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Zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche junge Frauen – die aber letztendlich doch eine Menge Gemeinsamkeiten aufweisen – haben sich um die Hauptrolle eines Yakuzafilms beworben. Sie teilen sich ein luxuriöses Appartement mitten in Tokio, das ihnen vom Filmproduzenten vorübergehend zur Verfügung gestellt wird. Sie kommen beide in die engste Wahl; und zu Beginn des Films wird dann klar, daß eine von ihnen die Rolle bekommen wird. Beide würden alles dafür geben – denn für die eine wäre dies der Einstieg ins Filmgeschäft, für die andere die letzte Chance, ihre Filmkarriere zu retten. Und sie WERDEN alles dafür geben, ohne Mitleid miteinander zu zeigen – wie wir in den folgenden 70 Minuten erleben...
„Wenn du erfolgreich sein willst, solltest du dich mit Filmen beschäftigen!“ (Ich bezweifle die Allgemeingültigkeit dieser Aussage…)
Überlieferungen zufolge lieferten sich die japanischen Regisseure Yukihiko Tsutsumi („Keizoku - Ungelöste Morde“) und Ryuhei Kitamura eine Art filmisches Duell, indem sie jeweils einen Film mit dem festgezurrten Sujet drehten, ihrerseits ein Duell zwischen zwei Personen zum Inhalt zu haben, das in nur einer Nacht und auf eng abgestecktem Terrain ausgetragen werden solle. Ergebnis dieses Projekts, über dessen Sieger das Publikum entscheiden sollte, ist Kitamuras Samurai-Drama „Aragami“ einer- und Tsutsumis schwarze Tragikomödie „2LDK – Zickenterror Deluxe“ aus dem dem Jahre 2002 andererseits, der mir im Gegensatz zu seinem Pendant vorliegt.
Die letzten übriggebliebenen Teilnehmerinnen eines Castings für eine Filmproduktion, die extrovertierte (Möchtegern-)Lebefrau Rana (Maho Nonami, „Platonic Sex“) und die zurückhaltende Studentin Nozomi (Eiko Koike, „Mohô-han“) aus der Provinz, warten in einer gemeinsamen Wohnung gespannt auf den entscheidenden Telefonanruf, wer von beiden die Rolle bekommt. Die geheuchelte Freundlichkeit schlägt nach einiger Zeit in einen offenen Schlagabtausch um – zunächst verbal, anschließend körperlich und schließlich blutig…
Das als klassisches Kammerspiel inszenierte Drama gibt sich nicht nur im Verzicht auf Filmmusik und weitere Darsteller minimalistisch, sondern konzentriert sich voll und ganz auf die zwei Streithühner. Dabei geht es derart überzogen zur Sache, dass sich schwarzer Humor mit satirischen Elementen in Bezug auf die Egomanie streitsüchtiger junger Frauen, die ins vermeintlich lukrative Filmgeschäft drängen, zu einer blutroten Melange vermengt. Der tragische Aspekt kommt ebenfalls nicht zu kurz, wenn man nach und nach mehr über die persönlichen Hintergründe der beiden erfährt und z.B. eine Rückblende die zuvor eingestreuten Visionen Ranas erklärt, die mitverantwortlich ist, dass sich die Ehefrau mitsamt Kind einer ihrer Affären umgebracht hat. Zu Beginn hört der Zuschauer die abfälligen Gedanken der Mädchen über ihr jeweiliges Gegenüber, die jedoch bald offen ausgesprochen werden. Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Eskalation arbeitet Tsutsumi mit Zeitlupen und hall-/echolastiger Geräuschkulisse sowie mit Wackelkamera und hektischen Schnitten während der nonverbalen Auseinandersetzungen. Spannung erzeugt „2LDK“ (was im Japanischen so viel bedeutet wie „Zwei Zimmer, Küche Bad“) in erster Linie dadurch, dass auch der Zuschauer nicht weiß, wer denn nun das Casting gewinnen – und wer am Ende überhaupt noch übrig sein wird. Zum Finale hin übertrumpfen sich beide gegenseitig in Härte und integrieren allerlei Haushaltsgegenstände in ihre zunehmend blutiger werdenden Kämpfe, bis man sich offen gegenseitig nach dem Leben trachtet. Wie Nozomi letztlich die Stromattacke und ihr augenscheinliches Ertrinken in der Badewanne überlebt hat, blieb mir zwar unklar, doch Tsutsumi bleibt konsequent bis zum blutigen, zynischen, blutigen Ende.
Das Schöne an „2LDK“ ist, dass der Zuschauer trotz der exaltierten Entrücktheit des Stoffs manch Wiedererkennungseffekt erleben dürfte in Bezug auf trügerische Freundschaften, eigene WG-Erfahrungen oder den ganz „normalen“ alltäglichen Konkurrenzkampf in einer entsolidarisierten Gesellschaft. Damit ist der Film auch über seinen exploitativen Unterhaltungscharakter hinaus durchaus relevant, in erster Linie aber zweifelsohne ein (auch aufgrund der knappen Spielzeit) kurzweiliges Brutalo-Vergnügen, bei dem das Lachen auch schon einmal im Halse stecken bleiben kann, das nach einem möglicherweise etwas langwierigen Auftakt jedoch alle Register zieht. Und wer nach diesem Film noch immer eine Wohngemeinschaft mit hübschen jungen angehenden Schauspielerinnen plant, dem ist nicht mehr zu helfen und schließt am besten schon mal den Chlorreiniger weg.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
buxtebrawler hat geschrieben:„Wenn du erfolgreich sein willst, solltest du dich mit Filmen beschäftigen!“ (Ich bezweifle die Allgemeingültigkeit dieser Aussage…)
warum das
ich hoffe, du machst das nicht Regisseur-abhängig
Toller Film, der gegenüber dem passablen Konkurrenzprodukt von Kitamura eindeutig die Nase vorn hat. Vor allem finde ich es beachtenswert, dass zumindest aus meiner Sicht die Balance zwischen der Dramatik der Figurenschicksale und dem schwarzen Humor rund um die fiesen gegenseitigen Attacken so gut gewahrt bleibt, dass trotz des haarsträubenden Grundgedankens das Ganze nie ins Alberne kippt. Die etwas flache Schlusspointe hätte nicht unbedingt sein müssen, dennoch sehr sehenswert!!