Columbo: Tödliche Trennung
„Take it easy!“
Mit dem dritten „Columbo“-Fernsehfilm hatte man endgültig beschlossen, mit dem US-Krimikonzept in Serie zu gehen. So gesehen ist die am 15. September 1971 erstausgestrahlte Episode „Tödliche Trennung“ der Auftakt der ersten Serienstaffel. Auf dem Regiestuhl nahm interessanterweise niemand Geringerer als Steven Spielberg („Duell“) Platz, der noch am Anfang seiner Karriere stand.
„Hätten Sie noch einen Augenblick Zeit…?“
James „Jim“ Ferris (Martin Milner, „Keine Zeit für Heldentum“) und Ken Franklin (Jack Cassidy, „Er und sie“) traten seit Jahren als Autoren der erfolgreichen und beliebten Kriminalromanreihe „Mrs. Melville“ in Erscheinung, obwohl lediglich Ferris schrieb, während Franklin sich ums Geschäftliche kümmerte. Als Ferris seinem Partner eröffnete, die Zusammenarbeit aufgeben und sich zukünftig anderen Stoffen widmen zu wollen, kam es zum Streit. Nun jedoch meldet sich Franklin bei Ferris und gibt vor, den Konflikt aus der Welt räumen zu wollen. Franklin lädt Ferris zu einer gemeinsamen Auszeit in seinem Wochenendhaus bei San Diego ein. Ferris‘ Frau Joanna (Rosemary Forsyth, „Wie ich dich liebe?“) soll davon nichts erfahren, weshalb Franklin ihn bittet, bei ihr anzurufen und vorzugeben, sich noch im Büro zu befinden. Zuvor hat Franklin bereits unbemerkt Ferris‘ Büro verwüstet. Dabei handelt es sich um einen ausgeklügelten Mordplan, den Franklin in die Tat umsetzt, indem er Ferris während dieses Telefonats erschießt. Sein Motiv: Er möchte die Versicherungssumme kassieren, die bei Ableben seines Partners zu seinen Gunsten fällig wird. Die Polizei geht nun also davon aus, dass Ferris in seinem Büro ermordet worden sei; den Ausflug in sein Wochenendhaus nutzt Franklin als Alibi, das die für ihn schwärmende Ladenbetreiberin Lily La Sanca (Barbara Colby, „Oh Mary“) bestätigt: Ihr stattete Franklin auf seinem Weg einen kurzen Besuch ab. Doch bald hat Franklin zwei Probleme: Eben jene La Sanca, die beobachtet hat, dass sich Ferris in Franklins Wagen befand und ihn um Geld und Zuneigung erpresst – und Inspektor Columbo (Peter Falk), der sich scheinbar naiv an seine Fersen heftet…
„Eine provozierende Aussage!“
Die Eröffnungssequenz ist einfach wunderschön: Von einer Straße kommend fährt die Kamera rückwärts in eine urbanes Hochhaus, an dessen riesiger Fensterfront Ferris sitzt und auf seiner Schreibmaschine tippt. Die Kamera beginnt sich für Details zu interessieren und produziert einige Großaufnahmen, fährt zusammen mit der Schreibwalze übers Papier und beobachtet Franklins Ankunft. Auf der Tonspur sind derweil ausschließlich die Tippgeräusche zu hören, alles andere wird ausgeblendet. Doch als man am liebsten schon ausmachen und zu einem guten, auf diese Weise entstandenen Buch greifen oder gar selbst etwas zu Papier bringen möchte, klopft Franklin an Ferris‘ Tür und bedroht ihn mit einer Pistole.
„Mrs. Melville wäre zutiefst enttäuscht!“
Dieser zeigt sich gänzlich unbeeindruckt, und tatsächlich habe Franklin lediglich einen Scherz machen wollen. Eigentlich komme er in friedlicher Mission. Beiläufig wird über die Dialoge das Publikum über die beiden Männer und ihre Beziehung zueinander in Kenntnis gesetzt. Franklins Vorhaben lässt sich bald erahnen und ist dennoch spannend inszeniert, seine Skrupellosigkeit erschreckend. Im Anschluss kommt der titelgebende Inspektor ins Spiel und scheint für den verschlagenen und intelligenten, zudem sehr kultiviert auftretenden Franklin keine Gefahr darzustellen. Für Joanna, die Frau des Toten, macht Columbo Omelette
(„Bloß Eier, keine Milch!“), doch aus Franklin kitzelt er beiläufig Informationen heraus, während er sich doof stellt. Franklin versucht, den Verdacht auf Westküstengangster zu lenken und eigentlich scheint für ihn alles nach Plan zu laufen, denn wenngleich Columbos Spürsinn den richtigen Riecher beweist, hat der Inspektor nichts, worauf er Franklin festnageln könnte.
Das ändert sich, als Lily La Sanca ins Spiel kommt, eine Art Karikatur einer
Femme fatale, die naiv tut, aber sich als ebenfalls sehr gerissen entpuppt. Diese Wendung ist relativ überraschend und führt dazu, dass dem aalglatten, immer leicht überheblichen Franklin die Kontrolle entgleitet – es sind zu diesem Zeitpunkt also nicht etwa Columbos Ermittlungen, die ihn in die Bredouille bringen. Diese kommen nach Franklins zweitem Mord erst richtig in Fahrt und Franklin reagiert zunehmend genervt auf Columbo, den er so lange locker an der Nase herumführen zu können glaubte. Columbo in seiner charmanten, sympathischen Art dabei zuzusehen, wie er in stoischer Gelassenheit unsanktioniert sämtliche Gebäude mit seiner Zigarre vollquarzt und letztlich den Täter überführt, ist auch 50 Jahre nach der Erstausstrahlung ein Vergnügen. Psychologisch ist „Tödliche Trennung“ gut gemacht, das Drehbuch weist jedoch im Finale Schwächen auf: Zum einen ist es etwas sehr blauäugig von Franklin, anzunehmen, mit gleich zwei Morden in seinem direkten Umfeld durchzukommen, zum anderen ist das, was ihn überführt, letztlich auch nur ein Indiz, von dem bezweifelt werden muss, ob es tatsächlich für eine Verurteilung ausreichen würde.
Viel Zeit, um auf sein Talent aufmerksam zu machen, blieb Regisseur Spielberg in der nur 73 Minuten kurzen Episode nicht, auffallend sind neben dem beschrieben Einstieg die Großaufnahmen von Gesichtern in unangenehmen Situationen, die eine oder andere ungewöhnliche Kameraperspektive in Innenräumen sowie die fabelhafte, nur sporadisch eingesetzte Musik Billy Goldenbergs. Spielberg gelang es aber zweifelsohne, aus dem Konzept des von vornherein feststehenden Mörders und Motivs eine niemals dröge, dafür sehr gemütliche „Columbo“-Episode zu formen. Spätere Drehbücher der Reihe sollten sich aber als wesentlich ausgeklügelter erweisen – zu einem Mrs.-Melville-Roman hätte diese Handlung wohl noch nicht gereicht…