Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von jogiwan »

Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (Trash Collection # 68)

Bild

Originaltitel: Guyana - el crimen del siglo

Herstellungsland: Mexiko/Panama/Spanien / 1980

Regie: René Cardona Jr.

Darsteller: Stuart Whitman, Gene Barry, John Ireland, Joseph Cotten, u.a.

Story:

"1977, San Francisco, USA: der Sektierer James Reverend Johnson (Stuart Whitman) hat 30.000 enthusiastische Anhänger in seinem Tempel versammelt. Alle opferten ihm ihr gesamtes Vermögen. 1978, Johnson Town, Guayana: 1.200 Gläubige sind dem heiligen Mann in den Urwald gefolgt, wo sie ein Paradies errichten wollen. Die Zustände, die sich hier entwickeln, haben einen dämonischen Charakter. Die Gläubigen werden rund um die Uhr bewacht, teilweise gefoltert und bei Ungehorsam mit perversen Strafen gepeinigt.Eine amerikanische Untersuchungskommission will Licht in die ganze Sache bringen und wird dafür von Fanatikern der Sekte liquidiert. Der letzte Ausweg für den Reverend, seinem Ende zu entgehen, wird für alle Beteiligten zum erbarmungslosen Trip in die Hölle ..."

Eine unfassbare Tragödie von der Hoffnung auf ein Paradies, das zur grausamen Hölle wurde.
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jogiwan
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von jogiwan »

Im Jahre 1978 führt Sektenführer James Johnson (Stuart Whitman) 1.200 Anhänger von seinem Tempel in San Francisco nach Guayana. Dort hat der charismatische Führer für seine Jünger eine Siedlung geplant, die für die Mitglieder als Alternative und Zufluchtstätte vor der gewalttätigen, restlichen Welt dienen soll. Um sich selbst zu erhalten, müssen die Mitglieder der Sekte hart schuften und erhalten auch nur wenig zu Essen. Der Gewinn aus der landwirtschaftlichen Anlage und die monatlichen Schecks von Unterstützern wandern direkt in die Kassa des Sektenführers. Damit niemand flüchtet und die Anlage bedrohen kann, werden schwerbewaffnete Wachen postiert, Deserteure hart bestraft und unter Drogen gesetzt. Auch angebliche Straftäter werden unerbittlich eingesperrt und mit Elektroschocks bestraft. Da Johnson bereits ahnt, dass sich seine Vorstellung einer Parallelgesellschaft nicht aufrecht erhalten lässt, plant der schwer kranke Mann in sogenannten „Weißen Nächten“ den Massenselbstmord seiner treuen Jünger.

Als sich die Beschwerden von verzweifelten Angehörigen häufen beschließt der Kongressabgeordnete Lee O´Brien (Gene Barry) gemeinsam mit ein paar Mitarbeitern und Reporter sich selbst vor Ort ein Bild von dem Treiben zu machen und den Religionsstatus der Glaubensgemeinschaft zu überprüfen. Doch alle Versuche im Vorfeld werden von den Anwälten der Gemeinschaft sabotiert. Mit fingierten Briefen und gestellten Fotos versucht Johnson den Eindruck seiner Idylle aufrecht zu erhalten. Doch O´Brien gibt nicht auf und fliegt mit seinen Leuten nach Guyana um vor Ort das Besuchsrecht auf der Anlage zu erhalten. Nach ein paar Drohungen sich dem Camp notfalls mit der Armee Zutritt zu verschaffen, willigt Johnson schlussendlich ein, die Abordnung in sein Camp zu lassen.

Dort sieht auf den ersten Blick auch alles gut ein. Die Menschen sind glücklich, musizieren und tanzen zu religiösen Liedern. O´Brien und die Reporten suchen den Kontakt zu den Sektenmitgliedern, die sich jedoch alle sehr reserviert geben. Jedoch weist nichts darauf hin, dass die Menscher mit Zwang festgehalten werden. Wenig später entdecken die Reporter in einem bewachten Gebäude eine Art Krankenlager in der ausgehungerte und entkräftete Sektenmitglieder hausen. O´Brien unterbreitet den Camp-Bewohnern den Vorschlag ihn begleiten zu können, worauf ein paar Jünger beschließen, das Camp zu verlassen. Gemeinsam mit den Kongressabgeordneten, seinem Team und den Reportern verlassen sie den seltsamen Ort Richtung Flughafen.

Doch Johnson ist nicht so einfach bereit, seine Gemeinschaft auseinander brechen zu lassen und sieht das Ende seiner Vision von einer vermeintlich besseren Welt gekommen. Gewaltbereite Jünger lauern am Flughafen auf die Deserteuren und töten in einem Feuergefecht O´Brien, ein paar Reporter und flüchtenden Gemeindebewohner. Johnson trommelt unterdessen seine Mitglieder zusammen und spricht ein letztes Mal zu ihnen. „Wenn man uns nicht in Frieden leben lässt, so wollen wir jedenfalls in Frieden sterben. Der Tod ist nur der Übergang auf eine andere Ebene.“ Und so beginnt Johnson mit seinen treuesten Anhängern den teuflischen Plan, den er mit seinen Jüngern schon so oft zuvor geprobt hatte...

Das Jonestown-Massaker, welches am 18. November 1978 im Nordwesten von Guayana stattfand, ist wohl eines der spektakulärsten Verbrechen der Menschheit. In einer Nacht starben auf Geheiß des Sektenführers Jim Jones 913 der 1110 Mitglieder seiner 1956 gegründeten Sekte namens „Peoples Temple“. Und auch wenn diese Tat gemeinhin als größter Massenselbstmord in die Geschichte bezeichnet, so handelt es sich doch auch um eines der größten Verbrechen, da zahlreiche Personen, die sich nicht freiwillig dem Suizid anschließen wollten, mit Gewalt dazu gezwungen wurden, oder bei der Flucht von gewaltbereiten und bewaffneten Jüngern erschossen wurden. Bei dem Überfall am Flughafen wurde der Sekten-kritische US-Kongress-Abgeordnete Leo J. Ryan, drei Reporter, ein Kameramann und Abtrünnige erschossen, sowie weitere Personen zum Teil schwer verletzt.

Die ursprüngliche Intention des bekennenden Polygamisten war dabei, eine Zufluchtstätte für Menschen zu schaffen, in der die Mitglieder in vollkommener Harmonie miteinander leben sollten. Jones wollte diese vor der zivilisierten Welt zu schützen, die in seinen Augen die Brutstätte für Gewalt, Rassismus und Kapitalismus war. In seinem Camp gab es keine Unterschiede und natürlich auch kein Geld, dafür durften die Mitglieder alle für ein Gemeinwohl schuften. Das Recht auf Sexualität war dem Sektenführer vorbehalten und alle die sich nicht an seine moralischen Vorstellungen hielten, wurden streng bestraft, eingesperrt oder mit Drogen gefügig gemacht. Doch das Urwaldcamp stand von Anfang an unter keinem guten Stern und es gab Krankheiten. Johnson führte das Lager mit strenger Hand und Gewalt, sodass zahlreiche Bewohner flüchteten. Diese machten daraufhin Druck auf die Politik, die sich wiederum veranlasst fühlte, dem Treiben genauer auf die Finger zu schauen.

Das „Massaker von Jonestown“ ist zweifelsfrei eines der schlimmsten Verbrechen der jüngeren Geschichte, das natürlich Stoff für zahlreiche Berichte, Bücher, Reportagen und natürlich auch Filme geboten hat. Als ich aber davon hörte, dass unser mexikanischer Mann fürs Grobe, Hr. Cardona Jr. sich 1979 des Themas angenommen hat und einen Film darauf gebastelt hat, hatte ich ursprünglich schon Bedenken. Denn Cardona Jr. ist mir ja nicht unbedingt für seine feinfühlige Vorgehensweise bekannt. Und nach seinen trashigen Werken wie „Sos Bermuda“ und auch „Tornado“ würde wohl jeder so denken. Doch zu meiner Überraschung ist Cardona Jr. mit „Guyana“ ein Werk gelungen, dass weder trashig, noch in einer sonstigen Weise unpassend oder lächerlich geworden ist. Cardona Jr. hielt sich bei seinem Drehbuch anscheinend auch streng an die Fakten und änderte für seine Fassung nur die Namen geringfügig. So wird aus Jim Jones in dem Film ein James Johnson und der Abgeordnete Leo Ryan wird in Lee O´Brian umbenannt.

Jedenfalls ist „Guyana“ nicht die plakative Exploitation-Granate geworden, die man sich vielleicht im Vorfeld erwartet hätte. Viel mehr zeichnet Cardona Jr. eher zurückhaltend und auch sehr dokumentarisch das Bild eines (größenwahnsinnigen) Gurus, der seinen aussichtslosen Kampf gegen Kapitalismus aufnimmt und letztendlich seine Jünger mit flammenden Predigten ins Verderben führt. Natürlich verzichtet Cardona Jr. nicht gänzlich auf bewährte Zutaten wie Gewalt und Nudity, allerdings für seine Verhältnisse eher gemäßigt und auch das Massaker am Flughafen und der anschließende Massen(selbst-)mord sind nicht allzu grafisch ausgefallen. Und so ist „Guayana“ über weite Strecken wirklich fesselnd und düster ausgefallen. Vor allem gegen Ende hat der Streifen durchaus bedrückende Momente, vor allem als das Lager der entkräfteten Lagerbewohner entdeckt wird, Kindern der Giftcocktail eingeflößt wird und Flüchtende erschossen werden.

„Guayana – Kult der Verdammten“ bietet 100 Minuten Film im Dokumentar-Stil, der die schreckliche Geschichte eines grauenvollen Massakers erzählt, welches sich auch tatsächlich im November 1978 in dem südamerikanischen Staat so zugetragen hat. Ein eher ernster Film über ein sehr ernstes Thema, in dem Cardona Jr. im Vergleich zu seinen anderen Werken auch eher zurückhaltend agiert. Auch wenn der Streifen im Rahmen der Trash-Collection veröffentlicht wird, ist „Guyana“ weder leicht verdaulich, noch unbedingt trashig, sondern eher ein Streifen, der den Zuschauer mit einem unguten Gefühl in der Magengegend zurücklässt. Einen „Unterhaltungswert“ im herkömmlichen Sinn ist bei so einem autobiografischen Werk über eine derartige Katastrophe dann auch nicht unbedingt gegeben. Und wenn am Ende alles schief geht und die Sektenjünger von ihrem Anführer in den Tod geschickt werden, kann einem in Hinblick auf die Authentizität schon ganz anders werden. Trotzdem ist der Streifen gut gemacht, bietet solide darstellerische Leistungen und meinen persönlichen Hero Hugo Stiglitz in einer kleinen Nebenrolle. 8 von 10 Punkten!
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Onkel Joe
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von Onkel Joe »

Danke für die wirklich wunderbare beschreibung des Films, die DVD werde ich mir mal demnächst besorgen ;) .
Den Film kenne ich noch gar nicht, hab den immer irgendwie gemieden kann aber nicht sagen warum.
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Blap
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 6

Beitrag von Blap »

Jogis Kommentar bringt es auf den Punkt. Cardona Jr. gelang ein nahezu dokumentarisch anmutendes Werk, dessen Finale den Zuschauer eiskalt im Genick packt.

Was der Film in der Trash Collection zu suchen hat ist mir ein Rätsel, dennoch bin ich CMV für die Veröffentlichung dieser kleinen Perle sehr dankbar.

7,5/10 (gut bis sehr gut)


Ich werde in andere Foren einen Link posten, denn nach Jogis Beitrag kann ich mir meinen üblichen Erguss sparen.

Lieber Jogi, pack deinen Kommentar doch bitte in die OFDB, der Flick hat jede Unterstützung verdient!
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Onkel Joe
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von Onkel Joe »

Ein Film wie man es Cardona nicht zugetraut hätte.Ausnahmsweise mal kein Trash as Trash can und unfreiwilig komisch ist hier auch nichts.Hier wird ein stück dunkle Geschichte aufgearbeitet wie man sie sich nicht hätte ausdenken können.Stuart Whitman spielt absolut am Limit.Kein Film für den täglichen gebrauch aber durchaus Interessant.
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Die Kroete
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von Die Kroete »

Trash wahrscheinlich deshalb, weil die wahre Geschichte um Jim Jones, so der wirkliche Name des Sektengründers, weitaus komplexer schien, als hier dargestellt.

Man hat bei diesem Film, wohl einiges weggelassen und dafür eine menge Eigeninterpretation beigefügt. So z.B. fand Jones in der politischen Landschaft der USA viele Befürworter, ganz anders als hier gezeigt. Außerdem gab es keine wirklichen Hinweise darauf, daß er sein Lager in Guyana wie ein KZ geführt haben soll, dann eher schon als eigene Sex-Farm. (Hätte man daraus einen Sexploitation-Film gemacht, währe man vermutlich näher an die tatsächlichen Ereignisse gekommen). Sein Tod wurde auch nie zweifelsfrei geklärt, man ging sogar eher von Mord aus.

Nichts destotrotz ist der Film aber durchaus sehenswert. Stuart Whitman spielt herausragend. Ich frage mich nur, weshalb er ständig die Sonnenbrille trägt?! Vermutlich wegen einem "Augenleiden". :prost:
Als weiterer Star, stolpert Joseph Cotten noch hin und wieder durchs Geschehen, dem man das höhere Alter hier deutlich anmerkt. Alle anderen sind guter Durchschnitt. Der Film selbst, bleibt gut bei der Sache und verstrickt sich nicht in Nebensächlichkeiten, was bei solchen Themen auch keine Selbstvertändlichkeit ist.
Fragwürdig erscheint mir aber, weshalb man hierzulande die Anfangspredigt komplett wegschneiden mußte, denn hier sieht man am allerdeutlichsten, weshalb die Gemeindemitglieder, dem "Guru" so bedingungslos verfallen waren.

6/10
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CamperVan.Helsing
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Sehr rasch nach der Tragödie von Jonestown im November 1978 machte sich bereits der mexikanische Trashfilmer René Cardona Jr. an eine Verfilmung der Ereignisse. Wer angesichts Cardonas Werdegang und der Tatsache, dass der Film hierzulande in der CMV-Trash-Collection erschien, an einen Exploitationknaller denkt, der dazu taugt, die Bestände an Chips und Bier zu vernichten, sieht sich getäuscht. Cardona hält sich
a) weitgehend an die tatsächlichen Ereignisse (auch wenn die Namen geändert wurden) und
b) sehr zurück und gestaltet den Film eher nüchtern, fast dokumentarisch. Einige exploitative Ausreißer sind dennoch drin, aber seinen Ansatz hält Cardona weitgehend durch. Stuart Whitman als James Johnson/Jim Jones ist hier grandios. Anschauen!





(Wie bei den anderen mexikanischen Filmen der letzten Wochen noch ein musikalischer Gruß nach Mexico, und zwar aus dem 1987er Debüt-Album "The record that took 300 million years to make" von "Cliff Barnes & The fear of winning", das mit "I married a nymphomaniac", "No one's got an asshole like a comboy", "Crazy about Kinski" [gemeint ist Nastassja K., der der Sänger ein Baby machen möchte] und "Nancy & Ronnie" (are fucking in the white house) [von letzterem ist freilich die Live-Version, Anfang 1989, in den letzten Tagen von Reagans Amtszeit, in West-Berlin aufgenommen und wohl nur auf der B-Seite einer 12"-Maxi-Single zu finden, zu bevorzugen] einige richtig gute Songs enthielt. Zwei weitere LPs folgten, die ich hingegen in deutlich schlechterer Erinnerung habe, dann löste sich die Band auf. Es gab, glaube ich, dann später noch eine Reunion und eine neue CD, aber das hab ich gar nicht mehr verfolgt...)
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buxtebrawler
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von buxtebrawler »

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von buxtebrawler »

Ausgerechnet der als Trashfilmer verschriene Mexikaner René Cardona Jr. („Tornado“) war es, der als erster, nämlich direkt im darauffolgenden Jahr, den spektakulären Massen(selbst)mord der US-Sekte „Peoples Temple“ um Guru Jim Jones im südamerikanischen Guayana, bei dem im Jahre 1978 über 900 Menschen den Tod fanden, kinematisch verarbeitete. „Guayana – Kult der Verdammten“ entstand in mexikanisch-spanisch-panamischer Koproduktion und wurde im Stil eines dokumentarischen Dramas bzw. Thrillers gedreht, die Namen wurden leicht geändert:

„Reverend“ James Johnson steht mit seiner 1956 gegründeten Sekte immer stärker unter Beobachtung der US-Behörden, weshalb er mitsamt seinen rund 1.2000 Anhängern ins südamerikanische Guayana umsiedelt, wo er Land gepachtet hat. Unter hermetischer Abriegelung entzieht er sich so allzu neugierigen Blicken und hält seine Schäflein mit Drogen und drakonischen Bestrafungen bei Zuwiderhandlungen gegen den strengen Verhaltenskodex gefügig, während er sie systematisch ausbeutet und wie ein mit pseudosozialistischen/-antirassistischen, hippieesken und verschwörungstheoretischen Floskeln um sich werfender Despot über sie bestimmt. Dennoch gelingt es einer US-Delegation aus Regierungsangehörigen und sie begleitenden Journalisten, sich Zutritt zu „Johnsontown“ zu verschaffen. So sehr sich Johnson auch bemühte, die Delegation zu blenden – es gibt Sektenangehörige, die zurück in die USA wollen und sich der Delegation auf ihrem Rückweg anschließen. Johnson sieht das Ende seiner Sekte gekommen, lässt die Delegation und Ausreisewilligen erschießen und verordnet den Massenselbstmord seiner Jünger…

Der Prolog (der kompletten Fassung) zeigt Jones alias Johnson, wie er in Cardona Juniors Film heißt, während dessen flammenden Plädoyers für die Umsiedelung nach Guayana, wo mit „Johnsontown“ eine Art Paradies auf Erden errichtet werden soll. Im Anschluss steigt die Handlung zu einem Zeitpunkt ein, an dem der Ort oder vielmehr das Lager bereits existiert. Und um ges leich auf den Punkt zu bringen: „Guayana – Kult der Verdammten“ ist keinesfalls ein Trashfilm und hält sich auch mit exploitativer Ausschlachtung weitestgehend zurück – überraschend angesichts des sonstigen filmischen Schaffens Cardona Juniors. Stuart Whitman („Blutrausch“) mimt das Sektenoberhaupt mit einer eindringlichen Performance und unberechenbarer, dämonischer Aura. Es kommt zur Sprache, dass er sich körperlich in einem beunruhigendem Zustand befindet und die Kaltschnäuzigkeit, mit der er damit auch das Leben seiner Anhänger für wertlos erklärt, ist beängstigend. Die sich stark um einen dokumentarischen, bisweilen gar nüchternen Anstrich und Stil bemühende Handlung beleuchtet relativ detailliert die Bemühungen der Behörden, Einblicke in Johnsontown zu erhalten und auch die unterschiedlichen Interessen und befürchteten Risiken z.B. diplomatischer Natur. Dramaturgisch ist das zeitweise etwas trocken, zumal das Verhalten der USA recht kritiklos nachgezeichnet wird.

Die nachgestellten Bilder aus Johnsontown zeigen dann indes umso deutlicher, welche eigentlich plumpe, jedoch drogengestützte und bei allen Bekundungen eines friedlichen Zusammenlebens autoritär durchgepeitschte und um die Erzeugung von Abhängigkeiten bemühte Gehirnwäsche dort vor sich geht. Auf einzelne grausame Absurditäten wie die eigenwillige Züchtigung sich sexueller Verfehlungen schuldig gemacht habender Bewohner wird dann inklusive nackter Tatsachen genauer eingegangen, was dann doch in Richtung exploitativer Lagerfilme tendiert. Die psychologische Ebene, die Motivation der Anhänger und ihre Ursachen bleiben hingegen weitestgehend unberücksichtigt. Dennoch verfehlt der Film seine Wirkung spätestens dann nicht mehr, wenn das „Finale“ eingeläutet wird und der offene Konflikt mit der Delegation und den Flüchtigen entbrennt, um schließlich in die zuvor bereits geübte Umsetzung des „Massenselbstmords“ mittels Zyankali zu münden, der weder vor Kindern noch Babys Halt macht und bei allen Zweiflern kräftig nachhilft, von einem freiwilligen Suizid also keinesfalls die Rede sein kann. In diesen unter die Haut gehenden Bildern werden der Wahnsinn dieser Sektendynamik und die Verlogenheit bei gleichzeitigem Größenwahn ihres Führers endgültig verdeutlicht und obwohl sicherlich jeder Zuschauer gewusst haben dürfte, welch abscheuliches Ende die „Peoples Temple“-Gemeinschaft nahm, bleibt man baff und sprachlos zurück. Die erfolgreich um Seriosität bemühten Nebendarsteller und von Cardona und seinem Team offenbar gut angeleiteten Komparsen unterstützen den in dieser Hinsicht positiven Eindruck.

Damit ist Cardona Juniors Verarbeitung der Ereignisse letztlich tatsächlich mehr eine eindringliche Warnung vor derartigen Erlösungsversprechen und Dokumentation schier unfassbarer Konsequenz als schäbiger Unterhaltungsfilm, wenn er auch das komplette Ausmaß nur schwer begreiflich machen kann und nie allzu sehr in die Tiefe geht.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Tomaso Montanaro
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Re: Guayana - Kult der Verdammten – Rene Cardona Jr. (TC # 68)

Beitrag von Tomaso Montanaro »

Die Geschichte des Sektenführers Jim Jones ist, trotz einiger recht heftiger Szenen, die teilweise an mediterrane KZ-Lagerfilme erinnern, ein ansonsten durchaus seriöses, ruhiges und gut gespieltes Drama geworden.

Besonders Stuart Whitman überzeugt in der Rolle des Sektenführers und auch das Drehbuch ist gelungen und wurde spannend umgesetzt.

7/10 Punkten
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