Produktionsland: Australien 1989
Regie: Graeme Wood
Darsteller: Juliette Armstrong, Caryn Clark, Brigette Gale, Dennis Harris, Anton Marin
Etwa in der Mitte von Sergio Martinos Giallo-Klassiker LA CODA DELLO SCORPIONE (1971) findet sich ein kurzer stilistischer Bruch, so jäh wie erschreckend. Eben noch hat der Film in seinen hochgradig stylish inszenierten Mordszenen regelrecht geschwelgt, nun, nur einen Schritt später, holt ihn die vermeintliche Realität ein. Wir sehen eine Leinwand, einen Zeigestock, hören die nüchterne Stimme eines Mannes. Was sie aufzählt, das sind die Verletzungen der toten Körper, die innerhalb einer DIA-Show auf die Leinwand projiziert werden. Sie sind nackt, liegen auf Pathologiebahren, haben Autopsien hinter sich, sind aufgeschnitten, wieder zugenäht worden. Es sollen die gleichen Körper sein, denen wir zuvor voller Spannung dabei zugesehen haben wie sie dem schwarzbehandschuhten Killer zum Opfer gefallen sind – und doch sehen sie ganz anders aus als diese. Sie sind nackt, liegen auf Pathologiebahren, haben keine Geschichte, keine Genre-Ästhetik mehr, die sie schützen könnte. Der Stock zeigt weiter, die nüchterne Männerstimme reiht medizinischen Fachterminus an medizinischen Fachterminus. Wir ahnen bloß: früher oder später werden wir selbst wie diese sein.
Time: 8‘30PM. Date: 23/6/61. Location: Mornington. File: C-587. Ein Auto steht verlassen. Sein Fahrer hat den Kopf in den Nacken geworfen, starrt durch die Windschutzscheibe ins Nichts. Unterhalb seines Halses klafft eine Wunde. Blut ist ihm aus dem Mund getreten. Seine Augen sind halb offen. Die Flinte, mit der er sich erschossen hat, klemmt im Lenkrad. Auf der Hand, mit der er sich erschossen hat, krabbeln Käfer. Unweit des Autos liegt eine Wiese. In der Wiese liegt ein Mädchen. Zuerst hat er sie getötet, per Kopfschuss, dann sich selbst. Wind weht, hebt ihren Rock, lässt die Halme um sie herum sich wiegen.
Der Australier Graeme Wood hat hauptsächlich als Kameramann gearbeitet. Zu den Filmen, bei denen er für die Kamera zuständig gewesen ist, gehören mir völlig unbekannte Werke wie GHOSTS…OF THE CIVIL DEAD (1988) oder SAY A LITTLE PRAYR (1993). Zu den TV-Serien, bei denen er für die Kamera zuständig gewesen ist, gehören mir völlig unbekannte Werke wie THE GENIE FROM DOWN UNDER (1996) oder ROUND THE TWIST (1993). TEENAGE BABYLON ist einer von drei Kurzfilmen, bei denen er selbst Regie geführt hat. Er scheint so etwas wie sein Hauptwerk zu sein. Er hat ihn produziert, ihn geschnitten, die gesamtkünstlerische Leitung übernommen. Wenn überhaupt, bekommt man TEENAGE BABYLON in verwaschenen Kopien aus dubiosen Quellen zu Gesicht.
Time: 2‘45PM. Date: 7/10/63. Location: Windsor. File: B-561. Ein Waschbecken voller Blut. Blutstropfen auf dem Badezimmerboden. Sie führen hin zu einer Badewanne voller Blut. In ihr: eine junge Frau. Ihr Kopf ist auf die Seite gesunken. Die Augen sind geschlossen. Wasser deckt sie halb zu. Es hat sich mit dem Blut vermischt, das ihr aus den aufgeschnittenen Pulsadern geströmt ist. Polizeibeamte inspizieren den Schauplatz ihres Suizids. Man photographiert die Wanne, nunmehr ohne Leiche. Auf ihrem Grund: die Rasierklinge, mit der sie sich das Leben genommen hat.
Graeme Wood führt uns in seinem elfminütigen und aus drei in sich geschlossenen Episoden bestehenden Kurzfilm TEENAGE BABYLON schrittweise, fast schon vorsichtig, fast schon behutsam, an die Schicksale seiner jugendlichen Selbstmörder heran. Obwohl der gesamte Film so wirkt, als bestünde er aus authentischen Aufnahmen, die zu dokumentarischen Zwecken und nicht für die Öffentlichkeit gemacht worden sind, erzählt jede Episode ihre eigene Geschichte – und zwar über die leblosen Dinge, die in ihr viel wichtiger sind als die gesichtslosen, geschäftigen Beamten. Zuerst ist da der Schauplatz. Dann sind da die schwermütigen Sixties-Songs. Langsam tasten wir uns heran. Das Waschbecken. Dort hat sie sich die Adern geöffnet. Der Badezimmerboden. Dort sind die Tropfen hingeperlt, als sie zur Badewanne gelaufen ist. Die Badewanne. Dort ist sie verblutet. Dann, nachdem das Wasser abgelassen wurde, taucht die Rasierklinge auf wie eine besonders schmerzhafte Pointe.
Time: 10‘25AM. Date: 25/2/65. Location: Melbourne. File: C-564. Ein Beamter steht ein Stück von der Kamera entfernt. Ein Schnitt holt ihn näher heran. Seine Füße, vor denen etwas zu liegen scheint. Noch einen Schnitt später sehen wir: es ist ein Damenschuh, verlassen, verloren, ohne Fuß. Wir befinden uns an der See. Zwei Tote strecken sich im Sand aus. Ein Mädchen, ein Junge. Auf ihrer Hand laufen Ameisen herum. Sie hält etwas fest. Gewaltsam muss man ihr die Finger lösen. Es scheint eine Ampulle zu sein. Seegras, getrocknet von der Sonne. Ein Korb, halbverschluckt vom Strand. Die beiden Toten nebeneinander, er mit Badeshorts, sie im Bikini. Großaufnahme seines Gesichts. Eine Fliege tanzt auf seiner Wange. Großaufnahme ihres Gesichts. Ihre Augen sind offen. Dieser glasige, knapp an der Kameralinse vorbeigehende Blick wird mich in meine Träume verfolgen.
Es ist, als würde man Romeo und Julia finden, nachdem sie sich vergiftet haben. Es ist, als würde man auf eine Liebesgeschichte stoßen, wenn ihr letzter, tragischer Akkord schon verstummt ist. Es geht um die Nachlese, um das, was übrigbleibt, das tote Material, das, was nicht mehr sprechen, bloß noch Hinweise geben kann. Dazu diese schwermütigen Sixties-Songs, von Graeme Wood neu eingespielt, wie aus einer fernen Vergangenheit. Dazu die Bilder, die wirken wie echt, ohne Ton aufgenommen, verwackelt, voller jump cuts, nüchtern, steril. Dazu der Abspann, wenn die Platte zu Ende ist und wir nur noch Vinyl-Knacken hören. Die Schauspieler sind aufgelistet, diejenigen, die ihren eigenen Tod vorgetäuscht haben. Wood dankt verschiedenen Institutionen, seinem Musikensemble, Filmförderungsstiftungen. Nichts ist real gewesen. Könnte man meinen. Alles an TEENAGE BABYLON ist real, nichts gestellt. Könnte man meinen. Dieser glasige, knapp an der Kameralinse vorbeigehende Blick wird mich in meine Träume verfolgen.
Time: 8‘30PM. Date: 23/6/61. Location: Mornington. File: C-587. Ein Auto steht verlassen. Sein Fahrer hat den Kopf in den Nacken geworfen, starrt durch die Windschutzscheibe ins Nichts. Unterhalb seines Halses klafft eine Wunde. Blut ist ihm aus dem Mund getreten. Seine Augen sind halb offen. Die Flinte, mit der er sich erschossen hat, klemmt im Lenkrad. Auf der Hand, mit der er sich erschossen hat, krabbeln Käfer. Unweit des Autos liegt eine Wiese. In der Wiese liegt ein Mädchen. Zuerst hat er sie getötet, per Kopfschuss, dann sich selbst. Wind weht, hebt ihren Rock, lässt die Halme um sie herum sich wiegen.
Der Australier Graeme Wood hat hauptsächlich als Kameramann gearbeitet. Zu den Filmen, bei denen er für die Kamera zuständig gewesen ist, gehören mir völlig unbekannte Werke wie GHOSTS…OF THE CIVIL DEAD (1988) oder SAY A LITTLE PRAYR (1993). Zu den TV-Serien, bei denen er für die Kamera zuständig gewesen ist, gehören mir völlig unbekannte Werke wie THE GENIE FROM DOWN UNDER (1996) oder ROUND THE TWIST (1993). TEENAGE BABYLON ist einer von drei Kurzfilmen, bei denen er selbst Regie geführt hat. Er scheint so etwas wie sein Hauptwerk zu sein. Er hat ihn produziert, ihn geschnitten, die gesamtkünstlerische Leitung übernommen. Wenn überhaupt, bekommt man TEENAGE BABYLON in verwaschenen Kopien aus dubiosen Quellen zu Gesicht.
Time: 2‘45PM. Date: 7/10/63. Location: Windsor. File: B-561. Ein Waschbecken voller Blut. Blutstropfen auf dem Badezimmerboden. Sie führen hin zu einer Badewanne voller Blut. In ihr: eine junge Frau. Ihr Kopf ist auf die Seite gesunken. Die Augen sind geschlossen. Wasser deckt sie halb zu. Es hat sich mit dem Blut vermischt, das ihr aus den aufgeschnittenen Pulsadern geströmt ist. Polizeibeamte inspizieren den Schauplatz ihres Suizids. Man photographiert die Wanne, nunmehr ohne Leiche. Auf ihrem Grund: die Rasierklinge, mit der sie sich das Leben genommen hat.
Graeme Wood führt uns in seinem elfminütigen und aus drei in sich geschlossenen Episoden bestehenden Kurzfilm TEENAGE BABYLON schrittweise, fast schon vorsichtig, fast schon behutsam, an die Schicksale seiner jugendlichen Selbstmörder heran. Obwohl der gesamte Film so wirkt, als bestünde er aus authentischen Aufnahmen, die zu dokumentarischen Zwecken und nicht für die Öffentlichkeit gemacht worden sind, erzählt jede Episode ihre eigene Geschichte – und zwar über die leblosen Dinge, die in ihr viel wichtiger sind als die gesichtslosen, geschäftigen Beamten. Zuerst ist da der Schauplatz. Dann sind da die schwermütigen Sixties-Songs. Langsam tasten wir uns heran. Das Waschbecken. Dort hat sie sich die Adern geöffnet. Der Badezimmerboden. Dort sind die Tropfen hingeperlt, als sie zur Badewanne gelaufen ist. Die Badewanne. Dort ist sie verblutet. Dann, nachdem das Wasser abgelassen wurde, taucht die Rasierklinge auf wie eine besonders schmerzhafte Pointe.
Time: 10‘25AM. Date: 25/2/65. Location: Melbourne. File: C-564. Ein Beamter steht ein Stück von der Kamera entfernt. Ein Schnitt holt ihn näher heran. Seine Füße, vor denen etwas zu liegen scheint. Noch einen Schnitt später sehen wir: es ist ein Damenschuh, verlassen, verloren, ohne Fuß. Wir befinden uns an der See. Zwei Tote strecken sich im Sand aus. Ein Mädchen, ein Junge. Auf ihrer Hand laufen Ameisen herum. Sie hält etwas fest. Gewaltsam muss man ihr die Finger lösen. Es scheint eine Ampulle zu sein. Seegras, getrocknet von der Sonne. Ein Korb, halbverschluckt vom Strand. Die beiden Toten nebeneinander, er mit Badeshorts, sie im Bikini. Großaufnahme seines Gesichts. Eine Fliege tanzt auf seiner Wange. Großaufnahme ihres Gesichts. Ihre Augen sind offen. Dieser glasige, knapp an der Kameralinse vorbeigehende Blick wird mich in meine Träume verfolgen.
Es ist, als würde man Romeo und Julia finden, nachdem sie sich vergiftet haben. Es ist, als würde man auf eine Liebesgeschichte stoßen, wenn ihr letzter, tragischer Akkord schon verstummt ist. Es geht um die Nachlese, um das, was übrigbleibt, das tote Material, das, was nicht mehr sprechen, bloß noch Hinweise geben kann. Dazu diese schwermütigen Sixties-Songs, von Graeme Wood neu eingespielt, wie aus einer fernen Vergangenheit. Dazu die Bilder, die wirken wie echt, ohne Ton aufgenommen, verwackelt, voller jump cuts, nüchtern, steril. Dazu der Abspann, wenn die Platte zu Ende ist und wir nur noch Vinyl-Knacken hören. Die Schauspieler sind aufgelistet, diejenigen, die ihren eigenen Tod vorgetäuscht haben. Wood dankt verschiedenen Institutionen, seinem Musikensemble, Filmförderungsstiftungen. Nichts ist real gewesen. Könnte man meinen. Alles an TEENAGE BABYLON ist real, nichts gestellt. Könnte man meinen. Dieser glasige, knapp an der Kameralinse vorbeigehende Blick wird mich in meine Träume verfolgen.