Alle für Ella - Teresa Hoerl (2022)

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Salvatore Baccaro
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Alle für Ella - Teresa Hoerl (2022)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Alle für Ella

Produktionsland: Deutschland 2022

Regie: Teresa Hoerl

Cast: Lina Larissa Strahl, Safira Roben, Tijan Marei, Malene Becker, Lavinia Wilson, Gustav Schmidt, Marvin Peschel, Caro Daur


Teenagerin Ella hat einen Traum: Als Musikerin groß rauskommen. Zusammen mit ihren Freundinnen Anais, Cahide und Romy hat sie auch schon eine Band gegründet, die auf den vielsagenden Namen „Virginia Wolfpack“ hört. Wegen der englischen Schriftstellerin, wie die Mädels jemandem relativ zu Beginn des Films ALLE FÜR ELLA erklären – und offenbar deshalb, weil die aufstrebenden Künstlerinnen es genießen, sich zusammen in einen Kreis zu stellen, sich zu umarmen und ein durchdringendes Wölfinnengeheul anzustimmen. Ein Musikwettbewerb soll nach etlichen Stunden im stickigen Proberaumkeller den Erfolg bringen. Nur schläft die Konkurrenz nicht, und vor allem der unausstehlich dandyhafte Rapper AlfaMK verfügt über eine vielköpfige Fanbase, die es realistisch macht, dass er zum Sieger des Contests gewählt werden wird. AlfaMk wiederum heißt im bürgerlichen Leben Leon, und residiert in einer Stadtvilla. Seine Eltern haben mehr Asche als ein jahrelang nicht gereinigter Kamin, weshalb er sich in seinem Kinderzimmer kurzerhand ein eigenes Tonstudio hat einrichten können. Genau in dieses Tonstudio stolpert unsere Heldin Ella eines Tages. Ihre Familienumstände sind nämlich ganz anderer Art als die Leons: Ihre Mutter hat sie alleine großziehen müssen, nachdem ihr Erzeuger sich sanglos aus dem Staub machte, und hält sich seither mit Putzjobs mühsam über Wasser, um Ella und deren Bruder keine allzu prekäre Kindheit zu bescheren. Ella selbst jobbt ebenfalls, und zwar in der örtlichen Pizza, zuweilen greift sie auch ihrer Mutter unter die Arme, wenn die wegen dringender Termine ihre Säuberungssessions unterbrechen muss. Eine der Stammkundinnen von Ellas Mutter ist ausgerechnet Leons Mutter, weshalb es sich ergibt, dass Ella sich eines Tages mit Wischmopp allein in der Villa aufhält, und die Gelegenheit nutzt, das stattliche Anwesen zu erkunden – und nicht schlecht staunt, plötzlich in einem waschechten Soundstudio zu stehen. In der Abwesenheit des sie regelmäßig von oben herab bespöttelnden Leon klemmt sie sich hinter dessen Regler und singt ein paar Hooks ein, die ihr spontan in den Sinn kommen – solange jedenfalls, bis sie der verzogene Hausherr auf frischer Tat erwischt. Konsequenzen hat die Aktion für Ella erstmal nicht, zumindest dauert es eine Weile, bis sie ihre eigene Stimme in einem Song erkennt, den AlfaMK bei einer der Vorrunden des Musikcontest performt: Der Jüngling hat ohne ihre Erlaubnis einfach die Gesangsaufnahme in seinem neusten Track verwurstet! Weitere Komplikationen schließen sich an: Leon bekommt doch ein schlechtes Gewissen, als Ella ihm die Leviten liest, und will ihr im Gegenzug seine teuerste Gitarre schenken; Ellas Mutter entdeckt das luxuriöse Instrument und verlangt von Ella, das gute Stück sofort zu Leon zurückzubringen, und sich ja auf keine Deals mit ihm einzulassen, immerhin ist er der Sohn ihrer Arbeitgeberin. Währenddessen steht auch noch das Abi an, und Ellas Freundinnen eröffnen ihr, dass sie eigentlich nicht daran denken, ihre weitere Zukunft in ihrem Geburtskaff zu verbringen, und außerdem will ja trotz aller Turbulenzen auch noch der Bandwettbewerb gewonnen werden, und zwar im Endkampf gegen AlfaMK, von dem niemand wissen darf, dass Ella zu ihm inzwischen eine ambivalente Beziehung zwischen Feindschaft und zart knospender Liebe unterhält…

An der Oberfläche handelt es sich bei ALLE FÜR ELLA um einen Film, der sich die Diversität auf die Stirn hat tätowieren lassen: Ellas Freundinnenkreis setzen sich aus Angehörigen marginalisierter Gruppen zusammen – Anais ist dunkelhäutig; Cahide und Romy wiederum bilden ein lesbisches Pärchen –; ihr Bruder Torben, der die Band als ihr größter Fan begleitet, sitzt im Rollstuhl und scheint, was sein Make-Up und seinen Kleidungsstil angeht, mit der Gothic-Szene zumindest zu kokettieren; Ellas Mutter zählt definitiv nicht zur Oberschicht, sondern erwirtschaftet sich ihr kümmerliches Einkommen dadurch, dass sie für eine durchaus unsympathisch in Szene gesetzte High Society die Marmorflure wischt. Nur, zu welchem Zweck würfelt der Film dieses wie am Reißbrett entworfene Ensemble schließlich zusammen? Zu nichts anderem, als um uns die x-te Variante einer typischen Aschenputtel-und-der-Prinz-Liebesmär aufzutischen, bei der ich mich angesichts der Geschlechterverhältnisse zwischen "Traumpaar" Ella und Leon zuweilen regelrecht zusammengekrümmt habe. Was Ella an dem arroganten Bengel findet, erschloss sich mir jedenfalls bis zum Schluss nicht. Leon verhält sich Ella gegenüber nicht nur eindeutig übergriffig – „Höhepunkt“ in dieser Hinsicht ist eine Szene, in der er sie verächtlich macht, während sie halbnackt vor ihm steht, und quasi dreifach vulnerabel ist: als Frau, als Putzhilfe, und dann eben auch noch mit einer Schicht Klamotten zu wenig –, er lässt zu jeder Gelegenheit heraushängen, was für ein Arschloch das Kapital aus ihm gemacht hat, benutzt Gesangsaufnahmen, die nicht seine sind, unbedenklich, um die eigenen Songs zu pushen, verhöhnt Ella vor ihren Freundinnen, obwohl sie sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon ein bisschen angenähert haben, wirkt im Endeffekt auch kaum glaubwürdig, wenn er im letzten Akt des Streifens plötzlich, wie geläutert durch Ellas hingebungsvolle Liebe, vom Bad Boy zum Lamm mutiert. Wobei das Auffälligste ist, dass ALLES FÜR ELLA dieses, sagen wir, veraltete Liebeskonzept – Ella als sich förmlich anbiedernde, duckmäuserische, romantisch becircte Frau, deren Hingabe und Romantik den kaltherzigen Mann letztendlich zum Erweichen bringt – kaum einmal explizit problematisiert: Innerhalb des, wie gesagt, fast schon generisch diversen Personenensembles platziert ALLE FÜR ELLA eine Love Story, die exakt so auch vor fünfzig, vor hundert, vor zweihundert Jahren hätte erzählt werden können.

Was nicht heißen soll, dass der Film mich nicht doch unterhalten hätten. Es gibt durchaus zart-surreale Momente, die wahrscheinlich nicht so intendiert waren: Wenn Ella zum Beispiel spontan zur Gitarre greift und ein Lied anstimmt, und dieses dann auf der Tonspur förmlich in Autotune ertränkt, als sei ein Soundbearbeitungsprogramm in ihrer Kehle installiert; oder wenn sich beim Grande Finale, als Ella auf offener Bühne eine rührende Liebeserklärung an ihre Freundinnen intoniert, völlig unvermittelt und quasi in Sekundenschnelle ihre Mutter und ihr kürzlich von seiner Frau verlassene Musiklehrer ineinander verknallen. Aber insgesamt wundere ich mich doch schon, was für ein Bataillon an Fördermittel dieser Film abgreifen durfte, - zumal allein die Verpflichtung von Ex-Bibi-Blocksberg Lina Larissa Strahl als Hauptdarstellerin doch wohl sowieso volle Kinokassen versprochen hätte. Auf der Wikipedia heißt es hierzu: „Der Film wurde produktionsgefördert vom FilmFernsehFonds Bayern, der Mitteldeutschen Medienförderung, Nordmedia, der Filmförderungsanstalt, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Deutschen Filmförderfonds.“ Ehrlich gesagt würden mir dann doch ein paar Leute und Projekte einfallen, die selbst einen Bruchteil dieser Finanzspritzen mehr verdient hätten als dieser sich einerseits komplett woke gebende und andererseits total reaktionäre Jugendstreifen, dessen musikalische Untermalung zwischen triefenden Pianoballaden und plakativem Pop Rap nun wirklich auch nichts, was ich mir privat freiwillig anhören würde. Die Jury der Deutschen Film- und Medienbewertung sieht das indes anders. Ebenfalls auf Wikipedia kann man lesen, dass diese ALLE FÜR ELLA mit dem Prädikat „wertvoll“ ausgezeichnet hat. Begründung: Die Bild-, Farb- und Lichtgestaltung sowie herausragender Sound und gute Montage. Ich fand die Inszenierung ja eher formelhaft nach dem kleinen ABC des konventionellen Filmemachens, aber, puh, vielleicht sollte ich, wie der Schuster bei seinen Leisten, besser bei meinen Fredas, Margheritis und Paolellas bleiben. In deren Zeit gab es immerhin noch keinen Autotune-Rap.
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Re: Alle für Ella - Teresa Hoerl (2022)

Beitrag von buxtebrawler »

Danke für deine Kritik, Salvatore! Und, ja...
Salvatore Baccaro hat geschrieben: Do 9. Feb 2023, 15:56 Autotune-Rap
...ist wahrlich die schlimmste musikalische Seuche, schlimmer noch gar als '90er-Dancefloor :rambo:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Salvatore Baccaro
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Re: Alle für Ella - Teresa Hoerl (2022)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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