Bad Boy Bubby
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Bad Boy Bubby
Bad Boy Bubby
(Bad Boy Bubby)
mit Nicholas Hope, Claire Benito, Ralph Cotterill, Syd Brisbane, Nicci Price, Ullie Birve, Audine Leith, Natalie Carr, Lucia Mastrontone, Carmel Johnson, Jip De Heer, James Ammitzboll, Grant Piro, Celine O'Leary, Dave Flannagan
Regie: Rolf de Heer
Drehbuch: Rolf de Heer
Kamera: Ian Jones
Musik: Graham Tardif
FSK 16
Australien / Italien / 1993
Seit 35 Jahren hält Mom ihren Sohn Bubby in einer heruntergekommenen Ein-Zimmer-Wohnung unter Verschluss. Sie teilt Bad und Bett mit ihm und ist der einzige Mensch, den er kennt. Tagsüber allein gelassen und kaum fähig, zu sprechen, kennt er weder Radio noch Fernsehen und weiß nichts über den Rest der Welt jenseits seiner vier Wände. Als sein Vater nach all den Jahren überraschend wieder auftaucht und auch wieder in Moms Bett zurückkehrt, kommt es zum Eklat. Nun steht Bubby vor der größten Herausforderung seines Lebens: den Schritt über die Schwelle der eigenen Haustür. Es ist an der Zeit, sich die Welt da draußen anzusehen---
Es gibt sie also immer noch, die wahrhaftigen Film-Perlen, die so aussergewöhnlich sind, das sie sich meistens nur einer kleinen Gruppe Menschen offenbaren, die ihren Wert und ihre Genialität erkennen und diese auch zu schätzen wissen. "Bad Boy Bubby" ist ganz sicher ein Film, der in diese Kategorie gehört, wird der Zuschauer doch mit einem Werk konfrontiert, das bestimmt nicht für das breite Mainstream-Publikum geeignet ist, was leider fast zwangsläufig die Tatsache nach sich zieht, das dieser einzigartige Film nicht den Bekanntheitsgrad hat, der ihm zustehen müsste. Denn was Regisseur Rolf de Heer hier geschaffen hat, ist eine absolut geniale Mixtur aus Drama, Tragödie und Komödie, wobei sich der komödiantische Anteil aus gewissen Situationen innerhalb der Geschichte ergibt, die bei genauerer Betrachtung viel eher als traurig einzustufen sind, als das man über sie lachen kann.
Und dennoch kann man sich teilweise ein Lachen nicht verkneifen, obwohl man sich ganz genau darüber bewust ist, das die sehr ernste Thematik eigentlich gar nicht dafür geeignet ist. Und gerade die vorhandene Thematik kann man nicht auf lediglich eine Sache beschränken, denn Rolf de Heer ist es meisterlich gelungen, hier sehr vielschichtige Fawcetten aufzugreifen und dabei auch absolute Tabu-Themen mit einfließen zu lassen, die durch ihre Darstellung eine teils verstörende und schockierende Wirkung auf den Betrachter ausüben, der man sich einfach beim besten Willen nicht entziehen kann. Von Inzest, Homosexuallität, Körperveletzung bis hin zum Mord ist die gesamte Palette vertreten, vom generellen Kindesmissbrauch einmal ganz abgesehen, der hier volle 35 Jahre stattgefunden hat. Denn Bubby ist nichts anderes, als ein missbrauchtes Kind im Körper eines Erwachsenen, das nie gelernt hat, auch nur annähernd so etwas wie ein eigenständiges Leben zu führen, geschweige denn eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln.
So ist allein schon sein Wortschatz extrem eingeschränkt, denn er kann lediglich die Worte widergeben, die er von anderen Leuten hört. Was dabei besonders auffällt, ist die Tatsache, das Bubby auch versucht, den jeweiligen Tonfall der einzelnen Personen nachzuahmen. Selbstverständlich verfügt er auch über keinerlei Ansätze von sozielem Verhalten, was allerdings auch nicht weiter verwunderlich erscheint, da er es ja nie gelernt hat. Wobei wir noch einmal zum Anfang des Films zurückkehren, dessen erste 30 Minuten sich ausschließlich in einer vollkommen verkommenen Ein-Zimmer-Wohnung abspielen, die dazu noch fensterlos ist. Hier wird der Zuschauer mit dem vollkommen indiskutablen Mutter-Sohn Verhältnis konfrontiert, in dem Bubby nicht nur hilflos unterlegen, sondern wie eine menschliche und von seiner Mutter gesteuerte Marionette erscheint und dabei ein dasein fristet, das man seinem schlimmsten Feind nicht wünschen würde. In keiner Phase ist dabei zu erkennen, das seine übermächtige Mutter ihn auch nur ansatzweise als Mensch behandeln würde, sondern vielmehr als beschränkt kommunizierenden gebrauchsgegenstand, der ihr zu Willen sein muss, wenn sie es für nötig erachtet. Erst als Bubbys leiblicher Vater auf der Bildfläche erscheint und auch dessen extrem kleinen Lebensraum einnimmt, bricht Bubby aus und beginnt seine Odyssee durch eine Welt, die er gar nicht kennt, da sie bis zum jetzigen Zeitpunkt für ihn nicht vorhanden war.
Dabei wirkt er verständlicherweise extrem desorientiert und gerät dabei in die schon erwähnten Situationen, die einen aus ihrer skurrilen Darstellung her so manches Mal zum lachen bringen, obwohl es im Prinzip gar keinen Anlass dafür gibt. Vielmehr hat man während des ganzen Films sehr viel Mitleid mit dem Hauptcharakter, der trotz des mangelnden geistigen Intellekts gearde durch seine kindlich naive Art äusserst viele Symphatiepunkte beim Zuschauer sammelt, der mit ihm trauert, Verständnis für seine agressiven Ausbrüche und am liebsten mit ihm weinen möchte, wenn seine rührselige Seite aus ihm heraustritt. An diesem Punkt muss man den Hauptdarsteller Nicholas mit ins Spiel bringen, denn sein Schauspiel und die Darstellung des tragischen Charakters Bubby ist so dermaßen brillant und herausragend, das man es kaum in Worte fassen kann. Nicht selten stellt man als Betrachter in einem Film fest, das ein darsteller seine Rolle richtiggehend lebt und genau das ist hier der Fall. Selten habe ich erlebt, das ein Schauspieler sich so intensiv und authentisch in eine solch schwierige und anspruchsvolle Rolle hineinversetzen kann und praktisch mit ihr verschmilzt. Nicholas Hope tut die auf so beeindruckende Art und Weise, das man ihm für diese Charakter-Studie eigentlich den Oscar hätte verleihen müssen. Seine Mimik und seine Ausdruckskraft kann man einfach nur mit dem Wort genial bezeichnen, denn alles andere wäre eine schamlose Untertreibung, die dem dargebotenen Schauspiel einfach nicht gerecht werden würde.
Doch auch die anderen Darsteller sollte man keineswegs unbeachtet lassen, denn dieser Film ist bis in die kleinsten Nebenrollen absolut perfekt besetzt. Man merkt in jeder einzelnen Szene, das hier wahre Könner ihres Fachs am Werke sind, die dem ganzen Geschehen eine ungeheuer realistische und authentische Note verleihen, die beim Zuschauer ihre Wirkung hinterlässt und ihn wie magisch an diese Geschichte fesselt, von der eine so starke Faszination ausgeht, das man gar nicht merkt, wie schnell die Zeit vergeht. Denn nicht eine Minute der gut 110 Minuten Laufzeit ist langweilig oder gar uninteressant, die Aufmerksamkeit des Betrachters hält sich ganz von allein aufrecht, da man auch nicht die kleinste Kleinigkeit in diesem grandiosen Film verpassen möchte.
Allein schon die Vorstellung, das die hier erzählte Geschichte auch wirklich passieren könnte, jagt einem kalte Schauer über den Rücken. Und wenn man sich auch noch so bemüht, es gelingt nicht, sich zu 100 % in die Lage des Hauptcharakters hineinzuversetzen, da das Geschehen trotz seiner glaubwürdigen Darstellung so unglaublich erscheint, so das der eigene Verstand eine gewisse Blockade entwickelt. Allein das sagt schon sehr viel über dieses filmische Meisterwerk aus, das einem tief unter die Haut dringt und dabei seine nachhaltigen Spuren hinterlässt. Und ohne zuviel vom Inhalt zu verraten, zeigt der Film auch eine Seite auf, die einen wirklich rühren kann, da anscheinend auch der größte Aussenseiter die Chance auf sein ganz eigenes Glück bekommt, auch wenn es mit einer Verspätung von 35 Jahren erscheint.
Fazit:
"Bad Boy Bubby" ist ein wirklich aussergewöhnlicher Film, den man nicht einfach so nebenbei schauen sollte, da man ansonsten einige wichtige Details übersehen konnte. Dieses Meisterwerk sollte man sich am besten allein und in aller Ruhe zu Gemüte führen, um den Film auch so richtig auf sich wirken zu lassen. Denn nur, wenn man sich auf diese Geschichte einlässt und sich ihr von Beginn an öffnet, kann sie ihre volle Intensität entwickeln und trifft den Zuschauer wie ein Tiefschlag in die Eingeweide. Eine insgesamt sehr gute Darsteller-Riege und ein brillanter Hauptdarsteller machen dieses Werk zu einem Film-Genuss der Extraklasse, das sich kein echter Film-Liebhaber entgehen lassen sollte. Vor allem auch aufgrund der Tatsache, das sich die deutsche DVD-Veröffentlichung des Independent Labels "Bildstörung" wirklich lohnt und wie immer bei "Bildstörung" mit einer Menge interessanten Bonusmaterial versehen ist. So gibt es neben Audiokommentaren von Regisseur Rolf de Heer und Hauptdarsteller Nicholas Hope beispielsweise eine Seperate binaurale Tonspur für Kopfhörer, oder einen alternativen Anfang im ürsprünglich geplanten Bidformat. Die Doppel-DVD erscheint in einem schönen Schuber und stellt so auch noch einen optischen Leckerbissen in jeder Sammlung dar.
Die DVD:
Vertrieb: Bildstörung
Sprache / Ton: Englisch DD 5.1 & Stereo / Deutsch Stereo
Untertitel: Deutsch
Bild: 1:2,35 (16:9)
Laufzeit: 110 Minuten
2-DVD Set im Schuber
Extras: Audiokommentar von Rolf de Heer & Nicholas Hope, Separate binaurale Tonspur für Kopfhörer, Alternativer Anfang in ursprünglichem Bildformat, Interview mit Rolf de Heer, Interview mit Nicholas Hope, Kurzfilm CONFESSOR CARESSOR
10/10
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Re: Bad Boy Bubby
Was der niederländische Regisseur und Drehbuchautor Rolf de Heer mit der australischen Produktion „Bad Boy Bubby“ im Jahre 1993 geschaffen hat, ist schwer in einem Wort zu beschreiben. „Bad Boy Bubby“ ist Drama, Tragödie, Komödie und Road-Movie zugleich (oder hintereinander?) und dabei unheimlich mutig. Bereits in der düsteren, 20 bis 30 Minuten langen Eröffnungssequenz, wird der Zuschauer mit Tabubrüchen wie z.B. ödipalem Sex (dazu recht freizügig dargestellt) und allerlei Grausamkeiten konfrontiert. Man erfährt, dass Bubby von seiner Mutter in einer heruntergekommenen Wohnung seit 35 Jahren systematisch von der Außenwelt isoliert wird. Bubby kennt nichts anderes als seine Mutter, Küchenschaben und eine zugelaufene Katze, kann nicht richtig sprechen, hat kein Sozialverhalten gelernt. Diese Szenen strahlen Kälte und Monotonie aus und der Zuschauer wähnt sich in einem kranken, verstörenden Film, der es drauf angelegt, ihm vor den Kopf zu stoßen. Die Skurrilität der Situation sorgt mehr oder weniger unterschwellig für eine bitterböse, zynische humoristische Note. Doch wer bis hierhin wacker durchgehalten hat, wird fürstlich mit Unterhaltungskino auf hohem Niveau entlohnt: Als Bubby nach einem Doppelmord mit seinen 35 Lenze die Welt da draußen zum ersten Mal entdeckt, sie nach und nach erkundet und versucht, sich in ihr zurecht zu finden, entwickelt sich eine herzliche, anarchistische Außenseitergeschichte und man schließt Bubby, als eine Art Mischung aus Soziopath, Kaspar Hauser und Forrest Gump überragend gespielt von Nicholas Hope, ins Herz. Es kommt zu allerlei witzigen Begegnungen und Momenten, aber auch zu unschönen, bitteren Erfahrungen. Bubby lernt die Welt mit ihren Vorzügen, aber auch ihren Gefahren kennen und interpretiert sie auf seine Weise. Mit aufgeschnappten Satzfragmenten, die er sich merkt und originalgetreu wiedergeben kann, schlägt er sich durch und lernt verschiedene Menschen kennen, die ihm mal mehr, mal weniger wohlgesinnt sind. Das zu beobachten, hat sicherlich etwas Voyeuristisches an sich, durch die Identifikation mit Bubby drückt man ihm aber stets die Daumen und fiebert mit ihm mit. Der ungewöhnliche Ansatz des Films entfaltet sich zu einem bunten Strauß unterhaltsamer Quasi-Episoden, wobei auffällt, dass es die einfachen Leute bzw. die Außenseiter sind, die Bubby so nehmen, wie er ist, und sich mit ihm auseinandersetzen. Bis zu einem gewissen Punkt geht das alles sehr gut und man wird hervorragend auf hohem Niveau unterhalten – bis es das Drehbuch leider irgendwann übertreibt und die schmale Grenze vom Unwahrscheinlichen, etwas Naiven zum völlig Absurden überschreitet. Andererseits bietet das Bubby z.B. die Möglichkeit, sich musikalisch zu betätigen und indirekt seinem Film zu einem tollen, rockigen Soundtrack zu verhelfen. Gegen Ende verlässt die Botschaft des Films, behinderte Menschen zu respektieren, endgültig den Bereich des Subtilen und die humanistische Aussage liegt unmissverständlich auf dem Präsentierteller, bevor auch der Kitsch zu seinem Recht im rührseligen Abschluss kommt. Das wertet „Bad Boy Bubby“ aber viel weniger stark ab, als es jetzt womöglich klingen mag. Hätte man es geschafft, auch diese Klippen zu umschiffen, hätte man aber evtl. ein großartiges Meisterwerk kreiert, einen Helden des Undergrounds, einen Kultfilm für alle Ewigkeiten. Für viele ist er das aber sicherlich auch in dieser Form schon, und das nicht unberechtigt. „Bad Boy Bubby“ ist ein Plädoyer für das Außergewöhnliche, für Freaks, Individualisten, Gesetzesbrecher und vom Leben Gefickte, die sich trotz allem ihre Herzlichkeit bewahren – und das in Form eines Films mit Gasmasken, dicken Titten, Sex, Vergewaltigungen, Morden, Tierkadavern, Gotteslästerei und Rock’n’Roll!
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