Die Früchte der Leidenschaft - Shuji Terayama (1981)

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Salvatore Baccaro
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Die Früchte der Leidenschaft - Shuji Terayama (1981)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Les fruits de la passion

Produktionsland: Japan/Frankreich 1981

Regie: Shuji Terayama

Darsteller: Isabelle Illiers, Klaus Kinski,Arielle Dombasle, Peter, Keiko Niitaka, Sayoko Yamaguchi, Hitomi Takahashi
Japans führender Film-Avantgardist SHUJI TERAYAMA verfilmt RETOUR À ROISSY, den 1969 erschienen Nachfolgeroman Dominique Aurys zu ihrem Sadomaso-Bestseller HISTOIRE D’O (1954), mit Klaus Kinski in der männlichen Hauptrolle als Sir Stephen, verlagert die Handlung jedoch ins China der 1920er Jahre, wo er weder vor politischen Implikationen noch vor der Darstellung expliziter Sexszenen zurückschreckt. Was könnte es an LES FRUITS DE LA PASSION aus dem Jahre 1981 geben, das mir kein Behagen bereitet? Nun, leider eine ganze Menge…

Zunächst muss ich gestehen: Ich habe keinen von Aurys Romanen gelesen. Selbst an die Verfilmung ihrer HISTOIRE D’O von 1975 durch Just Jaeckin erinnere ich mich nur noch schemenhaft. Da sich Terayama indes, wie mir die Sekundärliteratur vermeldet, mit seiner Adaption sowieso ziemlich weit von der ursprünglichen Geschichte sowie der Intention und der Charakterzeichnungen Aurys wegzubewegen scheint, fällt dieser Mangel an Kenntnis wohl aber nicht so sehr ins Gewicht. Zumal es LES FRUITS DE LA PASSION, meinem Empfinden nach, zu keinem Zeitpunkt ein Anliegen ist, ein Film zu sein, der sich primär über seine Narration definiert. Wenn Terayama den Lüstling Kinski und die ihm in einer Ergebenheit bis zur Selbstaufgabe Sex-Sklavin Isabelle Illiers in den Fernen Osten schickt, wo Sir Stephen die O sodann in einem Bordell ablädt, auf dass sie ihm ihre grenzenlose Liebe beweise, indem sie sich zur Edelhure erniedrigt, d.h. ihm Gelegenheit gibt, sie bei allerhand obskuren Sex-Eskapaden mit ihren Freiern zu bespitzeln, dann gilt das Interesse des in der Vergangenheit selten um Ikonoklasmen und Tabubrüche verlegenen Regisseurs in jeder einzelnen Sekunde mehr den überbordenden, phantasievollen Dekors, den bizarren Figuren, verfremdenden Farbfiltern, surrealistischen Traumsequenzen und, natürlich, mehr oder minder kalkulierten Provokationen, die sich vor allem im Geschlechtlichen abspielen, denn: Offensichtlich ist LES FRUITS DE LA PASSION ein Hardcore-Porno, der wie ein Softsexstreifen montiert wurde, denn niemand kann mir erzählen, dass Klaus Kinski gerade in seiner allerersten Koitus-Sequenz, wo er eine asiatische Dirne beglückt, die junge Frau nicht wirklich penetriert, - wobei Terayama in einer Szene dann auch tatsächlich unverblümt die Grenze zum Hardcore überschreitet, wenn Isabelle Illiers das (schlaffe) Glied eines Kunden in ihren Mund nehmen muss, und sodann von Kinskis Pranke noch dichter an den Schambereich des Mannes gepresst wird.

LES FRUITS DE LA PASSION ist ein Tableau, eine lose Aneinanderreihung überladender, manchmal prätentiöser Bilder, ein Sammelsurium von Momentaufnahmen, in denen sich der Bordell-Alltag spiegelt, und Versatzstücken einer dann doch fast romantischen Liebesgeschichte: Denn ein mittelloser Kuli verliebt sich in die O allein dadurch, dass er von seiner armseligen Unterkunft genau auf dasjenige Fenster des Luxus-Laufhauses schauen kann, hinter dem diese ihr eher freudloses Dasein fristet. Er schickt ihr Rosen, beobachtet sie Tag und Nacht, wagt es schließlich, bei der Puffmutter, (dargestellt von dem berühmten japanischen Transsexuellen Peter, den man vor allem auch aus Matsumutos BARA NO SORETSU kennen könnte), um ein Stelldichein mit ihr zu bitten. Da der Arme jedoch mehr Löcher als Geld in der Tasche hat, wirft Madame ihn wie einen Bittsteller auf die Gasse. Grund genug für unseren Helden, sich einer revolutionären Zelle anzuschließen, die im Untergrund gegen die englische Kolonialmacht operiert. Durch sein Mitwirken bei einem Attentat verdient er letztlich genug, um sich die O endlich leisten zu können. Wie so oft wird Sir Stephen, der bocksgeil versteckt der Szene beiwohnt, Zeuge, wie die O auch diesen Freier von sich stößt, als er sie küssen will: Nein, dieses Privileg gehört allein ihrem Herrn und Gebieter! Doch dann wird ihr gewahr, wie viel Leid und Schmerzen der junge Mann auf sich genommen hat, nur um endlich bei ihr zu sein. Die beiden jungen Leute nähern sich an, seelisch wie körperlich, verbringen eine Liebesnacht miteinander. Grund genug wiederum für Kinski, seinen Revolver zu zücken, und kurzen Prozess mit seinem Nebenbuhler zu machen. Das ist also der schmucklose Kern dieses visuell berauschenden Films, dessen nacktes Gerippe man noch notdürftig dadurch ummanteln könnte, dass Sir Stephen eine europäische Geliebte hat, mit der er wiederum im Beisein der gefesselten O den Beischlaf vollzieht, um sie zusätzlich zu demütigen, oder damit, dass Sir Stephen als Geldgeber der erwähnten Terrorzelle fungiert, den Revoluzzern aber irgendwann den Geldhahn zudreht, und nun selbst zu deren Feindbild wird, oder dass die O von freudianischen Träumen an ihren Vater heimgesucht wird, (ohne dass der Film freilich glücklicherweise irgendwelche küchenpsychologische Interpretationen ernsthaft weiterverfolgen würde.) All diese Splitter jedoch schaffen es, meiner Meinung nach, nicht, zu verhüllen, was für ein inhaltlich leerlaufendes Werk LES FRUITS DE LA PASSION letztlich ist, und wie sehr Fragen nach Moral, Politik, Sexualität, ssofern sie überhaupt gestellt werden, Kratzer an der zugebenermaßen teilweise verstörend schönen Oberfläche bleiben.

Wunderbar ist LES FRUITS DE LA PASSION vor allem dann, wenn er die Biographien einiger von O’s Zunftgenossinnen vignettenhaft antippt: Da ist eine Hure, die den halben Tag hustend auf der Treppe sitzt, und sich partout weigert, obwohl Madame sie immer wieder darum bittet, einen Arzt aufzusuchen, so, als sei das ihr individueller Weg der Selbsttötung; da ist eine Hure, die entweder tatsächlich einmal gefeierte Schauspielerin gewesen ist oder sich das mit der Zeit nur erfolgreich eingeredet hat, und die seit Jahren auf einen Brief wartet, in dem ihr ihre nächste Rolle offeriert werden soll, und die – Achtung, Meta-Ebene! – nur dann bezahlten Sex ausübt, wenn sich ein Kamerateam bei ihr im Zimmer befindet, und ihr Treiben brav mitfilmt; da ist eine Hure, die glaubt, aus den Tiefen des am Bordell vorbeirauschenden Flusses die Melodie eines versunkenen Pianos zu hören, und die, nachdem sie sich in den Fluten zu Tode gestürzt hat, auf dem Rücken des aus den Wellen aufsteigenden Klaviers in die Höhe gehoben wird – eine unvergessliche Szene, fürwahr! Auch der trotz ihrer Omnipräsenz niemals plakativen Tiersymbolik kann ich einiges abgewinnen: Hunde und Vögel; Männer, die sich wie Hunde dressieren lassen; Männer, die O gurrend wie Tauben auf selbstgezimmerten Holzvögeln besteigen; ausgestopfte Hunde als Geschenke für die Huren; ein Papagei als Haustier des Bordells, der eines Tages aus seinem goldenen Käfig entwischt.

Viele Einflüsse schwimmen in LES FRUITS DE LA PASSION herum, ohne dass man Terayama pures Epigonentum vorwerfen könnte: Luis Bunuels BELLE DE JOUR, (ohne dass der Film dessen Dezenz bei der Illustration devianter Sexualpraktiken anstreben würde); Walerian Borwoczyk, (ohne dass der Film dessen ikonographischen Sensualismus anstreben würde); Louis Malles PRETTY BABY, (ohne dass der Film dessen realistischere Darstellung der Schattenseiten (historischer) Prostitution ernstzunehmend beleuchten würde); Nagisa Oshimas AI NO KORIDA, (ohne dass der Film dessen Blick in die Abgründe der Sexualität anstreben würde); Alain Robbe-Grillet, (ohne dass der Film seine SM-Orgien mit dessen virtuosen Dekonstruktionen von filmischem Raum und filmischer Zeit verknüpfen würde); Catherine Breillat, (ohne dass der Film deren feministische Perspektive auf weibliche Sexualität anstreben würde); Tinto Brass zu SALON-KITTY und CALIGOLA-Zeiten, (ohne dass der Film dessen subtextuelle Analysen von politischem Machtgewinn und Machtausübung anstreben würde.)

Ist LES FRUITS DE LA PASSION demnach ein Film der Defizite? Für mich ist LES FRUITS DE LA PASSION, (der möglicherweise Terayamas bekanntestes Werk sein dürfte, für mich jedoch mit Abstand sein schwächstes), ein buntes Kaubonbon, das angenehm, aber viel zu schnell auf der Zunge zergeht, und höchstens rudimentär erahnen lässt, zu welchen brillant auf dem Spagat zwischen Affront und Apotheose balancierenden Meisterwerken wie DEN'EN NI SHISU oder SARABA HAKOBUNE dieser Genius sonst in der Lage gewesen ist.
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FarfallaInsanguinata
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Re: Die Früchte der Leidenschaft - Shuji Terayama (1981)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Den müsste ich mir mal wieder anschauen, wenn ich meinen V2000-Recorder nochmal zum Laufen kriege.
Dass ich diesen Film jedoch nicht als VHS-Original behalten, sondern lediglich kopiert habe, um das Original wieder zu veräußern, zeigt bereits meinen Zwiespalt.
Da gab es durchaus einige ansprechende, sehr erotische Szenen, unterm Strich bleibt aber ein mittelmäßiger Gesamteindruck.
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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Salvatore Baccaro
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Re: Die Früchte der Leidenschaft - Shuji Terayama (1981)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Leider war das Letzte, was mir bei Sichtung des Films in den Sinn kam, irgendwelche erotische Empfindungen. Noch nie hat mich Kinski derart angewidert, puh! (Überhaupt komme ich immer weniger auf diesen Menschen klar, ohne dass sich in mir etwas mal mehr, mal weniger zusammenzieht.) Freilich, das ist genau die Rolle, die er hier verkörpern soll: Ein halber Lustgreis, gierig grapschend und schleimig saugend. Aber dennoch: Wie ihm die Geilheit aus jeder Pore des von Notzucht gezeichneten Körpers trief!, es ist kaum auszuhalten... :shock:

In seiner Autobiographie gibt der sensible Mime übrigens einige herzerfrischende Anekdoten von den Dreharbeiten preis:

"In dem japanischen Film wird viel gefickt. Richtig gefickt, in allen Stellungen, auch in den Mund. Es ist die Geschichte eines Mannes, der seine Geliebte in Shanghai in ein Bordell gibt, weil ihn das erregt. Das Mädchen tut es aus Liebe zu dem Mann, aber sie leidet furchtbare Qualen. Der größte Teil der Handlung spielt sich also in einem Bordell ab, in Tokio, das heißt 80 Kilometer von Tokio entfernt, in den ältesten und primitivsten Stummfilm-Studios Japans. Ohne Aircondition bei mehr als 40 Grad im Schatten, mit einem Wasser-Suppe-Fraß und bis zu 24 Stunden ohne Unterbrechung. Die Japaner beschweren sich nie, aus dem einfachen Grund, weil sie gern arbeiten. Der Sauerstoff im Studio existiert überhaupt nicht mehr, man könnte die Luft mit dem Messer in Stücke schneiden, jeder Atemzug ist ein Kampf. Dazu schwitzen wir alle so, daß uns das Wasser buchstäblich aus der Arschritze und aus den Hosenbeinen läuft. Man kann kaum die Augen öffnen, der salzige Schweiß, der von den klitschnassen Haaren übers Gesicht strömt, brennt wie Feuer in den Lidern.
Das alles kenne ich aus anderen Filmen. Hier jedoch sieht die Sache anders aus: Hier muß laut Drehbuch gefickt werden, richtig gefickt! Direkt vor der Kamera, mit allem drum und dran und in allen Stellungen, auch mit dem Mund. Die Geschlechtsorgane müssen vor und während des Fickens klar und deutlich zu sehen sein, vor allem der Ständer. Jedoch allen hängen die Schwänze schlapp herunter. Auch wenn der Produzent und der Regisseur, Jushi Terajama, einen Vertrag miteinander unterschrieben haben, daß mindestens sechs Geschlechtsakte (das heißt, daß ich allein fünf Mädchen vor der Kamera ficken muß) gefilmt werden müssen. Eines der japanischen Mädchen, die ich ebenfalls ficken muß und die ich auch nach Drehschluß im Hotel stoße, nimmt sich der anderen Schlapp-Schwänze an. Das sieht so aus: Sie geht mit dem jeweiligen Schlapp-Schwanz in eine dunkle Ecke des Studios und lutscht so lange an dem jeweiligen Schwanz herum, bis er sich endlich strafft und zu einem halbwegs akzeptablen Ständer aufrichtet. Sie muß genau wissen, wann sie mit dem Saugen aufzuhören hat. Auf keinen Fall darf der Schwanz zu spritzen anfangen, das darf er nur vor der Kamera.
Sobald also einer dieser Schlapp-Schwänze sich aufzustellen beginnt, läuft das Mädchen in Windeseile zu Terajama und gibt das Zeichen, daß der Schwanz gefilmt werden kann. Oft geschieht es, daß der jeweilige Schwanz zwar im heißen, gierigen Mund des Mädchens und durch ihre Saugarbeit straff gemolken wurde - jedoch in der unerträglichen, schweren, feuchten Tropen-Hitze, die wie Sandsäcke auf den Hoden lastet, geht der Blutdruck in dem jeweiligen Schwanz ohne Melkmädchen wieder schnell zurück und der Ständer bricht zusammen, bevor die Kamera läuft.
Ich selbst lange von Zeit zu Zeit meinem Fötzchen in die Schlüpfer und ziehe den scharfen Geruch tief ein. Oder ich lutsche den salzigen SChweiß aus den langen Haaren unter ihren Achselhöhlen.
Das geht mir wie eine Impfung ins Blut und mein Fiedelbogen spannt sich sofort von neuem.
Von langem Stehvermögen kann natürlich bei der mörderischen Temperatur nicht die Rede sein, und die erste Aufnahme muß sitzen.
Das Mädchen mit dem köstlichen Käse, die ich laut Drehbuch in ein Bordell gebe, bekommt während einer Szene des Films einen Nervenzusammenbruch - als ihr im besagten Bordell ein mechanischer Schwanz von einer Art Fick-Maschine eingeführt wird: Sie schmeißt sich auf den schleimigen, kalten Sandboden des Studios und wälzt sich schreiend und kreischend im Dreck - niemand kann sich ihr nähern. Ich beruhige sie liebevoll und führe sie in meine Garderobe, wo ich sie über den Schminktisch vor dem Spiegel beuge und sie roh und gründlich von hinten ficke. Dann ist es wieder gut."

Klaus Kinski, Ich brauche Liebe, München 1991, 404ff.
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