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Wie ein wilder Stier.jpg (119.53 KiB) 41 mal betrachtet
Originaltitel: Raging Bull
Herstellungsland: USA / 1980
Regie: Martin Scorsese
Darsteller(innen): Robert De Niro, Cathy Moriarty, Joe Pesci, Frank Vincent, Nicholas Colasanto, Theresa Saldana, Mario Gallo, Frank Adonis, Joseph Bono, Frank Topham, Lori Anne Flax, Charles Scorsese u. A.
Im Jahr 1941 steigt der 19-jährige Jake La Motta in den Ring. So wenig elegant sein Kampfstil ist, so rüde gibt sich der Boxer auch im Privatleben. Ehefrau Vicky und Bruder Joey, sein Manager, leiden unter seiner dumpfen Aggressivität. Kurz nachdem La Motta 1949 mit ein paar "Zugeständnissen" an die Mafia die Weltmeisterschaft gewinnt, beginnt sein Abstieg in Alkohol- und Drogenexzesse...
Nach seiner überaus erfolgreichen Zusammenarbeit mit Robert De Niro für „Taxi Driver“ sowie dem Dreh der Dokumentarfilme „American Boy: A Profile of – Steven Prince“ und „The Band“ ließ sich US-Ausnahmeregisseur Martin Scorsese nach anfänglichem Zögern von De Niro überreden, die Biographie des US-Boxers Jake LaMotta zu verfilmen. Mit Mardik Martins Drehbuchentwürfen soll De Niro allerdings unzufrieden gewesen sein, weshalb Paul Schrader als Ko-Autor verpflichtet wurde. De Niro, der die Hauptrolle übernahm, lernte und trainierte eigens für den Film den Boxsport und ließ sich dabei von LaMotta persönlich begleiten. „Wie in wilder Stier“ wurde 1980 veröffentlicht, sahnte zwei Oscars ab, war für zahlreiche weitere nominiert und wird bis heute immer wieder in Film-Bestenlisten genannt.
„Ich mag deinen Schweißgeruch.“
Der Film deckt den Zeitraum 1941 bis 1964 ab, eine Zeit, in der der in der Bronx geborene Italoamerikaner Jake LaMotta den Boxring betrat, zum Weltmeister im Mittelgewicht wurde, sich scheiden ließ, neu heiratete, Vater wurde, sich mit der Mafia einließ und schließlich nach seinem Karriereende nach Florida zog, dort eine Bar eröffnete, im Gefängnis landete, um sich anschließend als Stand-up-Humorist zu verdingen. Der überwiegende Teil des Films wurde in Schwarzweiß gedreht, so auch der Auftakt, der Schattenboxen im Ring in Zeitlupenbildern stilisiert. Zeitsprung ins Jahr 1964: Der sichtlich gealterte Jake erzählt von früher, visualisiert durch eine von nun an den Hauptteil des Films einnehmenden Rückblende, beginnend mit einem brutalen Boxkampf aus dem Jahre 1941, in dessen Anschluss es zu Tumulten kommt. Jakes Ehefrau (Lori Anne Flax) ist ein übertemperamentvoller Drachen; er hängt viel mit seinem jüngeren Bruder Joey (Joe Pesci, „Im Netz der Gewalt“) herum und hat ein Auge auf die frühreife 15-jährige Vickie (Cathy Moriarty, „Matinée“) geworfen.
Innerhalb dieser Rückblende gibt es mehrere Zeitsprünge, zunächst einen zu einem Kampf im Jahre 1943. Jake ist mittlerweile mit Vickie liiert. 1944 kommt Farbe in die Bilder und eine ganze Reihe von Ereignissen wird im Zeitraffer in Form von Zusammenschnitten aus Super-8-Privatfilmmaterial und Fotos abgehandelt. Heirat, Kindergeburten, weitere Kämpfe. Danach entnimmt Scorsese den Bildern wieder ihre Farbe, schwarzweiß geht’s weiter. Joey managt Jake mittlerweile, der immer eifersüchtiger wird und Vickie damit zunehmend auf die Nerven geht. Die Mafia fordert, dass Jake endlich nach ihrer Pfeife tanzt – dann erhalte er seinen ersehnten Titelkampf. Irgendwann haben sie ihn weichgekocht und er lässt sich darauf ein. Seine sportlichen Erfolge stehen jedoch im Kontrast zu privaten Problemen, die er selbst verursacht: In seinem krankhaften Misstrauen dreht er völlig durch, verprügelt seinen Bruder vor den Augen seiner Kinder und schlägt seine Frau.
Schonungslos dokumentiert der Film Jakes Stärken im Ring und seine Schwächen im Privaten sowie deren Eskalation. Zugleich ist „Wie ein wilder Stier“ auch eine Schilderung des harten gesellschaftlichen Milieus, dem die LaMottas entstammen. Im Ring scheint Jake sein Aggressionspotential zugutezukommen, zum Leidwesen seiner Gegner. Außerhalb des Rings steht es ihm Weg. Scorsese-typisch ist erneut die Thematisierung und Anklage toxischer Maskulinität italoamerikanischer Männer. Und erneut geht er mit viel Bedacht vor, um eine Verklärung des Protagonisten zu vermeiden. Die Boxszenen, die wirken, als habe man damals generell ohne Deckung geboxt, wurden derart aufwändig gefilmt, dass sie in der Filmwelt neue Standards setzten. Zudem notierte ich im emotionalen Überschwang: „Geile Kamera und mordmäßiger Schnitt!“ Tatsächlich ging einer der beiden Oscars an Thelma Schoonmaker für den besten Schnitt, der andere an De Niro als bestem Hauptdarsteller. Michael Chapmans Kameraarbeit war immerhin nominiert. „Wie ein wilder Stier“ ist bis in die Nebenrollen beeindruckend geschauspielert und Scorseses Regiearbeit ohne nennenswerte Makel.
Man braucht sich nicht fürs Boxen zu interessieren, um diesem Film etwas abgewinnen zu können. Bereits für seinen Stil und seine Technik ist er sehenswert. Inhaltlich handelt es sich um ein bemerkenswertes Beispiel für ein ungeschöntes Porträt einer damals noch lebenden und ja selbst an der Entstehung des Films beteiligt gewesenen Person, das darüber hinaus sporthistorische Einblicke liefert und quasi nebenbei einiges über die USA erzählt. Scorsese schließt seinen Film mit einer ein Bibelzitat enthaltenden Texttafel und einer Kondolenz an seinen Lehrer.
P.S. von einem Betroffenen: Welch Gemeinheit, dass Jake von seiner Frau und seinem Bruder bereits als fett bezeichnet wird, wenn er lediglich einen minimalen Bauchansatz entwickelt hat…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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