Angst essen Seele auf - Rainer W. Fassbinder (1974)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Angst essen Seele auf - Rainer W. Fassbinder (1974)

Beitrag von jogiwan »

Angst essen Seele auf

Bild

Originaltitel: Angst essen Seele auf

Alternativtitel: Fear eats the Soul

Herstellungsland: Deutschland / 1974

Regie: Rainer Werner Fassbinder

Darsteller: Brigitte Mira, El Hedi ben Salem, Barbara Valentin, Irm Hermann, Elma Karlowa

Story:

Emi ist eine bescheidene und dennoch herzensgute Witwe, die als Putzfrau arbeitet und eines Tages in einer Gastarbeiterkneipe vor dem Regen Zuflucht sucht. Dort lernt sie den wesentlich jüngeren Marokkaner Ali kennen, der ebenso wie die vereinsamte Frau auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit zu sein scheint. Die Beiden verstehen einander und wenig später sind sie zum Missfallen ihrer Umgebung ein Paar. Eine Deutsche, die mit einem Gastarbeiter eine Affäre hat und diesen sogar ehelicht, ist im sittenstrengen und biederen Deutschland der Siebziger jedoch ein gröberer Skandal und wenig später schlägt den Beiden auch die Abneigung, Neid und Hass ganz unverblümt ins Gesicht. Doch Emi versucht stark zu bleiben und ignoriert das Unverständnis ihrer Kinder, die Feinseligkeit der Nachbarn und das ständige Getuschel, dass das Paar begleitet. Monate später scheint man sich an das Paar gewöhnt zu haben und ein friedlicherer Alltag kehrt ein, als Ali sich zunehmend fremdbestimmt und unverstanden fühlt und die Liebe zwischen den ungleichen Partnern neuerlich hart auf die Probe gestellt wird.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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jogiwan
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Re: Angst essen Seele auf - Rainer W. Fassbinder (1974)

Beitrag von jogiwan »

„Angst essen Seele auf“ ist ja nicht nur einer von Fassbinders bekanntesten Filmen, sondern auch ein Streifen, der in seiner Thematik der sozialen Ausgrenzung und Unterdrückung leider noch immer aktuell ist. Hier geht es um eine Liebe zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Gastarbeiter, die dennoch gegen alle Widrigkeiten und Anfeindungen Bestand hat. Die Vorurteile, Abneigung und Ressentiments gegenüber fremden Kulturen und anderen Randgruppen scheinen sich dabei in vierzig Jahren wenig geändert zu haben und wenn die Putzfrauen ganz offen unter sich über „die dreckigen Fremden, die Frauen vergewaltigen und von unserem Geld leben“ reden, dann unterscheidet sich das im Grunde wenig von den Dingen, die heutzutage von bestimmten Gruppen in sozialen Medien verbreitet werden oder an manchen Stammtischen diskutiert wird. Dabei verzichtet Fassbinder aber zugunsten eines fast schon dokumentarischen und nüchternen Stils auf eine Wertung oder den moralischen Zeigefinger und spricht mit seinen beiden vielschichtigen Hauptfiguren auch andere Probleme und Ursachen an, die das Glück von innen bedrohen. Eine weitere Besonderheit an „Angst essen Seele auf“ ist auch die Tatsache, dass nahezu der gesamte Verlauf des Streifens bereits vier Jahre zuvor in einer Szene in dem Streifen „Der amerikanische Soldat“ von einer Darstellerin erzählt wird, auch wenn das bittere Ende der damaligen Erzählung dem Zuschauer hier wenigstens erspart bleibt. Aber auch ohne ist „Angst essen Seele auf“ ein beklemmendes und betroffen machendes Zeugnis kleinbürgerlicher Befindlichkeiten, an denen sich trotz vierzig Jahren Wohlstand und Fortschritt wenig geändert zu haben scheint.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Die Kroete
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Re: Angst essen Seele auf - Rainer W. Fassbinder (1974)

Beitrag von Die Kroete »

Ich bin geneigt zu behaupten, Fassbinder würde heutzutage ganz andere Filme drehen.
Er war nämlich alles andere als politisch Korrekt. Würde man erst heute "Angst essen Seele auf" drehen,
täte kein Mensch mehr an solch einem Thema Anstoß nehmen. Der Film würde vermutlich in der Masse des
gleichgeschalteten EU-Universums untergehen. Damals waren weder die machthabenden Politiker, noch die Medien oder die spießigen Kleinbürger von Multi-Kulti und Weltbürgertum überzeugt. Somit konnte Fassbinder in deren verhölzernden Köpfe eine Kerbe schlagen.
Übrigens bewieß er hier mit seiner, mehr als überzeugenden, Darstellung des Schwiegersohns Eugen, daß er auch als Schaupieler genial war.
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Salvatore Baccaro
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Re: Angst essen Seele auf - Rainer W. Fassbinder (1974)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Fassbinder war ja erklärter Fan des Regisseurs Detlef Sierk, der sich nach der Emigration gen Hollywood Douglas Sirk nannte, und in ANGST ESSEN SEELE AUF vermengt er gleich Storyelemente aus zwei von dessen besten Filmen, nämlich, was die gesellschaftlich geächtete Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann angeht, ALL THAT HEAVEN ALLOWS (1955) sowie, was die Rassenthematik angeht, IMITATION OF LIFE (1959), die ich hiermit beide jedem, der der Geschichte um Ali etwas abgewinnen konnte, wärmstens empfehle = Hollywood-Melodramatik auf höchstem Niveau.
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