Durst - Chan-wook Park (2009)

Moderator: jogiwan

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horror1966
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Durst - Chan-wook Park (2009)

Beitrag von horror1966 »

Durst

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Originaltitel: Bakjwi

mit Kang-ho Song, Ok-bin Kim, Kae-sook Kim, Ha-kyun Shin, In-hwan Park, Dal-su Oh, Young-chang Song, Mercedes Cabral, Eriq Ebouaney, Hee-jin Choi, Mi-ran Ra, Hwa-ryong Lee
Regie: Chan-wook Park
Drehbuch: Seo-Gyeong Jeong / Chan-wook Park
Kamera: Chung-hoon Chung
Musik: Young-ook Cho
FSK 16
Südkorea / USA / 2009

Der junge koreanische Priester Sang-hyeon geht nach Afrika, um bei der Bekämpfung einer mysteriösen Krankheit zu helfen. Er fällt einer experimentellen Impfung zum Opfer, erwacht jedoch nach kurzer Zeit wieder zum Leben und kehrt zurück nach Korea, wo er verehrt wird wie ein Heiliger, ohne jemandem zu erzählen, dass er nur deshalb noch lebt, weil er jetzt ein Vampir ist. Im Hause eines Jugendfreundes, dessen Mutter auf seine heilenden Kräfte spekuliert, verliebt sich Sang-hyeon in die junge Ehefrau und gerät in einen Gewissenskonflikt.


Einen Vampirfilm in der Art, wie er dem Zuschauer hier präsentiert wird, hat es glaube ich noch nicht gegeben, denn steht im Focus der Geschichte doch gar nicht hauptsächlich die Vampir-Thematik an sich, sondern vielmehr Dinge wie Liebe, Sex, Ehebruch und Mord. Südkoreas Star-Regisseur Chan-wook Park (Oldboy, Lady Vengeance) hat hier ein teilweise schon etwas skurril wirkendes Vampir-Drama kreiert, das in seiner Art und Darstellung wohl ziemlich einzigartig sein dürfte und gerade aus dieser Tatsache seinen ganz besonderen Reiz ziehen dürfte. Allein schon die teils sehr ungewöhnlichen, aber extrem farbgewltigen Bilder, die man zu sehen bekommt, üben eine äusserst starke Anziehungskraft auf den Betrachter aus und verleihen dem Geschehen auch phasenweise eine schon surreale Note, die das Ganze noch einmal zusätzlich aussergewöhnlich erscheinen lassen. Insbesondere die äusserst kühle und stylische Optik des Films strahlt eine ungeheure Faszination aus, die einen von der ersten bis zur letzten Minute voll in ihren Bann zieht und fast schon magisch an das stattfindende Geschehen fesselt. Dabei ist es fast unmöglich, sich der dieser Faszination zu entziehen, was auch darin begründet ist, das die Inszenierung so realistisch dargestellt wird, als wenn die Geschehnisse jederzeit in der eigenen Nachbarschaft stattfinden könnten.

Nun ist es durchaus möglich, das die Geschichte für viele Leute äusserst gewöhnungsbedürftig erscheinen mag, denn mit einem Vampirfilm im klassischen Sinne hat "Durst" herzlich wenig zu tun. Auf die Vampir-Thematik an sich wird im Prinzip nur recht nebensächlich eingegangen, im Mittelpunkt der Geschichte steht vielmehr die aufkommende Liebesbeziehung zwischen dem zum Vampir mutierten Pfarrer Sang-hyeon und Tae-ju, der Ehefrau seines Jugendfreundes. Dabei spielt die sexuelle Komponente zwischen den beiden eine sehr starke Rolle, denn sie nutzen wirklich jede sich bietende Möglichkeit, um sexuell in Kontakt zu treten. Die Familie des Jugendfreundes ist zunächst vollkommen ahnungslos und weiss nichts vom stattfindenden Ehebruch, selbst nachdem sich die beiden Liebenden des störenden Ehemannes entledigt haben, schöpft man noch keinerlei Verdacht.

Und spätestens nach der Ermordung des Ehemannes hält die skurrile Seite des Geschehens Einzug in die Geschichte, wobei insbesondere die Sex-Szenen eine vollkommen neue Gewichtung erhalten. Fragt man sich in vielen anderen Filmen immer wieder, ob die Darstellung des Geschlechtsaktes zwischen Mann und Frau unbedingt erforderlich sind, so muss man die Frage in vorliegendem Fall ganz eindeutig mit ja beantworten. Durch ihr schlechtes Gewissen geplagt haben nämlich beide Liebenden Visionen, in denen der tote Ehemann beim Sex anwesend ist. Visuell werden diese Passagen nahezu brillant in Szene gesetzt, man sieht den grinsenden Toten, wie er zwischen den beiden liegt, was in einigen Szenen doch an eine Art Sandwich erinnert und dem Ganzen so eine fast schon groteske und aberwitzige Note verleiht. Besonders der Gesichtsausdruck des Toten ist einfach nur göttlich, denn überkommt einen doch das Gefühl, das man ihm das Grinsen aus dem Gesicht operieren müsste.

Doch trotz allem aufkommenden und subtilen Humor verliert der Story-Plot zu keiner Zeit seine Ernsthaftigkeit und die vorhandene Dramatik kommt dabei auch nicht zu kurz. Diese äusserst sich vor allem im letzten Drittel des Films, in dem das Geschehen auch rasant an Tempo und Härte zulegt. Nachdem der Pfarrer auch seine Geliebte zur Vampirin gemacht hat, geht diese nämlich eigensinnig auf Beutejagd, um ihren schier unstillbaren Blutdurst zu stillen, was fast unweigerlich mehrere Tote nach sich zieht. Der dabei an den Tag tretende Härtegrad sprengt zwar zu keiner Zeit den rahmen, aber man bekommt doch einige deftigere Szenen zu sehen, die nahezu perfekt in das extrem stylische Gesamtbild hineinpassen. Auch, wenn in den ersten gut 80 Minuten des Films eigentlich gar nicht viel passiert, erscheinen diese doch niemals langatmig, denn der dramaturgische Spannungsaufbau ist absolut perfekt und sorgt dafür, das man nie die Aufmerksamkeit und das Interesse am teils kuriosen Geschehen verliert, subtil aufkommender Humor und skurrile Situationskomik sorgen für jede Menge Abwechslung und die die stylische und kühle Optik des Films tun ihr Übriges, um den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen.

Und so actionarm sich auch die ersten zwei Drittel der Story darstellen, so actionlastig und temporeich gestaltet sich das letzte Drittel eines Films, der kaum intensiver und beeindruckender hätte sein können. Chan-wook Park hat mit "Durst" ganz sicher einen der aussergewöhnlichsten Vampirfilme aller Zeiten geschaffen, der insbesondere durch seine brillanten Bilder und die kühle Optik zu überzeugen weiss. Ein Film, der einen sehr nachhaltigen Eindruck hinterlässt und der mit exzellenten Schauspielern besetzt ist, die den von ihnen gespielten Charakteren sehr viel Authenzität und Glaubwürdigkeit verleihen.


Fazit:


"Durst" ist ein visuelles Meisterwerk, das sich grundlegend vom klassischen Vampirfilm unterscheidet, da die eigentliche Thematik eher in den Hintergrund gerückt wird. Vielmehr treten alltägliche Dinge wie Ehebruch und Liebe in den Vordergrund und werden auf eine Art und Weise in Szene gesetzt, wie man es bisher wohl eher selten bis gar nicht gesehen hat. Fast schon groteske Situationskomik und sehr ästhetisch wirkende Sex-Szenen sorgen für ein insgesamt vollkommen neuartiges, aber absolut überzeugendes Vampir-Drama, das sich jeder Fan des Genres ansehen sollte, der wirklich einmal etwas Innovatives sehen möchte, denn genau das wird einem mit diesem Film geboten.


Die DVD:

Vertrieb: Ascot Elite
Sprache / Ton: Deutsch / Koreanisch DD 5.1
Untertitel: Deutsch
Bild: 2,35:1 (16:9)
Laufzeit: 129 Minuten
Extras: 2 Trailer, Autogrammstunde, Trailershow, Park Chan-wook in Berlin beim Fantasy Filmfest


9/10
Big Brother is watching you
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Adalmar
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Re: Durst - Chan-wook Park

Beitrag von Adalmar »

Wirklich hervorragender Film um zwei starke Hauptcharaktere, bei deren Aufeinandertreffen Todessehnsucht auf skrupellose Lebenslust stößt. Song Kang-Ho, durch zahlreiche internationale Erfolge möglicherweise der bekannteste koreanische Schauspieler überhaupt, und die nicht minder brillante Kim Ok-bin geben ein faszinierend gegensätzliches Paar ab, und zusätzlich gibt es die von Park Chan-Wook bekannten ausdrucksstarken bis skurrilen und schwarzhumorigen Bilder, wie man sie unter anderem auch aus seiner "Rache-Trilogie" kennt. Neben "So finster die Nacht" der wohl stärkste Vampirfilm seit Jahrzehnten.
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jogiwan
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Re: Durst - Chan-wook Park (2009)

Beitrag von jogiwan »

Ich schrieb 2010 folgendes Fazit: "Thirst" ist unterm Strich ein doch sehr ungewöhnlicher Film des südkoreanischen Regisseurs Chan-wook Park, der sehr eindrucksvoll zeigt, was dabei herauskommt, wenn sich ein christlicher Pater von seinem Glauben abwendet und allen den Versuchungen nachgeht, die ihm vormals verboten waren. Verpackt ist die unvorhersehbare Vampir-Geschichte mit Arthouse-Flair mit tollen Bildern und einer unterkühlten Ästhetik, die den Streifen neben „So finster die Nacht“ zu den wohl interessantesten und erfrischend unkonventionellen Beiträgen des Genres der letzten Jahrzehnte machen. Hätte ja nicht gedacht, dass gleich zwei Filme dem etwas (un-)toten Vampir-Genre so derart neue Impulse verleihen können. Und daher gibt es an dieser Stelle dann auch eine eindeutige Empfehlung für diesen international bereits mehrfach ausgezeichneten Streifen
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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