf Friberg


Verblendung (2011).jpg
Verblendung (2011).jpg (75.09 KiB) 1382 mal betrachtet
OFDB

Der Journalist Michael Blomkvist hat eine aufsehenerregende Enthüllungsreportage über den Großindustriellen Wennerström in den Sand gesetzt und muss abtauchen. Da kommt ihm das Angebot des zurückgezogen lebenden Millionärs Henrik Vanger gerade recht: Blomkvist soll recherchieren, warum Vangers Nichte Harriet vor 40 Jahren spurlos verschwand. Vanger ist sich sicher, dass damals ein Mord geschah, und Blomkvist soll herausfinden wer der Mörder war. Und außer einer Menge Geld gibt es auch eine Belohnung: Informationen über Wennerström, die Blomkvist helfen werden, seinen Ruf wieder reinzuwaschen und Wennerström ins Gefängnis zu bringen. Blomkvist wendet sich an die Ermittlerin, die Vanger geholfen hat Informationen über ihn selber herauszufinden, Lisbeth Salander, und die wiederum findet schnell heraus, dass Harriet nicht das einzige Opfer war, sondern dass in den 50er- und 60er-Jahren ein unentdeckter Serienmörder in Schweden umging. Der heute anscheinend immer noch mordet. Und der es gar nicht mag, dass seine Mordserie plötzlich aufgedeckt wird …

Muss man zu diesem Film, zu dieser Geschichte, wirklich noch eine Inhaltsangabe schreiben? Der Roman hatte in den Jahren nach 2005 (schwedische Originalausgabe) bzw. 2006 (deutsche Erstausgabe) ein Abonnement auf den ersten Platz der weltweiten Bestsellerlisten, die Nachfolgeromane ebenfalls, und wer immer in der zweiten Hälfte der 00er-Jahre Thriller las, kam an diesen Romanen sowieso nicht vorbei. Zu intensiv das Leseerlebnis, zu umfassend der Erfolg, als dass man sich daran hätte vorbeimogeln können.

Umso erstaunlicher, dass ich über 10 Jahre gebraucht habe, um mir zumindest mal die „Neu“-Verfilmung aus dem Jahr 2011anzuschauen – Die Erstverfilmung(en) mit Noomi Rapace fehlen in meinem Filmtagebuch bis heute, und das obwohl ich bekennender Rapace-Fan bin. Vielleicht war das Leseerlebnis einfach zu intensiv, um eine verwässerte und weichgespülte Hollywood-Version des Stoffes sehen zu wollen. Und tatsächlich hab ich erst im Vorspann erfahren, dass diese gerade gesehene Verfilmung ja von David Fincher ist …

Um es kurz zu machen: Ja, die Verfilmung ist gelungen! Naturgemäß sind die relativ komplexen Handlungsverläufe des Buches ein gutes Stück vereinfacht worden, aber dafür bietet VERBLENDUNG einiges an Schmankerln, die ich in so einem Film nicht erwartet hätte. Da wäre zum einen der Umstand, dass trotz der immensen Laufzeit von 158 Minuten keine einzige Sekunde Langeweile aufkommt, und es sogar unmöglich scheint, auch nur einmal wegschauen zu können. Dann die Tatsache, dass Fincher sich in Bezug auf (sexuelle) Gewalt und vor allem Sexualität im Besonderen keinerlei Zurückhaltung auferlegt, und zum Beispiel Rooney Mara auch mal schnell und kompromisslos nackt zeigt. Und ich meine komplett(!) nackt. Auch die Vergewaltigung Lisbeth Salanders schmerzt den Zuschauer sehr, nur das Mädchen im Käfig erinnert dann doch wieder schwer an SIEBEN – Das Kopfkino, das Kopfkino …

Dazu passend die überaus starken Darsteller. Daniel Craig zeigt mit seinem feinen und sensiblen Spiel Nuancen, die man dem grobmotorischen James Bond überhaupt nicht zugetraut hätte, und die aufweisen, dass der Mann wesentlich mehr drauf hat als den Rüpel-Agenten mit der gebrochenen Seele. Rooney Mara scheint zwar im Überblick auf Autopilot in Richtung Stierblick-Punkette zu steuern, deutet aber spätestens in der zweiten Hälfte ebenfalls Tiefblicke in ihre Seele an, die fast ein klein wenig schaudern lassen. Christopher Plummer als Auftraggeber des abgestürzten Journalisten, Stellan Skarsgard als dessen Neffe, Robin Wright als verlorene Tochter – Starke Schauspieler die alles aus ihren Rollen heraus holen, und es ist der Produktion ganz hoch anzurechnen, dass so viele europäische Darsteller in den Leading Roles zu sehen sind.

Aber es bleibt an der fantastischen Regie David Finchers, aus einer ordentlichen Romanverfilmung einen herausragenden Thriller zu machen. Die Fotografie ist erstklassig, und auch wenn ich mir gewünscht hätte mehr Zeit mit der Fotosuche Michael Blomkvists verbringen zu können, so bleibt doch gerade dadurch, dass diese Recherche immer so ein bisschen im Hintergrund läuft, die Spannung auf einem sehr hohen Level. Auch die zeitlichen Sprünge zwischen den einzelnen Szenen, die ein enormes Tempo vorgeben, zeigen genau das was sie sollen, und verweigern dabei jedes Quäntchen Leerlauf. Person A reist nicht nach Ort B, sie ist einfach da, und nur Lisbeth Salander sehen wir regelmäßig beim Reisen – Da sie aber versucht, der Giacomo Agostini Schwedens zu werden, bleibt das Tempo bei diesen Szenen unverändert hoch. Atmosphärische Set Pieces, hervorragende Musik, und kaum merkbar vergeht ein ganzes Jahr auf der Familieninsel, bis man dem Mörder allmählich näher kommt. Oder dieser den Ermittlern, das mag man nun sehen wie man will.

Dank David Fincher und dank der Schauspieler durfte ich einem Film beiwohnen, der aus dem US-amerikanischen Weichwascheinerlei des laufenden Jahrhunderts deutlich herausragt, und sich dabei gleichzeitig seiner Blockbuster-Qualitäten in jeder Sekunde deutlich bewusst ist. Der Alptraum, das Soghafte, das den Romanleser damals nicht vom Buch weggelassen hat, das fehlte mir ein wenig. Aber trotz dieser fehlenden Intensität ist VERBLENDUNG nichtsdestotrotz ein gewagter Balancegrad des Regisseurs (und des Studios, das solche Ausflüge zugelassen hat), der in jeder Sekunde ausgesprochen gelungen ist. Stark!

7/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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