Men Behind the Sun - Tun Fei Mou (1988)

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Men Behind the Sun - Tun Fei Mou

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 13.11.2020 bei PCM auf Doppel-Blu-ray im auf 999 Exemplare limitierten, wattierten Mediabook:

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Extras:
* Dokumentarfilm: Kizu – The Untold Story Of Unit 731 (OF)
* Trailer
* Slideshow
* 40-seitiges Booklet mit Texten von Mike Blankenburg

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=106661
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Salvatore Baccaro
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Re: Men Behind the Sun - Tun Fei Mou (1988)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Mehr als die Hälfte meines Lebens ist es her, dass ich den gemeinhin als eins der verstörendsten Werke der Filmgeschichte geltenden HEI TAI YANG 731 erstmals gesehen habe. In meiner Erinnerung verblieben sind tatsächlich einzig die oft zitierten Schockszenen: In unterkühlten Settings, die ihre Entsprechung höchstens noch in Bruno Matteis ähnlich steril-klaustrophobischem KZ9 – LAGER DI STERMINIO finden, werden internierte chinesische Frauen, Männer, Kinder grausigen Druckkammer- und Erfrierungsexperimenten unterzogen; eine (scheinbar) lebende Katze wird einer Horde ausgehungerter Ratten zum Fraß vorgeworfen; einem kleinen Jungen entnimmt man Herz, Lunge, Nieren, wobei Regisseur Tun Fei Mou es für eine gute Idee hielt, Aufnahmen einer realen Kinderleichenautopsie einzustreuen. Meine Erwartungshaltung war dementsprechend auf menschenverachtenden Gore gepolt, - und ich bin im Nachhinein ernsthaft überrascht darüber, wie professionell, wie reflektiert, wie – puh, sofern eine solche Vokabel in diesem Kontext überhaupt Sinn ergibt – menschlich sich HEI TAI YANG 731 bei unserer Zweitbegegnung dann doch erweist…

Es ist jedenfalls ein kluger Schachzug Tun Fei Mous, uns als Identifikationsfiguren eine Gruppe jugendlicher Rekruten vorzusetzen, die zu Beginn des Films dem Lager 731 zugeteilt werden, wo ihnen – (und uns) – allmählich die Augen über die grausigen Experimente geöffnet wird, die die Japanische Armee auf dem Forschungsfeld bakterieller Waffen an Kriegsgefangenen vornimmt. Sowohl ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT wie FULL METAL JACKET kommen mir in den Sinn, wenn die naiven, teilweise noch kaum den Kinderschuhen entwachsenen Knaben konfrontiert werden mit militärischem Drill und entmenschlichenden Trainingseinheiten: In einer Szene fragt der pausenlos herumbrüllende Sergeant seine Zöglinge, was das denn sei, während er ihnen einen nackten Chinesen vorführt; ein Mann, antwortet einer und fängt sich sofort einen Schlag in die Magengrube ein; ein chinesischer Mann, sagt der nächste und muss sich eine Backfeige gefallen lassen; ein böser chinesischer Mann vielleicht?, wagt ein Dritter hervorzubringen, und erntet dasselbe Ereignis. Nein, verkündet der Ausbilder, dies sei kein Mensch, sondern ein Baumstamm, mit dem man gedankenlos Feuerholz machen könne, und fordert seine Scühler danach auf, den Häftling zusammenzuschlagen.

Oft liest man, dass HEI TAI YANG 731 als Hongkong-Produktion propagandistische Schwarzweißmalerei betreiben würde: Auf der einen Seite die verrohten und sadistischen Japaner, auf der andern Seite die chinesischen Opfer, die unschuldiger kaum sein könnten. Meines Erachtens verkennen in dieses Horn blasende Rezipienten aber, dass es auch in HEI TAI YANG 731 durchaus Grautöne gibt: Unsere jugendlichen Helden besitzen bis zum Schluss noch altruistische Rückstände, freunden sich beispielweise mit einem stummen chinesischen Buben an, der außerhalb des Lagers offenbar allein im Wald lebt, und lehnen sich in einer Szene auch handfest gegen ihren empathielosen Ausbilder auf. Selbst in den Reihen der denkbar negativ gezeichneten Generälen – (andererseits: kann jemand, der im Kommandostab eines Konzentrationslagers sitzt, als Sympathieträger modelliert werden?) – gibt es die eine oder andere Figur, die sich mit der stetig wahnsinnigere Stilblüten treibenden Führung Generals Ishii nicht einverstanden zeigen, - wobei ein Militär gar, sein eigenes Leben riskierend, einen chinesischen Gefangenen versteckt.

Weniger sympathisch fällt freilich der Blick auf die Filmemacher aus: Selbst wenn, wie Tun Fei Mou später behauptet hat, bei der berühmt-berüchtigte Katzenszene keine Mieze zu Tode gekommen sein soll, und die Nager dem Tier lediglich als Kunstblut getarnten Sirup vom Pelz geleckt haben sollten – sowohl die Vergasung eines Täubchens vor laufender Kamera wie auch eine Flammenwerferattacke auf besagte Ratten sind ganz bestimmt keine geschickt konstruierten Fakes. Über die Entscheidung, die Sezession eines realen Kinderkörpers in einen (wenn auch auf authentischen Fakten basierenden) Spielfilm einzuflechten, muss ich wohl keine weiteren Worte verlieren: Welche Eltern geben dafür denn ihr Ja-Wort!?

Ansonsten aber bin ich – erneut: wenn eine solche Formulierung in vorliegendem Kontext überhaupt sinnvoll erscheint – von HEI TAI YANG 731 positiv überrascht, präsentierte sich mir dieser Giftschrankstreifen doch wesentlich vielschichtiger, wesentlich kompetenter inszeniert, wesentlich zurückhaltender als man erwarten würde, wenn man ihn auf den einschlägigen Listen in Gesellschaft von Streifen wie AUGUST UNDERGROUND oder NIKU DARUMA sieht: Statt mich pausenlos mit Gore und Splatter zu bombardieren - (tatsächlich machen jene Szenen vielleicht gerade mal fünfzehn Prozent der Laufzeit aus) -, weitet HEI TAI YANG 731 seinen Blick auf eine Gruppe junger Männer, die sukzessive zu mörderischen Bestien erzogen werden, zur von Intrigen und inneren Kämpfen geprägten Machthierarchie innerhalb des Lagers, zu einzelnen Individuen, die ganz eigen auf die massenmörderischen Praktiken reagieren, in die sie involviert sind: Ein Stabsmitglied sieht sich selbst als Wissenschaftler, der all die Verbrechen nur begeht, um Japan den Sieg im Zweiten Weltkrieg zu garantieren; ein anderer verrichtet seinen Dienst im Krematorium und wirft dauerbesoffen und Volkswaisen trällernd Tag für Tag übel zugerichtete Leichen ins Ofenfeuer...
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buxtebrawler
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Re: Men Behind the Sun - Tun Fei Mou (1988)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 07.04.2023 noch einmal bei PCM als Blu-ray/DVD-Kombination in verschiedenen Mediabooks:

Bild
Cover B, limitiert auf 333 Exemplare

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Cover C, limitiert auf 333 Exemplare

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Cover D, limitiert auf 333 Exemplare

Extras:
- 40-seitiges Booklet mit Texten von Mike Blankenburg
- Dokumentarfilm: Kizu – The Untold Story Of Unit 731 (OF)
- Trailer
- Slideshow

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Borderline666
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Re: Men Behind the Sun - Tun Fei Mou (1988)

Beitrag von Borderline666 »

Dieses Wochenende habe ich mich das erste mal an die MEN BEHIND THE SUN-Filme heran getraut. Warum es so lange gedauert hat, kann ich nicht wirklich sagen, vermutlich weil in den ganzen Jahren mangelendes Interesse vorhanden war, obwohl ich dem Asia-Genre viel abgewinnen kann in puncto Asia-Splatter, aber man hebt sich manches doch noch auf um diese Filme nach längerer Reife zu sehen und genau das war wohl hier der Fall. Hätte ich die Filme vor über 10 Jahren schon gesehen, wäre ich wohl bitter enttäuscht gewesen, dass es nicht das Splatterfest gewesen ist, was ich mir erhofft hätte. Man sollte zum aktuellen Zeitpunkt wissen, dass ich nun 34 Jahre alt bin und ich durchaus gereift bin, was Filme betrifft. Früher hätten Filme mit historischem Anteil nicht viel Platz bei mir gefunden, heute schon eher, je nachdem um was es sich dreht.

In MEN BEHIND THE SUN wird die Einheit 731 näher beleuchtet bzw. thematisiert, die in der Zeit des zweiten Weltkrieges agierte. Es handelte sich um eine Einheit die von dem Mikrobiologen und Generalleutnant Ishii Shirō geleitet wurde und für diverse Experimente an damaligen gefangenen Russen, Amerikanern, Chinesen usw. verantwortlich waren.

Der Film besticht dadurch, dass er nicht nur physische Härte darstellt, sondern auch psychische Härte zur Schau stellt. Die Jungsoldaten werden beispielsweise darauf getrimmt, dass alles nicht-japanische sogenannte "Marutas" sind, was im Film als Baumstämme bezeichnet wird, kurz gesagt will man damit verdeutlichen, dass alle "Feinde" Japans nichts anderes als Untermenschen sind, deren Leben keinen Wert hat, und genau so handeln die Jungsoldaten, aber auch die Doktoren, Wissenschaftler usw...Den Jungsoldaten wird aufgetragen einen Chinesen zusammen zu schlagen, um zu zeigen dass sie das recht des Stärkeren haben, anderweitig wird eine Frau im -25 Grad kalten Freien gefesselt, ihre Arme mit eiskalten Wasser überschüttet bis sich Eiszapfen bilden, um ihre Arme anschließend in heißes Wasser zu tauchen um dann ihre haut quasi abzuziehen. Um genau dieselbe frau handelt es sich auch, deren Baby am Anfang des Filmes genommen wird und im Schnee erfroren lassen wird...

Des Weiteren wird ein stummer Junge in einen Operationssaal gelockt um ihn zu betäuben und anschließend aufzuschneiden. Was an dieser Szene meines Erachtens etwas Hardcore ist, ist die Tatsache, dass man dafür einen echten Leichnam eines Jungens zur Verfügung gestellt bekommen hat. Ich persönlich und wie auch viele andere Eltern würden das definitiv nicht übers Herz bringen, den Leichnam des eigenen Kindes für einen Film dieser Art zur Verfügung zu stellen. Der Höhepunkt der Grausamkeiten stellt für viele Zuschauer die Szenerie dar, in der eine Katze lebendig in eine Kammer mit einem Meer aus Ratten rein geworfen und von den Ratten im wahrsten Sinne des Wortes zerfressen wird. Da hätten wir das leidliche Thema des Tiersnuffs wieder, sofern der Begriff hier passt. Ich bin klarer Gegner bei solchen Dingen, da kein Tier für einen Film sterben sollte.

Was den Film so atemberaubend und verstörend macht sind nicht die Effekte die er mit bringt, sondern die Realität, dass all dies wirklich geschehen ist. Wenn man bedenkt, dass ähnliches in Auschwitz geschehen ist, dürfte es so manchem kalt den Rücken runter laufen und aus heutiger Sicht kann man froh sein, dass man nicht mehr in dieser Zeit lebt oder dem ganzen selber beiwohnen muss. Es wird sogar gemunkelt, dass Ishii in Fort Detrick stationiert war, um bei der Entwicklung von Biowaffen für die US-Streitkräfte zu helfen. Es wird weiter behauptet, dass er während des Koreakrieges an die Front reiste, kurz bevor biologische Waffen gegen Amerikas Feinde eingesetzt wurden.

Von meiner Seite aus bekommt der Film eine klare Empfehlung, weil er alles in allem gut gemacht ist und das Thema nicht in Vergessenheit geraten sollte. Auch ist das Thema Einheit 731 megaspannend, wie ich finde und als Interessierter über diverse Gräuel die sich auf der Welt ereignen hat mich der Film sehr gut unterhalten.
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