Auf Scheißer schießt man nicht - Hans Jürgen Pohland (1969)

Moderator: jogiwan

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sid.vicious
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Auf Scheißer schießt man nicht - Hans Jürgen Pohland (1969)

Beitrag von sid.vicious »

Regie, Produktion und Drehbuch: Hans Jürgen Pohland
Kamera: Petrus Schloemp
Musik: Edgar Froese
Darsteller: Jan George, Claudia Bremer, Nikolaus Dutsch, Edgar Froese, Ini Assmann, F.J. Gottlieb, Ingrid van Bergen, u.a.
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Große Klappe, schnelle Autos und krumme Geschäfte: Jan und seine Freunde leben in einer Kommune auf einem Hausboot. »Nicht ankommen und sich treiben lassen« ist ihr Motto. Das Establishment wird abgelehnt und mit kleineren Gaunereien hält man sich gemeinsam über Wasser. Als die junge Studienabbrecherin Claudia auf das Hausboot kommt und die Männer zu einem großen Coup anstachelt, gerät alles außer Kontrolle.
(Quelle: https://www.deutsche-kinemathek.de/de/2 ... %20%2B0100)

Einen Film mit solch prächtiger Firmierung, den muss man einfach mal geschaut haben. Und wer sich zu diesem erlesenen Kreis zählen darf, der darf nach meinem Dafürhalten auch gleich nach Herzenslust losinterpretieren. Hansjürgen Pohlands Film ist nämlich frei nach Schnauze entstanden. Nichts weißt auf ein Drehbuch hin, das für einen halbwegs koordinierten Ablauf hätte zeugen können. Wahrscheinlich hieß es vornehmlich „Mach einfach mal was“. Was in einer BRD des Jahres 1969 nicht wirklich ungewöhnlich ist. Und ja, ich musste hin und wieder nebst der Kommune 1 auch an die Kommunarden von AMON DÜÜL denken, die ja auch ziemlich planlos drauflos musizierten (gemeint sind AMON DÜÜL Eins!). Genannte Kommunarden lassen mich wiederum an die erste RAF-Generation denken, da sich der Andy mal bei den DÜÜLs aufhielt und by the way Peter Leopold zwei Hosen stibitzte.

Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein legten im Frühjahr 1968 die oft zitierten Kaufhausbrände. Der Prozess begann am 14. Oktober 1968, und der Habitus der Angeklagten (Gerichtsverhandlung) könnte Pohland für eine befremdliche, kuriose, paradoxe (suche dir das schickste Wort aus und multipliziere es mit 10.000) Befreiung seiner Filmhauptfiguren (dito während einer Gerichtsverhandlung) inspiriert haben. Alter, du musst es einfach gesehen haben! Ich kann diese Szene (die bei mir gleichermaßen Kopfschütteln wie Lachflash aktivierte) nicht beschreiben.

Gescheiterte Charakterisierung hin – gescheiterte Charakterisierung her, erfolgreiche Befreiung hin – erfolgreiche Befreiung her - Pohland ist so oder so im 68er Modus unterwegs. Seine Antihelden sind mehr oder minder gut gelaunte Loser, die mittels krummer Dinger überlebensnotwendiges Kleingeld einfahren wollen. Das geht freilich immerzu in die Hose. In diesem Kontext sackt Edgar Froese den Oberknuffel ein. Und der Gründer wie das Mastermind von TANGERINE DREAM verhilft dem Film nach ca. 5 befremdlichen Minuten auch zu seinem poetischen Titel. Edgar Froese gehört, wie fast alle beteiligten Mimen (Vorsicht, denn es gibt tatsächlich wenige Ausnahmen), der Riege Laiendarsteller an - und genauso agiert die Truppe auch.

Die Synchro entstand im Studio (?). Klar plapperten die Darsteller/innen als die Kamera lief. Doch um dem Ganzen mehr Professionalität (Echt? Noch mehr Professionalität?) zu verabreichen, musste das Dialogbuch im Studio (oder im Wohnzimmer vom Pohland?) eingesprochen werden. Steigen wir jetzt aus? Quatsch, ich blieb definitiv am Ball, verfolgte die Filmabläufe und entlohne das Gesehene wie Gehörte mit herzlichen Lachern. Am Ende habe ich gar applaudiert, da ich diesen Murks irgendwie total geil fand.
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Nello Pazzafini
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Re: Auf Scheißer schießt man nicht - Hans Jürgen Pohland (1969)

Beitrag von Nello Pazzafini »

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"Ein Grab im K-Gebiet wünscht dir Dein Ugo"
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Reinifilm
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Re: Auf Scheißer schießt man nicht - Hans Jürgen Pohland (1969)

Beitrag von Reinifilm »

Nello Pazzafini hat geschrieben: Mi 18. Dez 2024, 20:58 IMG_0448.jpeg
Auf dem Foto sieht er auch ein bisschen aus, als wäre er gerade am schxxßen… :kicher:
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