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Darsteller: August Diehl, Fabian Busch, Dieter Landuris, Jan-Gregor Kremp, Stephan Kampwirth, Zbigniew Zamachowski, Peter Fitz, Burghart Klaußner, Lilly Marie Tschörtner, Patrick Joswig, Arnulf Schumacher, Sven Lehmann u. A.
In einer Zeit zunehmender Verunsicherung sieht der 19jährige Karl Koch die Welt um sich herum in Unordnung. Fasziniert von der fiktiven Romanfigur Hagbard Celine macht sich der sensible Jugendliche auf die Suche nach den Hintergründen politischer Mechanismen und entdeckt Dinge, die ihn an eine weltweite Verschwörung glauben lassen. Karls Begabung, sich in globale Datennetze einzulinken, und sein unerschütterlicher Glaube an die Gerechtigkeit treiben ihn in die Arme des KGB. Abhängig von Pillen und Koks leidet er zunehmend unter Wahnvorstellungen. Die Mächte des Bösen scheine schon weltweit vernetzt, während Karl und seine Freunde noch an der Langsamkeit ihrer Heimcomputer verzweifeln. Die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwimmen. Karl verliert auf seiner tragischen Odyssee die Kontrolle über sein Leben. Als das Vertrauen zu David, seinem besten Freund, zerbricht, ist Karl auf sich allein gestellt. Je näher er dem Ziel seiner Suche zu kommen scheint, desto schwieriger wird die Rückkehr in ein normales Leben.
Der deutsche Regisseur Hans-Christian Schmid („Nach fünf im Urwald“) beschreibt in seinem 1998 veröffentlichten dramatischen Thriller „23 – Nichts ist so wie es scheint“ das Leben des deutschen Hackers Karl Koch (gespielt von August Diehl in seinem Spielfilm-Debüt) bis hin zu seinem tragischen, bis heute unaufgeklärten Tod. Der Hannoveraner Koch war federführend involviert in den sog. „KGB-Hack“ zu Zeiten des Kalten Kriegs, im Zuge dessen zwischen 1985 und 1989 westliche Computersysteme ausspioniert und die Informationen an den sowjetischen Geheimdienst KGB verkauft wurden. Schmid und sein Co-Autor Michael Gutmann haben einige Namen sowie aus dramaturgischen Gründen die Handlung im Vergleich zu den realen Ereignissen ein wenig verändert.
Koch war besessen von der „Illuminatus!“-Trilogie der US-amerikanischen Autoren Robert Shea und Robert Anton Wilson, die verschiedene Verschwörungstheorien aufgreift und in einer fiktiven Abenteuergeschichte um einen sich „Hagbard Celine“ nennenden Anarchisten miteinander vermengt. „Hagbard Celine“ war auch das Pseudonym, das sich der idealistische Hacker und „Chaos Computer Club“-Mitglied Karl Koch zulegte, als er der Maxime folgend, dass alle Informationen frei sein sollten und nur dadurch ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis der Weltmächte hergestellt werden könne, zusammen mit befreundeten Hackern Zugang zu geheimen Informationen verschaffte. Teil der Gruppe war ein dubioser Drogenhändler, der Koch beständig mit Kokain versorgte, damit dieser die günstigen nächtlichen Telefontarife nutzen konnte. Koch Drogenkonsum und seine Isolation von der Außenwelt verschlechterten seinen psychischen wie physischen Gesundheitszustand rapide, bis er sich nicht zuletzt durch Schuldgefühle in Hinblick auf die Kernkraftwerk-Katastrophe in Tschernobyl 1986 gezwungen sah, seine Spionagetätigkeiten einzustellen. Doch der Rest der Gruppe machte unbeirrt weiter. Nachdem die staatlichen Geheimdienste der Gruppe auf die Schliche gekommen waren, wurde Kochs verbrannte Leiche im Mai 1989 aufgefunden. Er war bereits seit ca. einer Woche tot, stab also womöglich am 23. Mai – 23-jährig. In Anbetracht vieler auf einen 23. fallenden politischen Ereignisse und Morde hielt Koch die „Illuminatus!“-Theorien bzgl. des Geheimbunds der Illuminaten für wahrscheinlich…
Das Schöne an Schmids Film ist, dass er dem Zuschauer keinerlei Vorkenntnisse abverlangt. Er beginnt mit einer Szene Kochs kurz vor seinem Tod und steigt unmittelbar danach in seine ausgedehnte Rückblende ein, die den eigentlichen Film ausmacht. In wunderbar rekonstruierten ‘80er-Kulissen und unterlegt von hochgradig geschmackssicherer Musik jenes und des vorausgegangenen Jahrzehnts (Deep Purple, Iggy Pop, Ton Steine Scherben …) hat es zunächst den Anschein, als wolle Schmid zeigen, wie ein Polithippie, ein Sponti, ein Anarcho oder wie auch immer man die studentischen Protestler bezeichnen möchte, auf die Verschwörungstheorien eines fiktiven Romans hereinfällt. Doch schnell fallen die Dialoge positiv auf, von denen tatsächlich jeder einzelne interessanten Inhalts ist, ohne geschwätzig zu werden oder gekünstelt herbeikonstruiert zu wirken. Aus den Gesprächen und der chronologischen Einordnung der Handlung ergeben sich viele eingeflochtene historische Fakten, beispielsweise das Attentat auf den schwedischen Politiker Olof Palme und eben eine ganze Reihe weiterer rätselhafter Ereignisse, die bis heute die Verschwörungstheoretiker bedienen, ohne dass es eindeutige Antworten gäbe. Das macht aus „23 – Nichts ist so wie es scheint“ trotz seines über weite Strecken komödiantischen Tons zu einem spannenden Polit-Thriller, wenn Koch und seine Freunde voll ins Hackergeschäft einsteigen. Gleichzeitig erfährt der Zuschauer viel über die damalige Aufbruchsstimmung im Hinblick auf Telekommunikationstechniken, die das Hacken erst ermöglichten. Manch älterem Computer-Freak dürfte angesichts dessen das Herz aufgehen, weniger Technikaffine bekommen anschaulich und verständlich die damaligen Hack-Methoden erklärt und entwickeln ein Bewusstsein für die technischen Hintergründe sowie Verständnis für die Faszination, die diese auf manch jungen Menschen seinerzeit ausgeübt haben – und es bis heute tun.
„23 – Nichts ist so wie es scheint“ ist aber auch die Geschichte eines persönlichen Dramas, das gleichberechtigt behandelt wird. Es zeichnet den politisch motivierten Aufbruch mit anschließendem psychischen wie physischen Verfall Karl Kochs nach, dem alles über den Kopf wächst und der aufgrund seiner Kokainabhängigkeit (verbreitete Nebenwirkung: Paranoia) nicht mehr zwischen Realität und Wahn zu unterscheiden vermag. Und der in jungen Jahren einen viel zu frühen Tod findet. Schmid hält sich bedeckt, was die Todesursache betrifft und hält sich auch mit eindeutigen Antworten auf die Frage zurück, was auf Kochs Verfolgungswahn zurückzuführen ist und was ganz reale Gefahren waren. Dadurch muss sich Schmid nicht dem Vorwurf stellen, selbst aktiv Verschwörungstheorien zu schüren, wenngleich er nachhaltig zum Nachdenken über selbige aufruft, aber auch zur Reflexion einer möglicherweise verschwendeten Jugend, einer zu distanzlosen Selbstaufgabe im Strudel der Weltpolitik.
Schmid und seinem Team ist ein mit hervorragenden, talentierten Jungschauspielern besetzter Film gelungen, der emotional berührt und aufrüttelt, der Wissen vermittelt, der Fragen stellt – vor allem unbequeme. Ein Film, der den Zuschauer genauso mitreißt, wie es Koch und seine Freunde seinerzeit mitgerissen hat. Ich weiß nicht, inwieweit Fakten für den Film geändert wurden, damit alles besser zusammenpasst, puzzleartig ineinandergreift, dramaturgisch effektiv wird. Deshalb tue ich mich mit einer abschließenden Bewertung auch etwas schwer, denn je weniger Verfälschung Schmid gebraucht hat, desto positiver möchte ich das Ergebnis bewerten. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass „23 – Nichts ist so wie es scheint“ die gleiche Kraft auf ein jüngeres Publikum ausüben kann, wie sie die „Illuminati!“-Trilogie auf den jungen Karl Koch hatte. Auch mich hat er unmittelbar dazu bewogen, mich etwas näher mit den realen Überlieferungen vertraut zu machen, ein wenig zu recherchieren und mich zu informieren – und hat zumindest kurzzeitig für ein unwohliges, gruseliges Gefühl der Paranoia beim Zubettgehen nach der Filmsichtung gesorgt. Die Botschaft Karl Kochs jedenfalls, die auch die Botschaft des Films ist, ist richtig: Mit Informationsfreiheit steht und fällt letztlich jede ernstzunehmende Demokratie, die sich auch wirklich als eine solche schimpfen darf. Ob der kleine Prozentsatz Menschen, der den größten Teil des Reichtums und Einflusses unter sich aufgeteilt hat und seine Interessen mit Gewalt durchzusetzen beliebt, nun Teil einer jahrhundertealten, großangelegten Verschwörung ist, die sich immer wieder in der Zahl „23“ äußert, oder ob schlicht über lange Zeit gewachsene Machtstrukturen aus kapitalistischem Interesse entsprechende besitzstandswahrende Systeme aufrecht zu erhalten versuchen, ist dabei für mich zweitrangig. Wie bis heute mit dem Drang nach Informationsfreiheit umgegangen wird, hat jüngst medienwirksam der Fall Julian Assange bewiesen, was die Thematik dieses Films nach wie vor in bedauerlicher Weise brandaktuell erscheinen lässt. Schmids Film ist ein schönes Beispiel eines ambitionierten, intelligenten deutschen Films von internationalem Format, von dessen Brisanz und Courage ich mir noch viel mehr Beiträge wünschen würde.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
ugo-piazza hat geschrieben:Es lohnt sich durchaus, mal ein Auge auf den Schmid zu werfen.
Kannte bislang nur den "Nach fünf im Urwald" von ihm, aber den fand ich für so'ne deutsche Komödie immerhin so gut, dass ich ihn mir auf DVD gekauft und ins Regal gestellt hatte
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
ugo-piazza hat geschrieben:Es lohnt sich durchaus, mal ein Auge auf den Schmid zu werfen.
Kannte bislang nur den "Nach fünf im Urwald" von ihm, aber den fand ich für so'ne deutsche Komödie immerhin so gut, dass ich ihn mir auf DVD gekauft und ins Regal gestellt hatte
Den Schmid mag ich sehr gerne. Auch wenn ich seine letzten beiden Filme noch nicht gesehen habe. Aber bisher fand ich alles von ihm ziemlich grandios. Insbesondere "Requiem". "Lichter" liegt mir natürlich aufgrund der Thematik nah am Herzen und von "Crazy" war ich SEHR angenehm überrascht.
Früher war mehr Lametta
*************************************************************************************** Filmforum Bremen Weird Xperience
Habe den damals auch im Kino gesehen, war an jenem Abend aber nicht mehr so ganz aufnahmefähig.
Danach habe ich den Film aus den Augen verloren.
Dies hat sich jetzt dank buxtes Vorstellung geändert, danke dafür!
Steht jetzt wieder auf meiner Liste, wie so vieles.
Unter anderem auch "Illuminatus" von Shea/Wilson.
Woher die Zeit nehmen?
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
ich möchte hier noch mal die schauspieler DIEHL, BUSCH und auch Landuris ausdrücklich loben, die dem FIlm durch ihr intensives Spiel noch mal die Extrawürze geben.
Toller Paranoia Film!
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
Erscheint voraussichtlich am 05.11.2021 bei Turbine als Blu-ray/DVD-Kombination im Mediabook:
Extras:
- 56-seitiges Booklet von Autor Michael Scholten beleuchtet die wahren Begebenheiten um Karl Koch und die Entstehungsgeschichte des Films
- Neue Interviews mit Hauptdarsteller August Diehl (HD, ca. 13 Min.), Hans Heinrich Hübner, Hacker-Kollege von Karl Koch (HD, ca. 44 Min.) und Schriftsteller Christopher Weidner über die Illuminaten (HD, ca. 27 Min.)
- Audiokommentar mit Autor/Regisseur Hans-Christian Schmid, Autor Michael Gutmann sowie den Produzenten Jakob Claussen und Thomas Wöbke (von 2001)
- Gesprächsrunde über Karl Koch und "Illuminatus!" (von 2001 / ca. 18 Min.)
- EPK-Interviews mit Autor/Regisseur Hans-Christian Schmid sowie den Schauspielern August Diehl, Fabian Busch, Jan-Gregor Kremp und Dieter Landuris (ca. 15 Min.)
- Making-of Featurette (ca. 4 Min.)
- Hinter den Kulissen (ca. 4 Min.)
- Original Trailer (ca. 2 Min.)
Bemerkungen:
Limitiert auf 2323 Stück.
Zum 23-jährigen Jubiläum in der limitierten Mediabook-Edition mit partiellem Spotlack.
Erscheint voraussichtlich am 15.02.2024 noch einmal bei Turbine auf Blu-ray und DVD:
Extras:
- Wendecover
- Interviews mit Hauptdarsteller August Diehl (HD, ca. 13 Min.), Hans Heinrich Hübner, Hacker-Kollege von Karl Koch (HD, ca. 44 Min.) und Schriftsteller Christopher Weidner über die Illuminaten (HD, ca. 27 Min.)
- Audiokommentar mit Autor/Regisseur Hans-Christian Schmid, Autor Michael Gutmann sowie den Produzenten Jakob Claussen und Thomas Wöbke (von 2001)
- Gesprächsrunde über Karl Koch und Illuminatus! (von 2001 / ca. 18 Min.)
- EPK-Interviews mit Autor/Regisseur Hans-Christian Schmid sowie den Schauspielern August Diehl, Fabian Busch, Jan-Gregor Kremp und Dieter Landuris (ca. 15 Min.)
- Making-of Featurette (ca. 4 Min.)
- Hinter den Kulissen (ca. 4 Min.)
- Original Trailer (ca. 2 Min.)
Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)