Schoolgirl Apocalypse - John Cairns (2011)

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Arkadin
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Schoolgirl Apocalypse - John Cairns (2011)

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OT: Sêrâ-fuku mokushiroku
Japan 2011

Regie: John Cairns

Eines Abends wird das junge Mädchen Sakura (Rino Higa) unvermittelt von ihrem Vater attackiert. Dieser kann zwar von ihrer Mutter unschädlich gemacht werden, doch diese kommt bei dem Angriff ums Leben. Sakura flieht von Zuhause und findet sich in einer apokalyptischen Welt wieder, in der sich die Männer aus unbekanntem Grund in rasende Bestien verwandelt haben. Auf ihrer Flucht trifft sie in einem heruntergekommen Krankenhaus auf eine blinde Ärztin und ihren geheimnisvollen Patienten Billy (Max Mackenzie). Neben den Angriffen der „Rasenden“ muss sich Sakura jetzt auch noch gegen die scheinbar wahnsinnige Aoi (Mai Tsujimoto) wehren, die sich zum Ziel gesetzt hat, Billy umzubringen…

Es geschieht nicht häufig (mir zumindest), dass man von einem Verleih eine E-Mail geschickt bekommt, ob man einen ihrer Filme besprechen möchte. Was mir da, von dem mir bis dahin unbekannten Verleih „Midori Impuls“, angeboten wurde, lass sich auf den ersten Blick dann auch gar nicht so vielversprechend. Bei einem japanischer Film mit dem Titel „Schoolgirl Apocalypse“ erwartete ich zunächst Gore-Exzesse mit niedlichen Schulmädchen. Etwas, was meinen Geschmack nicht unbedingt trifft. Zwar hatte mir „Vampire Girl Vs. Frankenstein Girl„, den wir 2012 auf dem Phantastival Bremen gezeigt hatten, überraschend gut gefallen, doch schon ein Jahr später folgte an selber Stelle ein harscher Rückschlag, als wir „Red Sword“ zeigten. Ein Film, an dem einer der Macher von „Vampire Girl Vs. Frankenstein Girl“ beteiligt war und von dem wir uns billigen, aber unterhaltsamen Trash erwarteten. Aber der von uns, aufgrund des vielversprechenden Trailers, vollmundig als „Rotkäppchen gegen Werwölfe an der Schule“ angekündigte Streifen, erwies sich als langweiliger Schnarcher, der mit sehr, sehr langgezogenen Sexszenen und übelsten, sexistischen Dialogen halbwegs auf Spielfilmlaufzeit kam. Ein frauenfeindlicher Mist, der uns als Veranstalter vor Scham immer tiefer in die Sitze versinken ließ. Ob die Tatsache, dass die Kopie, die uns kurzfristig erreicht hatte, dann auch noch die ganze Zeit über einen fetten und überaus ablenkenden Timecode in der oberen Bildschirmhälfte aufwies, das Ganze nun besser oder schlechter machte, kann ich gar nicht sagen. Danach hatte ich von japanischem Billig-Splatter erst einmal die Nase gestrichen voll. Aber zwei Dinge weckten meine Neugier an „Schoolgirl Apocalypse“. Zum einen die durchweg positiven Kritiken im Netz, die betonten, dass der Film gerade nicht mit den überdrehten, billig auf Video gedrehten Gore-Filmen verwechselt werden dürfe, und zum Zweite Midori Impuls selber, die schrieben, ihr Ziel wäre es, „die Filmindustrie in Japan zu fördern und den Fokus auch wieder auf Filme zu richten, die z. B. in Deutschland nicht ausreichend publiziert worden sind“. Ein schönes Ziel. Und als meine Internet-Recherche dann noch ergab, dass man sich hier scheinbar im Umfeld das tollen Japan Filmfest Hamburg bewegt, war ich endgültig überzeugt, dass „Schoolgirl Apocalypse“ es Wert sei, einen Blick zu riskieren.

Und das war auch gut so, denn „Schoolgirl Apocalypse“ entpuppte sich als ausgesprochen angenehme und sympathische Überraschung. Tatsächlich hält sich der Film mit over-the-top-splatter und aufreizenden, albern kichernden oder cool posierenden Schulmädchen stark zurück. Seine Hauptfigur Sakura trägt ihre Schulmädchen-Uniform nicht, um die Fetisch-Gelüste geifernder Zuschauer zu befriedigen, sondern weil sie eben ein Schulmädchen ist und durch die merkwürdige „Apocalypse“ aus ihrem natürlichen Umfeld herausgerissen wurde. Dazu passt es dann auch, dass „Schoolgirl Apocalypse“ ein kaum kaschierter Coming-of-Age-Film und weniger einer blutrünstiger Zombie-Schocker ist. Tatsächlich handelt es sich hier bei den Aggressoren auch nicht um Zombies, sondern – wie bei „28 Days Later“ – um „Rasende“. Dass dabei nur Männer der Raserei anheimfallen und mit ihrer aggressiven Fresslust eine tödliche Gefahr für das junge Mädchen darstellen, macht das Allegorische des Filmes nur noch deutlicher und rückt ihn in die Nähe von Neil Jordans „Die Zeit der Wölfe“. Sakura befindet sich auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Ist sie zunächst noch ein scheues Kind, welches vor der, für sie unbegreiflichen, Gefahr die Flucht ergreift, nimmt sie später ihr Leben in die Hand, besiegt ihre Angst und schafft es, dass die Männer am Ende keine Gefahr mehr darstellen. Ihr Entwicklungsprozess wird auch noch einmal dadurch gespiegelt, dass es ihr zu Beginn nicht gelingt, mit ihrem Bogen einen Pfeil ins Ziel zu bringen, sie sich im Verlauf des Filmes aber zur Meisterschützin mausert. Mit Rino Higa besitzt Regisseur John Cairns eine perfekte Hauptdarstellerin, die ebenso überzeugend das naiv-schüchterne Mädchen, als auch die entschlossen-selbstbewusste Frau darstellen kann. Rino Higa ist in ihrer Heimat scheinbar unter dem Namen Higarino als J-Pop-Sängerin bekannt und Schoolgirl Apocalypse“ ist ihr Debüt als Schauspielerin.

Für Regisseur und Drehbuchautor John Cairns ist „Schoolgirl Apocalypse“ der erste Spielfilm. Der Amerikaner lebt seit l5 Jahren mit seiner Familie in Japan, wo er Werbung und Kurzfilme dreht. Sein Film ist auch stark vom japanischen Kino und den Mangas eines Kazuo Umezu. So entsteht eine interessante Mixtur aus japanischen Motiven und Symbolen, gesehen durch die Brille eines Ausländers mit tiefem Verständnis für das Land. Aber nicht nur aus japanischen Filmen zieht Cairns seine Inspiration. Wenn nachts im Nebel unheimliche Gestalten durch den Wald huschen oder plötzlich ein junges, blutverschmiertes Mädchen auftaucht, denkt man auch an den späten Jean Rollin, der es ja in seiner späten Phase auch gelang, trotz eines billigen Videolooks atmosphärischen Bilder zu schaffen. Cairns besitzt auch ein gutes Auge für Landschaften und passende Drehorte. So ist das verlassen und verfallene Liebeshotel der perfekte Hintergrund für den unheimlichen Mittelteil seines Filmes. Und auch sonst macht Cairns sehr viel richtig. Am Ende versteigt er sich dann gar noch in Lovecraftsche Dimensionen, was im Kontext des Filmes dann auch überraschend gut funktioniert. Zwar schießt Cairns manchmal auch über das Ziel hinaus, so wirken die immer wieder eingestreuten Zeichentrick-Sequenzen in denen Figuren aus einem Englisch-Lehrbuch zum Leben erweckt werden etwas befremdlich und ihre etwas krude Umsetzung mag sich nicht recht einfügen, aber im Nachhinein machen diese Szenen durchaus Sinn und sind integraler Bestandteil der Handlung.

„Schoolgirl Apocalypse“ stellt eine sehr angenehme Überraschung dar. Statt Gore-Exzesse und Schuldmädchen-Fetisch, konzentriert sich Regisseur auf seine Geschichte, die er als Coming-of -Age-Allegorie ruhig und unaufgeregt erzählt, ohne allerdings genretypische Stilelemente zu vernachlässigen.

Screenshots & DVD-Details: http://www.filmforum-bremen.de/2015/02/ ... pocalypse/
Früher war mehr Lametta
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jogiwan
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Re: Schoolgirl Apocalypse - John Cairns (2011)

Beitrag von jogiwan »

Eines Tages muss die introvertierte und schüchterne Schülerin Sakura überrascht feststellen, dass durch ein seltsames Signal alle Männer Japans zu rasenden Bestien werden und Frauen attackieren. Zuerst ist es der Vater, der Sakura und ihrer Mutter nach dem Leben trachtet, wenig später ist es ihre beste Freundin, die vor ihren Augen attackiert wird. So bleibt der jungen Schülerin auch kein anderer Ausweg als sich zu verstecken und abzuwarten. Doch als sich an der Situation nichts ändert, beschließt Sakura nicht mehr passiv zu sein und erhält schon bald Unterstützung von ungewöhnlicher Seite, die ihr hilft, in dieser postapokalyptischen Welt zu überleben…

„Schoolgirl Apocalypse“ ist wider Erwarten kein weiterer Beitrag aus der gorigen Indie-Schiene mit sexy Schulmädchen und ratternden Kettensägen, sondern ein interessant erzählter „Coming-of-Age“-Streifen aus der Fantasy-Ecke über eine schüchterne Schülerin, die sich unvermittelt in der Apokalypse wiederfindet und in einer unwirtlichen Welt ihren Platz finden muss. Dabei überrascht der Streifen neben seiner nüchternen und ruhigen Erzählweise auch noch mit animierten (!) Sequenzen, die eine traumartige und zweite Erzählebene bilden, die mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Regisseur, Drehbuchautor und Cutter John Cairns, der seinen Film im fernen Japan realisiert hat, nennt Kiyoshi Kurosawa, insbesondere dessen „Kairo“ als Vorbild und das merkt man als Fan von dessen Werken auch sehr deutlich an der Art und Weise wie Figuren und die Erzählstränge gestaltet sind. Auch die Lovecraft’schen Andeutungen in der Geschichte fand ich sehr ansprechend und auch wenn man dem Film das schmale Budget beim ein- oder anderen visuellen Effekt schon erkennen kann, so fand ich die Geschichte doch sehr originell und die Machart ungewöhnlich. Eine schöne Überraschung, die ich in der Form nicht erwartet hätte.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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